Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 93/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 324/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.06.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Antragsgegnerin (Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie für Unterkunft und Heizung (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorläufig zu erbringen hat.
Der 1949 geborene Antragsteller (ASt) bewohnt eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 75 qm. Die Miete beträgt monatlich 469,00 EUR brutto (345,00 EUR netto). Der Kläger ist Eigentümer von Gewerbeimmobilien, die unter Zwangsverwaltung stehen. Er ist privat kranken- und pflegeversichert; an monatlichen Beiträgen sind 629,22 EUR bzw. 32,08 EUR zu zahlen.
Der ASt beantragte am 13.12.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und die Zuschussgewährung zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung bei Befreiung von der Versicherungspflicht.
Die Ag wies den ASt darauf hin, dass sich unter Berücksichtigung der zu zahlenden Miete, die die Mietobergrenze von 288,00 EUR übersteige, und der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung ein tatsächlicher Bedarf von insgesamt 1.500,30 EUR errechne. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestünde dagegen nur in Höhe von 797,87 EUR. Sie forderte den ASt auf, das zur Deckung des Fehlbetrages von monatlich 702,43 EUR vorhandene Einkommen nachzuweisen, da es sich bei dem Alg II nicht um eine Zuschussleistung, sondern um eine Leistung zur Existenzsicherung handele.
Hierzu übersandte der ASt gleichlautende Erklärungen seiner Bekannten J. B. und A. W. , jeweils unterzeichnet am 25.01.2005, nach denen diese bestätigten, dass sie den ASt finanziell unterstützen würden. Die Höhe der Unterstützung richte sich danach, wie hoch der Bedarf des ASt im Verhältnis zum ausbezahlten Alg II sei, d.h. zur Abdeckung der nicht gedeckten Kosten (Krankenkasse und Miete) und für Lebensmittel. Weiter heißt es, dass die bezahlten Beträge als Darlehen ausgezahlt würden, wobei die Erklärenden das Darlehen im Moment unbefristet gestellt hätten.
Auf Nachfragen des Außendienstes der Ag bei J. B. gab dieser am 01.02.2005 an, dass er den ASt monatlich mit "ein paar hundert Euro" unterstütze. Rückzahlungsmodalitäten gebe es keine. Das Darlehen stünde zur Verfügung, bis der ASt wieder über Einnahmen verfüge.
Den Antrag lehnte die Ag mit Bescheid vom 03.02.2005 ab. Der ASt sei nicht hilfebedürftig, da die Darlehen der Bekannten als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen seien. Nach Anrechnung verbleibe zwar noch ein Bedarf von 95,44 EUR. Allerdings werde vorausgesetzt, dass auch dieser Betrag von den Bekannten übernommen werde.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs führte der ASt aus, dass die Darlehen nicht als Einkommen anzusehen seien, da er zur Rückzahlung der Darlehen verpflichtet sei. Die monatlichen Zahlungen, die er von seinen Bekannten erhalte, seien betragsmäßig nicht festgelegt, da bei Abgabe der Erklärungen die Höhe der SGB II-Leistungen noch nicht bekannt gewesen sei. Die Erklärungen seien jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Bedarf in Höhe von 1.500,00 EUR monatlich abgedeckt werde. In der Vergangenheit habe er versucht, seinen Bedarf an seine finanziellen Verhältnisse anzupassen, indem er im August 2003 in eine kleinere Wohnung umgezogen sei. Die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung seien von der Sozialhilfe übernommen worden.
Die Ag wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.03.2005). An der Hilfebedürftigkeit des ASt bestünden erhebliche Zweifel, da dieser nicht plausibel habe nachweisen können, auf welche Weise er die von den Grundsicherungsleistungen nicht gedeckten Aufwendungen aus zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln bestreite. Den Erklärungen der Bekannten des ASt sei zu entnehmen, dass der ASt laufend Beträge zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erhalte. Diese in unbekannter Höhe geleisteten Zahlungen seien als Einkommen zu berücksichtigen.
Dagegen hat der ASt am 24.03.2005 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Zahlungen seiner Bekannten stünden der Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Nach Nennung des SGB II-Leistungsbetrages könne er geänderte Erklärungen seiner Bekannten beibringen, die die von diesen zu zahlenden Beträge konkret bezifferten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.06.2005 hat der ASt neben Kontoauszügen auch Aufstellungen über seine monatlichen Ausgaben (einschl. Lebensunterhalt, Miete, Krankenversicherung) und über die Beträge, die er aus "Freundschaftsdienst" monatlich erhalten habe, übergeben. Danach habe er im Monat Januar 2005 Ausgaben in Höhe von 773,99 EUR gehabt und aus Freundschaftsdienst 770,00 EUR erhalten (Februar: 1.512,69 EUR Ausgaben / 1.530,00 EUR Freundschaftsdienst, März: 1.695,87 EUR / 1.875,00 EUR, April: 1.013,77 EUR / 1.000,00 EUR, Mai: 2.140,21 EUR / 2.070,00 EUR, Juni: 850,16 EUR / 835,00 EUR).
Mit Urteil vom 07.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Mit der Ag sei davon auszugehen, dass der ASt über Einkommen in unbekannter Höhe verfüge. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass ein Darlehen weder betragsmäßig beziffert noch in der Laufzeit begrenzt noch mit der Vereinbarung irgendeiner Verzinsung abgeschlossen werde. Es dränge sich daher der Verdacht auf, dass es sich bei diesen Leistungen um verlorene Zuschüsse zum Lebensunterhalt handele. Leistungen könne der ASt von der Ag aber auch dann nicht verlangen, wenn er die Zuwendungen auf Grund von Darlehen erhalten würde. Es sei nicht Sinn steuerfinanzierter Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, einen durch zusätzliche Darlehen ermöglichten Lebensstandard von etwa der doppelten Höhe dessen eines SGB II-Leistungsempfängers aufrecht zu erhalten. Wer unter diesen Voraussetzungen solche Leistungen beanspruche, handele rechtsmissbräuchlich. Darüber hinaus käme nur eine darlehensweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in Betracht, denn der ASt habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, aus der Verwertung seiner Gewerbeimmobilien seine Darlehensgeber befriedigen zu wollen. Für eine darlehensweise Leistungsgewährung bestehe aber kein Bedarf, wenn der ASt diese Darlehen bereits zinslos von dritter Seite erhalte. Gegen das Urteil des SG vom 07.06.2005 hat der ASt am 11.07.2005 Berufung eingelegt.
Mit Antrag vom 22.04.2005 hat der ASt beim SG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehrt. Seit dem 01.01.2005 sei er ohne Einkommen. Lediglich von privater Seite werde der Differenzbetrag zu den zu erwartenden Leistungen nach dem SGB II zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag reiche jedoch gerade für den täglichen Unterhalt aus. Er sei daher mit der Zahlung der Miete in Rückstand geraten und es drohe die fristlose Kündigung.
Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG mit Beschluss vom 21.06.2005 abgelehnt. Ein Anordnungsgrund bestehe nicht, weil der ASt von dritter Seite unverzinsliche Darlehen in unbegrenzter Höhe zur Sicherung seines Lebensunterhaltes erhalte. Unter Verweis auf das Urteil vom 07.06.2005 sei ein Anordnungsanspruch zu verneinen.
Hiergegen hat der ASt am 30.06.2005 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die für das Antragsverfahren vorausgesetzte Eilbedürftigkeit ergebe sich aus seinen Darlegungen und der damit einhergehenden finanziellen Notlage. Er habe seine Hilfebedürftigkeit durch vollständige Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen dargelegt und erklärt, dass er wegen der Aufrechterhaltung seiner privaten Krankenversicherung Unterstützung von Bekannten in Form von Darlehen erhalte. Ein Umzug aus der Wohnung sei ihm nicht zuzumuten. Die Notwendigkeit des Verbleibs in der privaten Krankenversicherung sei anzuerkennen, weil der Übertritt in die gesetzliche Krankenversicherung ebenfalls unzumutbar sei. Die Gewerbeimmobilien seien auf Grund der Zwangsverwaltung wirtschaftlich nicht verwertbar und mit den Wert übersteigenden Grundsicherheiten belastet.
Der ASt beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.06.2005 aufzuheben und der Ag im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem ASt bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu gewähren.
Die Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 07.06.2005.
Der Senat hat die Akten der Ag und des SG zu den Verfahren S 19 AS 93/05 ER und S 19 AS 61/05 beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und auf die Akten des BayLSG Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das Sozialgericht hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Vornahmesachen ist § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des ASt vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Vorliegend handelt es sich um eine Regelungsanordnung, denn der ASt begehrt die vorläufige Gewährung von Leistungen.
Eine Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist), als auch einen Anordnunganspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG, 920 Abs 2, 294 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Der ASt hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Durchsetzung seines Begehrens eilbedüftig ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen für abgelaufene Zeiträume nicht im Wege des Eilverfahrens geltend gemacht werden können. Der ASt erhält zudem seit Beginn des hier streitigen Bewilligungszeitraums Zuwendungen seiner Bekannten, die seinen tatsächlichen Bedarf an Aufwendungen für Lebensunterhalt, Wohnkosten und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung entweder annähernd abdecken oder sogar übersteigen. Auf die Aufstellung des ASt über die Ausgaben für die Monate Januar bis Juni 2005 und Gegenüberstellung der Zuwendungen aus "Freundschaftsdienst" wird Bezug genommen.
Aber auch was künftige Leistungen anbetrifft, fehlt es an einem Anordnungsgrund. Aus den Angaben des J. B. gegenüber dem Außendienst der Ag ist zu folgern, dass die Zuwendungen aus "Freundschaftsdienst" dem ASt weiter zu Verfügung stehen. Demnach ist davon auszugehen, dass auch ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nur das Existenzminimum des ASt, sondern auch der Bedarf nach SGB II gedeckt ist. Die Dringlichkeit einer Regelungsanordnung besteht daher nicht, und es ist dem ASt zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Im Übrigen fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch bzw. an dessen Glaubhaftmachung. Nach den im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten hat der ASt keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 19 ff SGB II, da er nicht hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und seine Eingliederung in Arbeit nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (vgl. § 9 Abs 1 SGB II). Zwar hält der ASt daran fest, dass die laufenden Zuwendungen der Bekannten als Darlehen erbracht werden und daher nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 SGB II anzusehen sind. Gegen das Vorliegen von Darlehensverpflichtungen spricht allerdings das Fehlen der Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung. Insofern - und auch zur Bedarfsberechnung - wird auf die Entscheidungsgründe des SG im Urteil 07.06.2005 Bezug genommen. Insbesondere die Angaben des J. B. am 01.02.2005 lassen eine konkretisierbare Rückzahlungsverpflichtung nicht erkennen ("Rückzahlungsmodalitäten gebe es keine"). Neben der Anrechnung der Zuwendungen wird im Berufungsverfahren auch abschließend über die Frage zu entscheiden sein, ob verwertbares Vermögen vorhanden ist. So ist bisher rechtlich und tatsächlich ungeklärt, inwieweit die Zwangsverwaltung der Gewerbeimmobilien des ASt einer Verwertung entgegensteht oder Erträge erzielt werden.
Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob die Antragsgegnerin (Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie für Unterkunft und Heizung (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorläufig zu erbringen hat.
Der 1949 geborene Antragsteller (ASt) bewohnt eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 75 qm. Die Miete beträgt monatlich 469,00 EUR brutto (345,00 EUR netto). Der Kläger ist Eigentümer von Gewerbeimmobilien, die unter Zwangsverwaltung stehen. Er ist privat kranken- und pflegeversichert; an monatlichen Beiträgen sind 629,22 EUR bzw. 32,08 EUR zu zahlen.
Der ASt beantragte am 13.12.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und die Zuschussgewährung zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung bei Befreiung von der Versicherungspflicht.
Die Ag wies den ASt darauf hin, dass sich unter Berücksichtigung der zu zahlenden Miete, die die Mietobergrenze von 288,00 EUR übersteige, und der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung ein tatsächlicher Bedarf von insgesamt 1.500,30 EUR errechne. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestünde dagegen nur in Höhe von 797,87 EUR. Sie forderte den ASt auf, das zur Deckung des Fehlbetrages von monatlich 702,43 EUR vorhandene Einkommen nachzuweisen, da es sich bei dem Alg II nicht um eine Zuschussleistung, sondern um eine Leistung zur Existenzsicherung handele.
Hierzu übersandte der ASt gleichlautende Erklärungen seiner Bekannten J. B. und A. W. , jeweils unterzeichnet am 25.01.2005, nach denen diese bestätigten, dass sie den ASt finanziell unterstützen würden. Die Höhe der Unterstützung richte sich danach, wie hoch der Bedarf des ASt im Verhältnis zum ausbezahlten Alg II sei, d.h. zur Abdeckung der nicht gedeckten Kosten (Krankenkasse und Miete) und für Lebensmittel. Weiter heißt es, dass die bezahlten Beträge als Darlehen ausgezahlt würden, wobei die Erklärenden das Darlehen im Moment unbefristet gestellt hätten.
Auf Nachfragen des Außendienstes der Ag bei J. B. gab dieser am 01.02.2005 an, dass er den ASt monatlich mit "ein paar hundert Euro" unterstütze. Rückzahlungsmodalitäten gebe es keine. Das Darlehen stünde zur Verfügung, bis der ASt wieder über Einnahmen verfüge.
Den Antrag lehnte die Ag mit Bescheid vom 03.02.2005 ab. Der ASt sei nicht hilfebedürftig, da die Darlehen der Bekannten als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen seien. Nach Anrechnung verbleibe zwar noch ein Bedarf von 95,44 EUR. Allerdings werde vorausgesetzt, dass auch dieser Betrag von den Bekannten übernommen werde.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs führte der ASt aus, dass die Darlehen nicht als Einkommen anzusehen seien, da er zur Rückzahlung der Darlehen verpflichtet sei. Die monatlichen Zahlungen, die er von seinen Bekannten erhalte, seien betragsmäßig nicht festgelegt, da bei Abgabe der Erklärungen die Höhe der SGB II-Leistungen noch nicht bekannt gewesen sei. Die Erklärungen seien jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Bedarf in Höhe von 1.500,00 EUR monatlich abgedeckt werde. In der Vergangenheit habe er versucht, seinen Bedarf an seine finanziellen Verhältnisse anzupassen, indem er im August 2003 in eine kleinere Wohnung umgezogen sei. Die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung seien von der Sozialhilfe übernommen worden.
Die Ag wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.03.2005). An der Hilfebedürftigkeit des ASt bestünden erhebliche Zweifel, da dieser nicht plausibel habe nachweisen können, auf welche Weise er die von den Grundsicherungsleistungen nicht gedeckten Aufwendungen aus zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln bestreite. Den Erklärungen der Bekannten des ASt sei zu entnehmen, dass der ASt laufend Beträge zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erhalte. Diese in unbekannter Höhe geleisteten Zahlungen seien als Einkommen zu berücksichtigen.
Dagegen hat der ASt am 24.03.2005 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Zahlungen seiner Bekannten stünden der Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Nach Nennung des SGB II-Leistungsbetrages könne er geänderte Erklärungen seiner Bekannten beibringen, die die von diesen zu zahlenden Beträge konkret bezifferten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.06.2005 hat der ASt neben Kontoauszügen auch Aufstellungen über seine monatlichen Ausgaben (einschl. Lebensunterhalt, Miete, Krankenversicherung) und über die Beträge, die er aus "Freundschaftsdienst" monatlich erhalten habe, übergeben. Danach habe er im Monat Januar 2005 Ausgaben in Höhe von 773,99 EUR gehabt und aus Freundschaftsdienst 770,00 EUR erhalten (Februar: 1.512,69 EUR Ausgaben / 1.530,00 EUR Freundschaftsdienst, März: 1.695,87 EUR / 1.875,00 EUR, April: 1.013,77 EUR / 1.000,00 EUR, Mai: 2.140,21 EUR / 2.070,00 EUR, Juni: 850,16 EUR / 835,00 EUR).
Mit Urteil vom 07.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Mit der Ag sei davon auszugehen, dass der ASt über Einkommen in unbekannter Höhe verfüge. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass ein Darlehen weder betragsmäßig beziffert noch in der Laufzeit begrenzt noch mit der Vereinbarung irgendeiner Verzinsung abgeschlossen werde. Es dränge sich daher der Verdacht auf, dass es sich bei diesen Leistungen um verlorene Zuschüsse zum Lebensunterhalt handele. Leistungen könne der ASt von der Ag aber auch dann nicht verlangen, wenn er die Zuwendungen auf Grund von Darlehen erhalten würde. Es sei nicht Sinn steuerfinanzierter Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, einen durch zusätzliche Darlehen ermöglichten Lebensstandard von etwa der doppelten Höhe dessen eines SGB II-Leistungsempfängers aufrecht zu erhalten. Wer unter diesen Voraussetzungen solche Leistungen beanspruche, handele rechtsmissbräuchlich. Darüber hinaus käme nur eine darlehensweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in Betracht, denn der ASt habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, aus der Verwertung seiner Gewerbeimmobilien seine Darlehensgeber befriedigen zu wollen. Für eine darlehensweise Leistungsgewährung bestehe aber kein Bedarf, wenn der ASt diese Darlehen bereits zinslos von dritter Seite erhalte. Gegen das Urteil des SG vom 07.06.2005 hat der ASt am 11.07.2005 Berufung eingelegt.
Mit Antrag vom 22.04.2005 hat der ASt beim SG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehrt. Seit dem 01.01.2005 sei er ohne Einkommen. Lediglich von privater Seite werde der Differenzbetrag zu den zu erwartenden Leistungen nach dem SGB II zur Verfügung gestellt. Dieser Betrag reiche jedoch gerade für den täglichen Unterhalt aus. Er sei daher mit der Zahlung der Miete in Rückstand geraten und es drohe die fristlose Kündigung.
Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG mit Beschluss vom 21.06.2005 abgelehnt. Ein Anordnungsgrund bestehe nicht, weil der ASt von dritter Seite unverzinsliche Darlehen in unbegrenzter Höhe zur Sicherung seines Lebensunterhaltes erhalte. Unter Verweis auf das Urteil vom 07.06.2005 sei ein Anordnungsanspruch zu verneinen.
Hiergegen hat der ASt am 30.06.2005 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die für das Antragsverfahren vorausgesetzte Eilbedürftigkeit ergebe sich aus seinen Darlegungen und der damit einhergehenden finanziellen Notlage. Er habe seine Hilfebedürftigkeit durch vollständige Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen dargelegt und erklärt, dass er wegen der Aufrechterhaltung seiner privaten Krankenversicherung Unterstützung von Bekannten in Form von Darlehen erhalte. Ein Umzug aus der Wohnung sei ihm nicht zuzumuten. Die Notwendigkeit des Verbleibs in der privaten Krankenversicherung sei anzuerkennen, weil der Übertritt in die gesetzliche Krankenversicherung ebenfalls unzumutbar sei. Die Gewerbeimmobilien seien auf Grund der Zwangsverwaltung wirtschaftlich nicht verwertbar und mit den Wert übersteigenden Grundsicherheiten belastet.
Der ASt beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.06.2005 aufzuheben und der Ag im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem ASt bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu gewähren.
Die Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 07.06.2005.
Der Senat hat die Akten der Ag und des SG zu den Verfahren S 19 AS 93/05 ER und S 19 AS 61/05 beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und auf die Akten des BayLSG Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das Sozialgericht hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Vornahmesachen ist § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des ASt vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Vorliegend handelt es sich um eine Regelungsanordnung, denn der ASt begehrt die vorläufige Gewährung von Leistungen.
Eine Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist), als auch einen Anordnunganspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG, 920 Abs 2, 294 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Der ASt hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Durchsetzung seines Begehrens eilbedüftig ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen für abgelaufene Zeiträume nicht im Wege des Eilverfahrens geltend gemacht werden können. Der ASt erhält zudem seit Beginn des hier streitigen Bewilligungszeitraums Zuwendungen seiner Bekannten, die seinen tatsächlichen Bedarf an Aufwendungen für Lebensunterhalt, Wohnkosten und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung entweder annähernd abdecken oder sogar übersteigen. Auf die Aufstellung des ASt über die Ausgaben für die Monate Januar bis Juni 2005 und Gegenüberstellung der Zuwendungen aus "Freundschaftsdienst" wird Bezug genommen.
Aber auch was künftige Leistungen anbetrifft, fehlt es an einem Anordnungsgrund. Aus den Angaben des J. B. gegenüber dem Außendienst der Ag ist zu folgern, dass die Zuwendungen aus "Freundschaftsdienst" dem ASt weiter zu Verfügung stehen. Demnach ist davon auszugehen, dass auch ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nur das Existenzminimum des ASt, sondern auch der Bedarf nach SGB II gedeckt ist. Die Dringlichkeit einer Regelungsanordnung besteht daher nicht, und es ist dem ASt zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Im Übrigen fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch bzw. an dessen Glaubhaftmachung. Nach den im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten hat der ASt keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 19 ff SGB II, da er nicht hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und seine Eingliederung in Arbeit nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (vgl. § 9 Abs 1 SGB II). Zwar hält der ASt daran fest, dass die laufenden Zuwendungen der Bekannten als Darlehen erbracht werden und daher nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 SGB II anzusehen sind. Gegen das Vorliegen von Darlehensverpflichtungen spricht allerdings das Fehlen der Vereinbarung einer Rückzahlungsverpflichtung. Insofern - und auch zur Bedarfsberechnung - wird auf die Entscheidungsgründe des SG im Urteil 07.06.2005 Bezug genommen. Insbesondere die Angaben des J. B. am 01.02.2005 lassen eine konkretisierbare Rückzahlungsverpflichtung nicht erkennen ("Rückzahlungsmodalitäten gebe es keine"). Neben der Anrechnung der Zuwendungen wird im Berufungsverfahren auch abschließend über die Frage zu entscheiden sein, ob verwertbares Vermögen vorhanden ist. So ist bisher rechtlich und tatsächlich ungeklärt, inwieweit die Zwangsverwaltung der Gewerbeimmobilien des ASt einer Verwertung entgegensteht oder Erträge erzielt werden.
Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved