L 4 B 395/05 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 KR 154/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 395/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Rechstreit wird, soweit er die soziale Pflegeversicherung betrifft abgetrennt und dem hierfür zuständigen Senat zugeleitet.
II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 21. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1956 geborene und bei der Antragsgegnerin freiwillig versicherte Antragsteller, von Beruf Raummausstatter, ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, deren Gegenstand der Betrieb einer Zimmerei und Akustikdeckenbau ist. Die Gesellschaft beschäftigt drei Arbeitnehmer (Erhebungsbogen der Antragsgegnerin vom 14.10.2003).

Am 28.02.2002 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin, die freiwillige Krankenversicherung zum ermäßigten Beitrag weiter zu führen. Mit Bescheid vom 04.03.2005 wurde der Antragsteller ab 01.03.2005 ohne Anspruch auf Krankengeld freiwillig versichert, in der Krankenversicherung zu einem Beitrag von 461,78 Euro und in der sozialen Pflegeversicherung von 59,92 Euro (Gesamtbeitrag 521,70 Euro). Aufgrund des vom Antragsteller vorgelegten Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr 2003 (Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit 2.140,00 Euro) setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 06.05.2005 die Beiträge vom 01.01.2005 bis 28.02.2005 in der Krankenversicherung mit 262,64 Euro und in der Pflegeversicherung mit 30,80 Euro (Gesamtsumme 293,44 Euro) und ab 01.03.2005 in der Krankenversicherung mit 237,28 Euro und in der Pflegeversicherung mit 30,80 Euro (Gesamtsumme 268,08 Euro) fest. Der Antragsteller ließ hiergegen Widerspruch einlegen; sein Erwerbsleben und die Bedeutung der Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH für die Sicherung und Bestreitung des Lebensunterhalts seien zu vernachlässigen; von einer hauptberuflichen, selbständigen Tätigkeit könne nicht mehr gesprochen werden. Wegen der geringfügigen Gesamteinkünfte für das Jahr 2003 seien die Beiträge nach § 21 Abs. 1 der Satzung auf der Grundlage eines Drittels der monatlichen Bezugsgröße zu bemessen (805,00 Euro ), so dass die Gesamtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 01.01. bis 28.02.2005 insgesamt 130,40 Euro und für die Zeit ab dem 01.03.2005 119,13 Euro monatlich betragen.

Der Antragsteller hat am 18.05.2005 beim Sozialgericht Würzburg (SG) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 17.05.2005 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 06.05.2005 gestellt; die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung seien mit monatlich 105,45 Euro und zur sozialen Pflegeversicherung mit monatlich 13,68 Euro festzusetzen. Die selbständige Tätigkeit sei nicht mehr Haupteinnahmequelle und Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit. Er habe aufgrund der schlechten Auftragslage seit September 2002 bis zum heutigen Tag auf sein Gehalt verzichtet. Er lebe im Wesentlichen von Beträgen, die er durch Beleihung von Versicherungsverträgen realisieren konnte. Damit seien die Beitragsbescheide rechtswidrig und es bestehe kein öffentliches Interesse an der Vollziehung der rechtswidrigen Verwaltungsakte.

Die Antragsgegnerin hat mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2005 den Widerspruch zurückgewiesen. Für hauptberuflich Selbständige seien die Beiträge aus der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen. Bei Nachweis geringerer Einnahmen könne der Beitrag ermäßigt werden, allerdings nur bis zu einem Betrag von 1.1811,25 Euro (75% der für 2005 geltenden monatlichen Bezugsgröße). Der Antragsteller sei als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH hauptberuflich selbstständig. Er trage das Unternehmerrisiko und sei selbstständiger Unternehmer mit allen Rechten und Pflichten. Er übe keine andere Tätigkeiten aus und seine selbstständige Tätigkeit stelle seine einzige und volle Erwerbstätigkeit dar. Der Umstand, dass der Antragsteller seinen Angaben zufolge zur Zeit kaum Einnahmen aus der GmbH erziele und von Ersparnissen - gleich welcher Art - lebe, sei für die Beurteilung der hauptberuflichen Tätigkeit nach der Rechtssprechung des Bayerischen Landessozialgerichts ohne Bedeutung. Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 06.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2005 beim SG Klage erhoben.

Das SG hat mit Beschluss vom 21.06.2005 den Antrag abgelehnt. Dass die Erwerbstätigkeit zu Verlusten führe, schließe die Hauptberuflichkeit nicht aus. Nach der Rechtsprechung mehrerer Landessozialgerichte komme es darauf an, ob neben der Erwerbstätigkeit noch andere Tätigkeiten ausgeübt würden. Solange mit der Erwerbstätigkeit ein Versicherter Gewinn erzielen wolle - Einkommensschwankungen seien unerheblich -, sei das Merkmal der Hauptberuflichkeit erfüllt, wenn keine weitere Tätigkeit ausgeübt werde. Da der Antragsteller anscheinend ohne Schwierigkeiten seinen Lebensunterhalt aus der nicht näher dargelegten Beleihung von Versicherungsverträgen bestreiten könne, erscheine der Verzicht auf das aktive Gehalt über einen Zeitraum von nunmehr etwa zweieinhalb Jahren noch nicht so lange, dass daraus geschlossen werden könne, er sei auf längere oder unabsehbare Zeit vollständig auf diese Einkünfte zur Deckung seines Lebensunterhalts angewiesen. Auch die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse sprächen dafür, die Voraussetzung einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit zu bejahen. Gründe für eine unbillige Härte durch den Vollzug des Beitragsbescheids seien nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 15.07.2005, der das SG nicht abgeholfen hat. Er macht wie bisher geltend, ein Bezug zwischen den Einkünften, aus denen er seit mehr als zweieinhalb Jahren seinen Lebensunterhalt bestreite, und der Funktion als Geschäftsführer der GmbH sei nicht gegeben. Bei einer Gehaltsnachzahlung oder -erhöhung würde bei einer derzeitigen Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens später das tatsächlich erzielte Einkommen berücksichtigt und damit entstünde eine ungerechtfertigte Beitragsbelastung. Auch wenn die Mindesteinnahmegrenze für hauptberuflich Selbstständige sich als verfassungsrechtlich gerechtfertigt erweise, müsse sich die Beitragsbelastung auch am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren und dürfe kein unangemessenes Ausmaß erreichen. Er sei gezwungen, zur Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes den Stamm seines Vermögens anzugreifen.

Auf den Hinweis der Antragsgegnerin, der Antragsteller würde seinen Lebensunterhalt vor allem durch Einkünfte aus der Beleihung von Versicherungsverträgen erzielen, hat der Antragsteller entgegnet, er sei nicht gehalten, darzulegen, durch welche Einkünfte er seinen Lebensunterhalt bestreite. Soweit die Antragsgegnerin ihn als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen einstufe und aufgrund dieser Einstufung die Beiträge festgesetzt habe, treffe sie auch die objektive Darlegungs- und Beweislast für die diese Einstufung begründenden Umstände.

Er beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 21.06.2005 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17.05.2005 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 06.05.2005 insoweit anzuordnen, als in dem Bescheid vom 06.05.2005 für die Zeit ab dem 01.03.2005 höhere monatliche Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung als 105,45 Euro und zur sozialen Pflegeversicherung als 13,68 Euro festgesetzt wurden.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Grundsätze des Beitragsrechts sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Der Gesetzgeber sei von verfassungswegen nicht gehalten, die Beitragsbelastung des Selbstständigen mit geringerem Arbeitseinkommen, wie etwa von Kleingewerbetreibenden, Existenzgründern oder Berufsanfängern, durch eine Härteklausel zu mindern. Er habe auch bei dieser Gruppe grundsätzlich die durch das Gesamteinkommen geprägte Leistungsfähigkeit des Einzelnen als maßgebliches Kriterium für die Beitragsbemessung gewählt und nur um die Mindesteinnahmenregelung ergänzt.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat ist zulässig (§§ 172, 173 , 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet.

Der Senat entscheidet aufgrund der richterlichen Geschäftsverteilung im vorliegenden Beschluss nur über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der oben genannten Bescheide, soweit sie die Krankenversicherung betreffen. Bezüglich der Beiträge in der Pflegeversicherung wird das Verfahren abgetrennt (§ 113 Abs. 2 SGG) und die Sache dem zuständigen Senat zugeleitet.

Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden; das SG hat zu Recht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG i.d.F. des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 (BGBl I, S. 2144) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage - wie hier - keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG regelt, dass die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt. Die Aussetzung der Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Satz 2 SGG soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Es ist hier die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bzw. die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren sowie das Dringlichkeitsinteresse zu prüfen. Bei der Interessenabwägung ist das öffentliche Interesse an der Beitreibung der Beitragsschulden mit dem privaten Interesse des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen.

Der Senat hat aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung in der gesetzlichen Krankenversicherung des Antragstellers.

Gemäß § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach § 240 Abs. 2 SGB V muss die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind. § 240 Abs. 4 SGB V schreibt vor, dass als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 90.Teil der monatlichen Bezugsgröße gilt. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30.Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40.Teil der monatlichen Bezugsgröße. Die einschlägige Satzungsregelung der Antragsgegnerin (§ 21 Abs. 2b) entspricht dieser gesetzlichen Regelung.

Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner bisherigen Rechtsprechung, die von der Antragsgegnerin und vom SG zitiert worden ist, im vorliegenden Fall abzuweichen. Die Antragsgegnerin hat zu Recht bei der Beitragseinstufung berücksichtigt, dass der Antragsteller hauptberuflich selbstständig ist. Der Gesetzgeber hat bei dieser gesetzlichen Regelung auch beachtet, dass die freiwillige Versicherung in ein System eingegliedert ist, dessen Kern die Pflichtversicherung aufgrund entgeltlicher Beschäftigung bildet. Er musste daher Vorkehrungen treffen, dass der leichte Zugang zur freiwilligen Versicherung und die Erhebung von unangemessen niedrigen Beiträgen nicht zu einem Versicherungsschutz auf Kosten der Pflichtversicherten führt. Die Fiktion von beitragspflichtigen Einnahmen durchbricht somit den Grundsatz, dass Beiträge nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, also nach tatsächlich vorhandenen Einnahmen, bemessen werden, damit auch einkommenslose Versicherte in einem gewissen Umfang ihren Krankenversicherungsschutz mitfinanzieren. Diese gesetzliche Regelung ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beanstandet worden (Bundessozialgericht vom 26.09.1996, BSGE 79,133; Bundesverfassungsgericht von 22.05.2001 SozR 3-2500 § 240 Nr. 39). Der Senat hat sich in mehreren Entscheidungen dieser Rechtsprechung angeschlossen (Urteil vom 07.10.2004 L 4 KR 145/04; Urteil vom 07.10.2004 L 4 KR 83/03; Beschluss vom 15.09.2004 L 4 KR 271/03).

Soweit der Antragsteller sich in seiner Eigenschaft als Gesellschafter-Geschäftsführers seiner GmbH nicht als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger sieht, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach der oben genannten Rechtsprechung des Senats gehören zu der Gruppe der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen Personen, deren Erwerbstätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Dass das Einkommen gering ist oder zu Verlusten führt, schließt die Annahme der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht aus. Außerdem wird in diesem Zusammenhang vorausgesetzt, dass eine weitere Erwerbstätigkeit nicht vorliegt bzw. von untergeordneter Bedeutung ist. Im vorliegenden Fall muss berücksichtigt werden, dass der Antragsteller, so weit dem Akteninhalt zu entnehmen ist, nach wie vor Gesellschafter-Geschäftsführer eines auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmens ist. Er hat in dieser Eigenschaft maßgebenden Einfluss auf Art und Umfang der Geschäfte, Investitionen und Gewinnverwendung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er daneben einer zusätzlichen Tätigkeit nachgeht.

Dem SG ist auch darin zuzustimmen, dass nichts für die Annahme spricht, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86a Abs. 3 Satz 2 SGG). Der Antragsteller hat sich, zuletzt mit Schriftsatz vom 31.08.2005, geweigert, substantiierte Angaben zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177SGG).
Rechtskraft
Aus
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