L 6 RA 98/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 19 RA 304/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RA 98/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Dierektor für Absatz und Außenwirtschaft übt keine ingenieurtechnische Tätigkeit aus.
Der VEB K......... D........... ist ein produzierender VEB der bezirksgeleiteten Industrie.
I. Auf die Berufung wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 06.02.2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzver-sorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 und 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberfüh-rungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, den Zeitraum vom 16.09.1974 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (AVItech) bzw. Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogi-schen und medizinischen Einrichtungen und die in dieser Zeit bezogenen Entgelte festzu-stellen.

Dem am ...1950 geborenen Kläger wurde nach seinem Studium an der Technischen Universität D ... mit Urkunde vom 14.11.1974 der akademische Grad "Diplomingeni-eurökonom" verliehen. Bereits ab 16.09.1974 bis 31.08.1978 war er als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität D ... tätig. Vom 01.09.1978 bis 30.06.1986 arbeitete er bei dem VEB E ...werk H ... als Gruppenleiter Organisation bzw. Abtei-lungsleiter. Zum 01.07.1986 wechselte er in den VEB K ... D ... als Abteilungs-eiter ORZ (Organisations- und Rechenzentrum). Mit Urkunde vom 26.01.1988 berief ihn der Kombinatsdirektor mit Wirkung vom gleichen Tage zum amtierenden Direktor für Absatz und Datenverarbeitung des VE Kombinat K ... D ... und damit gleichzei-tig des Stammbetriebes VEB K ... Mit weiterer Urkunde wurde er durch den Stell-vertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes für bezirksgeleitete Industrie mit Wir-kung vom 01.03.1988 zum 1. Stellvertreter des Kombinatsdirektors und Direktor für Ab-satz und Außenwirtschaft des VE Kombinat K ... D ... bestellt. Die Bestellung zum Direktor wirkte auch für den Stammbetrieb. Nach Auflösung des Kombinates zum 01.01.1990 übte der Kläger die Funktion als Direktor Absatz und Außenwirtschaft weiter im Stammbetrieb VEB K ... bis 30.06.1990 und ab 01.07.1990 als Geschäftsführer der K ... S ... GmbH aus, die eine der Nachfolgebetriebe des VEB nach Um-wandlung gem. Treuhandgesetz war. Eine Versorgungszusage war dem Kläger zu DDR-Zeiten in diesen Tätigkeiten nicht erteilt worden. Der Kläger beantragte am 30.03.2000 bei der Beklagten die Überführung von Zusatzver-sorgungsanwartschaften. Der Beklagten lagen die Diplomurkunde des Klägers, die Beru-fungsurkunden, der Arbeitsvertrag mit dem VEB E ...werk, der SV-Ausweis vom 08.09.1967 sowie Entgeltbescheinigungen des ehemaligen Arbeitgebers vor. Mit Bescheid vom 16.05.2002 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 09.12.2002 (zur Post ge-geben am 20.01.2003) wies die Beklagte den Antrag des Klägers zurück. Eine Versor-gungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30.06.1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt wor-den, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei nicht anwendbar. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 18.02.2003 beim SG Dresden erhobene Kla-ge, mit der der Kläger sein Ziel weiter verfolgte, die Zeiten vom 16.09.1974 bis 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz bzw. Intelligenz an wissenschaftlichen Einrichtungen anerkannt zu erhalten. Der VEB K ... sei ein produzierender VEB gewesen. Das SG zog den Inhalt der Registerak-te für den VEB K ... beim VEB-Register bei, insbesondere die Gründungsurkunde vom 09.12.1968, den Beschluss des Rates des Bezirks (=RdB) D ... vom 22.08.1984 zum VE Kombinat t ... einschließlich der Beschlussvorlage, das Statut des VE Kombinat -thermophor- Wesenstein vom 01.08.1981, den Antrag auf Eintragung der Namensände-rung des Kombinates in VE Kombinat K ... D ... vom 14.04.1986, das Statut des VE Kombinat K ... vom 02.01.1987 und den Beschluss des RdB D ... vom 10.01.1990 über die Auflösung des VE Kombinat K ... zum 01.01.1990. Außerdem verwertete es die Aussage des früheren Kombinatsdirektors P ... im Verfahren S 2 RA 105/03 des SG Dresden. Aus der Gründungsanweisung ergibt sich, dass der VEB K ... am 01.01.1969 durch den Wirtschaftsrat des Bezirkes D ... gebildet wurde. Der Betriebsgegenstand wurde in § 2 festgelegt. In § 5 wurde bestimmt, dass der VEB Rechtsnachfolger des VEB M ...D ... einschließlich des Ingenieurbüros für Rationalisierung des Wirtschaftsrates des Bezirks D ... und des Organisations- und Rechenzentrums ist. Durch Beschluss des Wirtschaftsrates vom 22.08.1984 wurde der VEB K ... zur Profilierung des VE Kombinat t ... für höhere Leistungen in der Rationalisierung und zur Stabilisierung der Leitungstätigkeit in dieses Kombinat einbezogen und zum Stammbetrieb ab 01.01.1985 bestimmt. Zum 01.01.1987 wurde das Kombinat in VE Kombinat K ... D ... umbenannt und erhielt ein neues Statut. Das Kombinat blieb dem Rat des Bezirkes D ... unterstellt. Der VEB K ... blieb Stammbetrieb und war, wie die anderen aufgeführ-ten Kombinatsbetriebe, rechtsfähig. Nach § 8 des Statuts war die Leitung des Kombinats gleichzeitig die Leitung des Stammbetriebs und bestand aus dem Kombinats-/Betriebsdirektor, den Direktoren für Produktion, für Wissenschaft und Technik, für Grundfondwirtschaft, für Planung und Ökonomie, für Absatz und Außenwirtschaft, für Kader und Bildung, für Materialwirtschaft und dem Hauptbuchhalter. Die Aufgaben des Kombinats waren in den §§ 5 – 7 umschrieben. Zum 01.01.1990 wurde das Kombinat mit Beschluss des RdB D ... aufgelöst. Die Kombinatsbetriebe blieben mit ihrer Leitung bestehen. Der Kombinatsdirektor R ... sollte in die neue Funktion als Betriebsdirektor des VEB K ... berufen werden. Ein Statut oder eine Aufgabenbeschreibung wurde nicht neu erstellt. Mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2004 verurteilte das SG die Beklagte, den Zeitraum vom 16.09.1974 bis 31.08.1978 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen und den Zeitraum vom 01.09.1978 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzli-chen Altersversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen und entsprechende Ent-gelte festzustellen. Das SG hat dazu im Wesentlichen ausgeführt: "Der Kläger könnte also nur dann bei Inkrafttreten des AAÜG am 01. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 AAÜG gehabt haben, wenn auf Grund der zu diesem Zeitpunkt als partielles und se-kundäres Bundesrecht weiter anzuwendenden Regelungen der Versorgungssys-teme nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nur noch der Versor-gungsfall (zum Beispiel Invalidität) hätte eintreten müssen, so dass ihm aus bundesrechtlicher Sicht Versorgung obligatorisch hätte geleistet werden müs-sen. Dies ist nur dann der Fall, wenn er vor dem 30. Juni 1990 eine Beschäfti-gung ausübte, auf Grund derer ihm zwingend eine Versorgungszusage zu ertei-len gewesen wäre, die dann - aus bundesrechtlicher Sicht rückschauend - keine rechtsbegründende, sondern nur noch rechtsfeststellende Bedeutung gehabt hätte (BSG, Urteile vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 Rund B 4 RA 41/01 R-) ... Am 30.06.1990 hätte der Kläger einen bundesrechtlich fingierten Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt, der gemäß § 1 VO-AVItech in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 der 2. DB vom Vorliegen persönlicher, sachlicher und betrieblicher Voraussetzungen abhängt. Generell war das System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen In-telligenz für Personen eingerichtet, die berechtigt waren, eine bestimmte Be-rufsbezeichnung zu führen und die entsprechende Tätigkeit tatsächlich in ei-nem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bau-wesens ausübten. Der Kläger war berechtigt, eine der in § 1 Absatz 1 der 2. DB aufgeführten Be-rufsbezeichnungen zu führen. Er hat den Titel eines "Diplomingenieurökono-men" erworben. Die Berufsbezeichnung "Ingenieur" war in der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. II 278) geregelt. Er war am 30.06.1990 als amtierender Direktor für Ab-satz und Datenverarbeitung beschäftigt und hat damit eine seiner Ausbildung zum Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Der VEB K ... D ..., in dem der Kläger vom 01.07.1986 bis 30.06.1990 tätig war, war ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens im Sinne des § 1 VO AVItech in Verbindung mit § 1 Ab-satz 1 Satz 1 der 2. DB (vgl. auch im Einzelnen Urteil des SG Dresden vom 09.10.2003 - S 2 RA 105/03) ... Der VEB K ... D ... verfolgte den Hauptzweck der industriellen Fer-tigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern ... Der VEB K ... war organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR - Planwirtschaft zugeordnet. Die organisatorische Zuordnung zum in-dustriellen Produktionssektor ergibt sich aus dem vorliegenden Registerauszug. Danach war der VEB K ... dem Ministerium für bezirksgeleitete Indust-rie und Lebensmittelindustrie zugeordnet. Hauptzweck des VEB K ... war die Konstruktion und Herstellung von Maschinen und damit Sachgütern. Denn bei dem VEB K ... handelte es sich um einen Maschinenbaubetrieb, der in der ehemaligen DDR eine Vielzahl von sog. Sondermaschinen herstellte. Dies wird durch die vorgelegten Produkt-beschreibungen und die Gründungsurkunde vom 09.12.1968 bestätigt, nach dessen § 6 der VEB K ... dem Wirtschaftszweig 21 (Schwermaschinen-bau) zugeordnet war. Der Qualifizierung des VEB K ... als Produktionsbetrieb steht letztlich auch nicht entgegen, dass die konstruierten und gefertigten Maschinen nicht in Serie hergestellt wurden. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die Massenproduktion von Sachgütern ausgerichtet sein musste, um nach dem Sprachgebrauch der DDR Produktionsbetrieb zu sein. Dem § 5 VQ-AVItech lässt sich eine derartige Folgerung nicht entneh-men. Aus dieser Regelung kann allein der Schluss gezogen werden, dass Pro-duktionsbetrieb i. S. d. VO-AVItech ein Betrieb ist, der dem industriellen Sek-tor der DDR - Wirtschaft angehörte. Dies war indes beim VEB K ... der Fall. Soweit in § 1 der 1. DB vom 26.09.1950 VO-AVItech (1. DB) auf "indus-trielle Fertigungsbetriebe" abgestellt wird, ergibt sich hieraus ebenso wenig ein Hinweis darauf, in der DDR seien nur Betriebe der Massenproduktion als Pro-duktionsbetriebe i. S. d. VO-AVItech angesehen worden. Vielmehr lässt sich der Formulierung in § 1 1. DB nur entnehmen, dass offensichtlich ausgeschlos-sen werden sollte, dass auch die handwerklichen Herstellungsbetriebe von der Versorgungsordnung erfasst wurden. Denn diese hatten in der ehemaligen DDR, in der die sozialistische Wirtschaft vor allem als Industriewirtschaft ver-standen wurde, einen weit geringeren Stellenwert als die Industriebetriebe. Bei dem VEB K ... handelte es sich indes unzweifelhaft um keinen Hand-werksbetrieb." Gegen den am 10.02.2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Be-klagten vom 02.03.2004. Sie ist der Auffassung, dass der VEB K ... kein Produkti-onsbetrieb im Sinne der AVItech war. Ein solcher Betrieb liege nur vor, wenn er organisa-torisch dem industriellen Produktionssektor der Planwirtschaft der DDR zugeordnet und der Hauptzweck auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern ausgerichtet war. Der VEB K ... habe zu den Rationalisierungs- und Projektierungsbetrieben gehört. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Produktion von neu entwickelten Maschinen in hoher Stückzahl später in anderen Betrieben erfolgt sei. Außerdem sei der VEB nicht einem Industrieministerium, sondern dem Rat des Bezirks unterstellt gewesen. Der VEB K ... sei auch nicht einem Produktionsbetrieb gleichgestellt. Außerdem sei der Betrieb in der Systematik der Volkswirtschaft der DDR von 1985 nach seiner Betriebsnummer der Wirtschaftsgruppe 15379 zugeordnet. Dies seien Reparatur- und Montagebetriebe des Werkzeugmaschinen-baus.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 06.02.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er trägt vor, dass er ingenieurtechnisch gearbeitet habe. Er habe bei den Kunden prüfen müssen, welche Maschine zu deren Betriebszuschnitt passte, mit seinen Mitarbeitern Kon-zepte für die Produktion in den anderen bezirksgeleiteten Unternehmen für den Einsatz der gelieferten Maschinen anbieten müssen. In der mündlichen Verhandlung hat er weiter vorge-tragen, dass vor allem in den letzten Jahren Maschinen für die bezirksgeleitete Industrie ins-besondere im Bäckereibereich entwickelt worden seien. Diese Maschinen seien in der für den Bezirk D ... benötigten Stückzahl produziert und ausgeliefert worden. Besondere An-strengungen im Verkauf seien nicht nötig gewesen. Die Betriebe hätten ihnen nach neuen Maschinen "die Tür eingerannt". Er habe aber auch den Absatz in andere Bezirke organi-siert. Nach den Vorgaben habe man die Lizenzen an die Hersteller in anderen Bezirken ver-kauft, die dann den Bedarf für ihren Bezirk hergestellt hätten. Er habe auch z.B. auf der Leipziger Messe Maschinen und Lizenzen ins Ausland verkauft. Der Senat hat Auszüge aus dem VEB-Register für den VEB K ..., die Aussage des ehemaligen Kombinatsdirektors P ... im Verfahren S 2 RA 105/03 des SG Dresden sowie Prospekte über eine achslose Abrollvorrichtung, einen Dosierwagen, eine Spiegelkanten-schleifmaschine und die Zusammenstellung über die Warenproduktion 1985 beigezogen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Instanzen und der Verwaltungsak-te der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Die Berufung ist in der Sache auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2002 ist im Ergebnis recht-mäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Klä-ger hat keinen Anspruch darauf, die Zeit vom 16.09.1974 bis 30.06.1990 als Zeit der Zuge-hörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz bzw. wissenschaftlichen Intelligenz festgestellt zu erhalten. In dem Feststellungsverfahren des Versorgungsträgers nach § 8 AAÜG, welches einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ähnlich und auch außerhalb des Rentenfeststellungsverfahrens des Rentenversicherungsträgers durchzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.1996 - 4 RA 7/95 - in: SozR 3-8570 § 8 Nr. 2), konnte der Kläger schon deshalb keinen Erfolg haben, weil er vom Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst wird.

Einzige Anspruchsgrundlage für dieses Begehren ist § 8 Abs. 2, 3 Satz 1 und 4 Nr. 1 AAÜG. Nach diesen Vorschriften hat die BfA als Versorgungsträger für die Zusatzversor-gungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum AAÜG und damit die Beklagte dem Berechtig-ten den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 der Vorschrift durch Bescheid bekannt zugeben; dies beinhaltet die Mitteilung der Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssys-tem, das hieraus erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage so-wie nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG die sich daraus ergebenden tatsächlichen Vor-aussetzungen für die Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze. Im vorlie-genden Fall ist jedoch § 8 AAÜG wie insgesamt das AAÜG auf den Kläger bereits nicht anwendbar.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für "Ansprüche und Anwartschaften", die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet er-worben worden sind. "Erworben worden sind" in diesem Sinne aus der Perspektive des am 01.08.1991 in Kraft getretenen AAÜG (Art. 3 RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606) Versorgungsanwartschaften auch, wenn Nichteinbezogene rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit sie auf Grund des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 (BGBl. II S. 889) Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 am 03.10.1990 zu sekundären Bundesrecht geworden waren, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Regelfall am 30.06.1990 (vgl. Anl. II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt II Nr. 8, § 22 Rentenanglei-chungsgesetz vom 28.6.1990, GBl. I S. 495) hätten einbezogen werden müssen. Dies wäre der Fall, wenn sie - ohne erfolgte Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelentschei-dung, Einzelvertrag) - auf Grund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nach der am 31.07.1991 gebotenen bundesrechtlichen Sicht einen Rechtsanspruch auf eine Versorgungs-zusage nach den Regelungen der Versorgungssysteme unter Beachtung des Gleichheitsgebo-tes gehabt hätten (BSG , Urteil vom 31.07.2002 - B 4 RA 21/02 R -; Urteil vom 10.04.2002 - B 4 RA 56/01 R -; Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R). Schließlich wird nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG eine Versorgungsanwartschaft fingiert, wenn in der DDR zu irgend einem Zeitpunkt einmal eine durch Einzelfallregelung konkretisierte Aussicht bestand, im Versorgungsfall Leistungen zu erhalten, diese Aussicht (Anwartschaft) aber auf Grund der Regelungen der Versorgungssysteme vor dem 01.07.1990 wieder entfallen war (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10.04.2002 - B 4 RA 34/01 R - m. w. N).

Ein Verwaltungsakt, der eine Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt und ihn dadurch der Geltung des AAÜG unterstellt hätte, liegt nicht vor. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist dieses Gesetz auf den Kläger nicht anwendbar, weil er zum 01.08.1991 (Inkrafttreten des Gesetzes) keinen Anspruch und keine Anwartschaft auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Versorgungssystem im Beitrittsgebiet erworben hatte (s.o.).

Am 01.08.1991 bestand eine "Zugehörigkeit" zu einem Versorgungssystem grundsätzlich nur, wenn jemand durch einen nach Art. 19 EinigVtr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR (im bundesrechtlichen Sinne) oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EinigVtr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Der EinigVtr (Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 (EV Nr. 9) Buchstabe a; Sachgebiet F Ab-schnitt III Nr. 8 (EV Nr. 8)) hat Neueinbeziehungen ab dem 03.10.1990 ausdrücklich unter-sagt (EV Nr. 9 Buchstabe a Satz 1) und durch EV Nr. 8 i.V.m. § 22 des Rentenanglei-chungsgesetzes (RAnglG) der DDR bekräftigt, dass Neueinbeziehungen seit dem 01.07.1990 (Beginn der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion) nicht wirksam werden konnten. Die Anordnung, bis zum 31.12.1991 "die leistungsrechtlichen Regelungen der je-weiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden", bezog sich daher grundsätzlich nur auf Personen, die am Tag vor dem 01.07.1990 in ein Versorgungssystem konkret einbezogen waren, ferner auf solche, die an diesem Stichtag in eine "Versorgungsanwartschaft" im Sin-ne von EV Nr. 9 ohne spezifische Versorgungszusage einbezogen waren, weil in dem Sys-tem ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R - m.w.N.).

§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hat das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung nicht aufgeho-ben, aber modifiziert. Dieses Gesetz spricht (anders als EV Nr. 9) nicht von der Einbezie-hung in ein Versorgungssystem, die nur durch einen DDR-Akt erfolgt sein konnte, sondern von einer Berechtigung "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Versorgungssystem. Dies bedeutet eine rechtliche Erweiterung des potenziell vom AAÜG ab 01.08.1991 erfassten Personenkreises. Zum einen wird der möglichen Korrektur von Unrechtsakten durch Art. 19 Satz 2 und 3 EinigVtr sowie der Möglichkeit von Rehabilitierungsentscheidungen Rechnung getragen; zum anderen wird dadurch ein Wertungswiderspruch zu § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG vermieden; danach gilt das Gesetz auch für einige Personen, die am maßgeblichen Tag vor der Schließung der Versorgungssysteme am 01.07.1990 in der DDR Nichteinbezogene wa-ren und stellt sie den einbezogenen Anwartschaftsberechtigten unter der Voraussetzung gleich, dass sie früher von der DDR konkret einbezogen worden waren, aber inzwischen nach den Regeln der Systeme (also nicht in durch einen unter Art. 19 Satz 2 oder 3 fallenden Unrechtsakt der DDR) ausgeschieden waren.

Wegen dieser bundesrechtlichen Erweiterungen des persönlichen Geltungsbereichs des AAÜG über den EV Nr. 9 hinaus drohte ein Wertungswiderspruch zwischen § 1 Abs. 1 AAÜG und den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen, also inhaltlich mit dem originären Bundesrecht gem. Art. 9 Abs. 2 EinigVtr zu vereinbarenden Regelungen der Versorgungs-systeme, die auch noch am 31.07.1991 (und bis zu Beginn des 31.12.1991) galten. Der Wi-derspruch hätte in einer nach den bundesrechtlichen Kriterien des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz sachlich nicht zu rechtfertigenden, weil DDR-Willkür in den der bundesrechtlichen Maß-stabsnormen fortführenden Unterscheidung innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30.06.1990 Nichteinbezogenen bestanden. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen waren, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden waren, wurden anders behandelt als am 30.06.1990 Nichteinbezogene, wel-che nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen (Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz), nicht einbezogen waren (BSG, a.a.O.).

Deswegen ist - wie oben ausgeführt - § 1 Abs. 1 AAÜG verfassungskonform ausdehnend so auszulegen, dass eine Versorgungsanwartschaft "auf Grund der Zugehörigkeit" bei am 30.06.1990 Nichteinbezogenen nicht nur in den Fällen der Gleichstellung durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG und der Versorgungsanwartschaften aus Systemen ohne konkreten Einbezie-hungsakt (wie allein auf Grund des EinigVtr - siehe oben) besteht, sondern auch dann, wenn jemand auf Grund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nach der am 31.07.1991 gegebe-nen bundesrechtlichen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" nach den bun-desrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte. Die - für den vorliegenden Fall - relevanten Vorschriften der AVItech ergeben sich aus den Texten der "Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben" vom 17.08.1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844 - VO-AVItech -) und aus der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben" vom 24.05.1951 (GBl. Nr. 62 S. 487 - 2. DB); demgegenüber hat die 1. DB nur historisch-heuristische Bedeutung für die Auslegung (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R). Eine Anwendung der Vorschriften der Altersversorgung für die Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen für die zurückliegenden Zeiten kann nur in Betracht kommen, wenn am 30.06.1990 ein Anspruch auf Versorgungszusage aus der AVItech gegeben war.

Gem. § 1 VO-AVItech in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB hängt ein Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech in persönlicher, sachlicher und betrieblicher Hinsicht im Wesentlichen von drei Voraussetzungen ab: die zusätzliche Altersversorgung der techni-schen Intelligenz war generell eingerichtet für Personen, die (1) berechtigt waren, eine be-stimmte Berufsbezeichnung zu führen, (2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R -).

Der Kläger erfüllt als Diplomingenieurökonom die persönliche Voraussetzung, denn er ist berechtigt, den Titel Ingenieur zu führen. Am 30.06.1990 war er im VEB K ..., ei-nem volkseigenen Produktionsbetrieb, beschäftigt. Der VEB K ...ist nach Bewertung des Senats als volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie anzusehen. Der Text der vorgenannten Vorschriften verlautbart zwar nicht ab-schließend die Kriterien, nach denen positiv bestimmt werden könnte, ob ein bestimmter Betrieb ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen ist (s.o.). Der Text lässt jedoch hinreichend deutlich erkennen, welche Betriebstypen keinesfalls der AVItech zugeordnet waren. Der versorgungsrechtlich maßgebliche Betriebstyp ist durch die drei Merkmale "Betrieb", "volkseigenen" und "Produktion (Industrie, Bauwesen)" ge-kennzeichnet. Er erfasst nach dem letzten maßgeblichen Sprachgebrauch der DDR nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens, war also nicht nur auf den Ausschluss privater Betriebe gerichtet (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R). Dieses Verständnis fügt sich in den historischen Kontext der DDR-Verhältnisse zwanglos ein.

Der Ausdruck "Betrieb" lässt erkennen, dass es sich um eine Organisationsform handeln musste, die im Wirtschaftsrecht der DDR unter den Oberbegriff "Wirtschaftseinheit" fiel. Als Wirtschaftseinheiten verstand man in der DDR solche "Organisationsformen der sozia-listischen Volkswirtschaften, die geschaffen wurden, um als Waren produzierende Glieder der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Kollektive sozialistischer Werktätiger wirtschaftli-che Leistungen zu erbringen, und die zu diesem Zweck auch über entsprechende Leitungs-befugnisse verfügen" (vgl. Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer, Wirtschaftsrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin 1985, Seite 65 und 75; BSG, a.a.O.). Soweit von "warenpro-duzierenden" Gliedern gesprochen wird, kann davon ausgegangen werden, dass der Aus-druck "Ware" nicht nur im Sinne von Sachgütern zu verstehen ist, sondern sowohl materiel-le als auch immaterielle Güter umschreibt, da ansonsten Dienstleistungsbetriebe keine Be-triebe im Sinne des DDR-Rechts gewesen wären. Bezogen auf den Betrieb erfasste der Aus-druck "Warenproduktion" in der DDR letztlich jede Form von wirtschaftlicher Tätigkeit (BSG, a.a.O.). Trotz systembedingter Abweichungen entspricht diese Bedeutung des Aus-drucks "Betrieb" weitgehend dem marktwirtschaftlichen Verständnis; danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von persönlichen, sächlichen und materiellen Mitteln zur fort-gesetzten Verfolgung eines "technischen" Zwecks. Ausgehend vom staatlichen Sprach-gebrauch der DDR hat der Ausdruck "Betrieb" im Rahmen des Versorgungsrechts nur die Bedeutung, dass er wirtschaftsleitende Organe ausschließt (deswegen deren Gleichstellung in § 1 Abs. 2 der 2. DB; vgl. BSG, a.a.O.).

Eine weitere Eingrenzung erfolgt durch das Merkmal "volkseigen". Dadurch beschränkt sich der Anwendungsbereich der AVItech auf Betriebe, die auf der Basis des gesamtgesellschaft-lichen Volkseigentums gearbeitet haben, der wichtigsten Erscheinungsform des sozialisti-schen Eigentums (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 3/02 R -). Ausgeschlossen waren damit nicht nur Betriebe, die auf der Grundlage von Privateigentum wirtschafteten, sondern auch solche, für die die beiden anderen Formen des sozialistischen Eigentums kennzeichnend waren, nämlich das genossenschaftliche Gemeineigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R -).

Schließlich erfolgte eine weitere Begrenzung auf (volkseigene) "Produktionsbetriebe" (der Industrie und des Bauwesens). Die Maßgeblichkeit des Merkmals "Produktionsbetrieb" folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 2 der 2. DB. Dass es dabei auf Produktionsbetriebe nur der "Industrie" und des "Bauwesens" ankommt, ergibt sich mit Blick auf die Produktionsbetrie-be der Industrie u.a. schon aus der Einbeziehung des Ministeriums für Industrie in § 5 der VO-AVItech und für die Produktionsbetriebe des Bauwesens aus der sprachlichen und sach-lichen Gegenüberstellung von "Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens" ei-nerseits und allen anderen "volkseigenen Betrieben" andererseits, welche die DDR spätes-tens ab den 60er Jahren und jedenfalls am 30.06.1990 in ihren einschlägigen Gesetzestexten vorgenommen hatte (vgl. BSG, a.a.O.).

Aus § 5 der VO-AVItech wie auch aus § 1 der 1. DB ergeben sich zwei Forderungen für die Bedeutung des Wortes "volkseigener Produktionsbetrieb" in § 1 Abs. 2 der 2. DB: es muss sich bei dem betroffenen Betrieb erstens um einen VEB handeln, der organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet war; ferner muss zwei-tens der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstel-lung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Dem betrieblichen An-wendungsbereich der AVItech unterlagen als "Produktionsbetriebe" somit nur VEB der In-dustrie, d.h. solche VEB, die als Hauptzweck industrielle Fertigung von Sachgütern betrie-ben (vgl. BSG, a.a.O.). Gleiches gilt für einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Bauwe-sen. Industrie und Bauwesen waren in der DDR die "führenden" Produktionsbereiche (vgl. BSG, a.a.O. m.w.N.). Auf ihre Unterscheidung von den "anderen Bereichen der Volkswirt-schaft" wurde auch in den Regelungen zu den VEB, Kombinaten und VVB Wert gelegt (z.B. § 16 der "Verordnung über die Bildung und Rechtsstellung von Kombinaten" vom 18.10.1968, GBl. II Nr. 121 Seite 963; § 2 der Kombinatsverordnung 1973 und § 41 Abs. 1 der Kombinatsverordnung 1979). Dort werden ausdrücklich die VEB in den Sektoren In-dustrie und Bauwesen den Sektoren Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft sowie allen anderen Bereichen der Volkswirtschaft gegenüberbestellt. Auch nach dem Sprachgebrauch der DDR waren daher volkseigene Produktionsbetriebe nur solche dieser beiden Wirt-schaftsbranchen Industrie und Bauwesen. Hieraus folgt somit, dass es auch für die Bejahung eines volkseigenen Produktionsbetriebes der Industrie im Sinne der 2. DB erforderlich ist, dass der Betrieb als seinen Hauptzweck Güter produzierte. Eines der erklärten Ziele der sozialistischen Wirtschaft war die Erhöhung des Anteils der Industrieproduktion am Nationaleinkommen. Angestrebt wurde die Herstellung der Erzeug-nisse auf der Basis industrieller Massenproduktion entsprechend dem fordistischen Produk-tionsmodell. Der Massenausstoß standardisierter Produkte entsprach nach diesem Modell in besonderem Maße den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft. Aus der AVItech und der 2. DB hierzu ergeben sich nach diesen Überlegungen 2 Folgerungen für die Feststel-lung eines volkseigenen Produktionsbetriebes. Der Betrieb muss organisatorisch dem indus-triellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet sein. Der Hauptzweck des Betriebes muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (vgl. BSG, Urteil v. 09.04.2002, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe erfolgte die Tätigkeit des Klägers beim VEB K ... D ... in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie im vorgenannten Sinne. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den beigezogenen Registerunterlagen und dem Statut des VEB K ... sowie der Aussage des früheren Kombinatsdirektors P ... im Verfahren S 2 RA 105/03 SG Dresden, den Angaben des Klägers sowie den Produktbe-schreibungen. Nach der Gründungsurkunde war Grundlage der Bildung des VEB K ... die planmäßige Modernisierung bereits eingesetzter Produktionsmittel in der Industrie und der umfassende Einsatz der dazu notwendigen Neuererwerkzeuge, -verrichtungen und -geräte zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. In dem Beschluss zur Profilierung des VE Kombinat t ... für höhere Leistungen in der Rationalisierung und zur Stabilisierung der Leitungstätigkeit vom 22.08.1984, mit dem der VEB K ... gleichzeitig zum Stammbetrieb wurde, ist zu den Aufgaben ausgeführt: "Die vom Wirtschaftsrat des Bezirkes gestellte Aufgabe, im Jahre 1990 bei ge-steigertem Produktionsvolumen einen Anteil der Produktion industrieller Kon-sumgüter an der industriellen Warenproduktion in Höhe von 50% zu sichern, erfordert die Schaffung einer leistungsfähigen Kapazität für komplexe sozialistische Rationalisierung. Es ist notwendig, die vorhandenen Kapazitäten des VE Kombinat t ..., des VEB K ... und weitere, für die Rationalisie-rung noch nicht genutzte Kapazitäten entsprechend den volkswirtschaftlichen Effektivitätserfordernissen zu koordinieren und über den quantitativen und qualitativen Ausbau der konzentrierten Kapazitäten die bedarfsgerechte Lösung der komplexen Aufgaben anzustreben. Durch extensiv erweiterte Reproduktion und Intensivierung sowie Neuprofilie-rung des Produktionsprogramms soll bis 1990 eine Steigerung der Rationalisie-rungsmittel im Kombinat t ... von 10409 TM auf 35000 TM, das ent-spricht einer Steigerung auf 336%, erfolgen ... Das Kombinat hat die Aufgabe, für die bezirksgeleiteten Kombinate und Betriebe des Wirtschaftsrates des Bezirkes D ... Maßnahmen der sozialistische Rationali-sierung vorzubereiten und zu realisieren, um dadurch die Voraussetzungen für das angestrebte Wachstum der Konsumgüterproduktion zu schaffen und weitere Leis-tungen entsprechend seiner Leistungsstruktur, wie sie unter Punkt drei der Konzep-tion dargestellt ist, zu erbringen ... 3. Leistungsstruktur des Kombinates Das Kombinat konzentriert sich zukünftig besonders auf folgende Leistungen: - Planung, Projektierung und Realisierung von Maßnahmen der komplexen sozialistische Rationalisierung; - Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Rationalisierungsmitteln, Sondermaschinen, Robotern, Automatisierungstechniken und Steuerungen, - Export immaterieller Leistungen von Entwicklungen der Betriebe des Kombinates t ... und Unterstützung aller Kombinate des Wirtschafts-rates des Bezirkes D ... bei der Lösung der Probleme des immateriellen Exportes, - Konstruktion und Fertigung von Werkzeugen und Vorrichtungen - Bauprojektierung und Spezialprojektierung wie Heizung, Lüftung, Elt, - Entwicklung und Fertigung von Heizwerksausrüstungen, - Rohrleitungs- und Heizungsmontagen, - Wärme- und Oberflächenschutz - Projektierung und Realisierung von Anlagen der Nutzung von Sekundär-energie, - Durchführung von Grundinstandsetzung und Modernisierung an Maschi-nen, Anlagen und Grundfonds."

In dem neuen Statut vom 02.01.1987 sind die Aufgaben wie folgt beschrieben: "§ 5 Wirtschaftliche Tätigkeit des Kombinates (1) Die Tätigkeit des Kombinates und seiner Kombinatsbetriebe ist auf die Forschung, Entwicklung, Produktion und Absatz seiner Rationalisierungs-leistungen für die bezirksgeleitete Wirtschaft des Bezirkes D ... und sei-ner finalen Erzeugnisse gerichtet. (2) Die Durchsetzung eines einheitlich geleiteten Reproduktionsprozesses im Kombinat K ... bezieht sich auf - komplexe sozialistische Rationalisierung von Betrieben und Produkti-onseinrichtungen der bezirksgeleiteten Wirtschaft - Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Rationalisierungsmit-teln, Sondermaschinen, Robotern, Automatisierungstechniken und Steuerungen - Produktion hochwertiger technischer Konsumgüter für die Bevölkerung und den Export - Sicherung der Produktion und Montage von wärmetechnischen Ausrüs-tungen für die bezirksgeleitete Wirtschaft." Aus dem Registerblatt Nr. H 433 des VEB- Registers ergibt sich, dass am 12. Januar 1971 das Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie als übergeordnetes Staatsorgan eingetragen wurde. Ab 1974 war als Leitungsorgan beziehungsweise örtliches Staatsorgan der Wirtschaftsrat des Bezirkes D ... und danach Bezirksgeleitete Industrie des Bezirkes D ..., ab 1986 wieder der Rat des Bezirkes D ... eingetragen. Am 28. Februar 1990 wurde als übergeordnetes Organ der Rat des Bezirkes D ... eingetragen. Der Betrieb war damit dem industriellen Produktionssektor der Planwirtschaft der DDR zugeordnet. Zur tatsächlichen Tätigkeit des VEB hat der Zeuge P ..., Betriebsdirektor bis 1989, ausgesagt, dass der VEB K ... aufgebaut wurde, um Sondermaschinen in Einzelferti-gung zu bauen, nicht in Serie. Die Serienfertigung wurde anderen Betrieben übertragen. Die Maschinen seien konstruiert, gebaut und erprobt worden. Auf die entwickelten Maschinen seien Patente erteilt worden, die mit den Konstruktionsunterlagen verkauft oder an andere Betriebe weitergereicht worden seien. Konsumgüter seien nicht hergestellt worden. Der Zeuge ist bereits im Herbst 1989 ausgeschieden. Allerdings sprechen die Informationen über die Produkte dagegen, dass nur Prototypen her-gestellt worden seien. Dies entspricht auch den Angaben des Klägers. Die Maschinen wur-den nach dem Aufdruck auf den "Prospekten" auch für den Export angeboten, der VEB K ... ist als Hersteller neben dem Exporteur genannt. Daraus ergibt sich, dass der VEB K ... mit der Rationalisierung der industriellen Produktion beschäftigt war, jedoch die Rationalisierung durch die Entwicklung und den Bau neuer und rationellerer Maschinen bewirken und dadurch die industrielle Produktion steigern sollte. Seine Produktion war da-mit in den Prozess der industriellen Massenfertigung einbezogen und diente dem vorrangi-gen Zweck der DDR-Planwirtschaft, nämlich der Steigerung der industriellen Produktion.

Dafür spricht auch, dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers nach der Betriebsnummer im Jahr 1989 in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Wirtschaftsgruppe 15379 zugeordnet war. Hierunter fallen Reparatur- und Montagebetriebe des Werkzeugma-schinenbaus. Neben der Zuordnung zum Bereich der Industrie drückt diese Wirtschaftsgrup-pe die Tätigkeit aus, die nach den bisherigen Ausführungen anzunehmen war. Auch hieraus ergibt sich, dass der VEB K ... Maschinen für die industrielle Produktion herzustellen hatte.

Im Hinblick auf die am maßgeblichen Stichtag 30.06.1990 ausgeübte Tätigkeit des Klägers beim VEB K ... D ... scheitert ein bundesrechtlicher Anspruch auf fiktive Einbeziehung und damit auch die Anwendbarkeit des AAÜG und die Feststellung weiterer Systemzeiten jedoch daran, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt keine ingenieurtechnische Tätigkeit in der Produktion ausgeübt hat, was Voraussetzung für die obligatorische Einbeziehung wäre (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6).

Der Kläger war laut Auszug aus dem VEB-Register bis über den 30.06.1990 hinaus Direktor für Absatz und Außenwirtschaft des VEB K ... Er war damit nicht ingenieurtechnisch in der Produktion tätig. Vielmehr ist diese Tätigkeit als verwaltend, leitend und wirtschaftlich im Verkauf der Produkte einzuordnen. Dies ergibt sich auch aus den Schreiben des Klägers vom 10.06.2002 und 03.10.2005, in dem er seine Tätigkeit als "technisch als auch kaufmän-nisch orientiert" bezeichnet. Im Schreiben vom 24.06.2004 führt er ebenfalls aus, dass er für den Absatz der Produkte und für Dienstleistungen im Stammbetrieb zu sorgen hatte. Für den Produktionsprozess sei er im Falle der Verhinderung des Betriebsdirektors zuständig gewe-sen. Es ist allerdings nicht ersichtlich, in welchem Umfang der Kläger technisch an der Pro-duktion beteiligt gewesen sein sollte, nachdem ein Direktor für Produktion und ein Direktor für Wissenschaft und Technik bestellt waren. Der Direktor für Absatz und Außenwirtschaft ist schon begrifflich für den Verkauf der Produkte, Verhandlungen und Verträge mit Kunden zuständig. Da er gleichzeitig auch Vertreter des Betriebsdirektors war, ist diese Tätigkeit eindeutig der Verwaltung und dem wirtschaftlichen Leitungsbereich des VEB zuzuordnen. Dass dieser Personenkreis nicht obligatorisch in die Zusatzversorgung einbezogen war, er-gibt sich schon aus der 2. DB. Hier ist in Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass "andere Personen, die verwaltungstechnische Funktionen bekleideten, wie Stellvertretende Direktoren, Produkti-onsleiter, Abteilungsleiter, Meister, Steiger " in die Zusatzversorgung im Wege einer Er-messensentscheidung einbezogen werden konnten. Dies zeigt, dass ökonomisch Tätige und damit der Kläger als stellvertretender Betriebsdirektor und Direktor für Absatz und Außen-wirtschaft gerade nicht obligatorisch einen Anspruch auf Einbeziehung hatten. Damit kann nach dem Verbot der Neueinbeziehung für ihn keine Zeit der Zugehörigkeit zur AVI festge-stellt werden. Diese Folgerung ergibt sich ebenfalls aus dem Sprachgebrauch der DDR und den am 30.06.1990 geltenden Vorschriften. In der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens vom 10.12.1974 (GBl. 1975 I S. 1) ist der Bereich Absatz und Außenhandel unter der Nummer 52 dem Bereich 50 –Beschaffung und Absatz zugeordnet, nicht dem produktionsdurchführenden Bereich 10 oder dem Produk-tionshilfebereich 20. Da der Kläger somit am 01.08.1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 AAÜG "erworben" hatte, mithin das AAÜG auf den Kläger bereits keine Anwendung fin-det, hat er keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung von Zeiten der Zugehörig-keit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz oder wissenschaftlichen In-telligenz und die in diesem Zeitraum erhaltenen Entgelte gem. § 5 AAÜG. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere war eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht angezeigt, da wesentlicher Grund für die Entscheidung die ökonomische Tätigkeit des Klä-gers ist und dieser Punkt in der bisherigen Rechtsprechung des BSG ausreichend geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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