L 6 SB 11/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SB 206/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SB 11/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Lässt sich wegen der ungewöhnlichen Schwere einer geistigen Behinderung, welche als Verarbeitungsstörung unter anderem das "Verstehen-Können" der Seheindrücke betrifft, nicht mehr feststellen, ob daneben auch eine erhebliche Wahrnehmungsstörung besteht, d.h. ob neben der Verarbeitungsstörung auch die Sehkraft, das Gesichtsfeld und/oder die Sehbahn bis hin zur Sehrinde in nennenswertem Umfang beeinträchtigt sind, kann der Nachteilsausgleich "Bl" (Blindheit) nicht zuerkannt werden, weil der behinderte Mensch im Sozialrecht nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.02.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merk-zeichen "Bl” (Blindheit) ab Antragstellung am 17.04.1996. Der am ...1982 geborene, derzeit 23 Jahre alte Kläger erkrankte im Alter von 3 ½ Monaten im August 1982 an einer schweren Meningo-Enzephalitis (Hirnhautentzün-dung mit Entzündung des angrenzenden Hirngewebes). In dessen Folge ist eine schwere hirnorganische Schädigung verblieben, welche sich in einer schweren Wahrnehmungsstö-rung ohne zeitliche und örtliche Orientierung, einer Unfähigkeit zur sprachlichen Äuße-rung, einem starken auto-aggressiven, d.h. gegen sich selbst gerichteten aggressiven Ver-halten, einer schweren frühkindlichen Epilepsie, einem stark ausgeprägten hyperkinetisch-erethischen Syndrom (krankhaft gesteigerter, übermäßiger ruheloser Bewegungsdrang), schweren gesamtmotorischen Störungen sowie einem schweren geistigen Defektsyndrom äußert. Der Kläger ist deshalb aufgrund des Bescheides des Beklagten vom 11.06.1991 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Am 17.04.1996 beantragte der Kläger – vertreten durch seine Eltern – auch die Zuerken-nung des Merkzeichens "Bl", weil seine behandelnde Augenärztin praktische Blindheit festgestellt habe. Der Beklagte zog daraufhin u.a. einen Befundbericht der behandelnden Augenärztin Dr. med. R1 ... vom 15.05.1996 bei, wonach Angaben zum Sehvermögen nicht möglich seien, weil der Kläger Gegenstände nur zeitweise fixiere und eine geistige Verarbeitung nicht möglich sei. Das Sehvermögen liege beiderseits unter 1/50. Die vorderen Abschnitte der Augäpfel seien bei Sichtkontrolle regelrecht. Der Augenhintergrund könne nicht sicher beurteilt werden. Es bestehe beidseits eine Optikusartrophie (Degeneration der Sehnerven-fasern zwischen dem Anfang des Sehnervs am Augenhintergrund und der Sehnervenkreu-zung im Zentrum der mittleren Schädelgrube). Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.07.1996, wonach Blindheit im Sinne des Gesetzes nicht festzustellen sei, weil trotz des mehrfach geschädig-ten Kindes, bei dem wahrscheinlich auch eine schwere Sehschädigung vorliege, eine exak-te Beurteilung aufgrund der Hirnschädigung nach den üblichen Kriterien nicht möglich sei, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.08.1996 die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" ab, weil Blindheit im Sinne des Gesetzes nicht nachgewiesen sei. Auf den Widerspruch des Klägers vom 20.08.1996 hin, mit dem dieser im Wesentlichen geltend machte, dass bei ihm anstelle einer verminderten Sehschärfe eine andere Störung des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliege, welcher einer Sehschärfe von nicht mehr als 1/50 entspreche, wie seine behandelnde Augenärztin bestätige, zog der Be-klagte ein MDK-Pflegegutachten vom 19.01.1995 sowie ein Gutachten von Dr. med. Q1 ..., Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des V ...-Klinikums P ..., vom 17.06.1998 mit Untersuchung am 16.06.1998 bei. Während im MDK-Pflegegutachten hinsichtlich der Sinnesorgane eine schwerste Ein-schränkung bzw. ein völliger Funktionsausfall und der Kläger als fast blind sowie fast taub beschrieben wird, gibt Dr. med. Q1 ... an, dass eine regelrechte, auch konsensuelle Licht-reaktion bestehe (reflektorische Verengung der Pupille auf Lichteinfall am belichteten und auch am unbelichteten Auge ausgelöst durch die übergekreuzten Sehnervenfasern der Seh-bahn). Dr. med. Q1 ... führt weiter aus, dass keine Fixierung und keine Reaktion auf helle Lichtquellen erfolge. Fraglich sei die Angabe der Eltern, dass nur ungezielt nach Gegens-tänden gegriffen werde, weil der Kläger sehr rasch, aber nicht wiederholbar nach der Un-tersuchungslampe und auch gezielt nach den Untersuchungspapieren gegriffen habe. Die Ableitung visuell-evozierter Potentiale (durch optische Reizung auslösbare Potentialände-rungen am Gehirn, welche in ihrer Summe eine mehrgipflige Kurve ergeben) sei wegen der ständig ausschlagenden Körperbewegungen nur beidäugig möglich gewesen, was le-diglich den Schluss zulasse, dass unter Narkose eine Ableitung von Potentialen möglich wäre, ohne dass klar sei, wie diese Potentiale tatsächlich aussehen. Eine Narkose sei aber angesichts des deutlich erhöhten Narkoserisikos nicht angezeigt. Da jedoch andererseits die Ableitung dieser Potentiale die einzige Möglichkeit sei, Blindheit im Sinne des Geset-zes nachzuweisen, könne diese derzeit nicht bestätigt werden. Nachdem sich der zugezogene Versorgungsarzt dieser Einschätzung am 25.06.1998 ange-schlossen hatte wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.1998 unter Bezugnahme hierauf ab. Der Kläger hat am 25.08.1998 Klage erhoben und vorgetragen, dass er wegen einer Schä-digung seiner Sehnerven praktisch blind sei. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzu-weisen und auf die angegriffenen Bescheide Bezug genommen. Das Sozialgericht hat daraufhin Befundberichte der behandelnden Ärzte, insbesondere der behandelnden Augenärztin Dr. med. R1 ... vom 01.04.1999 beigezogen. Dr. med. R1 ... gab an, dass sie den Kläger zuletzt am 28.03.1996 untersucht habe. Angaben zum Sehver-mögen seien nicht möglich. Gegenstände fixiere er nur ganz dicht vor den Augen, sodass ein Sehvermögen beiderseits von unter 1/50 anzunehmen sei. Die vorderen Augenabschnit-te seien bei Sichtkontrolle regelrecht. Eine Beurteilung des Augenhintergrundes sei wegen heftiger Abwehrbewegung nicht möglich. Bei früheren Untersuchungen vor 1990 sei eine Sehnervenartrophie, welche eine hochgradige Sehminderung verursache, festgestellt wor-den. Der Beklagte hat hierzu unter Bezugnahme auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme vom 09.06.1999 ausgeführt, dass damit Blindheit weiter nicht nachgewiesen sei und dies 1998 entsprechend begutachtet worden sei. Eine Optikusartrophie bilde nur einen morpho-logischen Befund, der Rückschlüsse auf das Sehvermögen allein nicht zulasse. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 13.02.2001 hat der Beklagte hinsichtlich des bis dahin ebenfalls streitigen Merkzeichens "aG" ein Teilanerkenntnis über eine Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab 01.01.1996 abgegeben, welches der Kläger angenommen hat. Auf den danach gestellten Klageantrag, den Bescheid des Beklagten vom 07.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.1998, gefasst im Teilanerkenntnis vom 13.02.2001, teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" festzustellen, hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 13.02.2001, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 01.03.2001, abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl". Die rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch finde sich in § 4 Abs. 4 und 5 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) in Verbindung mit § 59 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 SchwbG bzw. § 33b Abs. 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) sowie weiteren Vorschriften. Danach sei das Merkzeichen "Bl" als Nachweis für Blindheit festzustellen, da Blindheit Einfluss auf die unentgeltliche Beförderung Schwer-behinderter am öffentlichen Personennahverkehr sowie auf das Einkommenssteuerrecht habe und damit Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sei. § 59 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 SchwbG verweise zur Definition der Blindheit auf § 76 Abs. 2a Nr. 3a Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Danach gelte diejenige Person als blind, deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 betrage, oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Für die Beurteilung, ob diese Kriterien erfüllt seien, sei im Inte-resse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung ergänzend auf die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachter-tätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) von 1996 abzustellen. In Nr. 23 der AHP sei in Übereinstimmung mit § 76 Abs. 2a Nr. 3a BSHG als blind derjenige anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 betrage, oder wenn andere Störungen des Sehver-mögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleich zu achten seien. In Nr. 23 Abs. 3 der AHP seien die Gruppen aufgezählt, bei denen nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft eine gleichzusetzende Sehbehinderung vorliege. Hierbei handele es sich insbesondere um Per-sonen mit einer besseren Sehschärfe als 1/50, jedoch einem entsprechend eingeengten Ge-sichtsfeld bzw. um Gesichtsfeldausfälle. Nach Nr. 23 Abs. 4 der AHP könne eine visuelle Agnosie nicht mit Blindheit gleichgestellt werden. Unter diesen Voraussetzungen könne das Gericht den Nachweis von Blindheit nicht annehmen. Aufgrund der beim Kläger be-stehenden, schweren geistigen Behinderung sei keine Möglichkeit gegeben, die Blindheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Dies werde durch die Be-fundberichte der behandelnden Augenärztin Dr. med. R1 ... vom 15.05.1996 und 01.04.1999 sowie des Gutachtens von Dr. med. Q1 ... vom 17.06.1998 bestätigt, deren Inhalt vom Sozialgericht im Einzelnen wiedergegeben wird. Danach könne Blindheit zwar nicht definitiv ausgeschlossen werden, hier sei unter Berücksichtigung aller vorliegenden Befunde und Beurteilungen jedoch auch deren Nachweis nicht erbracht. Insbesondere aus der Mitteilung der behandelnden Augenärztin, dass eine hochgradige Sehminderung beste-he und Gegenstände dicht vor den Augen fixiert werden, sei zu folgern, dass eine vollstän-dige Blindheit nicht vorliege. Inwiefern die Beeinträchtigung der Sehfähigkeit tatsächlich der Blindheit gleichzustellen sei, welchen Umfang die Sehbeeinträchtigung also habe, sei nicht exakt bestimmbar. Die Bewertung der Sehschärfe durch die behandelnde Augenärz-tin mit 1/50 sei vor diesem Hintergrund nicht geeignet, mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit das Vorliegen von Blindheit zu belegen. Auch die Sehnervenatrophie führe nicht zwangsläufig zur Annahme von Blindheit. Welchen Umfang diese Atrophie habe, sei nicht eindeutig zu beurteilen gewesen. Da jedoch bei Ableitung der visuell-evozierten Po-tentiale bei beidäugiger Prüfung ein positives Ergebnis durch Dr. med. Q1 ... erzielt wor-den sei, könne nicht von einer vollständigen Atrophie ausgegangen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG v. 31.01.1995, Az. 1 RS 1/93) sei bei gleichzeitigem Vorliegen von visueller Agnosie und Optikusatrophie allein maßgeblich, ob das "Erkennen"-Können ausgeschlossen sei. Die Fähigkeit des "Benennens"-Könnens als Ausdruck der visuellen Agnosie sei damit für die Blindheit nicht maßgeblich. Für die Kammer sei nachvollziehbar, dass aufgrund der vielen gesundheitlichen Beeinträchtigun-gen beim Kläger ein Zustand vorliege, der einer Blindheit ähnlich sei, dass dieser Zustand jedoch auch ohne das Vorliegen der visuellen Agnosie gegeben wäre, könne aus den vor-liegenden Befunden nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgeleitet wer-den. Aufgrund der Wertungen der behandelnden Augenärztin und von Dr. med. Q1 ..., dass weitere Untersuchungen der Sehfähigkeit beim Kläger nicht zumutbar seien, da eine Untersuchung ein besonders großes Risiko darstelle und eine Untersuchung ohne Narkose aufgrund der heftigen Abwehrreaktionen des Klägers keine neue Erkenntnisse bringen könne, habe das Gericht auch keine Ansatzpunkte für weitergehende Ermittlungen gese-hen. In der mündlichen Verhandlung habe auch der gesetzliche Vertreter des Klägers wei-tere Untersuchungen nicht für erforderlich gehalten. Unter Zugrundelegung der im Sozial-recht geltenden Beweisregeln im Sinne der objektiven Beweislast, wonach derjenige die Nichterweisbarkeit einer Tatsache zu tragen habe, der daraus ein Recht herleiten wolle, gehe die fehlende Erweisbarkeit der Blindheit zu Lasten des Klägers, da dieser aus der Blindheit die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" geltend mache. Mit der am 28.03.2001 eingelegten Berufung macht der Kläger ergänzend zu seinem bishe-rigen Vorbringen geltend, dass sich das Sozialgericht zu Unrecht auf die Untersuchung durch Dr. med. Q1 ... stütze, obwohl wegen der heftigen Abwehrreaktionen damals eine korrekte Untersuchung nicht habe durchgeführt werden können. Auch ein wiederholtes Greifen nach Gegenständen sei kein Hinweis darauf, dass keine Blindheit vorliege. Diese Reaktionen seien nicht auf das Sehen der Gegenstände zurückzuführen, sondern vielmehr unwillkürlich und nicht zielgerichtet gewesen. Von den im Berufungsverfahren ange-schriebenen medizinischen Sachverständigen sei die Einschätzung der behandelnden Au-genärztin zumindest nicht bestritten worden, auch wenn von diesen Sachverständigen kei-ne weitergehenden Untersuchungen durchgeführt worden seien. Im Übrigen könne auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.07.2004 (Az. L 5 BL 1/02) verwiesen werden. Danach bestehe Anspruch auf Blindengeld, wenn eine Kombination von Schädi-gung des Sehorgans mit höher (oberhalb der Sehrinde) angesiedelten, das Gehirn betref-fenden Störungen vorliege und der Betroffene infolge des Zusammenwirkens der Störun-gen praktisch nicht sehen könne. Vom Bayerischen Landessozialgericht werde als Beispiel die Störung des Sehvermögens (etwa durch eine Optikusschädigung) mit visuellen Verar-beitungsstörungen (als Teilursache) genannt, die in einer Weise zusammenwirken, dass die Störung des Sehvermögens insgesamt dem Schweregrad einer Sehminderung von maximal 1/50 auf dem besseren Auge gleichzuachten sei. Zur Prüfung, ob Blindheit bestehe, könne zudem eine neuroradiologische Abklärung mittels einer Kernspintomographie sowie peri-metrischer Diagnostik vorgeschlagen werden. Der Kläger und Berufungskläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.02.2001 sowie den Bescheid vom 07.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.1998 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 13.02.2001 abzuändern und den Beklagten zu ver-pflichten, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" festzustellen. Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.02.2001 zu-rückzuweisen. Er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und trägt ergänzend vor, dass sich aus den im Berufungsverfahren eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte nichts Neues ergebe. Seitens der gesetzlichen Vertreter des Klägers sei eine Zustimmung zu einer Untersuchung unter Narkose im Berufungsverfahren nicht gegeben worden, so-dass es weiterhin bei der vom Sozialgericht getroffenen Beweislastentscheidung bleibe. Im Übrigen sei der Begriff der Blindheit eng mit dem optischen Apparat verbunden. Dies be-deute, dass es auf die messbare Einschränkung der Sehleistung (Sehschärfe und Gesichts-feld) ankomme, die sich durch den morphologischen Befund des Sehorgans erklären lasse. Entscheidend sei daher allein die Funktion des Sehorgans, nicht hingegen eine visuelle Agnosie oder andere gnostische Störungen, welche keine Störung des Sehapparates dar-stellen. Die von der Klageseite vorgeschlagene Untersuchung durch Kernspintomographie (MRT) sei nach Einschätzung aller medizinischen Sachverständigen nur unter Narkose durchführbar und daher nicht möglich. Eine perimetrische Untersuchung, wie sie Klagesei-te weiter vorgeschlage, sei von der Mitarbeit des Probanden abhängig, was beim Kläger ebenfalls nicht in Betracht komme.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Hausärztin und der behandelnden Augen-ärztin beigezogen, welche mangels weiterer Untersuchungen keine neuen Befunde mitge-teilt haben.

Sodann hat das Gericht versucht, ein Gutachten bei Dr. med. S1 ..., kommissarischer Chefarzt der Augenklinik des Klinikums C ..., einzuholen, der am 11.02.2002 mitgeteilt hat, dass eine Begutachtung im Rahmen einer herkömmlichen ambulanten augenärztlichen Untersuchung wegen der völlig fehlenden Mitwirkung des Klägers nicht möglich sei und auch eine Narkoseuntersuchung zu exakten Erhebung des morphologischen Befundes zur fraglichen Optikusatrophie nicht ausreichend sei. Eine objektive Abklärung erscheine nur durch eine elektrophysiologische Untersuchung möglich, welche an seiner Augenklinik nicht durchgeführt werden könne. Der Senat hat daraufhin versucht, ein Gutachten bei Prof. Dr. med. P1 ..., Chefarzt der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums D ..., einzuholen, der am 18.03.2002 mitgeteilt hat, dass wegen der Erkrankung des Klägers keine Angabe zur Sehschärfe und zum Gesichtsfeld nach DIN-Vorschrift möglich sei. Es bleibe nur die klinische Beurteilung in Kombination mit einer VECP-Untersuchung (Ableitung von Po-tentialen nach Stimulation mit visuellen Reizen). Ergebe das VECP keinerlei Aktivität, sei daraus ein Rückschluss auf eine Optikusatrophie möglich. Gebe es im VECP nachweisbare Aktivitäten, bleibe die Höhe des Sehvermögens weiterhin spekulativ. Darüber hinaus blei-be ohnehin zweifelhaft, wie viel vom Seheindruck überhaupt vom Gehirn verarbeitet wer-de. Nach den CT-Befunden aus 1983 und 1984 gehe eine Defektheilung auch im Bereich des Okzipitallappens links (kleinster Großhirnlappen mit Sehzentrum und den Zentren für das Festhalten von Erinnerungsbildern) hervor, der auch das Sehzentrum mit betreffen könne. Insofern sei auch eine aktuelle Untersuchung des Gehirns (MRT) denkbar, um ab-zugrenzen, welche zentralen Bereiche tatsächlich geschädigt seien. Schließlich sei es defi-nitiv notwendig, den Kläger für die dafür erforderlichen Untersuchungen zu sedieren, d.h. ihm ein Beruhigungs- bzw. Narkosemittel zu verabreichen. Dafür müsse jedoch vorher geklärt werden, ob damit eine Gefahr für Gesundheit oder Leben beim Kläger bestehe und ob die gesetzlichen Vertreter einer Sedierung zustimmen. Auf Nachfrage des Gerichts erklärten die gesetzlichen Vertreter unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Dr. med. D1 ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 06.05.2002, dass sie einer Sedierung nicht zustimmen. Dr. med. D1 ... hat in seiner Stel-lungnahme ausgeführt, dass die von Prof. Dr. med. P1 ... für erforderlich gehaltene deutli-che Sedierung im Sinne einer Intubationsnarkose mit einer deutlichen Gefährdung des so schon komplex geschädigten Klägers einhergehe und er dies zum Zwecke der Begutach-tung daher nicht unterstützen könne. Prof. Dr. med. P1 ... teilte dem Senat hierauf am 03.07.2002 mit, dass angesichts der Stellungnahme von Dr. med. D1 ... in seiner Einrichtung definitiv keine Möglichkeit mehr bestehe, die geforderten Untersuchungen durchzuführen. Er empfehle jedoch sich an Prof. Dr. med. Z1 ..., Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuro-Ophthalmologie der Au-genklinik des Universitätsklinikums T ..., zu wenden, wo unter Umständen eine Untersu-chung ohne Sedierung erfolgen könne. Auf Nachfrage teilte Prof. Dr. med. Z1 ... am 29.09.2002 mit, dass die beim Kläger not-wendige Untersuchung der visuell-evozierten Potentiale (VECP) und ein MRT ohne Sedie-rung bzw. ohne Narkose nicht möglich seien. Nachdem hierauf aufgrund der übereinstimmenden Anträge der Beteiligten vom Gericht mit Beschluss vom 18.03.2003 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war, damit sich die gesetzlichen Vertreter des Klägers über eine Zustimmung zur Narkose Klarheit verschaffen können, wurde das Verfahren im März 2004 wieder aufgerufen, ohne dass die Zustimmung zur Narkose erteilt wurde, und im Erörterungstermin am 27.04.2005 von den Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Ge-richtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge zum Schwerbehindertenrecht, zum Landesblindengeldgesetz und zum Bundesseuchengesetz Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens waren.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben. Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte sowie gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2 SGG) in der Sache zu Recht abgewiesen, weil der Ableh-nungsbescheid vom 07.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.1998 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 13.02.2001 rechtmäßig ist, soweit mit diesen Bescheiden die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" abgelehnt wurde, und den Kläger insofern nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch ge-genüber dem Beklagten auf Erlass eines Bescheides, mit dem bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" festgestellt werden. Das Sozialgericht hat die Rechtsgrundlagen für eine solche Feststellung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffend benannt. Inzwischen ist jedoch das Neunte Buch des Sozi-algesetzbuchs – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – am 01.07.2001 (SGB IX) in Kraft getreten, welches nunmehr Anwendung findet, weil über eine Verpflich-tungsklage grundsätzlich anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten münd-lichen Verhandlung zu entscheiden ist (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54, Rn. 34, m.w.N.). Danach ist Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" durch den Beklagten § 69 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 SGB IX, wonach der Beklagte als die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständige Behörde die erforderlichen Feststellungen zu weiteren gesundheitlichen Merkmalen im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX zu treffen hat, wenn diese gesundheitlichen Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Dies betrifft auch die gesundheitlichen Merkmale des Merkzeichens "Bl" (Blindheit), welches Vorausset-zung für die Inanspruchnahme der für Blinde vorgesehenen Nachteilsausgleiche ist. Die Vorraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "Bl" ergeben sich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung aus § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XII), wonach blinden Menschen Personen gleichstehen, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzu-achtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Bis zum 31.12.2004 nahm § 3 Abs. 1 Nr. 3 SchwbAwV noch auf den vom Sozialgericht zutreffend zitierten § 76 Abs. 2a Nr. 3a BSHG Bezug, wonach auch diejenigen blind sind, deren Seh-schärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei denen dem Schwere-grad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Seh-vermögens vorliegen. Hiermit im Einklang konkretisieren die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialord-nung (inzwischen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung – BMGS) herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschä-digungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" aus dem Jahr 1996 (im Folgenden: AHP 1996) sowie ab 01.05.2004 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" aus dem Jahre 2004 (im Folgenden: AHP 2004) die Voraussetzungen des Merkzeichens "Bl" (vgl. Nr. 23 der AHP in der jeweiligen Fassung). Die AHP sind insoweit für die Verwaltung – ebenso wie für die Gerichte – ein im Grund-satz verbindlicher Maßstab, weil sie als antizipierte Sachverständigengutachten den aktuel-len Wissens- und Erkenntnisstand der herrschenden medizinischen Lehrmeinung wieder-geben und ein abgewogenes und in sich geschlossenes, wie untergesetzliche Rechtsnormen anzuwendendes Beurteilungsgefüge bereitstellen, das eine dem allgemeinen Gleichheits-satz entsprechende Rechtsanwendung gewährleistet (ausführlich: BSG v. 18.09.2003, Az: B 9 SB 3/02 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 2; BSG v. 01.09.1999, Az: B 9 V 25/98 R, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22; BVerfG v. 06.03.1995, Az: 1 BvR 60/95, SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Danach ist gemäß Nr. 23 Abs. 2 Satz 1 der AHP blind, wer sein Augenlicht vollständig verloren hat. Nach Nr. 23 Abs. 2 Satz 2 der AHP ist im Einklang mit den zitierten gesetzli-chen Vorschriften jedoch auch derjenige als blind anzusehen, dessen Sehschärfe auf kei-nem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzuachten sind. Darüber hinaus erläutern die AHP, in welchen Fällen Störungen des Sehvermögens vorlie-gen, die dem Schweregrad einer Sehschärfe von nur noch 1/50 gleichzuachten sind. Die AHP nennen insoweit bestimmte Formen von erheblichen Gesichtsfeldausfällen (Nr. 23 Abs. 3 der AHP) sowie in Nr. 23 Abs. 4 der AHP den vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit). Demgegenüber wird eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung in Nr. 23 Abs. 4 der AHP ausdrücklich verneint, wenn nur eine visuelle Agnosie oder andere gnostische Störungen vorliegen, d.h. wenn trotz intakter Wahrnehmung die Verarbeitung der Wahrnehmung im Gehirn – das Verstehen des Gesehenen – gestört ist. Das Bundessozialgericht nimmt ausgehend von der gesetzlichen Definition – etwa in § 76 Abs. 2a Nr. 3a BSHG und in § 72 Abs. 5 SGB XII – dementsprechend an, dass diese Auf-zählung nicht abschließend ist. Insbesondere müssen danach keine dem Sehschärfenverlust ihrer Art nach vergleichbaren Störungen (wie die in Nr. 23 Abs. 3 der AHP aufgezählten Gesichtsfeldeinschränkungen) vorliegen, sondern es genügen Sehstörungen, die nur in ih-rem Schweregrad der Sehschärfenminderung auf 1/50 vergleichbar sind. Ursache der Seh-störungen muss deshalb auch kein Schaden des Sehorgans selbst sein (Auge, Sehbahn). Schäden, die das Gehirn betreffen, kommen ebenso in Betracht (BSG v. 31.01.1995, Az: 1 RS 1/93, SozR 3-5920 § 1 Nr. 1). Bei derartigen Hirnschäden ist mit dem Bundessozialgericht jedoch zu differenzieren, ob tatsächlich das Sehvermögen selbst, d.h. die Fähigkeit zu erkennen bzw. wahrzunehmen, beeinträchtigt ist (dann ist eine Gleichstellung mit der Blindheit möglich) oder ob die Seh-störung ihre Ursache in einer geistig-seelischen Behinderung, d.h. in einer Verarbeitungs-störung hat, bei der trotz vorhandener Sehfunktion das Wahrgenommene nicht verarbeitet und deshalb auch nicht benannt werden kann (z.B. gnostische Störung, visuelle Agnosie). Liegt allein eine Sehstörung im letzteren Sinne vor, kann keine Gleichstellung mit Blinden erfolgen. Diese Differenzierung zwischen dem visuellen "Erkennen-Können" (besser: "Wahrneh-men-Können") und dem geistig-seelischen "Benennen-Können" (besser: "Verstehen-Können") führt hingegen nicht dazu, dass bei einer Kombination von Störungen, welche beide Bereiche betreffen, nur der Teil Berücksichtigung findet, der das visuelle "Verste-hen-Können" betrifft. Die Sehstörung ist in diesen Fällen vielmehr insgesamt unter Einbe-ziehung auch des Teils, der das geistig-seelische "Verstehen-Können" als Teil-Ursache der Sehstörung betrifft, zu bewerten und in ihrem Schweregrad mit der Sehschärfenminderung auf 1/50 zu vergleichen (BSG v. 31.01.1995, Az: 1 RS 1/93, SozR 3-5920 § 1 Nr. 1). Bei umfangreichen, komplexen Hirnschäden muss sich in diesen Kombinationsfällen aller-dings eine spezifische Störung des Sehvermögens feststellen lassen, wozu genügt, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten des Gehirns (BSG v. 20.07.2005, Az: B 9a BL 1/05 R, zitiert nach JURIS). Dies zugrunde gelegt hat das Sozialgericht nach den gegebenen Umständen im Ergebnis zutreffend eine Beweislastentscheidung getroffen. Denn – wie das Sozialgericht zutreffend ausführt – es müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. diejenigen Tatsachen, welche im Falle ihres Vorliegens den geltend gemachten Anspruch begründen, im sog. Vollbeweis gesichert sein, d.h. diese Tatsachen müssen zur Überzeugung des Senats mit an Sicherheit grenzender, keine vernünftigen Zweifel mehr offen lassenden Wahrscheinlich-keit vorliegen. Beim Kläger müsste deshalb entweder Blindheit oder eine Sehschärfenmin-derung auf mindestens 1/50 oder eine Gesichtsfeldeinschränkung im Sinne von Nr. 23 Abs. 3 der AHP oder eine Rindenblindheit gemäß Nr. 23 Abs. 4 der AHP oder eine sonsti-ge Störung des Sehvermögens im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialge-richts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Vollbeweis nachgewiesen sein. Dies ist hier nicht der Fall, weil nur die nicht auszuschließende Möglichkeit, aber nicht die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit besteht, dass Tatsachen vorliegen, welche eine der Blindheit gleichzuachtende Störung des Sehvermögens beim Kläger begründen. Dies reicht nicht aus, weil nach den im Sozialrecht geltenden Grundsätzen der objektiven Be-weislast derjenige, der einen Anspruch geltend macht, auch das Risiko trägt, dass sich die anspruchsbegründenden Tatsachen – trotz der auch für die Sozialgerichte bestehenden Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) – nicht nachweisen lassen (vgl. u.a. BSG v. 31.01.1995, Az: 1 RS 1/93, SozR 3-5920 § 1 Nr. 1; BSG v. 28.06.1984, Az: 2 RU 54/83, zitiert nach JURIS). Zwar lässt sich danach zur Überzeugung des Senats beim Kläger die Kombination einer gnostischen Störung im Sinne eines "Nicht-Verstehen-Könnens" und einer Störung des Sehvermögens selbst im Sinne eines "Nicht-Wahrnehmen-Könnens" feststellen. Jedoch bleibt unklar, ob diese Kombination tatsächlich von ihrem Schweregrad her, soweit sie auf eine spezifische Sehstörung bezogen wird, das Ausmaß einer Sehschärfenminderung auf 1/50 oder weniger erreicht. Dass der Kläger blind im Sinne von Nr. 23 Abs. 2 Satz 1 der AHP ist, d.h. dass er sein Au-genlicht vollständig verloren hat, wird von den Beteiligten nicht behauptet und ist bereits deshalb nicht anzunehmen, weil die behandelnde Augenärztin zeitweises Fixieren von Ge-genständen zumindest dicht vor den Augen und der Gutachter des Beklagten Dr. med. Q1 ... jedenfalls konsensuelle Lichtreaktionen nachweisen konnte. Nicht feststellbar und damit offen ist hingegen, ob die danach zumindest geringfügig erhal-tene Sehschärfe gemäß Nr. 23 Abs. 2 Satz 2 der AHP nur noch 1/50 oder weniger beträgt sowie ob das Gesichtsfeld Einschränkungen aufweist, wie sie gemäß Nr. 23 Abs. 3 der AHP für Gesichtsfeldausfälle erforderlich sind, die derartigen Sehschärfenminderungen gleichzuachten sind. Denn sowohl die Sehschärfenmessung als auch die Gesichtsfeldmes-sungen (wie von den Eltern des Klägers zuletzt vorgeschlagen mittels perimetrischer Dia-gnostik) erfordern die Mitarbeit des Klägers, welche angesichts der Schwere seines Lei-dens ausgeschlossen ist. Bereits hier geht die Nichterweislichtkeit der Sehschärfen- und Gesichtsfeldeinschränkung daher zu Lasten des Klägers. Gleichfalls nicht nachweisen lässt sich eine Rindenblindheit bzw. der vollständige Ausfall der Sehrinde, d.h. des primären Rindenzentrums der Großhirnrinde als dem Ort, an dem in der Folge optischer Reize die Farb- und Lichtwahrnehmungen zu bewussten Empfindun-gen werden (Roche, Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003). Zwar geht der Sachverständige Prof. Dr. med. P1 ... nach den CT-Befunden aus 1983 und 1984 von einer Defektheilung auch im Bereich des Okzipitallappens links, d.h. des kleinsten Großhirnlappens mit Sehzentrum und den Zentren für das Festhalten von Erinnerungsbildern (Roche, Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003), aus. Jedoch bleibt nach seiner Meinung unklar, ob das Sehzentrum selbst, d.h. die Sehrinde, und damit die Fähigkeit des "Wahrnehmen-Könnens" betroffen ist. Die danach denkbare Untersuchung des Gehirns mittels eines MRT zur Abklärung, welche zentralen Bereiche tatsächlich geschädigt sind, setzt hingegen nach Meinung aller befass-ten Sachverständigen eine Narkose voraus, welche angesichts der Erkrankung des Klägers nicht ohne Gefahr für seine Gesundheit möglich ist und deshalb – für den Senat durchaus nachvollziehbar – von seinen Eltern verweigert wurde. Schließlich lässt sich der Umfang einer sonstigen Störung des visuellen "Wahrnehmen-Könnens" in Abgrenzung vom geistig-seelischen "Verstehen-Können" nicht hinreichend sicher nachweisen. Insoweit ist zwar mit der behandelnden Augenärztin unter Berücksich-tigung der im Kindesalter beim Kläger erhobenen Befunde eine Schädigung der Sehbahn im Sinne einer Optikusartrophie als solche zur Überzeugung des Senats gegeben. Diese ist durch eine Degeneration der Sehnervenfasern zwischen dem Anfang des Sehnervs am Au-genhintergrund (Papille) und der Sehnervenkreuzung im Zentrum der mittleren Schädel-grube (Chiasma, von wo die Sehbahn anschließend – nach der Kreuzung – weiter zur Seh-rinde verläuft) gekennzeichnet (Roche, Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003). Jedoch wäre zum Nachweis des Umfangs einer solchen Optikusartrophie die Ableitung visuell-evozierter Potentiale, d.h. die Ableitung von durch optische Reizung auslösbaren Potentialänderungen am Gehirn, welche in ihrer Summe eine mehrgipflige Kurve ergeben (Roche, Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003), notwendig. Dies erfordert nach Prof. Dr. med. P1 ... eine sog. VECP-Untersuchung, welche die tiefe Sedierung des Klägers notwendig macht und – wie alle Sachverständigen übereinstimmend annehmen – wegen des Gesund-heitszustandes des Klägers nicht gefahrlos möglich ist und deshalb von den Eltern zu Recht verweigert wurde. Zudem wäre das Ergebnis einer solchen VECP-Untersuchung fraglich, weil nach Prof. Dr. med. P1 ... ein Rückschluss auf eine Optikusartrophie nur dann möglich wäre, wenn das VECP keinerlei Aktivität ergibt. Falls das VECP hingegen nachweisbare Aktivitäten ab-bilden würde, bliebe der Umfang des Sehvermögens des Klägers nach Prof. Dr. med. P1 ... weiterhin spekulativ. Wird in diesem Zusammenhang berücksichtigt, dass der vom Beklagten herangezogene Sachverständige Dr. med. Q1 ... bei seiner Untersuchung zu-mindest beidäugig visuell-evozierte Potentiale ableiten konnte, so erscheint es eher als un-wahrscheinlich, dass ein VECP keinerlei Aktivität ergeben würde. Gegen einen vollständi-gen Ausfall der Sehbahn infolge der Optikusartrophie spricht zudem, dass der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. med. Q1 ... rasch und zielgerichtet nach Gegenständen greifen konnte. Daher bleibt der Umfang der von der Optikusartrophie ausgehenden Beeinträchti-gung des visuellen "Wahrnehmen-Könnens" unklar. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Situation des Klägers für den Senat so dar, dass ei-nerseits angesichts der vorliegenden medizinischen Unterlagen eine erhebliche, nicht nur das Sehzentrum, sondern auch alle anderen Modalitäten des Gehirns betreffende Störung der Hirntätigkeit vorliegt, welche unter anderem das geistig-seelische "Verstehen-Können" der wahrgenommenen Seheindrücke betrifft. Andererseits besteht aber auch eine spezifi-sche Sehstörung in Form einer Optikusartrophie, bei der jedoch nicht feststellbar ist, in welchem Umfang sie das visuelle "Wahrnehmen-Können" beeinträchtigt. Darüber hinaus ist auch eine Schädigung der Sehrinde als weitere, das "Wahrnehmen-Können" betreffen-de, spezifische Sehstörung nicht auszuschließen und damit möglich, jedoch nicht nach-weisbar. Dies führt schließlich zu dem Ergebnis, dass zwar eine kombinierte Störung des visuellen "Wahrnehmen-Könnens" und des geistig-seelischen "Verstehen-Könnens" nachgewiesen ist, jedoch nicht feststeht, ob der komplexe Hirnschaden des Klägers derart ausgestaltet ist, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten des Gehirns. Denn wenn allein der Teil der Sehstörung betrachtet wird, der das geistig-seelischen "Verstehen-Können" betrifft, so hebt sich dieser Teil in Ausmaß und Gewicht für den Senat nicht von den Störungen des geistig-seelischen "Ver-stehen-Könnens" in anderen Modalitäten des Gehirns ab, während das Ausmaß der hinzu-tretenden Störung des visuellen "Wahrnehmen-Könnens" infolge der Optikusarthrophie völlig unklar und damit in seiner von den anderen Modalitäten abgrenzenden Bedeutung nicht bestimmbar ist. Gleiches gilt für die nicht nachgewiesene Schädigung der Sehrinde. Infolge dessen ist auch eine Aussage dahin nicht möglich, ob die kombinierte Störung des visuellen "Wahrnehmen-Könnens" und des geistig-seelischen "Verstehen-Könnens" bezo-gen allein auf das Sehvermögen des Klägers in ihrer Schwere dem Verlust der Sehschärfe auf 1/50 oder weniger gleichzuachten ist, so dass der Kläger nicht als blind im Sinne des Merkzeichens "Bl" angesehen werden kann. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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