L 1 P 14/04

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 P 34/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 P 14/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25. März 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungsbescheides, mit dem die Beklagte dem Kläger mit Wirkung für die Zukunft Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I aberkannt hat.

Der am ... 1985 geborene Kläger, der über seine Mutter bei der Beklagten versichert ist, leidet an einer ausgeprägten geistigen Behinderung im Sinne einer mittelgra-digen Intelligenzminderung in Verbindung mit der Störung der Bewegungskoordination aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens. Ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Nachteilsausgleiche B, G und H zuerkannt (vgl. Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Dresden vom 08. Februar 1999). Seit September 2004 besucht der Kläger eine Behindertenwerkstatt. Er wohnt zusammen mit seinen Eltern in deren Haus.

Ein am 21. Oktober 1994 bei der Beklagten gestellter Antrag auf Gewährung von Leistun-gen der Pflegeversicherung (Geldleistung) wurde mit einem Hilfebedarf im Bereich der Ernährung, Bewegung, Körperpflege und "Sonstiges" begründet. Zur Begründung legte der Kläger eine Bescheinigung der Fachärztin für Innere Medizin P1 ... in P ... vor, in der bestätigt wurde, dass der Kläger schwerstpflegebedürftig sei.

Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein (Sachverständige Dipl.-Med. H1 ...). Die Sachverständige stellte bei dem Kläger funktionelle schwere Einschrän-kungen der ZNS und der Psyche fest: schwere Verhaltensstörungen, Umtriebigkeit, zeitli-che Desorientiertheit mit kaum vorhandenem Kritik- und Urteilsvermögen, mitunter selbst- und fremdgefährdendes Verhalten. Als pflegebegründende Diagnosen wurden Oligophre-nie und schwere Verhaltensstörung nach vermutlich frühkindlicher Hirnschädigung ange-geben. Der Kläger könne sich teilweise unselbständig sauber halten und kleiden, essen und trinken könne er bedingt selbständig. Das Ausscheiden könne teilweise unselbständig ver-richtet werden. Der Kläger melde sich nicht immer rechtzeitig, müsse zur Toilette ge-schickt werden, es erfolge noch ein häufiges Einnässen. Im Bereich der Körperpflege liege ein Hilfebedarf beim Waschen (zweimal täglich), beim Duschen/Baden (zweimal pro Wo-che), bei der Zahnpflege (zweimal täglich), beim Kämmen/Rasieren (zweimal täglich) so-wie bei der Darm- und Blasenentleerung (mehrmals täglich) vor. Ein Hilfebedarf bestehe ebenso viermal täglich bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung. Ferner bestehe zweimal täglich ein Hilfebedarf beim Aufstehen/Zu-Bett-Gehen (der Kläger müsse mehr-fach geschickt werden), beim zweimal täglichen An-/Auskleiden, beim Gehen (mehrmals täglich Aufsicht notwendig) sowie beim Treppensteigen und Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung (jeweils mindestens zweimal täglich). Der Hilfebedarf im Bereich der Kör-perpflege resultiere aus Aufsicht und Anleitung, z. B. beim Waschen, und auch aus voll-ständiger Übernahme der Verrichtungen (z. B. beim Zähneputzen). Dabei sei ein hoher Zeitaufwand erforderlich, da es an entsprechender Mitarbeit bzw. Einsicht mangele. Die motorischen Fähigkeiten beim Gehen, Stehen und Treppensteigen seien nicht einge-schränkt. Der Kläger könne sich jedoch nicht ohne Aufsicht in der Wohnung bewegen, da er nicht zur angegebenen Räumlichkeit gehe und zu gefährdenden Handlungen neige. Es liege Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I seit Januar 1995 vor. Gegenüber einem nichtbehinderten 10-Jährigen bestehe beim Kläger ein erhöhter Pflegebedarf bei den Ver-richtungen des täglichen Lebens. Die Körperpflege benötige aufgrund der Umtriebigkeit und des Widerstandes des Klägers beispielsweise mehr Geduld und Zeit als üblich. Ein gleichaltriges Kind beherrsche seine Ausscheidungsorgane, benutze selbständig die Toilet-te und ziehe sich selbständig an und aus. Er könne sich meist ohne Aufsicht in der Woh-nung bewegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 7 bis 10 der Verwaltungsakte verwiesen.

Mit Bescheid vom 03. März 1995 gewährte die "DIE BKK POST Pflegekasse" (BKK Post), die mit der VW BKK am 01. Januar 2003 zur Beklagten fusioniert hat, dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I.

In einer von der Rechtsvorgängerin der Beklagten veranlassten und am 26. Februar 2001 erfolgten Wiederholungsbegutachtung durch den MDK stellte die Sachverständige, Pfle-gefachkraft H2 ..., einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 13 Minuten täglich fest (5 Minuten täglich für die einmal tägliche Ganzkörperwäsche, 1 Minute täglich für das einmal wöchentliche Baden, 2 Minuten täglich für das einmalige Ankleiden sowie insge-samt 5 Minuten täglich für das einmalige Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung). Der Zeitaufwand für die Hauswirtschaft betrage 42,86 Minuten pro Tag. Es liege keine Pflege-bedürftigkeit mehr vor. Der Kläger habe in seiner Entwicklung sehr gute Fortschritte ge-macht. Nach Aussagen seiner Mutter sei er in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität sehr selbständig, müsse nur locker beaufsichtigt werden. Die volle hauswirt-schaftliche Versorgung des Klägers sei weiterhin erforderlich. Es bestehe aufgrund der geistigen Behinderung ein hoher allgemeiner Betreuungsbedarf.

Mit Schreiben vom 11. April 2001 hörte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger zu einer beabsichtigten Einstellung der Leistungen der Pflegestufe I mit Ablauf des 31. Mai 2001 an. Der Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege betrage nur noch 6 Minuten, der im Bereich der Mobilität 7 Minuten. Ein Hilfebedarf im Rahmen der Ernährung sei nicht mehr gegeben. Der Kläger habe in seiner Entwicklung sehr gute Fortschritte ge-macht.

Dagegen erhob der Kläger unter dem 23. April 2001 Einwendungen. Die zuerkannten Nachteilsausgleiche bedeuteten eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, die Notwendigkeit ständiger Begleitung und vor allen Dingen Hilflo-sigkeit. Es sei nicht ersichtlich, dass der Hilfebedarf lediglich noch 13 Minuten betrage. Er benötige ständig, mit Ausnahme der Zeit, in der er in der Schule sei, Betreuung durch seine Eltern. Dies beginne bereits mit dem Aufstehen bis zum Einstieg in das Taxi, das ihn in die Schule befördere. Er müsse ständig beaufsichtigt werden, um sicherzustellen, dass er ordentlich gekleidet und gewaschen das Haus verlasse. Beispielsweise sei beim Zähneput-zen und bei der übrigen Körperpflege ständig die Beaufsichtigung einer Pflegeperson er-forderlich. Es sei ihm nicht möglich, seine Freizeit allein zu gestalten. Sobald er einkaufen gehen möchte, sei es erforderlich, dass er von einer Pflegeperson begleitet werde.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2001 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Gewäh-rung von Leistungen nach der Pflegestufe I ab 01. Juni 2001 ein.

Auf den dagegen am 11. Juni 2001 eingelegten Widerspruch holte die Rechtsvorgängerin der Beklagte erneut ein Gutachten des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ein (Sachverständiger Dr. K1 ...). In seinem Gutachten vom 21. Juni 2001 stellte der Sachver-ständige einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 22 Minuten pro Tag sowie für die Hauswirtschaft von 30 Minuten pro Tag fest. Dabei schlüsselte er den Grundpflegebedarf in einen Hilfebedarf von 10 Minuten für die Ganzkörperwäsche, von 3 Minuten für die Teilwäsche Hände/Gesicht, von 2 Minuten für das Baden (einmal wöchentlich) sowie von 2 Minuten für die Zahnpflege täglich auf. Einen weiteren Hilfebedarf von 5 Minuten täg-lich nahm er für das "Ankleiden gesamt" an. Beim Kläger liege keine Pflegebedürftigkeit mehr vor. Die Aussagen des Vorgutachtens seien in jeder Weise zu bestätigen. An Pflege-hilfen seien nur noch solche Hilfeformen wie Anregung, Anleitung, Kontrolle notwendig. Eine ständige Anwesenheit der Pflegeperson bei den Verrichtungen sei nicht mehr erfor-derlich. Damit werde vom Zeitbedarf her keinesfalls das Ausmaß einer erheblichen Pfle-gebedürftigkeit mehr erreicht. Es sei unstreitig, dass der Kläger aufgrund seiner geistigen Behinderung allgemeiner Beaufsichtigung bedürfe. Dies könne aber nicht im Rahmen der Bestimmungen der Pflegeversicherung berücksichtigt werden. Wegen der weiteren Einzel-heiten des Gutachtens wird auf Blatt 45 bis 56 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Der Widerspruch blieb daraufhin ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 31. August 2001).

Mit Schreiben vom 05. November 2001 stellte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), gerichtet auf Überprüfung des Bescheides vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2001. Einen Grund für die Einstellung der Leistungen der Pflegestufe I mit Ablauf des 31. Mai 2001 habe nicht bestanden. Bei ihm lägen nach wie vor die Vor-aussetzungen für die Gewährung von Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit vor.

Mit Bescheid vom 07. Dezember 2001 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Antrag ab. Nach § 44 SGB X könne ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungs-akt für die Zukunft zurückgenommen werden. Hier liege jedoch kein rechtswidriger Ver-waltungsakt vor. Es bestehe kein Anspruch auf die beantragte Leistung. Die Voraussetzun-gen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb eben-falls ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2002).

Hiergegen hat sich die am 08. April 2002 beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobene Kla-ge gerichtet.

Das SG hat Befundberichte von Dipl.-Med. P2 ... (Fachärztin für Innere Medizin in B ...) und von Dipl.-Med. P1 ... (Facharzt für Innere Medizin in P ...) eingeholt. Die Fachärztin Dipl.-Med. P2 ... hat in ihrem Befundbericht vom 09. August 2002 mitgeteilt, der Kläger befinde sich im Stadium eines Kleinkindes und müsse aus diesem Grunde kon-tinuierlich Tag und Nacht überwacht bzw. gepflegt werden. Seit 1995 seien keine Verände-rungen im Umfang des Hilfe-/Pflegebedarfs eingetreten. Im Mai 2003 hat der Facharzt Dipl.-Med. P1 ... mitgeteilt, der Kläger habe sich bei ihm vom 18. März 1993 bis 25. Februar 1999 in Behandlung befunden. Es sei nicht bekannt, ob sich im Zeitraum zwischen 1995 und 1999 Veränderungen im Umfang des Hilfe-/Pflegebedarfs ergeben hätten. Nach seinen Unterlagen hätten sich die Befunde weder erheblich verschlechtert noch deutlich gebessert.

Ein Pflegegutachten hat das SG von Dr. H3 ... (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Ärztlicher Leiter des Sächsischen Krankenhauses A ... und Chef-arzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in A ...) erstellen lassen. In seinem Gutachten vom 02. September 2003 hat der Sachverständige ausgeführt, im Vergleich zur Erstbegutachtung im Jahr 1995 sei offensichtlich eine gewisse Reifung und Weiterentwick-lung erfolgt. Im Gutachten vom 26. Januar 1995 heiße es zum Beispiel: "Sebastian zeigt schwere Verhaltensstörungen." Dergleichen werde jetzt für die letzten Jahre weder vom Vater berichtet noch lasse sich dies aktuell beobachten. Gravierende, auf nervenärztlichem Gebiet liegende Erkrankungen seien nicht erkennbar und würden auch nicht von anderen medizinischen Gebieten berichtet. Weder psychotische Zustände noch ein Anfallsleiden noch selbstschädigende oder fremdaggressive Verhaltensweisen würden berichtet bzw. ließen sich erschließen. Aufgrund seiner mittelgradigen Intelligenzminderung und der da-durch bedingten retardierten Persönlichkeitsentwicklung werde der Kläger aller Voraus-sicht nach auf Dauer kein völlig selbständiges Leben führen können. Er werde vermutlich auf Dauer einer gewissen Beaufsichtigung, Anregung, Anleitung, Kontrolle und gelegent-licher Hilfestellung bei im Pflegeversicherungsgesetz genannten Tätigkeiten bedürfen. Eine selbständige hauswirtschaftliche Versorgung werde ihm auf Dauer aller Wahrschein-lichkeit nach nicht möglich sein. Im Bereich der Körperpflege bestehe ein Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche von 10 Minuten täglich, für das Duschen/Baden zusätzlich zur er-wähnten Ganzkörperwäsche maximal 4 Minuten täglich, für die Zahn- und Mundpflege 2 Minuten, für das Rasieren 2 Minuten. Bei der Darm- und Blasenentleerung sei keine aktive Hilfestellung erforderlich, es müsse aber gegebenenfalls hinsichtlich anschließender Hy-giene kontrolliert werden (Zeitaufwand 1 Minute). Ein Hilfebedarf bestehe weiter im Be-reich der Mobilität beim An- und Auskleiden (Anleitung, Überwachung und Bereitstellung witterungsgerechter Kleidung, maximaler täglicher Zeitaufwand 5 Minuten); insgesamt 24 Minuten täglich. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung sei mehrmals in der Woche Hil-fe erforderlich, schätzungsweise 3 ½ Stunden. Irgendwelche Erschwernisfaktoren vermöge er nicht zu erkennen.

Im Gutachten vom 26. Januar 1995 werde mehrmals von "schweren Verhaltensstörungen" gesprochen. Nur aufgrund dieser Angaben könne er nachvollziehen, warum vom Gutachter seinerzeit erhebliche Pflegebedürftigkeit angenommen worden sei, da derartige schwere Verhaltensstörungen zweifellos einen Erschwernisfaktor besonderen Grades darstellten. Unter der Voraussetzung, dass damals der Pflegebedarf des im 10. Lebensjahr stehenden Kindes korrekt eingeschätzt worden sei, seien in der Zwischenzeit bei dem Kläger Fort-schritte dahingehend eingetreten, dass eine Verringerung im Umfang des Pflegebedarfs festzustellen sei. Dies sei aufgrund des Reifungsprozesses und vor allem bei guter Förde-rung auch bei Menschen mit mittelgradiger Intelligenzminderung nicht ungewöhnlich. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 91 bis 102 der SG-Akte Bezug genommen.

Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Beklagte vorgetragen, zum Zeitpunkt der Erstbegut-achtung am 26. Januar 1995 sei bei dem Kläger eine bestehende Oligophrenie mit schwe-ren Verhaltensstörungen festgestellt worden. Daraus habe sich ein Hilfebedarf bei allen Verrichtungen der Körperpflege, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung sowie bei den Verrichtungen der Mobilität (außer Stehen) ergeben. Sie gehe dabei von folgenden Zeitansätzen aus: "Verrichtung Anzahl Zeitwert (min) Waschen 2 x à 20 min 40 Zahnpflege 2 x à 5 min 10 Kämmen 2 x à 1 min 2 Darm-/Blasenentleerung 5 x à 3 min 15 Mundger. Zuber. d. Nahrung 4 x à 2 min 8 Aufstehen/Zubettgehen 2 x à 1 min 2 Ankleiden 1 x à 10 min 10 Auskleiden 1 x à 5 min 5 Gehen 5 x à 1 min 5 Insgesamt 97." Sie sei der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme des das Pflegegeld be-willigenden Bescheides vom 03. März 1995 nach § 48 SGB X vorlägen.

Auf mündliche Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 25. März 2004 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 20. März 2002 verurteilt, den Bescheid vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2001 zurückzunehmen. Der Kläger habe An-spruch auf Rücknahme des Bescheides vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 31. August 2001 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheides vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 31. August 2001 das Recht unrichtig angewandt. Daher seien Leistungen der Pflegestufe I ab 01. Juni 2001 zu Unrecht nicht erbracht worden. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung nach § 48 Abs. 1 SGB X lägen nicht vor. Eine wesentliche Änderung könne nicht festgestellt werden. Zwar ergebe sich aus den vorliegenden Gutachten des MDK vom 20. März 2001 und 21. Juni 2001 sowie dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen vom 02. September 2003, dass die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe I derzeit nicht erfüllt seien. Je-doch habe bereits anhand des MDK-Gutachtens vom 26. Januar 1995 nicht zweifelsfrei festgestellt werden können, ob zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen der Pflege-stufe I vorgelegen haben, zumal hinsichtlich der einzelnen Verrichtungen keine konkreten zeitlichen Feststellungen getroffen worden seien. Die in dem Gutachten getroffenen Fest-stellungen ließen keine Rückschlüsse auf den zeitlichen Umfang des damals tatsächlich zu berücksichtigenden Pflegebedarf zu. Die Feststellungen wie "2x", "2x pro Woche", "mehr-mals täglich", "mehrmals tägl. Aufsicht notwendig" etc. seien zur Beurteilung des Hilfebedarfs nicht ausreichend. Das Gutachten vom 26. Januar 1995 lasse die erforderli-chen Feststellungen vermissen. Damit sei im Nachhinein nicht mehr feststellbar, ob zum damaligen Zeitpunkt die zeitlichen Mindestvoraussetzungen der Pflegestufe I vorgelegen hätten. Die von der Beklagten vorgelegte fiktive Zeitberechnung werde nicht durch tat-sächliche Feststellungen, insbesondere zur jeweiligen zeitlichen und örtlichen Bindung der Pflegeperson, gestützt und könne daher nicht als Nachweis eines entsprechenden zeitlichen Pflegebedarfs dienen. Darüber hinaus werde im MDK-Gutachten vom 26. Januar 1995 die Frage nach einem (Mehr-)Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung für alle Verrichtungen dieses Bereiches verneint, was auch grundsätzlich schlüssig und nach-vollziehbar erscheine, zumal auch ein gesundes 10-jähriges Kind im Bereich der hauswirt-schaftlichen Versorgung einen vollständigen Hilfebedarf haben dürfte und im Falle des Klägers eine besondere Ernährung oder Ähnliches nicht erforderlich sei. Allenfalls wäre nach den Feststellungen des Gutachtens vom 26. Januar 1995 aufgrund des dort beschrie-benen häufigen Einnässens ein zusätzlicher Hilfebedarf für das Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung anzunehmen, der jedoch im Tagesdurchschnitt nur einen geringfü-gigen Zeitbedarf verursacht haben dürfte. In diesem Zusammenhang bleibe festzustellen, dass die in den Begutachtungsrichtlinien hinsichtlich des hauswirtschaftlichen Versor-gungsbedarfs von Kindern enthaltenen pauschalierenden Regelungen der gesetzlichen Re-gelung des § 15 Abs. 2 SGB XI widersprächen und damit der jeweilige Mehrbedarf im Einzelfall ggf. im Wege der freien Schätzung zu ermitteln sei. Insbesondere im Hinblick auf den demzufolge 1995 allenfalls im geringen Umfang bestehenden Mehrbedarf im Be-reich der hauswirtschaftlichen Versorgung bestünden erhebliche Zweifel daran, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 03. März 1995 die zeitlichen Mindestvoraus-setzungen der Pflegestufe I vorgelegen hätten, ohne dass dies jedoch im Nachhinein ab-schließend festgestellt werden könne. Damit sei eine wesentliche Änderung des Pflegebe-darfs des Klägers nicht feststellbar. Die Nichterweislichkeit des Vorliegens einer wesentli-chen Änderung im Sinne des § 48 SGB X gehe jedoch zu Lasten der Beklagten, die bei Erlass des Bescheides vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2001 das Recht unrichtig angewandt habe.

Gegen das am 06. April 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. April 2004 eingeleg-te Berufung der Beklagten.

Die Beklagte ist der Ansicht, im Jahr 1995 seien beim Kläger mindestens die Vorausset-zungen für die Pflegestufe I erfüllt gewesen. Aus der Angabe, bei welchen pflegerelevan-ten Verrichtungen – aufgrund der vorliegenden Befunde – Hilfebedarf bestanden habe und der aufgeführten Anzahl der täglichen Hilfestellung könne ermittelt werden, wie hoch der tägliche Pflegebedarf gewesen sei. Hierbei seien die pflegeerschwerenden Faktoren, die beim Kläger vorgelegen hätten, ebenfalls zu berücksichtigen. Sie habe im Bereich der Grundpflege einen Pflegebedarf von ca. 97 Minuten täglich ermittelt. Unter Berücksichti-gung eines Zeitabzugs von 10 bis 15 Minuten für ein gleichaltriges gesundes Kind ergebe sich für den Kläger ein Hilfebedarf für den Bereich der Grundpflege von ca. 80 Minuten täglich. Obwohl für den hauswirtschaftlichen Bereich kein gesonderter Hilfebedarf ange-geben worden sei, sei nach den bestehenden Begutachtungsrichtlinien ein Hilfebedarf von 30 Minuten zu unterstellen. Damit seien die Voraussetzungen für Leistungen der Pflegestu-fe I im Jahr 1995 bei weitem erfüllt. Nach Auffassung des Sachverständigen Dr. H3 ... stellten die im MDK-Gutachen vom 26. Januar 1995 geschilderten schweren Verhaltens-störungen Erschwernisfaktoren besonderen Grades dar, so dass das Vorliegen der Pflege-stufe I nachvollziehbar sei. Ferner führe dieser aus, dass in der Zwischenzeit beim Kläger Fortschritte dahingehend eingetreten seien, dass eine Verringerung des Pflegebedarfs fest-zustellen sei. Dies werde insbesondere mit dem Reifeprozess und der guten Förderung des mittlerweile 18-jährigen Klägers begründet. Hinsichtlich des angeführten Hilfebedarfs von 30 Minuten für die hauswirtschaftliche Versorgung werde auf die bestehenden Begutach-tungsrichtlinien verwiesen. Danach sei bei Kindern zwischen dem vollendeten 8. und 14. Lebensjahr, bei denen im Bereich der Grundpflege die Pflegestufe I vorliege, für die haus-wirtschaftliche Versorgung ein Zeitwert von 30 Minuten zu berücksichtigen. Obwohl die Begutachtungsrichtlinien im Jahr 1995 noch nicht vorgelegen hätten, gebe es kein Argu-ment dafür, die Regelung nicht auch bei Altfällen anzuwenden. Dass der Kläger nunmehr darzulegen versuche, im Jahr 1995 hätten doch nicht die Voraussetzungen für Leistungen der Pflegestufe I vorgelegen, sei unter Berücksichtigung seines bisherigen Klagevorbrin-gens mehr als widersprüchlich. Alle Angaben des Sachverständigen H1 ... im Gutachten vom 26. Januar 1995 würden nunmehr in Zweifel gezogen. Dieser Argumentationswechsel sei nicht glaubwürdig. Dass sich die Mutter des Klägers aufgrund des Zeitablaufs von fast 10 Jahren nicht mehr an alle Einzelheiten des Hilfebedarfs erinnern könne, sei nachvoll-ziehbar. Andererseits enthalte der Schriftsatz eine minutiöse Aufstellung des Hilfebedarfs im Jahr 1995, die die "tatsächlichen Gegebenheiten" widerspiegeln solle.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgericht Dresden vom 25. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, es ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass die Voraussetzungen für die Pflegestufe I 1995 vorgelegen hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte einen Hilfebedarf im hauswirtschaftlichen Bereich von 30 Minuten unterstelle. Eine we-sentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei nicht festzustellen. Inso-fern müsse eine Beweislastentscheidung vorgenommen werden. Der Kläger habe allenfalls die Beweislast dafür, dass die Beklagte bei der Entscheidung über seinen Antrag gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt habe. Hiervon sei bereits des-wegen auszugehen, weil sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung, ab dem 01. Juni 2001 Leistungen der Pflegestufe I an den Kläger nicht mehr zu erbringen, nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berufen könne. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liege die volle Beweislast bei der Beklagten. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X lägen vor. Der Umstand, dass die Beklagte das Recht un-richtig angewandt habe, ergebe sich im Übrigen daraus, dass der Beklagten selbst im Beru-fungsverfahren nicht der Beweis gelungen sei, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X darzulegen und zu beweisen. Eine Beweislastumkehr aufgrund der Tatsache, dass der Kläger sich hier auf § 44 SGB X stütze, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Dies würde im Übrigen dem oben genannten Normzweck des § 44 SGB X (weitergehende Verwirkli-chung der materiellen Gerechtigkeit zugunsten des Bürgers auf Kosten der Bindungswir-kung von zu seinen Ungunsten ergangenen Verwaltungsakten) zuwiderlaufen. Die volle Beweislast für die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liege nach wie vor bei der Beklagten. Im Übrigen sei durch das Gutachten von Dr. H3 ... erwiesen, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gerade nicht eingetreten sei. Eine solche wesentliche Veränderung könnte nur dann angenommen werden, wenn erwiesen wäre, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des MDK-Gutachtens vom 26. Januar 1995 die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorgelegen hätten und spätestens ab dem 01. Juli 2001 nicht mehr vorlägen. Eine solche Änderung sei jedoch nicht eingetreten, zumindest nicht nachweisbar. Dementsprechend könne sich die Beklagte nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berufen, woraus wiederum folge, dass der ursprüngliche Bescheid der Beklagten, mit dem sie die Pflegeleistungen entsprechend der Pflegestufe I ab dem 01. Juni 2001 einstel-len wolle, unter unrichtiger Anwendung des Rechts zustande gekommen sei und dement-sprechend zurückzunehmen sei.

Es sei nicht zutreffend, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Besuchs oder davor bzw. da-nach zu gefährdenden Handlungen geneigt habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, was der Gutachter damit gemeint habe, dass die Körperpflege des Klägers aufgrund seines Wi-derstandes mehr Geduld und Zeit als üblich benötigt habe. Fest stehe lediglich, dass der hyperaktive Kläger nur habe schwerlich still sitzen können, aber immer dann, wenn man sich mit ihm beschäftigt habe, keine Probleme und schon gar keine gefährdenden Hand-lungen zu befürchten gewesen seien. Weiterhin habe er bereits im Jahr 1995 selbständig die Toilette benutzt und habe sich an- und ausziehen können. Er habe 1995 an einer Phimose gelitten, die bis zur Operation derselben tatsächlich zu kleineren Problemen ge-führt habe. Falsch sei auch die Ausführung des Gutachters, der Kläger habe zum Zeitpunkt des Besuchs am 26. Januar 1995 schwere Verhaltensstörungen gezeigt. Dies sei zu keinem Zeitpunkt so gewesen. Ebenso wenig sei er zum Zeitpunkt des Besuches am 26. Januar 1995 zum Ort oder zur Person desorientiert gewesen. Anhand der tatsächlichen Gegeben-heiten ergebe sich ein maximaler Zeitumfang von 43 Minuten. Die Behauptung, dass der Kläger beim Ankleiden, Auskleiden und Gehen beaufsichtigt werden müsse, sei so nicht zutreffend. Der Kläger habe, wie jedes andere Kind in seinem Alter, die Sachen angezo-gen, die man ihm zurechtgelegt habe. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass diese Anga-ben von der Mutter nach so langer Zeit lediglich noch geschätzt werden könnten. Keines-falls sei hier von einem Zeitaufwand von 97 Minuten täglich auszugehen. Gehe man davon aus, dass im Gegensatz zu einem gesunden 10-jährigen Kind ein Pflegemehrbedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung nicht gegeben sei, erreiche man bereits für das Jahr 1995 schon nicht den Schwellenwert für die Pflegestufe I. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf Blatt 19 bis 20, 42 bis 43, 49 bis 51 und 80 bis 82 der LSG-Akte verwiesen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungs-akte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2002 verurteilt, den Be-scheid vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2001 zurückzunehmen. Der Bescheid vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 31. August 2001 ist bestandskräftig. Der Bescheid vom 07. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2002 ist daher im Ergebnis rechtmäßig.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Wenn der Kläger – hier im Wege des § 44 Abs. 1 SGB X – geltend macht, ein bestands-kräftiger Bescheid sei rechtswidrig, trägt er die Beweislast dafür, dass sein Rücknahmean-spruch nach § 44 Abs. 1 SGB X von den Tatsachen getragen wird. Hier setzt der Rück-nahmeanspruch voraus, dass die Tatsachen eine Aufhebung nach § 48 SGB X erweislich nicht erlaubt haben. Beweismaßstab ist der Vollbeweis, die an Sicherheit grenzende Wahr-scheinlichkeit. Dieser Beweis ist nach Überzeugung des Senats nicht zu führen. Die Be-weislosigkeit geht zu Lasten des Anspruchstellers, hier des Klägers, der einen Rücknahme-anspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X geltend macht.

Im Rahmen des § 44 SGB X trifft den Kläger die objektive Beweislast dafür, dass sich der ursprünglich zugrunde gelegte Sachverhalt als unrichtig erweist. Zwar trifft grundsätzlich die Beklagte die objektive Beweislast für die Tatsachen, die der Aberkennung einer Pfle-gestufe und die Einstellung von Leistungen nach dem SGB XI begründen. Zu beachten ist jedoch, dass sich die Beweislastverteilung immer nach dem Regelungsgefüge der für den Rechtsstreit maßgeblichen Norm bestimmt. Da für den vorliegenden Rechtsstreit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X die maßgebliche Norm ist und der Kläger sich auf das Tatbestandsmerk-mal des sich als unrichtig erweisenden Sachverhalts beruft, geht es zu Lasten des Klägers, wenn das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals durch die Tatsachengerichte nicht festge-stellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2002, Az. B 11 AL 3/02 R = DBIR 4771a, SGB X/§ 44). Soweit der Kläger meint, dies gelte nicht im Falle des hier einschlä-gigen § 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB X (" das Recht unrichtig angewandt "), berücksichtigt er nicht hinreichend, dass es hier nicht um die abstrakte Auslegung von in ihrem Bedeutungsgehalt streitigen Tatbestandsmerkmalen geht, sondern darum, ob ein bestimmter Sachverhalt vorliegt, der die in ihrem abstrakten Inhalt nicht streitigen Tatbe-standsmerkmale des § 48 SGB X i.V.m. den §§ 14, 15 SGB XI erfüllt. Maßgeblich ist hier allein § 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGB X (" von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist "), nämlich welche Pflegebedürftigkeit ur-sprünglich (1995) vorgelegen hat sowie ob und gegebenenfalls wie sich die Pflegebedürf-tigkeit des Klägers verändert hat.

Es gelten auch im Rahmen des § 44 Abs. 1 SGB X weiterhin die allgemeinen Verfahrens- und Beweislastregeln wie für die Erstfeststellung. Denn Ziel dieser Vorschrift ist nicht die Wiedereinsetzung in den vor dem Eintritt der Bindungswirkung des nicht begünstigenden Verwaltungsaktes bestehenden Verfahrensstand, sondern die Auflösung der Konfliktsitua-tion zwischen der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsaktes und der materiel-len Gerechtigkeit zugunsten der letzteren. Hieraus folgt, dass im Falle der Nichtfeststell-barkeit einer anspruchsbegründenden Tatsache die objektive Beweislast – anders als im Fall der Nichtbeweisbarkeit ihres Wegfalles – beim Kläger liegt (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44). Es steht zwar zur Überzeugung des Senats fest, und wird auch von den Beteiligten, insbesondere auch von dem Kläger nicht mehr bestritten, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht vorliegen. Der Kläger trägt je-doch den prozessualen Nachteil daraus, dass wegen der mangelhaften Dokumentation im Pflegegutachten von Dipl-Med. H1 ... nicht gesichert ist, dass er auch schon 1995 nicht die Pflegestufe I erreicht hat. Hätte der Kläger den Aufhebungsbescheid nicht bestands-kräftig werden lassen, hätte die Beklagte den prozessualen Nachteil aus der Nichterweis-lichkeit des Aufhebungsanspruches nach § 48 SGB X gehabt. Mit der Bestandskraft dieses Bescheides ging jedoch die Beweislast auf den Kläger über. Er muss jetzt beweisen, dass die Aufhebung rechtswidrig war, nicht hingegen muss die Beklagte beweisen, dass die Aufhebung rechtmäßig war.

Der Senat hat nicht feststellen können, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2001 von einem sich als unrichtig erweisenden Sachverhalt ausgegangen ist.

Ob die Aufhebung der Pflegestufe I für die Zeit ab 01. Juni 2001 mit der Rechtslage im Einklang steht, kann weder bejaht noch verneint werden. Aufgrund des ermittelten und nicht weiter ermittelbaren Sachverhalts ist es dem Senat weder möglich, sich die Überzeu-gung zu bilden, dass dem Kläger zunächst Pflegestufe I zustand und eine den Anspruch auf Pflegeleistungen ausschließende Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, noch dass dem Kläger von Anbeginn keine Pflegeleistungen zugestanden haben und die anfäng-liche Bewilligung rechtswidrig gewesen ist.

Während § 45 SGB X die Fälle regelt, in denen ein (nichtbegünstigender oder begünsti-gender) Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig ist, betrifft § 48 SGB X hingegen den Fall, dass ein bei Erlass noch rechtmäßiger (Dauer-)Verwaltungsakt wegen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen in dieser Form nicht mehr erlassen werden darf (also "rechtswidrig wird"; st. Rspr.; BSGE 61, 278, 279 ff.; 65, 221, 222; SozR 3-2600 § 93 Nr. 3). Wenn eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 SGB X in Betracht kommt, müssen allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der angeblich eingetretenen Änderung verglichen werden (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Mai 1997, Az. 2 BU 49/97; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001, Az. B 3 P 7/01 R). Die Ver-hältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind diejenigen, welche beim Erlass des Erstbescheides vorlagen und die in ihm enthaltene Regelung rechtfertigen.

Die Auffassung des SG, dass im Nachhinein nicht mehr abschließend festgestellt werden könne, ob die zeitlichen Mindestvoraussetzungen der Pflegestufe I vorgelegen haben, teilt der Senat.

Ob bei Erlass des Erstbescheides am 03. März 1995 die Voraussetzungen für die Pflegestu-fe I beim Kläger vorgelegen haben, muss offen bleiben. Das Gutachten von Dipl.-Med. H1 ... erscheint plausibel, sein Ergebnis nicht fernliegend, es ist aber, wie schon das SG ausgeführt hat, nicht ausreichend mit pflegerelevanten Feststellungen unterlegt.

Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wieder-kehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erhebli-chem Maße der Hilfe bedürfen. Gewöhnliche oder regelmäßig wiederkehrende Verrich-tungen sind nach § 14 Abs. 4 SGB XI das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), das mundgerechte Zube-reiten und die Aufnahme der Nahrung (Ernährung), das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wieder-aufsuchen der Wohnung (Mobilität) sowie das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Woh-nung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung sowie das Beheizen der Wohnung (hauswirtschaftliche Versorgung). Hilfe im genannten Sinne besteht nach Abs. 3 dieser Vorschrift in Unterstützung, teilweiser oder vollständigen Übernahme der Verrich-tungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung und Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. Für die Leistungen nach dem SGB XI sind die Pflegebedürftigen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XI einer der drei Pflegestufen zuzuordnen.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI setzt die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe I voraus, dass er bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität min-destens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt werden. Zusätzlich wird (nach § 15 Abs. 3 SGB XI in der vom 01. Januar 1995 bis 24. Juli 1996 geltenden Fassung in Verbindung mit Nr. 4.1.2 der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vom 07. November 1994, seit 25. Juli 1996 nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI) vorausgesetzt, dass der Zeitaufwand, den eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Person für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" (gemeint ist: täglich im Wochendurchschnitt) mindestens 90 Minuten beträgt, wobei auf die Grund-pflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Der Kläger litt damals wie auch heute an einer mittelgradigen Intelligenzminderung (Imbezilliät).

Die Beklagte ist bei ihrer Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 03. März 1995 davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfüllt waren. Ausweislich des Gutachtens vom 26. Januar 1995 bestanden bei dem Kläger folgende pflegebegründen-de Befunde: mäßige Einschränkung des Stütz- und Bewegungsapparates (Störung der Feinmotorik und Koordination), mäßige Einschränkung der Sinnesorgane (Strabismus, nicht altersgerechtes Sprechvermögen), schwere Einschränkungen des ZNS und der Psyche (schwere Verhaltenstörungen, Umtriebigkeit, zeitliche Desorientiertheit mit kaum vorhan-denem Kritik- und Urteilsvermögen, mitunter selbst- und fremdgefährdendes Verhalten). Eine teilweise Unselbständigkeit bzw. bedingte Selbständigkeit wurde bei folgenden Fä-higkeiten angenommen: sich situativ anpassen können (könne keine Verantwortung für sich übernehmen, könne nicht allein gelassen werden), sich bewegen können (motorische Fähigkeiten vorhanden, Begleitung jedoch immer erforderlich), sich sauber halten und kleiden können, essen und trinken können, ausscheiden können (melde sich nicht immer rechtzeitig, müsse zur Toilette geschickt werden, noch häufiges Einnässen), sich beschäfti-gen können, kommunizieren können, ruhen und schlafen können (komme nicht zur Ruhe, müsse immer wieder ins Bett geschickt werden), soziale Bereiche des Lebens sichern kön-nen. Unselbständigkeit wurde bei der Fähigkeit "für Sicherheit sorgen können" angenom-men, da eine ständige Aufsicht erforderlich sei, der Kläger sei selbst- und fremdgefähr-dend. Der Hilfebereich in der Körperpflege resultiere aus Aufsicht und Anleitung (z. B. beim Waschen) bzw. auch aus vollständiger Übernahme der Verrichtung (z. B. beim Zäh-neputzen). Dabei sei ein hoher Zeitaufwand erforderlich, da es dem Kläger an entspre-chender Mitarbeit bzw. Einsicht mangele. Die motorischen Fähigkeiten beim Gehen, Ste-hen und Treppensteigen seien nicht eingeschränkt, der Kläger könne sich jedoch nicht oh-ne Aufsicht in der Wohnung bewegen, da er nicht zu angegebenen Räumlichkeiten gehe und zu gefährdenden Handlungen neige. Gegenüber einem nichtbehinderten 10-Jährigen bestehe bei ihm ein erhöhter Pflegebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Die Körperpflege benötige aufgrund der Umtriebigkeit und des Widerstandes des Klägers bei-spielsweise mehr Geduld und Zeit als üblich. Ein gleichaltriges Kind beherrsche seine Ausscheidungsorgane, benutze selbständig die Toilette und ziehe sich selbständig an und aus. Es könne sich meist ohne Aufsicht in der Wohnung bewegen.

Aus diesen Angaben kann zwar die Möglichkeit eines Pflegebedarfs nach Pflegestufe I abgeleitet werden. Er ist jedenfalls dann – worauf auch Dr. H3 ... hingewiesen hat – be-gründbar, wenn schwere Verhaltensstörungen des Klägers die Grundpflege erheblich er-schwert haben sollten. Ob dem aber in entsprechend großem Umfang so war, lässt sich heute nicht mehr feststellen.

Insbesondere ermangelt das Gutachten von Dipl.-Med. H1 ... konkreter Angaben zum täglichen zeitlichen Hilfebedarf (in Minuten bemessen) bei den Verrichtungen der Grund-pflege. Es wird lediglich ausgeführt, ob und wie oft täglich ein Hilfebedarf besteht. Kon-krete Zeitangaben, die eine detaillierte Überprüfung ermöglichten, sind nicht genannt.

Der 1995 festgestellte Zeitaufwand für den Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grund-pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung von mehr als 90 Minuten täglich bzw. bei der Grundpflege von mehr als 45 Minuten täglich ist inhaltlich bei nachträglicher Betrach-tungsweise für den Senat daher nicht mehr im Einzelnen nachvollziehbar. Es kann deswegen jedoch auch nicht festgestellt werden, dass Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegestufe I beim Kläger nicht vorgelegen hat.

Nach Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass ein Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täglich zwischenzeitlich nicht (mehr) vorhanden ist. Die Beklagte ist mit Be-scheid vom 11. Mai 2001 zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Pflegestufe I ab dem 01. Juni 2001 nicht vorliegen.

Die Sachverständige H2 ... hat in ihrem Gutachten vom 20. März 2001 ausgeführt, der Kläger habe in seiner Entwicklung sehr gute Fortschritte gemacht. Nach Aussagen der Mutter sei er in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität sehr selbständig, müsse nur locker beaufsichtigt werden. Nach den Kriterien des SGB XI liege keine erheb-liche Pflegebedürftigkeit mehr vor. Der Sachverständige Dr. K1 ... hat in seinem Gutach-ten vom 21. Juni 2001 dazu festgestellt, die Aussagen des Vorgutachtens (Pflegefachkraft H2 ...) seien in jeder Weise zu bestätigen. An Pflegehilfen bei im SGB XI genannten Grundpflegemaßnahmen seien nur noch solche Hilfeformen wie Anregung, Anleitung und Kontrolle notwendig. Eine ständige Anwesenheit der Pflegeperson bei den Verrichtungen sei nicht mehr erforderlich. Damit werde vom Zeitbedarf her keinesfalls das Ausmaß einer erheblichen Pflegebedürftigkeit mehr erreicht. Diese Einschätzungen hat der Sachverstän-dige Dr. H3 ... (Gutachten vom 02. September 2003) hinsichtlich der Änderung des Hil-febedarfs des Klägers bestätigt. Er führte aus, im Vergleich zur Erstbegutachtung im Jahr 1995 im Rahmen der Pflegebedürftigkeit sei offensichtlich eine gewisse Reifung und Wei-terentwicklung erfolgt. Die im Gutachten vom 26. Januar 1995 festgestellten schweren Verhaltensstörungen würden für die letzten Jahre weder vom Vater des Klägers berichtet noch ließen sich diese aktuell beobachten. Nur aufgrund dieser Angabe im Gutachten kön-ne er nachvollziehen, warum seinerzeit vom Gutachter erhebliche Pflegebedürftigkeit an-genommen worden sei, da derartige schwere Verhaltensstörungen zweifellos einen Er-schwernisfaktor besonderen Grades darstellten. Unter der Voraussetzung, dass damals der Pflegebedarf des im 10. Lebensjahr stehenden Kindes korrekt eingeschätzt worden sei, seien in der Zwischenzeit bei ihm Fortschritte dahingehend eingetreten, dass eine Verrin-gerung im Umfang des Pflegebedarfes festzustellen sei. Dies sei aufgrund des Reifungs-prozesses und vor allem bei guter Förderung auch bei Menschen mit mittelgradiger Intelli-genzminderung nicht ungewöhnlich.

Der Senat folgt den nachvollziehbaren, schlüssigen und insoweit übereinstimmenden Ein-schätzungen der Sachverständigen, dass im streitigen Zeitraum ein die Pflegestufe I be-gründender Pflegebedarf nicht vorliegt. Ein Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grund-pflege von mehr als 45 Minuten täglich ist nicht gegeben. Der Sachverständige Dr. H3 ... führte dazu aus, der Kläger werde aufgrund seiner Behinderung auf Dauer einer gewissen Beaufsichtigung, Anregung, Anleitung, Kontrolle und gelegentlicher Hilfestel-lung bei den im Pflegeversicherungsgesetz genannten Tätigkeiten bedürfen. Der Sachver-ständige Dr. K1 ... hat festgestellt, es sei Anleitung und Kontrolle bei den Körperpfle-gemaßnahmen allerdings ohne die Notwendigkeit ständiger Anwesenheit während der Ausführung der Verrichtung erforderlich. Zutreffend haben daher beide Sachverständige - übereinstimmend – einen Zeitaufwand für die Ganzkörperwäsche von 10 Minuten täglich (einmal täglich) festgestellt. Für das einmal wöchentliche Duschen/Baden ist entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K1 ... ein Zeitwert von täglich 2 Minuten anzusetzen. Sofern der Sachverständige Dr. H3 ... hierfür zusätzlich zur Ganzkörperwä-sche einen Hilfeaufwand von maximal 4 Minuten täglich angeführt hat, ergäbe dies einen (wöchentlichen) Zeitaufwand von 28 Minuten pro Verrichtung. Dies erscheint jedoch auf-grund der lediglich erforderlichen Anleitung und Kontrolle der Verrichtungen als zu hoch eingeschätzt. Hinsichtlich der Zahnpflege haben beide Sachverständigen einen Hilfebedarf von 2 Minuten täglich (insgesamt) eingeschätzt, der nicht zu beanstanden ist. Der Sachver-ständige Dr. H3 ... hat einen zusätzlichen Zeitaufwand für das Rasieren von 2 Minuten täglich festgestellt (BRi: 5 bis 10 Minuten); für das Darm- und Blasenentleeren hat er einen Zeitaufwand von 1 Minute hinsichtlich ggf. erforderlicher Kontrolle der anschließenden Hygiene angenommen, eine aktive Hilfestellung hat er jedoch verneint.

Die Sachverständigen Dr. K1 ... und Dr. H3 ... haben ebenfalls übereinstimmend einen Hilfebedarf beim "Ankleiden gesamt" von insgesamt 5 Minuten täglich (einmal täglich) festgestellt. Beide haben dies wiederum übereinstimmend mit der Anleitung, Überwachung und Bereitstellung witterungsgerechter Kleidung begründet. Auch dieser Zeitaufwand ist nachvollziehbar. Einen weiteren Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege haben die Sachverständigen H2 ..., Dr. K1 ... und Dr. H3 ... nicht festgestellt.

Nicht zu berücksichtigen war der von der Sachverständigen H2 ... festgestellte Hilfebe-darf beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung/Pflegeeinrichtung (einmal täglich) von 5 Minuten, der damit begründet wurde, dass der Kläger zur Schule gebracht und wie-der abgeholt werde. Eine Hilfe insoweit muss erforderlich sein, um ein Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. Es sind nur solche Verrichtungen für außerhalb der Wohnung liegende Zwecke zu berücksichtigen, die für die Aufrechterhaltung der Lebens-führung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürfti-gen erforderlich machen. Beim Besuch der Schule, einer Behindertenwerkstatt als auch bei Freizeitaktivitäten fehlt der erforderliche Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung. Sie dienen vielmehr der Stabilisierung und Ent-wicklung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten und damit rehabilitativen Zwecken (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5; erkennender Senat, Urteil vom 09. Oktober 2002, Az. L 1 P 6/02).

Selbst unter Berücksichtigung eines Hilfebedarfs bei der Teilwäsche Hände/Gesicht (drei-mal täglich) von insgesamt 3 Minuten täglich (vgl. Gutachten Dr. K1 ...) wird der für das Vorliegen der Pflegestufe I erforderliche Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täg-lich nicht erreicht.

Nach alledem trifft hier wegen der Nichtfeststellbarkeit der den Rücknahmeanspruch im Sinne von § 44 SGB X begründenden Tatsachen den Kläger die objektive Beweislast da-für, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung nach § 44 SGB X von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Aufgrund der vorgenannten Gründe trägt der Kläger den sich daraus ergebenden prozessualen Nachteil, dass dieser Beweis nicht geführt werden kann. Der Kläger hat im Übrigen in seinem Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 selbst einge-räumt, dass konkrete Zeitangaben zum Hilfebedarf von seiner Mutter nach so langer Zeit lediglich nur noch geschätzt werden könnten.

Nach alledem hat die Berufung Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Der Rechts-streit wirft keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Zur Beweislastverteilung bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat das BSG bereits in seiner Entscheidung vom 25. Juni 2002 (Az. B 11 AL 3/02 R) Stellung genommen.
Rechtskraft
Aus
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