S 8 AS 60/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 60/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des befristeten Zuschlags zum Arbeitslosengeld II.

Der am 00.00.1949 geborene Kläger bezog bis zum 06.10.2004 Arbeitslosengeld, anschließend bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz erhielt der Kläger nicht. Das Arbeitslosengeld betrug zuletzt monatlich 998,88 EUR. Ab 01.01.2005 bewilligte die Beklagte die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 345,00 EUR, Kosten der Unterkunft in Höhe von 457,34 EUR und einen befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II in Höhe von 131,00 EUR. Ab 01.03.2005 verringerte sich durch den Umzug des Klägers in eine kleinere Wohnung die Höhe der Kosten der Unterkunft auf 232,68 EUR. Dieser Betrag wurde von der Beklagten direkt an den Vermieter gezahlt.

Auf den Weiterzahlungsantrag vom 24.05.2005, mit dem der Kläger mitgeteilt hatte, dass keine Änderung in den Verhältnissen eingetreten war, bewilligte die Beklagte mit (nicht aktenkundigem) Bescheid vom 16.06.2005 Arbeitslosengeld II ab 01.07.2005 bis zum 31.12.2005. Sie bewilligte weiterhin einen Zuschlag in Höhe von 131,00 EUR bis zum 30.09.2005.

Im Widerspruchsverfahren monierte der Kläger, der Zuschlag sei zu niedrig. Er erreiche nicht 2/3 der Differenz zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem Arbeitslosengeld II. Vielmehr stehe dem Kläger der Höchstbetrag in Höhe von 160,00 EUR gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II zu.

Mit Bescheid vom 24.08.2005 und Widerspruchsbescheid vom 25.08.2005 berechnete die Beklagte den Zuschlag neu. Im Oktober 2005 stehe dem Kläger ein Zuschlag in Höhe von 76,80 EUR und ab 01.11.2005 ein Zuschlag in Höhe von 64,00 EUR zu. Soweit dem Kläger bis zum 30.09.2005 ein Zuschlag, der über 128,00 EUR hinaus geht, bewilligt wurde, erfolge keine Rückforderung, denn der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz berufen. Maßgebend für die Berechnung des Zuschlages sei der Bedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu Beginn des Leistungsanspruchs. Spätere Änderungen führten nicht zu einer Neuberechnung des Zuschlags.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die am 00.00.0000 erhobene Klage. Der Kläger meint, der Zuschlag sei nach der Differenz zwischen dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem aktuellen Zahlbetrag des Arbeitslosengeldes II zu berechnen. 2/3 der so berechneten Differenz überstiegen den Höchstbetrag des § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, weshalb dieser zu bewilligen sei. Nach Ablauf eines Jahres nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes II stehe dem Kläger gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II der gemäß § 24 Abs. 2 SGB II berechnete, jedoch um 50 % verminderte Betrag zu.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 16.06.2005 und 24.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2005 zu verurteilen, den befristeten Zuschlag vom 01.07.2005 bis zum 31.010.2005 in Höhe von 160,00 EUR, anschließend in Höhe von 136,00 EUR monatlich zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Berechnung des Zuschlages richte sich nach den Verhältnissen zu Beginn des Bezugs des Arbeitslosengeldes II. Spätere Änderungen im Bedarf berührten die Höhe des Zuschlags nicht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Dem Kläger steht kein höherer befristeter Zuschlag zum Arbeitslosengeld II zu. Die Beklagte hat den Zuschlag zu Recht ab Oktober 2004 auf 128,00 EUR bzw. 64,00 EUR (50 % von 128,00 EUR) begrenzt.

Soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld bezieht, erhält er in diesem Zeitraum gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II einen monatlichen Zuschlag. Nach Ablauf des ersten Jahres wird der Zuschlag gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II um 50 vom Hundert vermindert. Der Zuschlag beträgt gemäß § 24 Abs. 2 SGB II nach näherer Maßgabe dieser Bestimmung 2/3 des Unterschiedsbetrages zwischen dem Arbeitslosengeld und dem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld einerseits und dem Arbeitslosengeld II andererseits.

Die Beklagte hat den Zuschlag zutreffend berechnet. Insbesondere hat sie zutreffend auf die Verhältnisse im Januar 2005 abgestellt und die Reduzierung des Bedarfs im März 2005 nicht zuschlagserhöhend berücksichtigt. Allerdings enthält § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB II keine Regelung, auf welchen Zeitpunkt für die Berechnung abzustellen ist. Insofern ist fraglich und in der Literatur umstritten, ob nur auf den ersten Monat des Bezugs von Arbeitslosengeld II abzustellen ist, oder ob Einkommens- oder Bedarfsänderungen während des Bewilligungszeitraums zu einer Neuberechnung des Zuschlags führen müssen (zum Streitstand vgl. Müller in: Hauck/Noftz, SGB II, § 24 Rdnr. 12b). Das Gericht folgt der Auffassung, die allein auf die Verhältnisse im ersten Monat des Arbeitslosengeld II-Bezuges abstellt. Allerdings spricht für eine fortlaufende Anpassung, dass im ersten Monat vorhandene zufällige Einkommensverhältnisse nicht ausschlaggebend sein dürfen für den gesamten Bewilligungszeitraum (so Müller a. a. O.). Gegen eine fortlaufende Anpassung spricht demgegenüber entscheidend, dass gerade in Fällen der Bedarfsminderung durch einen Wohnungswechsel es Sinn und Zweck des Arbeitslosengeldes II – Übernahme der angemessenen notwendigen Kosten zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) - widersprechen würde, wenn eine pflichtgemäße Reduzierung des Bedarfs zu einer Erhöhung des befristeten Zuschlags führen würde. Gegen eine fortlaufende Anpassung spricht zudem, dass spätere Einkommensveränderungen mit dem zuschlagsauslösendem Ereignis "Abfederung des Systemwechsels" nicht mehr unmittelbar zusammen hängen (ebenso Müller a. a. O.). Auch der Gesetzeswortlaut deutet eher darauf hin, dass der Zuschlag statisch und nicht dynamisch zu berechnen ist. Denn § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II bestimmt, dass nach Ablauf des ersten Jahres "der Zuschlag" um 50 % vermindert wird. Schließlich spricht die Regierungsbegründung zum Entwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt vom 25.07.2003 (BT-Drs. 15/1516, S. 58) dafür, lediglich auf die Verhältnisse zu Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II abzustellen. Denn hier wird ausgeführt, es sei "sinnvoll und zielführend", den Zuschlag aus 2/3 des Differenzbetrages auf die variablen Transferleistungen zum Zeitpunkt des Endes des Arbeitslosengeldbezuges auf der einen und zum Zeitpunkt des Bezugs von Arbeitslosengeld II auf der anderen Seite zu beschränken (in diesem Sinne auch Herold-Tews in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 24 Rdnr. 21). Der Gegenauffassung, wonach der Zuschlag stets neu zu berechnen sein soll, wenn sich der Unterschiedsbetrag zwischen dem Arbeitslosengeld und dem Arbeitslosengeld II verändert (so ausdrücklich Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 24 Rdnr. 10) ist auch entgegenzuhalten, dass eine derartige ständige Prüfpflicht sehr verwaltungsaufwändig wäre. Auch dieser Gesichtspunkt ist ein zulässiger Auslegungsgesichtspunkt, denn der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber ein verwaltungsaufwändiges Verfahren vermeiden wollte (BT-Drucksache 15/1516 a. a. O.). Schließlich belastet die Berechnung des Zuschlags nach den Verhältnissen zu Beginn des Leistungsanspruchs zwar möglicherweise den einzelnen Leistungsempfänger, nicht aber zwingend die Leistungsempfänger in ihrer Gesamtheit. Denn ebensowenig, wie der Zuschlag neu zu berechnen ist, wenn der Bedarf sinkt und sich die Differenz erhöht, ist es zulässig, den Zuschlag zu vermindern, wenn der Bedarf steigt und sich die Differenz damit vermindert.

Die Beklagte war gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB X berechtigt, den fehlerhaft mit 131,00 EUR berechneten Zuschlag ab 01.10.2005 auf den zutreffenden Betrag in Höhe von 128,00 EUR zu reduzieren. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn die Beklagte hat diese Reduzierung lediglich mit Wirkung für die Zukunft vorgenommen und es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger im Hinblick auf den um 3,00 EUR zu hoch berechneten Zuschlag eine Vermögensdisposition im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X getroffen hat.

Weil die Beklagte den Zuschlag mit 128,00 EUR zutreffend berechnet hat, ist es gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II zutreffend, diesen nach Ablauf des ersten Jahres um 50 % auf 64,00 EUR zu vermindern. Auf die Frage, ob bei Bewilligung des Zuschlages in Höhe des gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II berechneten Höchstbetrages von 160,00 EUR nach Ablauf eines Jahres dieser gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II um 50 % auf 80,00 EUR zu vermindern ist, oder ob nach Ablauf des ersten Jahres 50 % des gemäß § 24 Abs. 2 SGB II berechneten Zuschlages zu bewilligen ist, kommt es daher vorliegend nicht an. Die Kammer meint jedoch, dass sich aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II ergibt, dass der um 50 % reduzierte Höchstbetrag, d. h. 80,00 EUR zu bewilligen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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