Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 58/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 116/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.02.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger macht die Folgen eines Auffahrunfalles vom 27.06.2000 geltend.
Am nächsten Tag, dem 28.06.2000, suchte der Kläger gegen 15:50 Uhr den Durchgangsarzt, Chirurg Dr.Z. auf. Er klagte über starke Kopfschmerzen und "Linksdrall" beim Gehen. Er habe am Tag zuvor nach dem Unfall brechen müssen. Er sei mit dem linken Hinterkopf gegen den Mittelholm des Autos geprallt. Dr.Z. diagnostizierte einen Zustand nach Schädelprellung. Ein CT vom 29.06.2000 ergab keinen Anhalt für zerebrale oder ossäre Traumafolgen. Dr.R. , Chefarzt der Klinik für Neurologie H. , äußerte am 29.06.2000 den dringenden Verdacht auf Vertebralisdissektion (Gefäßverletzung im Wirbelsäulenbereich) im Rahmen eines Auffahrunfalles. Die Untersuchungen - Röntgenaufnahmen, MRT, MR-Angiographie, EEG, EKG, Echokardiographie, augenärztliches und HNO-ärztliches Konsil - erbrachten keinen pathologischen Befund. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. erklärte nach Untersuchung des Klägers am 29.06.2000, durch Computertomografie und Ultraschalldopplersonographie habe nichts Auffälliges festgestellt werden können. Der Radiologe Dr.B. berichtete am 24.08.2000, das MRT zeige keine organische Ursache für die zunehmenden Kopfschmerzen. Der Augenarzt Dr.S. von der Universitäts-Augenklinik U. diagnostizierte am 18.07.2000 eine Contusio nervi optici, die morphologisch nur sehr schwer fassbar sei. Nach stationärer Behandlung in der Neurologischen Klinik S. vom 07.09. bis 19.10.2000 erklärten die Ärzte, es bestünden Gleichgewichtstörungen und eine eingeschränkte Sehleistung.
Im Gutachten vom 03.01.2001 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof.Dr.G. aus, der zeitliche Verlauf lasse in erster Linie an eine Vertebralisdissektion in Zusammenhang mit einer Halswirbelsäulenzerrung und Schädelprellung denken; ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und den jetzt bestehenden Geh- und Stehstörungen erscheine damit wahrscheinlich. Eine konzentrische Einengung des Sehvermögens des rechten Auges ohne entsprechende Beeinträchtigung des linken Auges sei für eine zentrale Sehstörung ungewöhnlich, so dass eher eine das Auge oder den Sehnerv betreffende Sehstörung zu unterstellen sei.
Der Augenarzt Dr.R. erklärte am 05.02.2001, am rechten Auge bestünden eine Verletzung des Sehnervs mit Sehleistungsverlust und Gesichtsfeldausfall sowie ein traumatischer Katarakt (Linsentrübung). Die Maculadegeneration sei nicht Folge des Unfalls, könne sich aber durch den Unfall verschlechtert haben. Linsentrübungen träten sowohl bei hochgradiger Myopie, wie sie beim Kläger bestünde, als auch nach Contusion auf.
Die Klinik für Neurologie H. berichtete über die Behandlung ab August 2001. Es sei nicht auszuschließen, dass die sensiblen Anfälle als Unfallfolge zu werten seien. Es wurde eine Hirnstammläsion nach traumatischer Vertebralisdissektion diagnostiziert.
Der Augenarzt Dr.Z. erklärte in der Stellungnahme vom 16.10.2001, die Gesichtsfeldstörung sei sehr ungewöhnlich und aufgrund des Unfallhergangs nicht zu erklären. Es scheine sich hier um ein unfallunabhängiges Leiden zu handeln.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 29.11.2001 das Verletztengeld mit Ablauf des 24.12.2001 ein. Nach Stellungnahme der behandelnden Ärzte sei ein Endzustand eingetreten, eine Besserung könne nicht mehr erreicht werden.
Im Gutachten vom 12.11.2001 führte der Augenarzt Prof.Dr.K. aus, die Frage nach dem eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Gesundheitsstörungen am Auge lasse sich nur schwer beantworten. Beim Kläger bestehe eine ausgeprägte Kurzsichtigkeit, die völlig unfallunabhängig sei. Der Kläger gebe an, dass der Gesichtsfelddefekt sowie die Minderung der Sehschärfe des rechten Auges vor dem Unfall nicht bestanden hätten. Inwiefern das Unfallereignis für eine schwere Schädigung des rechten Sehnervs ursächlich sein könne, sei als fraglich einzustufen. Schwere Schädigungen des Sehnervs nach stumpfen Gewalteinwirkungen seien zwar bekannt, solche Gewalteinwirkungen gingen aber in der Regel mit schwereren Verletzungen des Schädels einher. Im Fall des Klägers sei lediglich eine Weichteilschwellung am Kopf aufgetreten, aber keine Fraktur. Die bildgebenden Untersuchungen seien unauffällig gewesen. Die diskutierte Verletzung der inneren Halsarterie habe nicht bestätigt werden können. Auch wäre ein andersartiger Gesichtsfeldausfall zu erwarten als er hier angegeben werde. Sowohl die Minderung der Sehschärfe als auch die konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung seien nicht abschließend geklärt.
Die Neurologen Prof.Dr.B. und Prof.Dr.A. kamen im Gutachten vom 07.04.2002 zu der Auffassung, die Befunde und Beschwerden seien nach den Angaben des Klägers in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall aufgetreten; es ergebe sich aber der Verdacht auf wenigstens teilweise unbewusst seelisch bedingte oder verstärkte Krankheitszeichen. Ohne Rücksicht auf die Ursache wäre die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.06.2002 die Gewährung einer Rente ab. Unfallfolge sei eine folgenlos abgeklungene Schädelprellung. Den Widerspruch des Klägers vom 12.06.2002 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2003 zurück.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger eingewandt, er leide an starker Kurzsichtigkeit, Stabsichtigkeit, einem konzentrischen Gesichtsfelddefekt, Überleitungsstörung am Sehnerv, Minderung der Sehschärfe, überschüssiger Haut am Ober- und Unterlid, Lidkantenentzündung, Linsentrübung, Farbsinnesstörung, Gefühlsstörungen der linken Körperhälfte und Gangunsicherheit als Folgen des Unfalls vom 27.06.2000.
Der Radiologe Dr.B. stellte im MRT vom 16.09.2003 einen Bandscheibenvorfall bei HWK6/7, einen habituell engen Spinalkanal von HWK 3 bis HWK 7, keine Myelopathie, keine ossäre Traumafolge, keine Mobilitätsstörung fest. Im Bezirkskrankenhaus G. diagnostizierte Prof.Dr.W. am 12. und 23.09.2003 eine rein subjektive Sensibilitäts- und Gleichgewichtstörung. Aus den Unterlagen der AOK L. ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten von 1997 bis 1999 unter anderem wegen Commotio cerebri und Schwindel. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr.H. berichtete über die Behandlung des Klägers seit 1987; die Diagnosen lauteten unter anderem: LWS-Syndrom, Schädelprellung, Thoraxschmerzen, Epicondylitis, Schwindel, beruflicher Stress.
Die vom Sozialgericht Augsburg (SG) zur ärztlichen Sachverständigen ernannte Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.P. hat im Gutachten vom 12.10.2004 ausgeführt, die zunächst angenommene Vertebralisdissektion sei eine reine Hypothese und habe nicht nachgewiesen werden können. Allein der zeitliche Zusammenhang mit dem Unfall reiche nicht zum Herstellen eines Kausalzusammenhanges aus. Die von Prof.Dr.G. beschriebenen flüchtigen Durchblutungsstörungen seien nicht beweisbar und führten nicht zu fassbaren Dauerschäden. Das Gutachten der Augenklinik gehe auch nur von Möglichkeiten aus, ohne sich zum Kausalzusammenhang klar zu äußern. Prof.Dr.A. habe darauf hingewiesen, dass wohl seelisch bedingte Symptome eine wesentliche Rolle spielten. Eine Mitbeteiligung des Unfalls an den Beschwerden sei zwar nicht gänzlich auszuschließen, aber nicht ausreichend wahrscheinlich zu machen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.02.2005 abgewiesen. Den Gutachten sei gemeinsam, dass jeweils die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs diskutiert werde. Kein Sachverständiger habe aber mit Wahrscheinlichkeit einen Zusammenhang begründen können. Dr.P. habe den Gesundheitszustand des Klägers insgesamt als ein multifaktorielles Geschehen mit psychosomatischem Überbau, möglicherweise mit vorübergehend organisch bedingten Beschwerden, geschildert. Im Ergebnis stimme sie damit der Einschätzung von Prof.Dr.B. und Prof. Dr.A. zu, die den Verdacht auf wenigstens teilweise unbewusst seelisch bedingte oder verstärkte Krankheitszeichen geäußert hatten. Es bestehe kein Zweifel an der Richtigkeit der Gutachten. Der positive Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs sei nicht gegeben. Es gebe keine medizinische Äußerung, die die laienhafte medizinische Einschätzung des Klägers stütze.
Mit der Berufung weist der Kläger zunächst auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Beschwerden mit dem Unfall hin. Das MRT vom 16.09.2003 habe einen Bandscheibenvorfall und einen habituell engen Spinalkanal gezeigt; dies sei ein objektiver Befund, für den der Unfall ursächlich sei. Prof.Dr.G. habe erklärt, dass wenig Zweifel an Durchblutungsstörungen mit Beteiligung der Sehbahn/Sehrinde bestünden. Außerdem habe er eine Rumpfataxie festgestellt. Er halte einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Beschwerden und dem Unfall für wahrscheinlich. Dr.Z. habe ein neuro-ophtalmologisches Gutachten für erforderlich gehalten. Prof.Dr.K. halte den Unfall für die Sehbeeinträchtigung in abgrenzbarem Maße für kausal. Prof. Dr.B. schreibe ausdrücklich, dass er eine neurologische Vorschädigung nicht erkennen könne. Er habe zur Rehabilitation eine neurologisch und psychosomatisch ausgerichtete Einrichtung empfohlen. Aus diesen Äußerungen ergebe sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Gesundheitsschäden. Dr.P. gebe nicht die tatsächlichen umfassenden Beschwerden wieder, insbesondere könne eine Somatisierungsneigung nicht erkannt werden. Auch bezüglich der Gangunsicherheit lasse Dr. P. die Ursache offen. Den Bluthochdruck führe sie auf einen früheren Nikotinabusus zurück, obwohl der Kläger schon seit über 20 Jahren Nichtraucher sei. Außerdem stelle sie eine Sehminderung fest, die sie allerdings bei hochgradiger Kurzsichtigkeit relativiere. Die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Verursachung als durch den Unfall scheide aus. Hierzu habe kein Arzt eine nachvollziehbare Äußerung gemacht.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.02.2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 05.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2003 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, als weitere Unfallfolge anzuerkennen: starke Kurzsichtigkeit beidseits, Stabsichtigkeit beidseits, konzentrischer Gesichtsfelddefekt rechts mehr als links, Überleitungsstörung am rechten Sehnerv, Minderung der Sehschärfe am rechten Auge, überschüssige Haut am Ober- und Unterlid beidseits, Farbsinnesstörungen (rot-grün Blindheit), Gefühlstörungen linke Körperhälfte, Gangunsicherheit und ihm deswegen Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von mindestens 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Gewährung von Verletztenrente gem. §§ 8, 56 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII).
Der Senat sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass Dr.P. im Gutachten vom 12.10.2004 die vom Kläger angegebenen Gesundheitsstörungen in vollem Umfang berücksichtigt hat. Zu Recht hat sie darauf hingewiesen, dass aus den Jahren vor dem Unfall mehrfache Commotiones, außerdem mehrfach Schwindelneigung und auch linksbetonte Halbseiten-Symptome dokumentiert sind. Der Unfall vom 27.06.2000 hat, worauf Dr. P. zu Recht hinweist, zu keiner apparativ fassbaren Schädigung im Bereich des zentralen Nervensystems oder im Bereich des Halsmarks geführt. Prof.Dr.K. hat überzeugend erklärt, dass Schädigungen des Nervus opticus üblicherweise nur bei sehr viel höherer Gewalteinwirkung auftreten und Gesichtsfeldausfälle in anderer Form hinterlassen. Die ausgeprägte Kurzsichtigkeit des Klägers, die völlig unfallunabhängig ist, ist, so Prof.Dr.K. , hier mit zu berücksichtigen. Dr.Z. hat bereits am 16.10.2001 geäußert, die Gesichtsfeldstörung sei sehr ungewöhnlich, aufgrund des Unfallhergangs nicht zu erklären und ein unfallunabhängiges Leiden. Die zahlreichen Arztbesuche des Klägers, wie sie insbesondere durch die Berichte des Dr.H. dokumentiert sind, sprechen gegen die Angabe, der Kläger habe vor dem Unfall unter keinen wesentlichen Gesundheitsstörungen gelitten. Dass die von Dr.B. am 16.09.2003 festgestellten Gesundheitsstörungen, nämlich ein Bandscheibenvorfall bei HWK6/7 und ein habituell enger Spinakanal, keine Unfallfolgen sind, zeigt sich schon beim Vergleich des MRT vom 16.09.2003 mit den Röntgenaufnahmen vom 30.06.2000, die zwar eine Streckhaltung und Ostheochondrose der unteren Halswirbelsäule, sonst aber an der Halswirbelsäule keinen pathologischen Befund gezeigt haben.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger macht die Folgen eines Auffahrunfalles vom 27.06.2000 geltend.
Am nächsten Tag, dem 28.06.2000, suchte der Kläger gegen 15:50 Uhr den Durchgangsarzt, Chirurg Dr.Z. auf. Er klagte über starke Kopfschmerzen und "Linksdrall" beim Gehen. Er habe am Tag zuvor nach dem Unfall brechen müssen. Er sei mit dem linken Hinterkopf gegen den Mittelholm des Autos geprallt. Dr.Z. diagnostizierte einen Zustand nach Schädelprellung. Ein CT vom 29.06.2000 ergab keinen Anhalt für zerebrale oder ossäre Traumafolgen. Dr.R. , Chefarzt der Klinik für Neurologie H. , äußerte am 29.06.2000 den dringenden Verdacht auf Vertebralisdissektion (Gefäßverletzung im Wirbelsäulenbereich) im Rahmen eines Auffahrunfalles. Die Untersuchungen - Röntgenaufnahmen, MRT, MR-Angiographie, EEG, EKG, Echokardiographie, augenärztliches und HNO-ärztliches Konsil - erbrachten keinen pathologischen Befund. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. erklärte nach Untersuchung des Klägers am 29.06.2000, durch Computertomografie und Ultraschalldopplersonographie habe nichts Auffälliges festgestellt werden können. Der Radiologe Dr.B. berichtete am 24.08.2000, das MRT zeige keine organische Ursache für die zunehmenden Kopfschmerzen. Der Augenarzt Dr.S. von der Universitäts-Augenklinik U. diagnostizierte am 18.07.2000 eine Contusio nervi optici, die morphologisch nur sehr schwer fassbar sei. Nach stationärer Behandlung in der Neurologischen Klinik S. vom 07.09. bis 19.10.2000 erklärten die Ärzte, es bestünden Gleichgewichtstörungen und eine eingeschränkte Sehleistung.
Im Gutachten vom 03.01.2001 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof.Dr.G. aus, der zeitliche Verlauf lasse in erster Linie an eine Vertebralisdissektion in Zusammenhang mit einer Halswirbelsäulenzerrung und Schädelprellung denken; ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und den jetzt bestehenden Geh- und Stehstörungen erscheine damit wahrscheinlich. Eine konzentrische Einengung des Sehvermögens des rechten Auges ohne entsprechende Beeinträchtigung des linken Auges sei für eine zentrale Sehstörung ungewöhnlich, so dass eher eine das Auge oder den Sehnerv betreffende Sehstörung zu unterstellen sei.
Der Augenarzt Dr.R. erklärte am 05.02.2001, am rechten Auge bestünden eine Verletzung des Sehnervs mit Sehleistungsverlust und Gesichtsfeldausfall sowie ein traumatischer Katarakt (Linsentrübung). Die Maculadegeneration sei nicht Folge des Unfalls, könne sich aber durch den Unfall verschlechtert haben. Linsentrübungen träten sowohl bei hochgradiger Myopie, wie sie beim Kläger bestünde, als auch nach Contusion auf.
Die Klinik für Neurologie H. berichtete über die Behandlung ab August 2001. Es sei nicht auszuschließen, dass die sensiblen Anfälle als Unfallfolge zu werten seien. Es wurde eine Hirnstammläsion nach traumatischer Vertebralisdissektion diagnostiziert.
Der Augenarzt Dr.Z. erklärte in der Stellungnahme vom 16.10.2001, die Gesichtsfeldstörung sei sehr ungewöhnlich und aufgrund des Unfallhergangs nicht zu erklären. Es scheine sich hier um ein unfallunabhängiges Leiden zu handeln.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 29.11.2001 das Verletztengeld mit Ablauf des 24.12.2001 ein. Nach Stellungnahme der behandelnden Ärzte sei ein Endzustand eingetreten, eine Besserung könne nicht mehr erreicht werden.
Im Gutachten vom 12.11.2001 führte der Augenarzt Prof.Dr.K. aus, die Frage nach dem eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Gesundheitsstörungen am Auge lasse sich nur schwer beantworten. Beim Kläger bestehe eine ausgeprägte Kurzsichtigkeit, die völlig unfallunabhängig sei. Der Kläger gebe an, dass der Gesichtsfelddefekt sowie die Minderung der Sehschärfe des rechten Auges vor dem Unfall nicht bestanden hätten. Inwiefern das Unfallereignis für eine schwere Schädigung des rechten Sehnervs ursächlich sein könne, sei als fraglich einzustufen. Schwere Schädigungen des Sehnervs nach stumpfen Gewalteinwirkungen seien zwar bekannt, solche Gewalteinwirkungen gingen aber in der Regel mit schwereren Verletzungen des Schädels einher. Im Fall des Klägers sei lediglich eine Weichteilschwellung am Kopf aufgetreten, aber keine Fraktur. Die bildgebenden Untersuchungen seien unauffällig gewesen. Die diskutierte Verletzung der inneren Halsarterie habe nicht bestätigt werden können. Auch wäre ein andersartiger Gesichtsfeldausfall zu erwarten als er hier angegeben werde. Sowohl die Minderung der Sehschärfe als auch die konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung seien nicht abschließend geklärt.
Die Neurologen Prof.Dr.B. und Prof.Dr.A. kamen im Gutachten vom 07.04.2002 zu der Auffassung, die Befunde und Beschwerden seien nach den Angaben des Klägers in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall aufgetreten; es ergebe sich aber der Verdacht auf wenigstens teilweise unbewusst seelisch bedingte oder verstärkte Krankheitszeichen. Ohne Rücksicht auf die Ursache wäre die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.06.2002 die Gewährung einer Rente ab. Unfallfolge sei eine folgenlos abgeklungene Schädelprellung. Den Widerspruch des Klägers vom 12.06.2002 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2003 zurück.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger eingewandt, er leide an starker Kurzsichtigkeit, Stabsichtigkeit, einem konzentrischen Gesichtsfelddefekt, Überleitungsstörung am Sehnerv, Minderung der Sehschärfe, überschüssiger Haut am Ober- und Unterlid, Lidkantenentzündung, Linsentrübung, Farbsinnesstörung, Gefühlsstörungen der linken Körperhälfte und Gangunsicherheit als Folgen des Unfalls vom 27.06.2000.
Der Radiologe Dr.B. stellte im MRT vom 16.09.2003 einen Bandscheibenvorfall bei HWK6/7, einen habituell engen Spinalkanal von HWK 3 bis HWK 7, keine Myelopathie, keine ossäre Traumafolge, keine Mobilitätsstörung fest. Im Bezirkskrankenhaus G. diagnostizierte Prof.Dr.W. am 12. und 23.09.2003 eine rein subjektive Sensibilitäts- und Gleichgewichtstörung. Aus den Unterlagen der AOK L. ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten von 1997 bis 1999 unter anderem wegen Commotio cerebri und Schwindel. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr.H. berichtete über die Behandlung des Klägers seit 1987; die Diagnosen lauteten unter anderem: LWS-Syndrom, Schädelprellung, Thoraxschmerzen, Epicondylitis, Schwindel, beruflicher Stress.
Die vom Sozialgericht Augsburg (SG) zur ärztlichen Sachverständigen ernannte Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.P. hat im Gutachten vom 12.10.2004 ausgeführt, die zunächst angenommene Vertebralisdissektion sei eine reine Hypothese und habe nicht nachgewiesen werden können. Allein der zeitliche Zusammenhang mit dem Unfall reiche nicht zum Herstellen eines Kausalzusammenhanges aus. Die von Prof.Dr.G. beschriebenen flüchtigen Durchblutungsstörungen seien nicht beweisbar und führten nicht zu fassbaren Dauerschäden. Das Gutachten der Augenklinik gehe auch nur von Möglichkeiten aus, ohne sich zum Kausalzusammenhang klar zu äußern. Prof.Dr.A. habe darauf hingewiesen, dass wohl seelisch bedingte Symptome eine wesentliche Rolle spielten. Eine Mitbeteiligung des Unfalls an den Beschwerden sei zwar nicht gänzlich auszuschließen, aber nicht ausreichend wahrscheinlich zu machen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.02.2005 abgewiesen. Den Gutachten sei gemeinsam, dass jeweils die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs diskutiert werde. Kein Sachverständiger habe aber mit Wahrscheinlichkeit einen Zusammenhang begründen können. Dr.P. habe den Gesundheitszustand des Klägers insgesamt als ein multifaktorielles Geschehen mit psychosomatischem Überbau, möglicherweise mit vorübergehend organisch bedingten Beschwerden, geschildert. Im Ergebnis stimme sie damit der Einschätzung von Prof.Dr.B. und Prof. Dr.A. zu, die den Verdacht auf wenigstens teilweise unbewusst seelisch bedingte oder verstärkte Krankheitszeichen geäußert hatten. Es bestehe kein Zweifel an der Richtigkeit der Gutachten. Der positive Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs sei nicht gegeben. Es gebe keine medizinische Äußerung, die die laienhafte medizinische Einschätzung des Klägers stütze.
Mit der Berufung weist der Kläger zunächst auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Beschwerden mit dem Unfall hin. Das MRT vom 16.09.2003 habe einen Bandscheibenvorfall und einen habituell engen Spinalkanal gezeigt; dies sei ein objektiver Befund, für den der Unfall ursächlich sei. Prof.Dr.G. habe erklärt, dass wenig Zweifel an Durchblutungsstörungen mit Beteiligung der Sehbahn/Sehrinde bestünden. Außerdem habe er eine Rumpfataxie festgestellt. Er halte einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Beschwerden und dem Unfall für wahrscheinlich. Dr.Z. habe ein neuro-ophtalmologisches Gutachten für erforderlich gehalten. Prof.Dr.K. halte den Unfall für die Sehbeeinträchtigung in abgrenzbarem Maße für kausal. Prof. Dr.B. schreibe ausdrücklich, dass er eine neurologische Vorschädigung nicht erkennen könne. Er habe zur Rehabilitation eine neurologisch und psychosomatisch ausgerichtete Einrichtung empfohlen. Aus diesen Äußerungen ergebe sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Gesundheitsschäden. Dr.P. gebe nicht die tatsächlichen umfassenden Beschwerden wieder, insbesondere könne eine Somatisierungsneigung nicht erkannt werden. Auch bezüglich der Gangunsicherheit lasse Dr. P. die Ursache offen. Den Bluthochdruck führe sie auf einen früheren Nikotinabusus zurück, obwohl der Kläger schon seit über 20 Jahren Nichtraucher sei. Außerdem stelle sie eine Sehminderung fest, die sie allerdings bei hochgradiger Kurzsichtigkeit relativiere. Die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Verursachung als durch den Unfall scheide aus. Hierzu habe kein Arzt eine nachvollziehbare Äußerung gemacht.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.02.2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 05.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2003 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, als weitere Unfallfolge anzuerkennen: starke Kurzsichtigkeit beidseits, Stabsichtigkeit beidseits, konzentrischer Gesichtsfelddefekt rechts mehr als links, Überleitungsstörung am rechten Sehnerv, Minderung der Sehschärfe am rechten Auge, überschüssige Haut am Ober- und Unterlid beidseits, Farbsinnesstörungen (rot-grün Blindheit), Gefühlstörungen linke Körperhälfte, Gangunsicherheit und ihm deswegen Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von mindestens 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Gewährung von Verletztenrente gem. §§ 8, 56 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII).
Der Senat sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass Dr.P. im Gutachten vom 12.10.2004 die vom Kläger angegebenen Gesundheitsstörungen in vollem Umfang berücksichtigt hat. Zu Recht hat sie darauf hingewiesen, dass aus den Jahren vor dem Unfall mehrfache Commotiones, außerdem mehrfach Schwindelneigung und auch linksbetonte Halbseiten-Symptome dokumentiert sind. Der Unfall vom 27.06.2000 hat, worauf Dr. P. zu Recht hinweist, zu keiner apparativ fassbaren Schädigung im Bereich des zentralen Nervensystems oder im Bereich des Halsmarks geführt. Prof.Dr.K. hat überzeugend erklärt, dass Schädigungen des Nervus opticus üblicherweise nur bei sehr viel höherer Gewalteinwirkung auftreten und Gesichtsfeldausfälle in anderer Form hinterlassen. Die ausgeprägte Kurzsichtigkeit des Klägers, die völlig unfallunabhängig ist, ist, so Prof.Dr.K. , hier mit zu berücksichtigen. Dr.Z. hat bereits am 16.10.2001 geäußert, die Gesichtsfeldstörung sei sehr ungewöhnlich, aufgrund des Unfallhergangs nicht zu erklären und ein unfallunabhängiges Leiden. Die zahlreichen Arztbesuche des Klägers, wie sie insbesondere durch die Berichte des Dr.H. dokumentiert sind, sprechen gegen die Angabe, der Kläger habe vor dem Unfall unter keinen wesentlichen Gesundheitsstörungen gelitten. Dass die von Dr.B. am 16.09.2003 festgestellten Gesundheitsstörungen, nämlich ein Bandscheibenvorfall bei HWK6/7 und ein habituell enger Spinakanal, keine Unfallfolgen sind, zeigt sich schon beim Vergleich des MRT vom 16.09.2003 mit den Röntgenaufnahmen vom 30.06.2000, die zwar eine Streckhaltung und Ostheochondrose der unteren Halswirbelsäule, sonst aber an der Halswirbelsäule keinen pathologischen Befund gezeigt haben.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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