Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AS 42/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 18/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.07.2005 wie folgt geändert: Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 wird angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren zu einem Drittel. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist neben dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt W vom 24.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Antragsgegnerin vom 05.07.2005 nunmehr die Anordnung seiner sofortigen Vollziehung vom 01.08.2005. Die Zahlungsaufforderung, Kindesunterhalt für die Tochter F zu leisten und die Androhung eines Zwangsgeldes, falls die verlangten Auskünfte hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht erteilt werden (Ziff. 1 und 3 des Bescheides vom 01.08.2005), sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Hierbei handelt es sich um eigenständige Bescheide, die den Bescheid vom 24.01.2005 im Sinne von § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weder abändern noch ersetzen.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist insoweit begründet, als die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 24.01.2005 rechtswidrig und daher die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 24.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG anzuordnen ist. Entgegen § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG fehlt es nämlich an der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Erforderlich ist eine Begründung, aus der hervorgeht, warum in diesem besonderen Einzelfall ausnahmsweise von der grundsätzlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen den betreffenden Bescheid abgewichen wird (Hessisches LSG, Beschluss v. 12.02.2004, L 10 AL 1212/03 ER, Breith 2005, 704 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 30.09.2002, L 4 KR 122/02 ER, NZS 2003, 333; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. [2005], § 86 Rdnr. 21b). An einer solchen Begründung fehlt es hier jedoch. Die Behörde hat ausgeführt: "Die den o.g. Personen gewährten Leistungen werden aus Steuermitteln erbracht. Den Trägern der Leistungen nach dem SGB II obliegt die sparsame und wirtschaftliche Verwendung dieser öffentlichen Mittel. Vor dieser Verpflichtung der Leistungsträger muss Ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, da ein sozialgerichtliches Verfahren eine zeitnahe Realisierung ggf. bestehender Unterhaltsansprüche unmöglich machen würde, zurückstehen." Diese Begründung beinhaltet eine Kritik an der gesetzgeberischen Grundentscheidung, nur bei der Überleitungsanzeige selbst, nicht jedoch auch bei Maßnahmen zur Durchsetzung des übergeleiteten Anspruchs die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auszuschließen (§ 39 Nr. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch [SGB II]). An diese Grundentscheidung sind die Sozialleistungsträger jedoch ebenso wie der Senat gebunden. Eine den Anforderungen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG genügende Begründung würde voraussetzen, dass anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles dargelegt wird, warum die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise nicht hinnehmbar ist und das vom Gesetzgeber als grundsätzlich schutzwürdig anerkannte Aufschubinteresse des Antragstellers gegenüber den öffentlichen Vollzugsinteressen zurücktreten muss. Derartige Ausführungen enthält die Vollzugsanordnung jedoch nicht.
Von einer diesen Anforderungen genügenden Begründung kann im Streitfall auch nicht deshalb abgesehen werden, weil sich das öffentliche Vollzugsinteresse bereits aus der Eigenart der Regelung ergäbe (vgl. zu einer derartigen Fallgestaltung LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 06.01.2004, L 11 B 17/03 KA ER, Breith 2004, 263). Maßnahmen zur Durchsetzung des nach § 33 SGB II übergeleiteten Anspruchs dienen der Refinanzierung des in Vorleistung getretenen Leistungsträgers. Dass der Rückgriff gegen den (vermeintlichen) Unterhaltsschuldner im Falle des Abwartens bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vereitelt oder unzumutbar erschwert würde, erschließt sich jedenfalls nicht von selbst, sondern ist je nach Lage des Einzelfalles unterschiedlich zu beurteilen. Zu einer solchen auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung soll der Leistungsträger durch das Begründungserfordernis des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG aber gerade angehalten werden.
Auch im Falle der unzureichenden Begründung ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs und nicht die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung die zutreffende gerichtliche Maßnahme (Keller a.a.O., § 86a Rdnr. 21b m.w.N. zum Streitstand). Der Gesetzgeber hat - in Kenntnis der seit Jahrzehnten bestehenden verwaltungsgerichtlichen Praxis, in Fällen der vorliegenden Art lediglich die Vollzugsanordnung aufzuheben - von einer entsprechenden Entscheidungsmöglichkeit in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG abgesehen. Für sie besteht auch kein praktisches Bedürfnis. Ungeachtet der Rechtskraft von Beschlüssen gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG wird auch durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Befugnis der Behörde nicht ausgeschlossen, mittels einer einwandfreien Begründung den Sofortvollzug ihres Bescheides erneut anzuordnen.
Da die aufschiebende Wirkung schon mangels ausreichender Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs anzuordnen ist, kann dahinstehen, ob der Bürgermeister der Stadt W zu dieser Anordnung überhaupt zuständig war.
Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Senat auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung zurückwirkt. Das führt dazu, dass zwischenzeitlich ergangene Maßnahmen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind (insbesondere die Androhung des Zwangsgeldes im Bescheid vom 01.08.2005 zu Ziff. 3 sowie der Bescheid über die Festsetzung des Zwangsgeldes und die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes gemäß Bescheid vom 11.10.2005), sich als rückwirkend rechtswidrig erweisen.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen die Überleitungsanzeige (Bescheid vom 24.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005) abgelehnt. Auf die Entscheidungsgründe, denen sich der Senat anschließt, wird entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Ergänzend ist zum Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren auszuführen:
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die sog. Negativevidenz, die mit Blick auf die Frage des Bestehens des Unterhaltsanspruchs allein einer Überleitungsanzeige nach § 33 SGB II entgegenstehen könnte (vgl. Link in Eicher/Spellbrink a.a.O., § 33 Rdnr. 19 m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu § 91 BSHG) hier nicht besteht. Für die Überleitungsanzeige reicht allein die Möglichkeit eines Unterhaltsanspruchs der Tochter und der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers gegen diesen aus. Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht auch nicht im Sinne der Negativevidenz fest, dass seine geschiedene Ehefrau auf die Zahlung nachehelichen Unterhaltes wirksam verzichtet hat. Eine Vereinbarung nach § 1585c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat. Allein der Umstand, dass seine geschiedene Ehefrau nachehelichen Unterhalt (bislang) nicht eingeklagt hat, reicht für die Annahme eines Verzichtes nicht aus. Abgesehen davon wäre zu klären, ob ein derartiger Verzicht sich nicht wegen seiner Wirkungen zu Lasten der Antragsgegnerin als sittenwidrig (§ 138 BGB) bzw. die Berufung auf ihn als treuwidrig (§ 242 BGB) erweisen würde. Die Negativevidenz hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs der Tochter des Antragstellers ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller nach eigenem Bekunden den mit Teilanerkenntnisurteil des AG Nettetal vom 27.01.2003 ausgeworfenen Unterhaltsbetrag von 111 EUR (zuzüglich Krankenversicherungsbeiträgen) monatlich an die Antragsgegnerin zahlt. Wie diese im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, dient die Überleitungsanzeige nämlich auch der Sicherung eines möglichen - höheren - Unterhaltsanspruchs. Dass diese Möglichkeit nicht völlig unrealistisch ist, hat sich allein durch die nunmehr erfolgte Geltendmachung eines höheren Krankenversicherungs- beitrags (Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.08.2005 zu Ziff. 1) bereits bestätigt.
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, dem Auskunftsbegehren der Antragsgegnerin stehe die Sperrwirkung des § 1605 Abs. 2 BGB entgegen. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II beinhaltet eine eigenständige Anspruchsgrundlage des Leistungsträgers auf Auskunft über Einkommen und Vermögen gegen denjenigen, der einem Leistungsbezieher nach dem SGB II seinerseits zu Leistungen verpflichtet ist. Für den besonderen Fall, dass es sich bei dieser Verpflichtung um eine Unterhaltsverpflichtung handelt, ordnet § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II die entsprechende Anwendung von § 1605 Abs. 1 BGB an. Die Wirkung dieser Verweisung erstreckt sich in erster Linie auf § 1605 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB, also auf Art und Umfang der Auskunft. Die entsprechende Anwendung von § 1605 Abs. 2 BGB wird dagegen gerade nicht angeordnet. Anders als der Unterhaltsschuldner ist daher der Leistungsträger berechtigt, zu jedem Zeitpunkt Auskunft von dem Unterhaltsgläubiger zu verlangen (ebenso Schoch in LPK-SGB II [2005], § 60 Rdnr. 24). Auch für dieses Auskunftsverlangen bedarf es nicht eines feststehenden, sondern lediglich eines möglichen Anspruchs (Blüggel in Eicher/Spellbrink a.a.O., § 60 Rdnr. 20). Anhaltspunkte, die der - erstmaligen - Geltendmachung eines Auskunftsverlangens durch die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen im Beschwerdeverfahren.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist neben dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt W vom 24.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Antragsgegnerin vom 05.07.2005 nunmehr die Anordnung seiner sofortigen Vollziehung vom 01.08.2005. Die Zahlungsaufforderung, Kindesunterhalt für die Tochter F zu leisten und die Androhung eines Zwangsgeldes, falls die verlangten Auskünfte hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht erteilt werden (Ziff. 1 und 3 des Bescheides vom 01.08.2005), sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Hierbei handelt es sich um eigenständige Bescheide, die den Bescheid vom 24.01.2005 im Sinne von § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weder abändern noch ersetzen.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist insoweit begründet, als die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 24.01.2005 rechtswidrig und daher die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 24.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG anzuordnen ist. Entgegen § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG fehlt es nämlich an der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Erforderlich ist eine Begründung, aus der hervorgeht, warum in diesem besonderen Einzelfall ausnahmsweise von der grundsätzlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen den betreffenden Bescheid abgewichen wird (Hessisches LSG, Beschluss v. 12.02.2004, L 10 AL 1212/03 ER, Breith 2005, 704 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 30.09.2002, L 4 KR 122/02 ER, NZS 2003, 333; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. [2005], § 86 Rdnr. 21b). An einer solchen Begründung fehlt es hier jedoch. Die Behörde hat ausgeführt: "Die den o.g. Personen gewährten Leistungen werden aus Steuermitteln erbracht. Den Trägern der Leistungen nach dem SGB II obliegt die sparsame und wirtschaftliche Verwendung dieser öffentlichen Mittel. Vor dieser Verpflichtung der Leistungsträger muss Ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, da ein sozialgerichtliches Verfahren eine zeitnahe Realisierung ggf. bestehender Unterhaltsansprüche unmöglich machen würde, zurückstehen." Diese Begründung beinhaltet eine Kritik an der gesetzgeberischen Grundentscheidung, nur bei der Überleitungsanzeige selbst, nicht jedoch auch bei Maßnahmen zur Durchsetzung des übergeleiteten Anspruchs die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auszuschließen (§ 39 Nr. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch [SGB II]). An diese Grundentscheidung sind die Sozialleistungsträger jedoch ebenso wie der Senat gebunden. Eine den Anforderungen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG genügende Begründung würde voraussetzen, dass anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles dargelegt wird, warum die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise nicht hinnehmbar ist und das vom Gesetzgeber als grundsätzlich schutzwürdig anerkannte Aufschubinteresse des Antragstellers gegenüber den öffentlichen Vollzugsinteressen zurücktreten muss. Derartige Ausführungen enthält die Vollzugsanordnung jedoch nicht.
Von einer diesen Anforderungen genügenden Begründung kann im Streitfall auch nicht deshalb abgesehen werden, weil sich das öffentliche Vollzugsinteresse bereits aus der Eigenart der Regelung ergäbe (vgl. zu einer derartigen Fallgestaltung LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 06.01.2004, L 11 B 17/03 KA ER, Breith 2004, 263). Maßnahmen zur Durchsetzung des nach § 33 SGB II übergeleiteten Anspruchs dienen der Refinanzierung des in Vorleistung getretenen Leistungsträgers. Dass der Rückgriff gegen den (vermeintlichen) Unterhaltsschuldner im Falle des Abwartens bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vereitelt oder unzumutbar erschwert würde, erschließt sich jedenfalls nicht von selbst, sondern ist je nach Lage des Einzelfalles unterschiedlich zu beurteilen. Zu einer solchen auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung soll der Leistungsträger durch das Begründungserfordernis des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG aber gerade angehalten werden.
Auch im Falle der unzureichenden Begründung ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs und nicht die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung die zutreffende gerichtliche Maßnahme (Keller a.a.O., § 86a Rdnr. 21b m.w.N. zum Streitstand). Der Gesetzgeber hat - in Kenntnis der seit Jahrzehnten bestehenden verwaltungsgerichtlichen Praxis, in Fällen der vorliegenden Art lediglich die Vollzugsanordnung aufzuheben - von einer entsprechenden Entscheidungsmöglichkeit in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG abgesehen. Für sie besteht auch kein praktisches Bedürfnis. Ungeachtet der Rechtskraft von Beschlüssen gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG wird auch durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Befugnis der Behörde nicht ausgeschlossen, mittels einer einwandfreien Begründung den Sofortvollzug ihres Bescheides erneut anzuordnen.
Da die aufschiebende Wirkung schon mangels ausreichender Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs anzuordnen ist, kann dahinstehen, ob der Bürgermeister der Stadt W zu dieser Anordnung überhaupt zuständig war.
Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Senat auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung zurückwirkt. Das führt dazu, dass zwischenzeitlich ergangene Maßnahmen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind (insbesondere die Androhung des Zwangsgeldes im Bescheid vom 01.08.2005 zu Ziff. 3 sowie der Bescheid über die Festsetzung des Zwangsgeldes und die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes gemäß Bescheid vom 11.10.2005), sich als rückwirkend rechtswidrig erweisen.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen die Überleitungsanzeige (Bescheid vom 24.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005) abgelehnt. Auf die Entscheidungsgründe, denen sich der Senat anschließt, wird entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Ergänzend ist zum Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren auszuführen:
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die sog. Negativevidenz, die mit Blick auf die Frage des Bestehens des Unterhaltsanspruchs allein einer Überleitungsanzeige nach § 33 SGB II entgegenstehen könnte (vgl. Link in Eicher/Spellbrink a.a.O., § 33 Rdnr. 19 m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu § 91 BSHG) hier nicht besteht. Für die Überleitungsanzeige reicht allein die Möglichkeit eines Unterhaltsanspruchs der Tochter und der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers gegen diesen aus. Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht auch nicht im Sinne der Negativevidenz fest, dass seine geschiedene Ehefrau auf die Zahlung nachehelichen Unterhaltes wirksam verzichtet hat. Eine Vereinbarung nach § 1585c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat. Allein der Umstand, dass seine geschiedene Ehefrau nachehelichen Unterhalt (bislang) nicht eingeklagt hat, reicht für die Annahme eines Verzichtes nicht aus. Abgesehen davon wäre zu klären, ob ein derartiger Verzicht sich nicht wegen seiner Wirkungen zu Lasten der Antragsgegnerin als sittenwidrig (§ 138 BGB) bzw. die Berufung auf ihn als treuwidrig (§ 242 BGB) erweisen würde. Die Negativevidenz hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs der Tochter des Antragstellers ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller nach eigenem Bekunden den mit Teilanerkenntnisurteil des AG Nettetal vom 27.01.2003 ausgeworfenen Unterhaltsbetrag von 111 EUR (zuzüglich Krankenversicherungsbeiträgen) monatlich an die Antragsgegnerin zahlt. Wie diese im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, dient die Überleitungsanzeige nämlich auch der Sicherung eines möglichen - höheren - Unterhaltsanspruchs. Dass diese Möglichkeit nicht völlig unrealistisch ist, hat sich allein durch die nunmehr erfolgte Geltendmachung eines höheren Krankenversicherungs- beitrags (Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.08.2005 zu Ziff. 1) bereits bestätigt.
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, dem Auskunftsbegehren der Antragsgegnerin stehe die Sperrwirkung des § 1605 Abs. 2 BGB entgegen. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II beinhaltet eine eigenständige Anspruchsgrundlage des Leistungsträgers auf Auskunft über Einkommen und Vermögen gegen denjenigen, der einem Leistungsbezieher nach dem SGB II seinerseits zu Leistungen verpflichtet ist. Für den besonderen Fall, dass es sich bei dieser Verpflichtung um eine Unterhaltsverpflichtung handelt, ordnet § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II die entsprechende Anwendung von § 1605 Abs. 1 BGB an. Die Wirkung dieser Verweisung erstreckt sich in erster Linie auf § 1605 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB, also auf Art und Umfang der Auskunft. Die entsprechende Anwendung von § 1605 Abs. 2 BGB wird dagegen gerade nicht angeordnet. Anders als der Unterhaltsschuldner ist daher der Leistungsträger berechtigt, zu jedem Zeitpunkt Auskunft von dem Unterhaltsgläubiger zu verlangen (ebenso Schoch in LPK-SGB II [2005], § 60 Rdnr. 24). Auch für dieses Auskunftsverlangen bedarf es nicht eines feststehenden, sondern lediglich eines möglichen Anspruchs (Blüggel in Eicher/Spellbrink a.a.O., § 60 Rdnr. 20). Anhaltspunkte, die der - erstmaligen - Geltendmachung eines Auskunftsverlangens durch die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen im Beschwerdeverfahren.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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