S 21 SO 5122/05 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
21
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 SO 5122/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für die Antragstellerin ab dem 1.10. bis zur Bestandskraft des auf den Antrag der Antragstellerin vom 18.4.2005 noch zu erteilenden Bescheides, längstens bis zum 31.3.2006, vorläufig die Kosten für eine Haushaltshilfe im Umfang von 8 Stunden monatlich zu übernehmen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Der gegen die Antragsgegnerin gerichtete Antrag wird abgelehnt.

3. Der Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/4. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe. Die 1967 geborene Antragstellerin leidet unter einer angeborenen inkompletten Querschnittslähmung und ist daher auf den Rollstuhl angewiesen. Pflegebedürftigkeit besteht aber nicht. Sie bezog bis 31.12.2004 von der Beklagten Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Mit Bescheid vom 2.9.1993 wurde ihr von der Antragsgegnerin Nachbarschaftshilfe (im Wesentlichen für die Wohnungsreinigung) auf der Rechtsgrundlage des § 11 Abs. 3 BSHG bewilligt. Diese Leistungen erhielt sie über Dezember 2004 hinaus auch noch in den Monaten Januar bis einschließlich März 2005. Im Jahre 2004 wurden im Schnitt 57,67 EUR monatlich bezahlt.

Die Antragstellerin ist im Umfang von neun Stunden wöchentlich berufstätig. Sie erhält seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld 2 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 10.3.2005 lehnte die Antragsgegnerin die Leistung der Nachbarschaftshilfe ab. Für die Antragstellerin, die Leistungen nach dem SGB II beziehe, sei Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ausgeschlossen. Daher könne keine Nachbarschaftshilfe nach § 27 Abs. 3 SGB XII bewilligt werden. Die Rechnungen bis zum 31.3.2005 würden noch übernommen, da die Antragstellerin erst jetzt hätte informiert werden können. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass der geltend gemachte Bedarf beim zuständigen Jobcenter beantragt werden könne. Sollte bei dem Bedarf der Antragsteller eine pflegerische Verrichtung hinzukommen, könnten wieder Leistungen nach dem SGB XII beantragt werden. Dazu müsse ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse vorgelegt werden.

Mit Schreiben vom 11.4.2005 machte der Körperbehinderten-Verein Stuttgart e.V. der Klägerin auf ihre Anfrage der Klägerin hin ein Angebot über hauswirtschaftliche Leistungen in einem Umfang von drei Stunden pro Woche für 58,68 EUR.

Mit Schreiben vom 18.4.2005 beantragte die Antragstellerin bei dem Beigeladenen Leistungen der Nachbarschaftshilfe nach dem SGB II. Seitens des Beigeladenen wurde kein schriftlicher Ablehnungsbescheid erteilt.

Mit Schreiben vom selben Datum wandte sich die Antragstellerin an den Ombudsrat Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dieser gab ihr den allgemeinen Hinweis, dass eine Leistungserbringung im SGB II nicht in Betracht komme, um empfahl, bei dem Sozialamt einen Antrag nach §§ 61, 63 SGB XII zu stellen.

Sie stellte daher am 20.6.2005 erneut bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Leistungen der Nachbarschaftshilfe und bat um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.

Mit Schreiben vom 28.6.2005 verwies die Antragsgegnerin auf die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 10.3.2005.

Mit Schreiben vom 1.7.2005 wandte sich die Antragstellerin daraufhin direkt an den Amtsleiter des Sozialamts der Antragsgegnerin. Dieser wies mit Schreiben vom 28.7.2005 im Wesentlichen auf die für den Ablehnungsbescheid vom 10.3.2005 maßgeblichen Gründe hin und empfahl der Antragstellerin, ein Pflegegutachten bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse anzufordern und einen Antrag auf ambulante Pflegeleistungen nach den §§ 61 ff. SGB XII zu stellen.

Mit Schreiben vom 25.7.2005 bat die Antragstellerin die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den Beschluss des SG Oldenburg vom 30.5.2005, Az. S 2 SO 49/05 ER, wonach ein Anspruch auf Haushaltshilfe wegen einer Regelungslücke über § 61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII auch ohne Pflegebedürftigkeit gewährt werden könne.

Mit Schreiben vom 8.8.2005 verwies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf, dass nach ihrer Auffassung ein rein hauswirtschaftlicher Bedarf keine ausreichende Voraussetzung für die Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII sei.

Am 12.8.2005 stellte die Antragstellerin daraufhin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Stuttgart.

Sie benötige keine Hilfe zur Pflege, sondern hauswirtschaftliche Hilfen. Die Kosten der Nachbarschaftshilfe sei befristet von April bis September 2005 durch Spenden finanziert worden. Sie könne die Leistungen nicht vorfinanzieren, da sie Leistungen nach dem SGB II beziehe. Die Haushaltshilfe sei regelmäßig und durchgehend notwendig.

Sie beantragt daher,

die Antragsgegnerin, hilfsweise den Beigeladenen, zu verpflichten, die Kosten für notwendige Leistungen der Nachbarschaftshilfe von 58,68 EUR pro Woche zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin schlug folgendes Vorgehen vor:

1. Das Jobcenter Stuttgart beendet seine Leistungsgewährung zum 30.9.2005. 2. Die Landeshauptstadt Stuttgart - Sozialamt - gewährt ab 1.10.2005 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII, einschließlich der hauswirtschaftlichen Leistungen. Dem Widerspruch wird in diesem Sinne abgeholfen werden und die Kosten für die ab 1.4.2005 erbrachten hauswirtschaftlichen Leistungen nachträglich übernommen. 3. Die Antragstellerin erklärt den Antrag auf Grund dessen für erledigt.

Aus ihrer Sicht stehe die Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin fest. Der Antragstellerin sei schon in der Vergangenheit ein Mehrbedarfszuschlag wegen Erwerbsunfähigkeit bereits zuerkannt worden. Die Arbeitszeit der Antragsteller liege unter drei Stunden täglich.

Die Antragstellerin erwiderte hierauf, dass sie sich als erwerbsfähig ansehe und deshalb auf der weiteren Zuständigkeit des Jobcenters für sie bestehe. Dass sie gegenwärtig nur neun Stunden in der Woche arbeite, beruhe nicht auf ihrem Leistungsvermögen, sondern auf der Lage am Arbeitsmarkt. Sie wolle mehr arbeiten. Es bedürfe daher der gerichtlichen Entscheidung.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 8.9.2005 das Jobcenter Stuttgart nach § 75 Abs. 2 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung beigeladen und auf die Möglichkeit einer Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG in entsprechender Anwendung hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 23.9.2005 teilte der Beigeladene mit, er werde dem Vorschlag der Antragsgegnerin entsprechend die Leistungsgewährung zum 1.10.2005 einstellen und einen entsprechenden Bescheid erstellen. Ein Ablehnungsbescheid hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Leistungen sei bislang nicht gefertigt worden.

Eine weitere Stellungnahme der Antragsgegnerin erfolgte trotz Ankündigung bis zum Beschlusszeitpunkt nicht.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber nur gegenüber dem Beigeladenen und nur in dem im Tenor genannten Umfang begründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG liegen vor. Danach kann, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen. Ein Fall des Abs. 1 liegt nicht vor, da in einer Hauptsacheklage kein leistungsentziehender Verwaltungsakt anzufechten wäre. Der Antrag ist auch schon vor Klageerhebung zulässig, § 86b Abs. 3 SGG. Die Arbeitsgemeinschaft Jobcenter Stuttgart ist nach § 70 Nr. 1 SGG (jedenfalls analog, vgl. Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II § 44b Rn. 18) beteiligtenfähig.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn ein Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruchs sowie ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit vorliegen und beide zumindest glaubhaft gemacht sind. Glaubhaft gemacht sind Tatsachen, wenn sie überwiegend wahrscheinlich sind. Die Anforderungen an die richterliche Wahrheitsprüfung sind im Rahmen der einstweiligen Anordnung gegenüber der Hauptsacheentscheidung herabgesetzt, so dass keine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit notwendig ist. Dies ergibt sich aus dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung in der Hauptsache offen zu halten und schnellen Rechtsschutz zu gewähren. Das Gericht führt daher nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage durch.

Der Antrag ist gegenüber der Antragsgegnerin unbegründet, da kein Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches ihr gegenüber glaubhaft gemacht wurde.

Ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Hinblick auf die hauswirtschaftliche Versorgung wäre von § 27 Abs. 3 SGB XII oder § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erfasst. Ein solcher Anspruch besteht hier aber nicht, da die Antragstellerin nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 21 Satz 1 SGB XII keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII beanspruchen kann.

Denn die Antragstellerin hat Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie erfüllt nach summarischer Prüfung anhand der gegenwärtigen Sachlage die Anspruchsvoraussetzungen nach den § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 bis 4 SGB II. Sie ist 38 Jahre alt, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Streitig ist hier lediglich, ob die Antragstellerin erwerbsfähig ist. Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Eine Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin ergibt sich nicht schon daraus, dass sie bis 31.12.2004 einen Mehrbedarfszuschlag nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG wegen voller Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. Die hier maßgebliche Definition der Erwerbsfähigkeit in § 8 Abs. 1 SGB II lehnt sich zwar an die Definition der vollen Erwerbsminderung in § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) an. Die Entscheidung, der Antragsteller den Mehrbedarfszuschlag zu gewähren, geschah allerdings nach dem Inhalt der Akten der Antragsgegnerin alleine auf der Grundlage einer kurzen Stellungnahme eines Arztes des Gesundheitsamtes vom 17.12.2001, wonach eine Behinderung infolge angeborener Querschnittslähmung vorliege und die Voraussetzungen für den Mehrbedarf infolge Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit als erfüllt anzusehen seien. Weitere Gründe oder Befunde waren nicht angegeben. Diese sehr kurze Stellungnahme lässt nach Ansicht der erkennenden Kammer keinen Schluss auf eine Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin zum jetzigen Zeitpunkt zu.

Auch der bei der Antragstellerin festgestellte Grad der Behinderung von 100 lässt noch keinen Schluss auf eine Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin zu. Denn der Grad der Behinderung drückt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft allgemein aus, während für die Erwerbsfähigkeit nur die Einschränkungen im Erwerbsleben maßgeblich ist. Aus einem bestimmten Grad der Behinderung kann daher nicht eine volle Erwerbsminderung gefolgert werden (vgl. BSGE 14, 207, 211). Eine solche Schlussfolgerung wider den Willen der behinderten Antragstellerin widerspräche auch diametral der Zielsetzung des SGB IX, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern und dem im Grundgesetz verankerten Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen Geltung zu verschaffen (vgl. § 1 Satz 1 SGB IX und Götze, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 2 Rn. 12). Sie widerspräche darüber hinaus der Zielsetzung des SGB II, Erwerbsfähige in den Arbeitsmarkt zu integrieren und dabei möglichst weitgehend Erwerbspotenziale zu erschließen (vgl. Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 8 Rn. 7).

Nach Ansicht der erkennenden Kammer ist hier für die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin maßgeblich, dass sie vorgetragen hat, erwerbsfähig zu sein und sie seit 1.1.2005 Leistungen nach dem SGB II bezieht. Damit war seitens der Agentur für Arbeit nach § 44a Satz 1 SGB II die Feststellung verbunden, dass die Antragstellerin erwerbsfähig ist. Auch die beabsichtige Einstellung der Leistungen nach dem SGB II durch den Beigeladenen gegen den Willen der Antragstellerin kann diese Einschätzung nicht ändern. Denn die Einstellung steht ersichtlich im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Antragsgegnerin. Die zu diesem Vorschlag führende Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch die Antragsgegnerin war lediglich mit einer erneuten Durchsicht der Akten begründet worden. Die Feststellung, ob die Antragstellerin erwerbsfähig und hilfebedürftig ist, obliegt aber nach § 44a Satz 1 SGB II der Agentur für Arbeit. Eine derartige Feststellung ist bislang nur im positiven Sinne geschehen. Eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin bezüglich ihrer aktuellen Erwerbsfähigkeit ist nach gegenwärtigem Sachstand nicht erfolgt. Das Gericht weist darauf hin, dass die Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin in § 8 SGB II geregelt ist und damit nicht der Disposition durch die Antragsgegnerin und das Jobcenter unterliegt.

Ein Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegner ergibt sich auch nicht aus anderen Vorschriften des SGB XII außerhalb der Hilfe zum Lebensunterhalt.

Ein Anspruch nach §§ 53, 54 SGB XII kommt nicht in Betracht, weil die begehrte Haushaltshilfe nicht zur Eingliederung in die Gesellschaft dient.

Auch ein Anspruch nach § 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Nr. 4 SGB XII besteht nicht. Denn die Antragstellerin bedarf keiner Hilfe zur Pflege. Auch bei einem erweiternden Verständnis des § 61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII (so SG Oldenburg, Beschluss vom 30.5.2005, Az. S 2 SO 49/05 ER) besteht kein Anspruch. Denn der Inhalt der Leistungen umfasst nach § 61 Abs. 2 Satz 2 SGB XII die Leistungen der Pflegeversicherung nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 bis 8 SGB XI. Die hier begehrte Bezahlung einer stundenweise tätigen Haushaltshilfe ist von den dort in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 36, 40 bis 43 SGB XI gerade nicht erfasst (vgl. SG Hamburg, Beschluss vom 13.6.2005, Az S 51 SO 267/05 ER).

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 70 Abs. 1 SGB XII. Denn diese Norm soll gewährleisten, dass der Haushalt weiter geführt wird, wenn die Person, die den Haushalt gewöhnlich führt, verhindert ist (Birk/Bieritz-Harder, in: LPK-SGB XII, § 70 Rn. 2). § 70 SGB XII betrifft aber nicht einzelne Haushaltstätigkeiten, sondern die Übernahme der gesamten Haushaltsführung (vgl. Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 70 Rn. 3).

Auch § 73 SGB XII scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Denn diese Norm setzt voraus, dass es sich um eine sonstige Lebenslage handelt. Damit ist nur ein Bedarf erfasst, der nicht schon thematisch keinem anderen Tatbestand des SGB XII zuzuordnen ist (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 73 Rn. 3). Die Haushaltshilfe ist aber über § 27 Abs. 3 bzw. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII geregelt.

Nach alledem ist kein Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin gegeben. Eine analoge Anwendung der einzelnen Vorschriften gegenüber der Antragsgegnerin scheidet aus, da innerhalb des SGB XII schon keine Regelungslücke besteht. Vielmehr sind die unterschiedlichen Leistungen nach einem aus § 8 SGB XII erkennbaren Konzept gegliedert und alle denkbaren Bedarfssituationen abgedeckt.

Eine Regelungslücke ergibt sich aber im SGB II, da der Gesetzgeber dort offenbar den Fall eines erwerbsfähigen, aber dennoch auf eine Haushaltshilfe angewiesenen Hilfebedürftigen nicht gesehen hat. Gegenüber dem Beigeladenem ergibt sich daher ein Anordnungsanspruch aus § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in entsprechender Anwendung.

Eine Regelungslücke besteht, da sich der Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe weder über das SGB XII noch in direkter Anwendung der Vorschriften des SGB II ergibt.

Die Kosten für die Haushaltshilfe sind nicht über den Regelsatz des § 20 SGB II gedeckt. Denn dabei handelt es sich um einen zusätzlichen Bedarf, der nur einzelne Hilfebedürftige betrifft. Die Kosten für die Haushaltshilfe sind auch nicht in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II erfasst.

Die Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe ist auch nicht von den Leistungen für Mehrbedarfe zum Lebensunterhalt nach dem Katalog des § 21 SGB II gedeckt. § 21 Abs. 4 SGB II trifft zwar eine Sonderregelung für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit erbracht werden. Dies trifft aber auf die Antragstellerin nicht zu. Auf eine eventuelle Anspruchsberechtigung kommt es dabei nicht an, da nach dem Wortlaut der Vorschrift die tatsächliche Erbringung der genannten Leistungen erforderlich ist (vgl. Lang, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 21 Rn. 50).

Eine abweichende Erbringung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB II scheidet aus, da dort nur eine Hilfegewährung im Wege eines Darlehens möglich ist. Eine derartige Bedarfsdeckung ist aber hier wegen der auf nicht absehbare Zeit regelmäßig erforderlichen Haushaltshilfe nicht sinnvoll. Denn die Tilgung des Darlehens nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II würde auf eine dauernde Kürzung der Regelleistung hinauslaufen.

Die Regelungslücke ist auch planwidrig. Denn bei einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen würden die Kosten der Haushaltshilfe nach § 27 Abs. 3 bzw. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII übernommen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber im Bereich des SGB II einen derartigen Bedarf nicht decken wollte. Sachliche Gründe, die von dem SGB II erfassten erwerbsfähigen Personen schlechter zu stellen als die unter das SGB XII fallenden, könne sich nur aus dem Bereich Arbeit ergeben (Däubler, NZS 2005, 225, 231). Die Erforderlichkeit einer Haushaltshilfe hat aber nichts mit der Erwerbsfähigkeit oder Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu tun. Damit spricht viel dafür, dass der Fall des erwerbsfähigen, aber auf eine Haushaltshilfe angewiesenen Hilfebedürftigen vom Gesetzgeber nicht gesehen wurde. Der Bedarf der Antragstellerin ist damit unter entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII für diesen Fall durch eine Erhöhung des Regelsatzes zu decken. § 27 Abs. 3 SGB XII war dabei nicht heranzuziehen, da diese Norm den Fall betrifft, dass das zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts erforderliche Einkommen und Vermögen tatsächlich vorhanden ist (vgl. Schoch, in: LPK-SGB XII, § 27 Rn. 30).

Der Anspruch richtet sich dabei gegen das beigeladene Jobcenter, nicht gegen die Antragsgegnerin. Denn die Antragstellerin bezieht von dem Jobcenter Leistungen nach dem SGB II. Leistungen von der Antragsgegnerin bezieht sie nicht. Damit ist eine Zuständigkeit des Jobcenters auch für die Haushaltshilfe gegeben. Denn im Bereich des SGB XII zeigt der Gesetzgeber, dass er die Kosten für die Haushaltshilfe als Teil der Hilfe zum Lebensunterhalt begreift. Damit ist es nur konsequent, diesen Bedarf auch mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II abzudecken. Zudem wird nur so das Ziel des SGB II, ein einheitliches Leistungssystem aus Arbeitslosenhilfe und BSHG für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu schaffen, verwirklicht.

Dass die Antragstellerin einen Bedarf für die Übernahme der Kosten einer Haushaltshilfe hat, wird auch von der Antragsgegnerin und dem beigeladenen Jobcenter offenbar nicht bezweifelt. Dies zeigt sich an dem Angebot der Antragsgegnerin und dem Eingehen des Jobcenters hierauf.

Den Inhalt der einstweiligen Anordnung bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Höhe der zu übernehmenden Kosten war hier lediglich von einem (gerundeten) monatlichen Umfang von 8 Stunden auszugehen und nicht von einem wöchentlichen Betrag von 58,68 EUR, wie von der Antragstellerin gefordert. Denn die Antragstellerin hat keinen derartigen Bedarf glaubhaft gemacht. Ausweislich der Rechnungen des Körperbehinderten-Vereins Stuttgart e.V. für die letzten zwölf Monate April 2004 bis März 2005, die noch von der Antragsgegnerin bezahlt wurden, betrug der durchschnittliche Umfang der Haushaltshilfe 7,75 Stunden monatlich. Der Kostenvoranschlag des Körperbehinderten-Vereins Stuttgart e.V., auf dem der Antrag der Antragstellerin in seinem Umfang beruht, ging demgegenüber von einem Umfang von 3 Stunden wöchentlich aus. Zudem betrug der Einzelpreis nach den Rechnungen pro Stunde 8,00 EUR. Es ist daher nicht glaubhaft gemacht, weshalb nach dem Kostenvoranschlag auf einmal ein Betrag von 19,56 EUR pro Stunde erforderlich ist. Das Gericht setzt mithin lediglich den zeitlichen Umfang der Leistungen fest. Hinsichtlich der Dauer der vorläufigen Leistungspflicht des beigeladenen Jobcenters war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin dort zwar einen Antrag gestellt hat, dieser aber bis zum heutigen Zeitpunkt nicht beschieden wurde.

Die Verurteilung des beigeladenen Jobcenters ist hier nach § 75 Abs. 5 SGG in entsprechender Anwendung zulässig. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass § 75 Abs. 5 SGG eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass der Beigeladene nicht verurteilt werden kann.

Eine direkte Anwendung scheidet aus, da das Jobcenter kein Versicherungsträger im Sinne des § 75 Abs. 5 SGG ist. Unabhängig von der Frage, welche Rechtsform die Arbeitsgemeinschaft "Jobcenter Stuttgart" hat, ist ein Rückgriff auf die hinter dem Jobcenter als Arbeitsgemeinschaft nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II stehende Bundesagentur für Arbeit als Versicherungsträger schon deshalb nicht möglich, weil das Jobcenter die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger nach § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II wahrnimmt. Die Leistungen nach dem SGB II sind aber keine Versicherungsleistungen, sondern bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen.

Einer entsprechenden Anwendung von § 75 Abs. 5 SGG steht nicht entgegen, dass eine solche Analogie bislang nur in eng begrenzten Fällen angenommen wurde, so etwa bei der Beiladung eines Versicherungsträgers im Verfahren gegen einen Versorgungsträger (BSG, Urteil vom 24.11.1965, BSGE 24, 103, 104). Denn die entsprechende Anwendung ist hier geboten, weil infolge der Zuständigkeit der Sozialgerichte ab dem 1.1.2005 für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende und in Angelegenheiten der Sozialhilfe nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a und Nr. 6a SGG eine planwidrige Regelungslücke in § 75 Abs. 5 SGG entstanden ist. (so auch SG Aachen, Beschluss vom 31.5.2005 (nicht rechtskräftig), Az. S 9 AS 36/05 ER, offen gelassen von BSG, Urteil vom 26.10.2004, Az. B 7 AL 16/04 R (juris)). Eine Regelungslücke ist entstanden, weil auch im Verhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Leistungsträger nach dem SGB II die Situation auftreten kann, dass der Kläger nicht erkennen kann, wer nach dem geltenden Recht tatsächlich für die begehrte Leistung zuständig ist. Damit besteht die Gefahr zweier widersprechender Entscheidungen durch verschiedene Spruchkörper des Gerichts. Gerade dies soll durch § 75 Abs. 5 SGG vermieden werden (vgl. Ulmer, in: Hennig, SGG § 75 Rn. 44; Peters/Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff, SGG § 75 Anm. 7c; Schäfer, Die Beiladung im Sozialgerichtsverfahren, 1983, S. 152).

Diese Regelungslücke ist auch planwidrig. Denn § 75 Abs. 5 SGG wurde zuletzt mit Wirkung vom 2.1.2002 geändert. In § 51 Abs. 1 SGG wurden die Nr. 4a und Nr.6a dagegen erst durch Gesetz vom 9.12.2004 mit Wirkung vom 1.1.2005 eingefügt. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber bei dieser Änderung § 75 Abs. 5 SGG bewusst unverändert gelassen hat. Denn nach seinem Sinn und Zweck ist § 75 Abs. 5 SGG auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden. Der streitige Anspruch gegen die Antragsgegnerin und den Beigeladenen steht zudem - wie von § 75 Abs. 5 SGG vorausgesetzt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 75 Rn.18) - in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Denn in Abhängigkeit von der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin besteht der Anspruch entweder gegenüber der Antragsgegnerin oder gegenüber dem beigeladenen Jobcenter.

Die Verurteilung des beigeladenen Jobcenters ist hier möglich, da der Antrag gegen die Antragsgegnerin keinen Erfolg haben kann (vgl. zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 15.11.1979, Az 11 RA 9/79, SozR 5090 § 6 Nr.4). Zudem hat die Antragstellerin einen Antrag auch zur Verurteilung des Beigeladenen gestellt. Der von ihr bei dem beigeladenen Jobcenter gestellte Antrag auf Übernahme der Kosten für die Haushaltshilfe wurde bislang nicht verbeschieden, so dass keine bereits bestandskräftige Verwaltungsentscheidung des Beigeladenen entgegensteht (vgl. zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 13.8.1981 Az. 11 RA 56/80, SozR 1500 § 75 Nr. 38).

Auch ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit ist gegeben. Denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Kosten für die Haushaltshilfe nur bis September 2005 durch Spenden finanziert sind. Der Antragstellerin ist nicht zuzumuten, bis zur Entscheidung einer Hauptsacheklage abzuwarten, da sie auf die Haushaltshilfe angewiesen ist und eine anderweitige Finanzierungsmöglichkeit nicht mehr gegeben ist. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt hier nicht vor, da zwischen der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen unstreitig ist, dass die Antragstellerin Anspruch auf Leistungen entweder nach dem SGB II oder nach dem SGB XII hat. Damit können eventuelle Überzahlungen durch Erstattungsansprüche ausgeglichen werden.

Nach alledem war dem Antrag gegenüber dem Beigeladenen in dem genannten Umfang stattzugeben. Im Übrigen war der Antrag abzuweisen, da insoweit kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Rechtskraft
Aus
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