L 1 AL 31/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AL 518/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 AL 31/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) und hilfsweise Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) hat.

Zunächst bezog die Klägerin ab 01.10.1994 Alg und befand sich dann in der Zeit vom 01.11.1994 bis 31.10.1995 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis (Mitarbeiterin in einem Schnellimbiss). Sie bezog ab 01.11.1995 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 29.10.1996 wieder Alg. Am 15.10.1996 beantragte sie die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi), die ihr ab 30.10.1996 bis zum 30.11.1997 bewilligt wurde. In der Zeit vom 01.12.1997 bis 30.11.1998 befand sie sich in einem befristeten versicherungs-pflichtigen Beschäftigungsverhältnis als Landschaftsarbeiterin (Dienstleistungszentrum N .../O ... D ... GmbH). Tatsächlich arbeitete sie dort bis zum 20.06.1998. Vom 21.06. bis 28.09.1998 bezog die Klägerin wegen der Geburt ihres Sohnes Martin am 03.08.1998 Mutterschaftsgeld von der Barmer Ersatzkasse, vom 29.09.1998 bis 02.08.2000 Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) und vom 03.08.2000 bis zum 02.08.2001 Erziehungsgeld nach dem sächsischen Landeserziehungsgeldgesetz.

Die Klägerin meldete sich am 02.08.2001 arbeitslos und beantragte am 14.08.2001 Alg. Mit Bescheid vom 20.08.2001 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren nicht mindestens zwölf Monate in ei-nem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Ein Anspruch auf Alhi bestehe eben-falls nicht. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, die Mitarbei-ter des Arbeitsamtes hätten von ihrer Mutterschaft und dem Erziehungsurlaub gewusst. Sie hätte vom Arbeitsamt über die leistungsrechtlichen Folgen ihrer Entscheidung, Erzie-hungsurlaub zu nehmen, beraten werden müssen. Sie habe sich auf die Aussagen des Ar-beitsamtes "voll verlassen". Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2002 wurde der Wider-spruch unter Darlegung der einfachrechtlichen Rechtslage zurückgewiesen. Auch inner-halb der Rahmenfrist, die hier vom 03.08.1998 bis zum 02.08.2001 reiche, erfülle die Klä-gerin die Anwartschaftszeit nicht. Die Klägerin habe auch nicht innerhalb der für die Alhi maßgeblichen erweiterten Vorfrist (03.08.1998 bis 02.08.2001) mindestens an einem Tag Alg bezogen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2002 wies die Beklagte den Wider-spruch zurück. Einen Anspruch auf originäre Alhi sehe das Gesetz nicht mehr vor.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin gel-tend gemacht, die hier zum Ausschluss des Alg-Anspruchs führenden Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) seien in der Auslegung der Beklagten verfas-sungswidrig. Die sich aus den Vorschriften über das Erziehungsgeld ergebende Begünsti-gung werde durch die Rahmenfristregelung im SGB III in ihr Gegenteil verkehrt. Es sei eine verfassungskonforme Auslegung geboten, wonach sie nicht unter die Rahmenfristre-gelung falle.

Mit Urteil vom 11.01.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung der einfachrechtlichen Rechtslage den Darlegungen im Widerspruchsbescheid angeschlossen. Es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage der Bezug von Erziehungsgeld nicht anwartschaftsbegründend sei. Eventuelle Nachteile seien schon durch die Verlängerung der Rahmenfrist nach § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III kompensiert.

Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, der Gesetzgeber habe die Konsequenzen seiner Regelung mit der Folge nicht überblickt, dass eine verdeckte Re-gelungslücke entstanden sei. Sie werde in der Zeit sachwidrig ungleich behandelt, indem unter Geltung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) der Bezug von Erziehungsgeld an-wartschaftsbegründend gewesen sei und seit dem 01.01.2003 diese Rechtslage wieder gel-te. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 11. Januar 2005 sowie den Be-scheid der Beklagten vom 20. August 2001 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 20. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu ver-urteilen, der Klägerin ab 03. August 2001 Arbeitslosengeld, hilfsweise Ar-beitslosenhilfe zu bewilligen, hilfsweise das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 100 Abs. 1 Grundge-setz anzurufen, höchsthilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Nichtberücksichtigung der Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld als anwartschafts-begründende Zeiten verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Das Bundesso-zialgericht (BSG) habe im Zusammenhang mit der Nichtverlängerung der Ausschlussfrist nach § 147 Abs. 2 SGB III durch Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld keine verfas-sungsrechtlichen Bedenken gesehen (Urteil vom 19.01.2005 – B 11a/11 AL 11/04 R). Dies müsse hier entsprechend gelten. Im Übrigen schließe man sich dem ausführlich begründe-ten Urteil des 3. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11.03.2004 (L 3 AL 245/03) an. Die Voraussetzungen für das Eingreifen des sozialrechtlichen Herstellungsan-spruchs seien nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Alg.

Ein Anspruch auf Alg setzt insbesondere voraus, dass der Antragsteller die Anwartschafts-zeit erfüllt hat (§ 117 Abs 1 Nr. 3 SGB III). § 123 SGB III (in der hier maßgeblichen Fas-sung des Art. 1 des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl I S. 2970) sieht vor, dass innerhalb der Rahmenfrist der Antragsteller mindestens 12 Monate in einem Ver-sicherungspflichtverhältnis gestanden haben muss. § 124 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des § 124 SGB III durch Art. 3 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften – Lebenspartnerschaften vom 16.02.2001, BGBl I S. 266) bestimmt, dass Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen nicht in die dreijährige Rahmenfrist (§ 124 Abs. 1 SGB III) einge-rechnet werden. Allerdings wird die Erweiterung der Rahmenfrist auf insgesamt fünf Jahre begrenzt (§ 124 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Zugleich bestimmt § 124 Abs. 2 SGB III, dass die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Die Rahmenfrist reicht hier nicht über den 01.11.1995 (den ersten Tag des Bezugs von Alg aufgrund der in der Zeit davor liegenden Rahmenfrist erworbenen Alg-Anwartschaft) zu-rück. Die Rahmenfrist beginnt hier entweder am 02. oder am 03.08.2001, je nachdem ob sich die Klägerin schon am letzten Tag des Bezuges von Landeserziehungsgeld wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen wollte oder erst am Tag danach. Dies geht aus dem Antrag nicht klar hervor. Hierauf kommt es letztlich nicht an. Die nicht erweiterte Rahmenfrist reicht drei Jahre zurück, hier bis einschließlich 03. oder 04.08.1998. In die Rahmenfrist nicht eingerechnet wird für die Dauer von maximal drei Jahren die Zeit der Erziehung des am 03.08.1998 geborenen Kindes, soweit diese Zeit in die Rahmenfrist fällt. In die nicht erweiterte dreijährige Rahmenfrist fallen die gesamten (bzw. nahezu die ge-samten) ersten drei Jahre der Kindererziehung. Danach verlängert sich die Rahmenfrist um weitere zwei Jahre (bzw. zwei Jahre abzüglich eines Tages, wenn sich die Klägerin schon mit Wirkung zum 02.08.2001 arbeitslos gemeldet hat) und beginnt somit am 03. oder 04.08.1996. Die Klägerin war in diesem Zeitraum nach § 24 SGB III (in der hier maßgeb-lichen Fassung des Art. 3 des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16.12.1997, BGBl I S. 2998), nach § 25 Abs. 1 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 13 des Geset-zes zur Änderung des Soldatengesetzes und anderer Vorschriften vom 19.12.2000, BGBl I S. 1815) und nach § 26 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 3 des Sozial-gesetzbuches – Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men-schen vom 19.06.2001, BGBl I S. 1046) nur in der Zeit vom 01.12.1997 bis 20.06.1998 versicherungspflichtig beschäftigt.

Allein aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis 30.11.1998 während der Zeiten des Mutterschutzes und des Erziehungsurlaubs (jetzt Elternzeit) folgt nicht, dass die Kläge-rin versicherungspflichtig beschäftigt war. Während der sich hieraus ergebenden Suspen-dierung der synallagmatischen Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses entfällt das arbeits-losenversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis. § 25 Abs. 1 SGB III bestimmt, dass versicherungspflichtig nur Personen sind, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Be-rufsausbildung beschäftigt werden. Dies war ab dem 21.06.1998 bei der Klägerin nicht mehr der Fall. Nach § 7 Abs. 3 S 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gilt aber eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Diese vorübergehende Verlängerung der Dauer des Beschäftigungsver-hältnisses um einen Monat gilt aber nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV wiederum dann nicht, wenn – wie hier – Mutterschaftsgeld oder Erziehungsgeld bezogen wird.

§ 26 SGB III sieht in der hier maßgeblichen Fassung nicht vor, dass der Bezug von Mutter-schaftsgeld, Erziehungsgeld oder die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub (jetzt Eltern-zeit) einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichzustellen ist. Allerdings hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Beschluss vom 20.06.2001 (B 11 AL 20/01 RNZS 2002, 100) nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsge-richt (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Ungleichbehandlung von (anwartschaftsbe-gründendem) Krankengeld und (nicht anwartschaftsbegründendem) Mutterschaftsgeld ge-gen Art.3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 4 GG verstoße und dies mit überzeugenden Gründen bejaht.

Die Klägerin erreicht gleichwohl innerhalb der erweiterten Rahmenfrist die Alg-Anwartschaft nicht. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass der Ausschluss des Mutterschaftsgeldes als anwartschaftsbegründendem Tatbestand grundrechtswidrig sei und der Gesetzgeber nur die Möglichkeit habe, den Verstoß dadurch zu korrigieren, dass er das Mutterschaftsgelds rückwirkend als anspruchsbegründend bewerte, ergeben sich keine zwölf Monate versicherungspflichtiger Tätigkeit oder gleichgestellter Tatbestände. Die Klägerin bezog nur bis 28.09.1998 Mutterschaftsgeld. Der Klägerin fehlen damit weiterhin mehr als zwei Monate zur Erfüllung einer zwölfmonatigen Anwartschaftszeit.

Die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten oder Zeiten des Bezugs von Erziehungs-geld als anwartschaftsbegründende Zeiten im SGB III nach der hier maßgeblichen Rechts-lage ist nicht grundrechtswidrig.

Aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG allein ergeben sich keine grundrechtlichen Ansprüche gegen den Gesetzgeber, in der Arbeitslosenversicherung Zeiten des Bezugs von Mutter-schaftsgeld und von Erziehungsgeld als Versicherungspflichtverhältnis zu bewerten. Ange-sichts des vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) immer wieder betonten erheblichen sozialpolitischen Gestaltungsraums sind aus den genannten Grundrechtsvorschriften jeden-falls für den Sozialleistungsbereich keine konkreten Normsetzungsansprüche der Grund-rechtsträger gegen den Gesetzgeber herzuleiten.

Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG gebietet in der Arbeitslosenversiche-rung ebenfalls keine Bewertung der Zeiten der Kindererziehung bzw. des Bezugs von Er-ziehungsgeld als Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses. Soweit nach § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchstabe c AFG der Anspruch auf Erziehungsgeld anwartschaftsbegründend war und nunmehr ab dem 01.01.2003 aufgrund der Einfügung eines Absatzes 2a in § 26 SGB III durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl I S. 3443) Kindererziehung in den ersten drei Lebensjahren mit Anspruch auf Kindergeld anwartschaftsbegründend ist, handelt es sich dabei um eine sozialpolitische Maßnahme des Familienlastenausgleichs, die allenfalls in-soweit legitimierungsbedürftig ist, als die Beitragszahler für die Kosten aufzukommen ha-ben. Insbesondere kann aus der Kindererziehung keine Leistung für das System der Ar-beitslosenversicherung abgeleitet werden, die ihrerseits leistungsrechtlich in besonderer Weise zu berücksichtigen wäre (vgl. dazu Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Hand-buch des Arbeitsförderungsrechts, § 39 Rn. 191; Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Auch wenn nunmehr durch Art. 1 Nr. 10 des Job-AQTIV-Gesetzes § 26 Abs. 2a SGB III einge-fügt worden ist und durch dasselbe Gesetz in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ebenfalls mit Wir-kung ab dem 01.01.2003 auch dem Mutterschaftsgeld wieder anwartschaftsbegründende Wirkung beigemessen wird, folgt daraus am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG nichts für die Vergangenheit. § 26 Abs. 2a SGB III gilt auch ein-fachrechtlich nicht rückwirkend (§ 434d Abs. 2 SGB III).

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, sozialversicherungs-pflichtig beschäftige Mütter hinsichtlich der Zeiten des Mutterschutzes so zu behandeln, als ob sie weiterhin sozialversicherungspflichtig beschäftigt wären. Hierfür spricht bereits, dass der Gesetzgeber den (werdenden) Müttern nicht aus gesundheitlichen Gründen ein Beschäftigungsverbot auferlegen und zugleich daraus nachteilige Folgen für Sozialleis-tungsansprüche ableiten darf. Daher neigt der Senat der Auffassung zu, dass Mütter die unmittelbar vor der Zeit des Mutterschutzes arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren und deren Beschäftigungsverhältnis nicht schon aus anderen Gründen während der Zeit des Mutterschutzes geendet hat, so zu stellen sind, als ob sie noch tatsächlich beschäf-tigt wären. Aber wie bereits oben ausgeführt, würde die Klägerin im vorliegenden Fall auch dann keine Anwartschaft von 12 Monaten erreichen. Der Senat sieht daher von weite-ren Ausführungen ab.

Soweit es um Zeiten des Erziehungsurlaubs (jetzt: Elternzeit) bzw. um Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld geht, vertritt der Senat hingegen die Auffassung, dass der Gesetzgeber weder aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG noch aus Art. 3 Abs. 2 GG (im Hinblick darauf, dass fast ausschließlich Frauen die Geld- und Freistellungsansprüche nach dem Bundes- und den Landeserziehungsgeldgesetzen wahrnehmen) im Vergleich zu nicht Kinder erziehenden arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmern verpflichtet ist, gerade durch die Einräumung von Anwart-schaftszeiten Benachteiligungen auszuschließen. Denn nach Ablauf der Zeit des Mutter-schutzes können die Eltern uneingeschränkt eine berufliche Tätigkeit fortsetzen bzw. auf-nehmen. Wenn sich ein Elternteil nach der Geburt des Kindes aus persönlichen Gründen dafür entscheidet, auf eine Beschäftigung von mindestens 15 Stunden in der Woche zu verzichten – obwohl § 2 BErzGG dies bis zu 30 Stunden/Woche ohne Schaden für den Erziehungsgeldanspruch zulässt –, und damit keine Anwartschaft in der Arbeitslosenversi-cherung durch eine abhängige Beschäftigung begründet, dürfte der Gesetzgeber zwar gehalten sein dafür zu sorgen, dass zumindest während einer ersten Zeit nach der Geburt bisher erreichte Anwartschaften nicht schon während der Zeit der Erziehung allein durch Zeitablauf untergehen. Der Gesetzgeber ist aber anders als bei der Zeit des Mutterschutzes darin frei, wie er Benachteiligungen vermeidet. Er kann dies – wie er dies nach der hier maßgeblichen Rechtslage mit Inkrafttreten des SGB III getan hat – dadurch erreichen, dass er Zeiten der Erziehung als Aufschubzeiten definiert und damit gesetzliche Fristen erwei-tert. Der Senat hält die in § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III getroffene und bis 31.12.2002 gel-tende Regelung, Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht in die Rahmenfrist einzurechnen, für besonders sachgerecht. Sie steht einerseits im Einklang mit § 15 Abs. 2 BErzGG und trägt dem beitragsbezogenen Versicherungsgedanken in besonderer Weise Rechnung, indem sie dem Elternteil die erworbene Anwartschaft vorübergehend erhält, ohne die Anwartschaft jedoch systemwidrig sogar auszubauen, andererseits berücksichtigt die Regelung objektiv zu Recht, dass die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Kinderbetreuung wegen der in Deutschland nach wie vor völlig unzulänglichen Kinderbetreuungsangebote in den ersten Lebensjahren eines Kindes nur sehr schwer zu bewerkstelligen ist. Ein Elternteil, regelmä-ßig die Mutter, ist trotz des Wunsches, einer abhängigen Beschäftigung nachgehen zu kön-nen, nicht selten gezwungen, vorläufig auf eine mehr als geringfügige berufliche Tätigkeit zu verzichten, bis das Kind in einem Kindergarten einen Platz gefunden hat. Typischerwei-se sind dies die ersten drei Lebensjahre des Kindes. Schließlich gebietet unabhängig von Kinderbetreuungsangeboten und Arbeitsmarktlage der Wunsch eines Elternteils, dem Kind in seinen ersten Lebensjahren die gesamte Aufmerksamkeit zu schenken auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich besondere Beachtung. Der Gesetzgeber ist aber jedenfalls nicht wegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG oder aus Art. 3 Abs. 2 GG verpflichtet gewesen, die Rahmenfrist wegen Kindererziehung um mehr als drei Jahre zu verlängern.

Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne einer sachwidrigen Ungleichbehandlung in der Zeit geltend macht, führt dies hier nicht zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung von Erziehenden, die von den ab 01.01.1998 bis zum 31.12.2002 geltenden Vorschriften des SGB III erfasst werden, im Vergleich mit jenen Erziehenden, die noch unter die Vorschriften des AFG oder nunmehr unter die erst nach dem 31.12.2002 geltenden Vorschriften des SGB III fallen. Selbst wenn eine Ungleichbe-handlung in der Zeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen sein sollte, hat jedenfalls der Gesetzgeber das Recht, ein als sozialpolitisch richtig angesehenes Regelungskonzept durch ein anderes für besser erachtetes zu ersetzen und nach einer gewissen Zeit der Er-probung und Prüfung auch wieder zu den früheren Grundsätzen zurückzukehren. Ob etwas anderes dann gilt, wenn die Erprobungsphase des neuen Regelungskonzeptes vom Gesetz-geber sehr frühzeitig abgebrochen wird, bedarf hier keiner weiteren Erörterung, weil hier der Wechsel vom Anwartschaftsbegründungs- zum Rahmenfristerweiterungskonzept im-merhin fünf Jahre Bestand hatte, bevor wieder dem Anwartschaftsbegründungskonzept der Vorzug eingeräumt wurde.

Die Klägerin kann auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als ob sie die Anwartschaftszeit erfüllt hätte. Selbst wenn sie beraten wor-den wäre, früher als geschehen Leistungen zu beantragen, hätte sich dadurch keine an-spruchsbegründende Alg-Anwartschaft ergeben können.

Ein Anspruch auf Alhi scheidet ebenfalls aus. Ein neues Stammrecht ist nach § 190 SGB III (in der Fassung des Art. 1 des 3. SGB III-Änderungsgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I S. 2624) innerhalb der Vorfrist des § 192 SGB III (in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften – Lebens-partnerschaften vom 16.02.2001, BGBl I S. 266) ab Antragstellung nicht begründet wor-den. Das alte, auf der Leistungsgewährung bis zum 30.11.1997 beruhende Stammrecht ist nach § 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III (in der Fassung des vorgenannten Gesetzes) erlo-schen.

Der ab Inkrafttreten des SGB III bis zum 31.12.2002 unverändert gebliebene § 192 Satz 2 Nr. 3 SGB III sah vor, dass sich die Vorfrist im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift um längstens zwei Jahre verlängert, wenn ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht voll-endet hat, betreut oder erzogen wird. Die Vorfrist beträgt danach maximal drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi. Ausgehend vom 02. oder 03.08.2001 hat die Klägerin nicht in der davor liegen-den Zeit bis zum 03. oder 04.08.1998 Alg bezogen.

Der ab Inkrafttreten des SGB III bis zum 31.12.2002 unverändert gebliebene § 196 Satz 2 Nr. 3 SGB III sah vor, dass sich die für das Erlöschen des Alhi-Anspruchs maßgebliche Vorfrist im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 der Vorschrift um längstens zwei Jahre verlängert, wenn ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat betreut oder erzogen wird. Auch der frühere Alhi-Anspruch ist danach untergegangen, weil die Klägerin in die-sem vorgenannten Zeitraum keine Alhi bezogen hat (§ 196 Satz 2 Nr. 3 SGB III), der bei ihr konkret vom 02. oder 03.08.2001 zurück bis zum 03. oder 04.08.1998 reichte. Letztma-lig bezog die Klägerin am 30.11.1997 Alhi.

Bei § 196 SGB III handelt es sich, ebenso wie bei § 147 Abs. 2 SGB III, um eine Aus-schlussfrist, die ohne Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig ab-läuft. Mit Aufnahme der abhängigen Beschäftigung ab 01.12.1997 endete der Alhi-Einzelanspruch infolge eines deswegen rechtmäßig ergangenen Aufhebungsbescheides. In der Zeit danach hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt nochmals Alhi bezogen.

Die Einfügung der nunmehrigen Nr. 3 in § 196 Abs. 1 Satz 2 SGB III durch das 1. SGB III-ÄndG vom 16.12.1997 (BGBl. I Seite 2970) erfolgte nach der Begründung hierzu (BT-Drucks. 13/8012 S. 20 zu Nr. 20) als "Folgeänderung zur Änderung des § 192". Dort war als Nr. 3 durch das 1. SGB III- ÄndG vom 16.12.1997 erstmals der Tatbestand der Kinder-erziehung bzw. -betreuung als Verlängerungstatbestand für die Vorfrist aufgenommen worden. Dieser Tatbestand verlängerte die Vorfrist um längstens zwei Jahre. In der Be-gründung hierzu (BT-Drucks. 13/8012 S. 20 zu Nr. 18 zu Buchstabe a) hieß es, dass eine Anpassung an die beim Alg geltenden Regelungen (§ 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB III) vorgenommen werden sollte. Doch sollten – wie sich aus der eindeutigen Formu-lierung in § 192 und 196 SGB III jeweils ergibt – diese Tatbestände längstens zwei Ver-längerungsjahre ergeben. Eine vollständige Anpassung an die Regelungen über die Ver-längerung der Rahmenfrist durch Kindererziehungszeiten ist weder den Gesetzesmateria-lien noch dem Gesetzestext an irgendeiner Stelle zu entnehmen. Beabsichtigt war nach der Gesetzesentwicklung demnach lediglich, die Vorschriften über die Alhi und die Regelun-gen über das Alg zu harmonisieren, allerdings vor dem Hintergrund, dass die Möglichkeit des Bezuges von Alhi insgesamt eingeschränkt werden sollte.

Mit der Begrenzung der verlängerten Erlöschungsfrist auf höchstens drei Jahre kann ein Bezieher von Alhi selbst bei nahtlosem Übergang aus dem Leistungsbezug in den Erzie-hungsurlaub (jetzt: Elternzeit) das Erlöschen des Anspruchs auf Alhi mit Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nicht verhindern. Durch die Verlängerung der Rahmenfrist für das Alg auf bis zu fünf Jahre kann hingegen auch bei voller Ausschöpfung der Erzie-hungszeiten bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld selbst dann noch erfüllt sein, wenn der Arbeitslose innerhalb der verlängerten Rahmenfrist neben den Erziehungszeiten ein weiteres volles Jahr ohne anwartschaftsbegründende Zeit zurückgelegt hat. Eine Harmonisierung von §§ 192 und 196 SGB III mit § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III sollte nicht hergestellt werden, sondern allein im Hinblick auf die dort aufgeführten Verlängerungstatbestände erfolgen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Alhi und das Alg zwei eigenständige Leistungen bil-den, da die eine – das Alg – eine beitragsfinanzierte und die andere – die Alhi – eine aus Steuermitteln finanzierte Leistung darstellt und damit auch andere Anspruchsvorausset-zungen gestellt werden können.

Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG ist durch die Einbeziehung der nach-geburtlichen Erziehungszeiten bis zum Tag der Vollendung des dritten Lebensjahres in den Verlängerungstatbestand des § 196 SGB III hinreichend Genüge getan. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass § 119 Abs. 4 SGB III neben dem Bezug von Erziehungsgeld einen Alhi-Bezug ohne Anrechnung von Erziehungsgeld ermöglicht (§ 194 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Somit haben die in § 196 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III angesprochenen Erzieher bzw. Betreuer die Möglichkeit, ihren Leistungsanspruch bereits vor Erreichen des dritten Le-bensjahres des Kindes geltend zu machen und zugleich den Erziehungsurlaub vollumfäng-lich auszuschöpfen. Den erziehenden Elternteilen ist es zuzumuten, sich für eine entspre-chende Teilzeitarbeit zur Verfügung zu stellen, kurz bevor der Erziehungsurlaub (jetzt El-ternzeit) endet, und dadurch innerhalb der Erlöschensfrist wieder einen Anspruch auf Alhi zu bewirken, soweit die Verfügbarkeit und die sonstigen Voraussetzungen zu bejahen sind. Im Übrigen ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die Vorfrist des § 196 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht eine vollständige Ausschöpfung des Erziehungsurlaubs ermög-licht. Immerhin handelt es sich auch dann, wenn der Elternteil, der wegen der Kindererzie-hung von einer Beschäftigung absieht, um nahezu drei Jahre, in denen unter Aufrechterhal-tung seines Alhi-Stammrechts dem Arbeitsmarkt fernbleiben kann. Im Übrigen wird auf die bei der Prüfung des Alg-Anspruchs angestellten verfassungsrechtlichen Erwägungen verwiesen.

Die Klägerin hat auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen Alhi-Anspruch.

Hätte die Klägerin vor dem 01.12.2000 ein Arbeitsamt aufgesucht und dort auf ihre Situa-tion hingewiesen, wäre eine fachkundige Beratung in Betracht gekommen, alsbald wieder Alhi zu beantragen. Die Klägerin hat aber bis zum 01.12.2000 keinen Kontakt mit einem Arbeitsamt aufgenommen. Es ist bereits mangels einer Spontanberatungssituation keine Verletzung der Beratungspflicht ersichtlich. Die Klägerin hat nach Beginn des Bezugs von Mutterschaftsgeld bis zum Jahr 2001 keinen Kontakt zur Beklagten aufgenommen. Soweit die Klägerin in ihrem Widerspruch pauschal behauptet hat, sie habe sich auf die Aussagen des Arbeitsamtes verlassen, ist dieser Vortrag im gesamten Klage- und Berufungsverfahren von der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht mehr aufgenommen und erst recht nicht sub-stantiiert worden. Der Senat hat, da auch die Aktenlage überhaupt keinen Anhaltspunkt für ein Beratungsverschulden ergibt, daher auch von Amts wegen keinen Anlass für weitere Ermittlungen gesehen. Die möglicherweise existierende irrige Vorstellung der Klägerin, sie könne nach dem Bezug von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld wieder einen An-spruch auf Alg erworben haben oder zumindest noch einen Anspruch auf Alhi haben, hat weder die Beklagte noch eine ihr zurechenbare dritte Stelle verursacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Die Zulas-sung der Revision kommt auch im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BSG vom 20.06.2001 nicht in Betracht, weil die dortige Vorlagefrage hier nicht entscheidungserheb-lich ist. Daher ist der Rechtsstreit auch weder ohne Anrufung des BVerfG nur auszusetzen noch das BVerfG durch den Senat nach Art. 100 Abs. 1 GG anzurufen und zu diesem Zweck der Rechtsstreit auszusetzen. Im Übrigen ist die einfachrechtliche Lage und ihre verfassungsrechtliche Beurteilung eindeutig.
Rechtskraft
Aus
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