Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 95/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01.08.2005 bis zum 04.09.2005 mangels Erreichbarkeit.
Die am 00.00.1959 geborene Kläger bezog seit dem 01.06.2005 Alg. Als Anschrift hatte sie in ihrer Arbeitlosmeldung "Tstraße 0, 00000 B" angegeben. Nach mehreren Postrückläufen mit dem Vermerk, die Klägerin sei unter der Anschrift nicht zu ermitteln, sowie einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt (wo die Klägerin weiterhin unter "Tstraße 0" gemeldet war), stellte die Beklagte die Leistung zunächst ohne Bescheid ein. Nachdem sich die Klägerin am 05.09.2005 unter Angabe einer neuen Adresse erneut arbeitslos gemeldet hatte, zahlte die Beklagte weiter Alg ab dem 05.09.2005 und hob die vorherige Bewilligung mit Bescheid vom 06.09.2005 wegen fehlender Erreichbarkeit ab dem 01.08.2005 auf. Den am 13.09.2005 erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom selben Tag zurück.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, sie habe in der Tstraße 0 zunächst bei einer Freundin gewohnt, wobei ihr Name auch auf dem Briefkasten gestanden habe. Später habe die Freundin jedoch den Briefkasten entfernen und einen Briefschlitz mit einem Metallschild in die Haustür einbauen lassen; auf dem Metallschild habe nunmehr nur noch der Name der Freundin gestanden. Die Klägerin habe nicht darauf gedrungen, dass auch ihr Name auf dem Schild angebracht wird, da sie ohnehin zum 15.08.2005 habe umziehen wollen. Zu dem Umzug sei es auch gekommen, allerdings habe sich die Ummeldung wegen eines längeren Auslandsaufenthaltes der neuen Vermieterin verzögert. Im Übrigen habe sie keinen Anlass gesehen, Post von der Beklagten zu erwarten, und sei auch in dringenden Fällen jederzeit per Mobilfunk oder per elektronischer Post erreichbar gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2005 auzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung und sieht sich im Klagevortrag bestätigt.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat die Alg-Bewilligung zu Recht aufgehoben, da die Klägerin in der Zeit vom 01.08.2005 bis zum 04.09.2005 nicht arbeitlos im Sinne der gesetzlichen Vorschriften war.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.2001, B 11 AL 17/01 R). Eine solche Änderung ist dadurch eingetreten, dass die Klägerin ab dem 01.08.2005 nicht mehr erreichbar war. Arbeitslosigkeit setzt nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) voraus, dass der Arbeitlose den Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Nähere Bestimmungen hierzu enthält die Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vom 27.10.1997. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EAO muss der Arbeitslose unter anderem in der Lage sein, Mitteilungen der Agentur für Arbeit unverzüglich persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb hat er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass die Agentur für Arbeit ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.
Dass die Klägerin nicht in diesem Sinne erreichbar und somit verfügbar war, ergibt sich bereits aus ihrem eigenen Vortrag. In der Zeit vom 15.08.2005 bis zum 05.09.2005 war der Beklagten der Wohnsitz der Klägerin überhaupt nicht bekannt. Dass die Klägerin während dieser Zeit wegen Abwesenheit der Vermieterin möglicherweise nicht in der Lage war, sich bei der Meldebehörde umzumelden, ist unbeachtlich, denn die Erreichbarkeit iSd § 1 EAO ist vom melderechtlichen Status unabhängig. In der Zeit vor dem 15.08.2005 war die Klägerin - wie auch zumindest der erste Postrücklauf zeigt - deswegen nicht erreichbar, weil der Briefschlitz nicht entsprechend beschriftet war.
Unbeachtlich ist weiterhin auch, ob die Klägerin durchgängig per Mobilfunk oder elektronischer Post (E-Mail) erreichbar gewesen ist. Der Begriff "Briefpost" in § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO ist gerade angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten nicht auch auf elektronische Post auszudehnen, denn der Zweck von § 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III und § 1 EAO besteht gerade darin, dass sich der Arbeitslose im Nahbereich der Agentur für Arbeit aufhalten soll, damit er Eingliederungsvorschlägen orts- und zeitnah Folge leisten kann. Eine erweiternde Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO würde diesem Gesetzeszweck zuwiderlaufen, denn elektronische Post kann üblicherweise von jedem beliebigen Ort aus abgerufen werden, solange sich dort die technischen Vorrichtungen (Computer, Modem und Telefonanschluss) befinden.
Es sind auch die besonderen Voraussetzungen einer rückwirkenden Aufhebung erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X darf eine rückwirkende Aufhebung dann erfolgen, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Arbeitslose sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgestzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zur Mitteilung ihrer neuen Anschrift verpflichtet (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.11.2004, L 12 AL 4/04). Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt hat oder erhält, Veränderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Nichtanzeige eines Umzugs erfüllt den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X (Brand, in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 119, Rn 80). Dasselbe muss gelten, wenn sich die postalische Erreichbarkeit dergestalt ändert, dass - wie hier - nur ein mit Vermerk "bei X" versehener Brief den Arbeitslosen auch erreichen kann. Das Gericht sieht die Nichtmitteilung der veränderten postalischen Erreichbarkeit angesichts der entsprechenden Hinweise im Merkblatt für Arbeitlose auch als wenigstens grob fahrlässig an.
Ermessen hatte die Beklagte nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht auszuüben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01.08.2005 bis zum 04.09.2005 mangels Erreichbarkeit.
Die am 00.00.1959 geborene Kläger bezog seit dem 01.06.2005 Alg. Als Anschrift hatte sie in ihrer Arbeitlosmeldung "Tstraße 0, 00000 B" angegeben. Nach mehreren Postrückläufen mit dem Vermerk, die Klägerin sei unter der Anschrift nicht zu ermitteln, sowie einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt (wo die Klägerin weiterhin unter "Tstraße 0" gemeldet war), stellte die Beklagte die Leistung zunächst ohne Bescheid ein. Nachdem sich die Klägerin am 05.09.2005 unter Angabe einer neuen Adresse erneut arbeitslos gemeldet hatte, zahlte die Beklagte weiter Alg ab dem 05.09.2005 und hob die vorherige Bewilligung mit Bescheid vom 06.09.2005 wegen fehlender Erreichbarkeit ab dem 01.08.2005 auf. Den am 13.09.2005 erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom selben Tag zurück.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, sie habe in der Tstraße 0 zunächst bei einer Freundin gewohnt, wobei ihr Name auch auf dem Briefkasten gestanden habe. Später habe die Freundin jedoch den Briefkasten entfernen und einen Briefschlitz mit einem Metallschild in die Haustür einbauen lassen; auf dem Metallschild habe nunmehr nur noch der Name der Freundin gestanden. Die Klägerin habe nicht darauf gedrungen, dass auch ihr Name auf dem Schild angebracht wird, da sie ohnehin zum 15.08.2005 habe umziehen wollen. Zu dem Umzug sei es auch gekommen, allerdings habe sich die Ummeldung wegen eines längeren Auslandsaufenthaltes der neuen Vermieterin verzögert. Im Übrigen habe sie keinen Anlass gesehen, Post von der Beklagten zu erwarten, und sei auch in dringenden Fällen jederzeit per Mobilfunk oder per elektronischer Post erreichbar gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2005 auzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung und sieht sich im Klagevortrag bestätigt.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat die Alg-Bewilligung zu Recht aufgehoben, da die Klägerin in der Zeit vom 01.08.2005 bis zum 04.09.2005 nicht arbeitlos im Sinne der gesetzlichen Vorschriften war.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.2001, B 11 AL 17/01 R). Eine solche Änderung ist dadurch eingetreten, dass die Klägerin ab dem 01.08.2005 nicht mehr erreichbar war. Arbeitslosigkeit setzt nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) voraus, dass der Arbeitlose den Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Nähere Bestimmungen hierzu enthält die Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vom 27.10.1997. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EAO muss der Arbeitslose unter anderem in der Lage sein, Mitteilungen der Agentur für Arbeit unverzüglich persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb hat er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass die Agentur für Arbeit ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.
Dass die Klägerin nicht in diesem Sinne erreichbar und somit verfügbar war, ergibt sich bereits aus ihrem eigenen Vortrag. In der Zeit vom 15.08.2005 bis zum 05.09.2005 war der Beklagten der Wohnsitz der Klägerin überhaupt nicht bekannt. Dass die Klägerin während dieser Zeit wegen Abwesenheit der Vermieterin möglicherweise nicht in der Lage war, sich bei der Meldebehörde umzumelden, ist unbeachtlich, denn die Erreichbarkeit iSd § 1 EAO ist vom melderechtlichen Status unabhängig. In der Zeit vor dem 15.08.2005 war die Klägerin - wie auch zumindest der erste Postrücklauf zeigt - deswegen nicht erreichbar, weil der Briefschlitz nicht entsprechend beschriftet war.
Unbeachtlich ist weiterhin auch, ob die Klägerin durchgängig per Mobilfunk oder elektronischer Post (E-Mail) erreichbar gewesen ist. Der Begriff "Briefpost" in § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO ist gerade angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten nicht auch auf elektronische Post auszudehnen, denn der Zweck von § 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III und § 1 EAO besteht gerade darin, dass sich der Arbeitslose im Nahbereich der Agentur für Arbeit aufhalten soll, damit er Eingliederungsvorschlägen orts- und zeitnah Folge leisten kann. Eine erweiternde Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO würde diesem Gesetzeszweck zuwiderlaufen, denn elektronische Post kann üblicherweise von jedem beliebigen Ort aus abgerufen werden, solange sich dort die technischen Vorrichtungen (Computer, Modem und Telefonanschluss) befinden.
Es sind auch die besonderen Voraussetzungen einer rückwirkenden Aufhebung erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X darf eine rückwirkende Aufhebung dann erfolgen, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Arbeitslose sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgestzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zur Mitteilung ihrer neuen Anschrift verpflichtet (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.11.2004, L 12 AL 4/04). Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt hat oder erhält, Veränderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Nichtanzeige eines Umzugs erfüllt den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X (Brand, in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 119, Rn 80). Dasselbe muss gelten, wenn sich die postalische Erreichbarkeit dergestalt ändert, dass - wie hier - nur ein mit Vermerk "bei X" versehener Brief den Arbeitslosen auch erreichen kann. Das Gericht sieht die Nichtmitteilung der veränderten postalischen Erreichbarkeit angesichts der entsprechenden Hinweise im Merkblatt für Arbeitlose auch als wenigstens grob fahrlässig an.
Ermessen hatte die Beklagte nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht auszuüben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
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