S 17 SO 192/05

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Schleswig (SHS)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 17 SO 192/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.Gehört einer der Hilfebedürftigen dem Regelungsbereich des SGB 2 und der andere dem des SGB 12, so ist eine Regelsatzanpassung bei dem Haushaltsangehörigen nach §§ 42 SGB 12 i.V.m. 28 Abs. 1 S. 2 2. Alt. SGB 12 vorzunehmen.

2. Der Regelsatz reduziert sich nach § 28 Abs. 1 S. 2 1. Alt. SGB 12, soweit der Haushaltsvorstand dem Regelungsbereich des SGB 12 und der Haushaltsangehörige dem SGB 2 unterfällt.

3. Sowohl das SGB 2 wie auch das SGB 12 gehen von einem nahezu identischen Bedarf aus. § 42 i.V.m. § 28 Abs 1 S 2 Alt 2 SGB 12 bietet den gesetzlichen Rahmen für eine Anpassung des Regelbedarfes, soweit eine Bedarfsunterdeckung beim Anspruchsberechtigten nach dem SGB 12 besteht. Diese Regelungsmöglichkeiten ergeben sich nicht im SGB 2. Da das SGB 2 keine Anpassungsmöglichkeiten vorsieht, ist eine entsprechende Anpassung nach § 28 SGB vorzunehmen.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige unter Zugrundelegung eines Mischregelsatzes in Höhe von 311,- Euro zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Rechtsmittelbelehrung: Dieses Urteil kann nur dann mit der Berufung angefochten werden, wenn sie nachträglich zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Berufung mit der Beschwerde angefochten werden. Die Berufung ist zuzulassen, wenn • die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, • das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder • ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Gottorfstr. 2 24837 Schleswig, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen. Die Beschwerdeschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige.

Der am 12. Februar 1940 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner Ehefrau, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhält. Der Kläger bezog seit Anfang 2003 ergänzende Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Zudem bezog er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die Ehefrau des Klägers erhielt seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 503,03 Euro. Hierin war eine Regelleistung in Höhe von 311,- Euro enthalten.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 80,03 Euro ab Januar 2005 nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Hierbei legte die Beklagte einen Regelbedarf in Höhe von 276,- Euro zugrunde.

Am 7. Januar 2005 erhob der Kläger Widerspruch. Diesen begründete er damit, dass er nicht mehr als Haushaltsvorstand geführt werde. Hiergegen hätte er nichts einzuwenden, wenn seine Frau, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalte, als Haushaltsvorstand geführt werde. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Mit Bescheid vom 20. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete den Widerspruch im Wesentlichen mit der Eigenschaft des Klägers als Haushaltsangehöriger, da die Ehefrau durch ihr höheres Einkommen über das Haupteinkommen verfüge. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Regelsatzverordnung ergebe sich ein Regelbedarf nach § 42 SGB XII i.V.m. § 28 SGB XII in Höhe von 276,- Euro.

Der Kläger hat am 29. April 2005 die Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Er trägt vor, es sei ihm egal, wer als Haushaltsvorstand geführt werde, gegenwärtig fehlten ihm und seiner Ehefrau monatlich 34,- Euro.

Mit Beschluss vom 29. April 2004 wurde die Arbeitsgemeinschaft Lübeck zu Verfahren beigeladen.

Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2004 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige unter Zugrundelegung eines Mischregelsatzbedarfes in Höhe von 311,- Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt in Ergänzung ihres Vorbringens im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes vor, dass die Regelungsdivergenzen im SGB II und SGB XII nicht zu ihren Lasten gelöst werden dürfte. Würde mit dem Landessozialgericht davon ausgegangen, dass der Kläger Haushaltsvorstand sei, stünden der Bedarfsgemeinschaft 190 v.H. des Eckregelsatzes zu. Hierdurch erhielten sie 10 v.H. zu viel. Der Kläger habe einen ergänzenden Anspruch gegen die Beigeladene aus § 28 Abs. 1 SGB II. Der Ausschluss des § 28 Abs. 1 SGB II greife nur soweit Leistungen nach dem SGB XII gewährt würden. Zwar solle nach der ursprünglichen gesetzlichen Intention der § 28 Abs. 1 SGB II nicht der Regelsatzergänzung im Bereich des SGB XII dienen, jedoch bestehe keine andere gesetzliche Möglichkeit.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie hat sich im Verfahren nicht geäußert.

Das Sozialgericht hat am 4. Mai 2005 die Beklagte im einstweiligen Anordnungsverfahren (Az. 17 SO 82/05 ER) verpflichtet, dem Kläger ab Eingang der einstweiligen Anordnung bis zum 31. Juli 2005 weitere 34,- Euro zu gewähren. Das Sozialgericht hat in seiner Begründung im Wesentlichen auf die vom Gesetzgeber gewollten identischen Leistungsniveaus im SGB II und SGB XII abgestellt und den Leistungsanspruch des Klägers aus § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII hergeleitet.

Die Beschwerde (Az. L 9 B 108/05 SO ER) der Beklagten wurde durch Beschluss des Landessozialgerichtes vom 23. Juni 2005 zurückgewiesen. Das Landessozialgericht begründete seinen Beschluss damit, dass der Antragsteller Haushaltsvorstand sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogene Verfahrensakte zum Az. S 17 SO 82/05 ER verwiesen, die - soweit erforderlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der tenorierte Anspruch ergibt sich aus § 42 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Der Bedarf des Klägers beträgt 311,- Euro. Der Gesetzgeber geht von einem einheitlichen Regelbedarf bei einer Bedarfsgemeinschaft, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum SGB II oder SGB XII, aus. Eine Unterschreitung oder Überschreitung dieser Bedarfssumme durch die Zugehörigkeit des einen Haushaltsmitgliedes zum Regelungsbereiches des SGB II und des anderen zum SGB XII ist durch eine Regelsatzanpassung auszugleichen. Da das SGB II entgegen dem SGB XII nicht zwischen Haushaltsvorständen und Haushaltsangehörigen unterscheidet, ist eine Anpassung beim kommunalen Leistungsträger vorzunehmen.

Hierbei kann offen bleiben, ob, wie die erkennende Kammer im Eilverfahren meinte, eine Regelsatzanpassung bei dem Kläger nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII zu erfolgen hat, oder wie das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in einem Beschluss vom 8. August 2005 (Az. L 9 B 158/05 SO ER) meinte, der Mischregelsatz aus § 28 Abs. 1 S. 1 SGB XII zugrunde zu legen ist.

Das Sozialgericht führte in seinem Beschluss vom 4. Mai 2005 aus: "Nach § 28 Abs. 2 SGB XII setzen die Landesregierungen durch Rechtsvorordnungen zum 01. Juli eines jeden Jahres die Höhe der monatlichen Regelsätze im Rahmen der Rechtsverordnung nach § 40 SGB XII fest. Der Regelsatz für den Antragsteller zu 2) ergibt sich der Höhe nach aus § 2 der Regelsatzverordnung nach § 28 Abs. 2 SGB XII vom 15. Dezember 2004 (Regelsatz VO SH, GVOBl. Schleswig-Holstein, 2004, S. 505). Dieser beträgt dem Grunde nach für den Antragsteller, da er das 14. Lebensjahr vollendet hat, 276,00 Euro und nicht vorgetragen wurde, dass er die Generalkosten des Haushaltes trägt. Sollte der Antragsteller zu 2) nachweisen, dass er die Generalkosten des Haushaltes trägt, betrüge er 345,- Euro. Dies führt aus Sicht der Kammer jedoch zu keinem anderen Ergebnis, da insoweit eine Bedarfsanpassung nach unten vorzunehmen wäre.

Der Regelbedarf nach § 2 RegelsatzVO SH in Höhe von 276,- Euro deckt jedoch nicht den Bedarf des Antragstellers zu 2) in Höhe von 310,00 Euro, welcher nach dem gesetzgeberischen Willen zugrunde zu legen ist. Dieser gesetzgeberische Wille ergibt sich aus dem Systemvergleich des SGB XII zum SGB II.

Die Regelungssystematik des SGB XII sieht vor, dass eine Bedarfsgemeinschaft von mehr als einer Person sich in einen Haushaltsvorstand, der nach § 1 der RegelsatzVO SH 345,00 Euro erhält und Haushaltsangehörige, die, soweit sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, 276,00 Euro erhalten, aufteilt. Soweit eine Haushaltsgemeinschaft aus zwei Angehörigen besteht, geht der Verordnungsgeber davon aus, dass ein Regelbedarf von insgesamt 621,00 Euro besteht.

Das SGB XII sieht vor, dass der Haushaltsvorstand mit dem Eckregelsatz nach § 1 der Regelsatzverordnung SH die so genannten Generalunkosten des Haushaltes (z.B. Energie für Haushaltsgeräte, Tageszeitung, kleine Instandhaltungen, Schwund, Verderb oder Verlust bei Nahrungsmitteln) trägt. Die Höhe des Generalunkostenanteils entspricht der Differenz des Eckregelsatzes nach § 1 der Regelsatzverordnung SH zu § 2 Regelsatzverordnung, dem Regelsatz für Haushaltsangehörige (vgl. Roscher in LPK - BSHG, 6. Auflage, § 22 mit VO Rdnr. 45).

Dem Grunde nach steht demjenigen Haushaltsangehörigen, der Haushaltsvorstand ist, der volle Eckregelsatz zu. Streiten die Eheleute darüber, wer die Generalunkosten trägt und wem der volle Eckregelsatz zusteht, erhält derjenige den Eckregelsatz in voller Höhe, dem dieser Nachweis gelingt. Fehlt im Streitfall ein Nachweis, erhält jeder Ehegatte die Hälfte des Generalunkostenanteils im Eckregelsatz zuzüglich seines eigenen Regelsatzes als sonstiges Haushaltsmitglied (vgl. BVerwG, NDV 1964, 507).

Da der Gesetzgeber des SGB II von einer gemeinsamen Tragung der Generalunkosten ausgeht, ist bei einer Bedarfsgemeinschaft, bei dem ein Leistungsberechtigter nach dem SGB II zu beurteilen ist und der weitere nach dem SGB XII, eine entsprechende Anpassung des Regelbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vorzunehmen.

Das SGB II differenziert nicht nach Haushaltsvorstand und weiteren Haushaltsangehörigen. Soweit zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben, beträgt die Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II jeweils 90 v.H. (311,- Euro) der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II (345,- Euro).

Sowohl das SGB II wie auch das SGB XII gehen von einem nahezu identischen Bedarf aus. § 28 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB XII bietet den gesetzlichen Rahmen für eine Anpassung des Regelbedarfes, soweit eine Bedarfsunterdeckung beim Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII besteht. Diese Regelungsmöglichkeiten ergeben sich nicht im SGB II. Da das SGB II keine Anpassungsmöglichkeiten vorsieht, ist eine entsprechende Anpassung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vorzunehmen. Nach § 28 Abs. 1 S. 2 2. Alt. SGB XII wird der Bedarf anders festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Der zusätzliche Bedarf in Höhe von 34,- Euro monatlich ist unabweisbar, da die Generalkosten des Haushaltes nur zur Hälfte durch die Antragstellerin zu 1) gedeckt werden. Er weicht auch erheblich von dem durchschnittlichen Bedarf eines Haushaltsangehörigen ab. Die ohnehin knapp bemessenen Regelsätze ermöglichen keinen dauerhaften Spielraum in dieser Größe nach unten.

Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass eine Regelungslücke zu bestehen scheint. Eine Harmonisierung der Systeme des SGB II und des SGB XII durch den Gesetzgeber wären bei Bedarfsgemeinschaften wie der Vorliegenden wünschenswert. Dennoch besteht kein Raum für eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 2 SGB II für die Beurteilung des Anspruches der Antragstellerin zu 1). Daher ist die Beigeladene auch nicht zu einer weitergehenden Leistung verpflichtet. Der Hilfefall ist wie dargestellt zu lösen. Dies ergibt sich auch aus folgender Erwägung. Sollte der Antragsteller zu 2) der Antragsgegnerin nachweisen, dass er Haushaltsvorstand ist, da er die Generalkosten des Haushaltes trägt (z.B. Stromliefervertrag, Zeitungsabonnement, Wasserversorgungsvertrag) besäße dieser einen Regelbedarf in Höhe von 345,- Euro. Die Antragstellerin zu 1) besäße zugleich, da eine entsprechende Anpassungsmöglichkeit im SGB II nicht vorgesehen sind, einen Bedarf in Höhe von 311,- Euro. Auch in diesem Fall wäre eine Regelsatzanpassung nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII bei dem Antragsteller zu 2) vorzunehmen. Andernfalls käme es zu einer Bedarfsüberdeckung.”

Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen. In einem Beschluss vom 8. August 2005 (veröffentlicht in juris) führt es aus: "Dieser Anspruch folgt jedoch nicht - wie das Sozialgericht meint - aus § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Nach dieser Vorschrift werden Bedarfe abweichend vom "normalen" Regelsatz des § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Zu der insoweit inhaltlich gleichen Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ausgeführt (Urteil vom 15. Dezember 1994 -5 C 55/92 -, BVerwGE 97, S. 232):

"Diese Vorschrift ... enthält nach Wortlaut, Zweck und Gesetzessystematik eine Ausnahme vom Regeltatbestand in § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG, deren Reichweite aus der Gegenüberstellung zu dieser Regelvorschrift zu bestimmen ist. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG werden laufende Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen nach Regelsätzen gewährt. Damit legt das Gesetz die Form der Sozialhilfe ... im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Regelfall fest ... Welche der zum notwendigen Lebensunterhalt nach § 12 BSHG gehörenden Bedarfsgruppen durch Regelsatzleistungen abgegolten werden sollen, bestimmt die Regelsatzverordnung; sie enthält auch Vorschriften über den Aufbau der Regelsätze ... Diese gesetzlichen Vorschriften ermächtigen den Verordnungsgeber bei der Bildung von Regelsatzgruppen und der Bemessung (Abstufung) der Regelsätze zur Generalisierung, Typisierung und Pauschalierung ... Vor diesem rechtlichen Hintergrund liegt eine Besonderheit des Einzelfalles im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG, die eine Erhöhung der Regelsatzleistungen gebietet, dann vor, wenn der Hilfesuchende einen laufenden nicht nur einmaligen Bedarf geltend macht, der bei der generalisierenden (typisierenden, pauschalierenden) Bemessung der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach Regelsätzen nicht berücksichtigt worden ist und, weil einzelfallabhängig, auch nicht berücksichtigt werden konnte. Der Anwendungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG beschränkt sich somit auf in diesem Sinne atypische Bedarfslagen."

Ein solcher individueller, nicht von dem Regelsatz nach der Regelsatzverordnung gedeckter Bedarf kann zum Beispiel gesehen werden in erhöhten Fahrtkosten, die in Ausübung des Umgangsrechts mit Kindern durch einen nicht sorgeberechtigten Elternteil entstehen (BVerwG, Urteil vom 22. August 1995 - 5 C 15/94 -, FEVS 46, S. 89), Fahrtkosten zum Besuch des inhaftierten Ehepartners (Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 28, Rdnr. 13) oder erhöhtem Wäscheverschleiß bzw. besonderem Reinigungsbedarf bei Behinderungen (Lehr- und Praxiskommentar BSHG, § 22, Rdnr. 19). Immer kommt es hierbei aber auf die individuelle Situation des Einzelnen an, der seinen Bedarf konkret angeben muss, damit er nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Berücksichtigung finden kann.

Demgegenüber ergibt sich der pauschalierende, generalisierende Regelsatz immer aus § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 von Regelsätzen erbracht. Die Höhe des Regelsatzes ergibt sich einmal aus § 2 Regelsatzverordnung Schleswig-Holstein (GVOBl. 2004, S. 505) und aus § 3 der Regelsatzverordnung nach § 28 SGB XII vom 3. Juni 2004 (BGBl. I, S. 1067), wobei die Höhe des Regelsatzes unterschieden wird nach der Stellung in der Bedarfsgemeinschaft nach Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen. Haushaltsvorstand ist neben einem Alleinstehenden derjenige, der die Generalunkosten des gesamten Haushaltes trägt (Lehr- und Praxiskommentar BSHG, § 22, Rdnr. 47).

Beteiligen sich beide Eheleute oder beide Partner der eheähnlichen Gemeinschaft an diesen Lasten und Generalunkosten, so ist die Differenz zwischen den Richtsätzen für den Haushaltsvorstand und für einen Haushaltsangehörigen je nach der Höhe ihrer Beteiligung unter den Partnern aufzuteilen. Trägt ein Partner die Lasten und Generalunkosten nicht allein und lässt sich auch ein bestimmtes Beteiligungsverhältnis nicht feststellen, so ist schließlich jedem Partner die Hälfte der Differenz zwischen den Richtsätzen zu bewilligen (so bereits BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1963 - V C 105.61 -, FEVS 9, S. 241). Gibt es bei mehreren Beteiligten keine näheren Anhaltspunkte für eine prozentuale Verteilung, darf diese nach Kopfteilen geschehen (Verwaltungsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2004 - 12 S 1588/04 -, FEVS 96, S. 190). Bei diesem so genannten "Mischregelsatz" handelt es sich somit nicht um eine konkrete Zuordnung von Regelsatz und Bedarf, sondern um eine pauschalierende Aufgliederung, die dem § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII unterfällt.

Dieser Mischregelsatzes nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kommt im vorliegenden Fall zur Anwendung. Es ist hier nicht dargelegt, dass einer der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft die Generalunkosten trägt. Es ist ebenfalls nicht dargelegt, wer zu welchen Anteilen welche Generalunkosten zahlt. Es ist auch nicht geboten, dass das Sozialamt oder die Gerichte eventuell durch Beweisaufnahme ermitteln, inwieweit eine Kostentragung durch die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erfolgt. Daher ist hier ohne weitere Ermittlungen der Mischregelsatz dahingehend anzuwenden, dass der Antragsteller die Differenz zwischen dem Haushaltsangehörigenregelsatz von 276,00 EUR und dem Regelsatz des Haushaltsvorstandes von 345,00 EUR zur Hälfte und somit in Höhe von 34,00 EUR im Monat zusätzlich erhält. Ohne diese Aufstockung des Regelsatzes wäre die Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers und seiner Ehefrau mit den Regelsätzen von 311,00 EUR und 276,00 EUR, also zusammen 587,00 EUR, in den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz verletzender Weise benachteiligt gegenüber einer nur nach dem SGB XII zu beurteilenden Bedarfsgemeinschaft, die Regelsatzleistungen von 621,00 EUR erhält, und einer solchen nach SGB II mit Regelsatzleistungen von 622,00 EUR.

Dem steht nicht entgegen, dass § 42 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGB XII bei Leistungen der Grundsicherung den maßgebenden Regelsatz nach § 28 vorsieht. Es kann dahinstehen, ob sich das auf § 28 Abs. 1 SGB XII insgesamt bezieht oder nur auf § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wie Schoch (in Rotkegel, Sozialhilferecht, S. 190, Rdnr. 34 f) meint (vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 23. Juni 2005 - L 9 B 108/05 SO ER), denn - wie oben ausgeführt - ist der Mischregelsatz dem § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zuzuordnen, so dass er auf jeden Fall der maßgebliche Regelsatz für Leistungen der Grundsicherung ist.

Dem kann ebenfalls nicht entgegengehalten werden, die Ehefrau des Antragstellers müsse den Haushaltsvorstandsregelsatz nach dem SGB II verfolgen. Soweit die Antragsgegnerin eine derartige Möglichkeit aus § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II ableitet, wonach die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben umfasst, kann dem nicht gefolgt werden. Das "insbesondere" bezieht sich auf die dann folgende Aufzählung und besagt nichts über die Zuordnung des Regelsatzes auf Haushaltsangehörige oder einen Haushaltsvorstand. Eine solche Zuordnung findet im SGB II nicht statt. Das stellt keine Regelungslücke dar. Nach § 20 Abs. 3 SGB II beträgt die Regelleistung jeweils 90 v. H. der Regelleistung nach Abs. 2, wenn zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben. Welche Personen zur Bedarfsgemeinschaft gehören, ist in § 7 Abs. 3 SGB II aufgeführt. Danach gehört zur Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Ziff. 3a SGB II der erwerbsfähige Hilfebedürftige und der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte unabhängig davon, ob dieser Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII erhält. Insoweit ist auch keine Differenzierung in Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen erfolgt. Das stellt aber keine Lücke dar, sondern ein in sich geschlossenes System, welches lediglich keinen Haushaltsvorstandsregelsatz vorsieht. Die Festsetzung des Regelsatzes in Höhe von 311,00 EUR ist somit zu Recht erfolgt. Demzufolge kann die Ehefrau des Antragstellers - unabhängig davon, dass sie nicht in diesem Verfahren beteiligt ist - nicht darauf verwiesen werden, den Haushaltsvorstandsregelsatz geltend zu machen. Im Übrigen wäre ihr das gar nicht möglich, denn sie ist - wie oben dargelegt - nicht eindeutig als Haushaltsvorstand zu qualifizieren. Sie trägt nicht die Generalunkosten des Haushaltes und kann das auch nicht, da sie neben den Leistungen nach dem SGB II keinerlei Einkommen hat. Sie kann auch nicht - wie die Antragsgegnerin aber meint - darauf verwiesen werden, dass sie als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich erwerbsfähig ist, denn zum einen arbeitet sie gegenwärtig nicht und erwirtschaftet kein Einkommen, zum anderen ist sie so krank, dass erhebliche Zweifel an einer konkreten Erwerbsfähigkeit bestehen.”

Die Kammer folgt dieser Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichtes nicht. In den Fällen, in denen ein Angehöriger einer Bedarfsgemeinschaft eindeutig als Haushaltsvorstand zu qualifizieren ist, kommt es je nach Fallgestaltung zu einer Bedarfsüber- oder -unterdeckung, da dann ein Anspruch auf Regelleistung in Höhe von 345,- Euro oder 276,- Euro bestünde. Der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bestimmt sich nach § 42 SGB XII. § 42 S. 1 Nr. 1 SGB XII verweist auf den für den Antragsberechtigten nach § 28 SGB XII maßgebenden Regelsatz. Der Gesetzgeber hat es in der Regelung des § 42 SGB XII unterlassen, ausschließlich auf den maßgebenden Regelsatz nach § 28 Abs. 1 S. 1 SGB XII zu verweisen. Der Regelsatz des § 28 SGB XII bestimmt sich im Regelfall nach S. 1. Für den Antragsberechtigten ist im Einzelfall der maßgebende Regelsatz, der des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII, da sein individueller Bedarf abweichend festzusetzen ist (a.A. wohl noch LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23. Juni 2005, Az. L 9 B 108/05 SO ER). Anhaltspunkte für eine enge Auslegung des individuellen Bedarfes, wie sie das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 8. August 2005 (a.a.O.) vornimmt, ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Vielmehr liegt immer dann ein abweichender individueller Bedarf vor, wenn die Regelleistung bzw. der zugrunde gelegte Regelbedarf nach § 28 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. der landesrechtlichen Regelsatzverordnung nicht das sozio-kulturelle Existenzminimum deckt.

Andernfalls ließe sich im Einzelfall eine Bedarfsüber- oder unterdeckung nicht vermeiden. Dies widerspräche jedoch dem in der Sozialhilfe geltenden Bedarfsdeckungsgrundsatz. An dem Bedarfsdeckungsgrundsatz hat sich jedoch die Auslegung des § 42 S. 1 Nr. 1 SGB XII mit dem Verweis auf § 28 SGB XII zu orientieren.

Da die unterschiedliche Herleitung des klägerischen Anspruches keine Auswirkungen auf seinen Anspruch hat, kann dies letztendlich dahin stehen. Der Kläger hat keinen Anspruch über der Grenze des Mischregelsatzes geltend gemacht. Keinesfalls ist, entgegen des Vortrages der Beklagten, die Bedarfslücke im SGB II zu schließen, sei es als eigener Anspruch des Klägers auf Sozialgeld oder durch einen Anspruch der Ehefrau auf einen vollen Eckregelsatz. Insoweit wird auf die zitierten Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichtes verwiesen (a.A. noch SG Schleswig, 5. Kammer, Beschluss vom 18. Mai 2005, Az. S 5 AS 155/05 ER, veröffentlicht in juris).

Der Kläger besitzt auch unter Zugrundelegung der Auffassung des 9. Senates des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichtes (zumindest) den tenorierten Anspruch.

Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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