Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 3343/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Überbrückungsgeld ist nicht auf eine unfallrechtliche Witwenrente anrechenbar, da es sich hierbei weder um Erwerbseinkommen noch um Erwerbsersatzeinkommen handelt.
Der Bescheid vom 7. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 wird aufgehoben
Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine von der Bundesagentur für Arbeit dem Kläger bewilligte Überbrückungsgeldleistung auf die Witwerrente des Klägers nach dem Unfallversicherungsrecht anzurechnen ist.
Die bei der Beklagten versicherte Ehefrau des 1955 geborenen Klägers erlitt am 10. August 1994 einen tödlichen Autounfall, den die Beklagte als Wegeunfall qualifizierte. Zuletzt bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. Juli 2000 eine Rente in Höhe von 1.069,06 EUR monatlich. Aufgrund seines Antrages vom 15. März 2001 bewilligte das Arbeitsamt Frankfurt am Main dem Kläger für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 19. März 2001 ein Überbrückungsgeld für die Zeit vom 19. März bis 18. September 2001 in Höhe von monatlich 4.423,66 DM als Zuschuss.
Nachdem die Beklagte von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, teilte sie dem Kläger mit Bescheid vom 7. Juni 2001 u.a. mit, bei dem Überbrückungsgeld des Arbeitsamtes handele es sich um anrechenbares Erwerbsersatzeinkommen.
Hiergegen legte der Kläger am 11. Juni 2001 Widerspruch ein. Er bezog sich im Wesentlichen auf eine Mitteilung der BfA vom 9. April 2001, wonach das vom Arbeitsamt gewährte Überbrückungsgeld auf seine Rente nicht anzurechnen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 9. Oktober 2001.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 7. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 7. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).
Nach § 590 Abs. 3 RVO, der nach §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII auch weiterhin anwendbar ist, ist Einkommen des Berechtigten, das mit der Witwerrente zusammentrifft, auf diese anzurechnen. Der Tatbestand dieser Ermächtigungsgrundlage ist hier schon deshalb nicht erfüllt, weil dem Kläger kein "Einkommen", das angerechnet werden dürfte, zusteht. Das anzurechnende Einkommen ist §§ 18a bis 18 e SGB IV zu entnehmen. Danach sind bei Renten wegen Todes als – anrechenbares – Einkommen des Berechtigten sein Erwerbseinkommen, sein Erwerbsersatzeinkommen, sowie seine vergleichbare Einnahmen zu berücksichtigen (§ 18a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Das Überbrückungsgeld fällt unter keine dieser Einnahmearten.
Das dem Kläger unter dem 26. März 2001 bewilligte Überbrückungsgeld ist für diesen schon deshalb kein Erwerbsersatzeinkommen im Sinne von § 18a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, weil diese Einkommensart in der abschließenden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1999, SozR 3-2400 § 15 Nr. 6) Aufzählung des § 18a Abs. 3 SGB IV nicht erwähnt ist. Darüber hinaus handelt es sich bei der Leistung des Überbrückungsgeldes auch nicht um Einkünfte, die ein ausfallendes Arbeitseinkommen ersetzen sollen, sondern um Leistungen, die den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen sichern. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei dem Anspruch des Klägers auf Zahlung von Überbrückungsgeld auch nicht um Arbeitseinkommen des Klägers. Was der Art nach als Arbeitseinkommen anzusehen ist und wie dessen Höhe im Einzelfall zu ermitteln ist, ergibt sich aus § 15 SGB IV. Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn als solches nach dem Einkommenssteuerrecht zu werten ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV als der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Gewinn ist allerdings nur dann auf eine Hinterbliebenenrente anrechenbares Einkommen, wenn es aus eigener selbständiger Tätigkeit des Einkommensempfängers selbst herrührt. Liegen derartige Einnahmen aus eigener selbständiger Tätigkeit vor, sind dem Träger der Sozialversicherung eigene Wertungen über die Höhe des Gewinns nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht erlaubt. Aus der steuerlichen Bewertung bestimmter Einnahmen als Gewinn des Berechtigten kann nicht darauf geschlossen werden, dieser habe eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 SGB IV als Erwerbsquelle ausgeübt: Ob eine solche Beschäftigung ausgeübt wird und hieraus Einnahmen – mithin Arbeitseinkommen – erzielt werden, ist von den Trägern der Rentenversicherung ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Tatbestände zu ermitteln (vgl. BSG, a.a.O., S. 15, 16).
Bei § 18a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB IV geht es allein darum, dasjenige Einkommen zu erfassen, das der Hinterbliebene aus dem Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt (BVerfGE 97, 271, 293). Bezieht der Hinterbliebene aus Verwertung und Einsatz seiner Arbeitskraft sei es als abhängig Beschäftigter, sei es als selbständiger Tätiger – ein den (Anrechnungs-)Freibetrag übersteigendes Einkommen, sinkt oder fällt der am bisherigen Lebensstandard ausgerichtete Bedarf an wirtschaftlicher Sicherung gerade durch eine Hinterbliebenenrente (BVerfGE, a.a.O.). Dies ist aber vorliegend gerade nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung, die vor dem Hintergrund seiner verstorbenen Ehefrau, also durch deren Leistung, erworben wurde. Die Beschränkung anrechenbaren Einkommens auf solche Einnahmen, die der Hinterbliebene aus dem Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt, muss auch schon bei Auslegung von § 15 Abs. 1 SGB IV berücksichtigt werden; insbesondere kann auch das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung der "selbständigen Tätigkeit" und damit auf den Einsatz eigener Arbeitskraft nicht allein deshalb verzichtet werden, weil der Betroffene bei Anwendung der Rechtsfolge aus steuerrechtlicher Sicht Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt hat (BSG, a.a.O., S. 20). Daher handelt es sich bei den Ansprüchen des Klägers auf Zahlung von Überbrückungsgeld auch nicht um Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen "vergleichbarer Einnahmen" im Sinne von § 18a Abs. 2 Satz 1 SGB IV.
Das erkennende Gericht sieht sich mit dieser Rechtsauffassung im Einklang mit derjenigen der übrigen Sozialversicherungsträger.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine von der Bundesagentur für Arbeit dem Kläger bewilligte Überbrückungsgeldleistung auf die Witwerrente des Klägers nach dem Unfallversicherungsrecht anzurechnen ist.
Die bei der Beklagten versicherte Ehefrau des 1955 geborenen Klägers erlitt am 10. August 1994 einen tödlichen Autounfall, den die Beklagte als Wegeunfall qualifizierte. Zuletzt bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. Juli 2000 eine Rente in Höhe von 1.069,06 EUR monatlich. Aufgrund seines Antrages vom 15. März 2001 bewilligte das Arbeitsamt Frankfurt am Main dem Kläger für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 19. März 2001 ein Überbrückungsgeld für die Zeit vom 19. März bis 18. September 2001 in Höhe von monatlich 4.423,66 DM als Zuschuss.
Nachdem die Beklagte von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, teilte sie dem Kläger mit Bescheid vom 7. Juni 2001 u.a. mit, bei dem Überbrückungsgeld des Arbeitsamtes handele es sich um anrechenbares Erwerbsersatzeinkommen.
Hiergegen legte der Kläger am 11. Juni 2001 Widerspruch ein. Er bezog sich im Wesentlichen auf eine Mitteilung der BfA vom 9. April 2001, wonach das vom Arbeitsamt gewährte Überbrückungsgeld auf seine Rente nicht anzurechnen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 9. Oktober 2001.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 7. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 7. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).
Nach § 590 Abs. 3 RVO, der nach §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII auch weiterhin anwendbar ist, ist Einkommen des Berechtigten, das mit der Witwerrente zusammentrifft, auf diese anzurechnen. Der Tatbestand dieser Ermächtigungsgrundlage ist hier schon deshalb nicht erfüllt, weil dem Kläger kein "Einkommen", das angerechnet werden dürfte, zusteht. Das anzurechnende Einkommen ist §§ 18a bis 18 e SGB IV zu entnehmen. Danach sind bei Renten wegen Todes als – anrechenbares – Einkommen des Berechtigten sein Erwerbseinkommen, sein Erwerbsersatzeinkommen, sowie seine vergleichbare Einnahmen zu berücksichtigen (§ 18a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Das Überbrückungsgeld fällt unter keine dieser Einnahmearten.
Das dem Kläger unter dem 26. März 2001 bewilligte Überbrückungsgeld ist für diesen schon deshalb kein Erwerbsersatzeinkommen im Sinne von § 18a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, weil diese Einkommensart in der abschließenden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1999, SozR 3-2400 § 15 Nr. 6) Aufzählung des § 18a Abs. 3 SGB IV nicht erwähnt ist. Darüber hinaus handelt es sich bei der Leistung des Überbrückungsgeldes auch nicht um Einkünfte, die ein ausfallendes Arbeitseinkommen ersetzen sollen, sondern um Leistungen, die den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen sichern. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei dem Anspruch des Klägers auf Zahlung von Überbrückungsgeld auch nicht um Arbeitseinkommen des Klägers. Was der Art nach als Arbeitseinkommen anzusehen ist und wie dessen Höhe im Einzelfall zu ermitteln ist, ergibt sich aus § 15 SGB IV. Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn als solches nach dem Einkommenssteuerrecht zu werten ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV als der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Gewinn ist allerdings nur dann auf eine Hinterbliebenenrente anrechenbares Einkommen, wenn es aus eigener selbständiger Tätigkeit des Einkommensempfängers selbst herrührt. Liegen derartige Einnahmen aus eigener selbständiger Tätigkeit vor, sind dem Träger der Sozialversicherung eigene Wertungen über die Höhe des Gewinns nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht erlaubt. Aus der steuerlichen Bewertung bestimmter Einnahmen als Gewinn des Berechtigten kann nicht darauf geschlossen werden, dieser habe eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 SGB IV als Erwerbsquelle ausgeübt: Ob eine solche Beschäftigung ausgeübt wird und hieraus Einnahmen – mithin Arbeitseinkommen – erzielt werden, ist von den Trägern der Rentenversicherung ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Tatbestände zu ermitteln (vgl. BSG, a.a.O., S. 15, 16).
Bei § 18a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB IV geht es allein darum, dasjenige Einkommen zu erfassen, das der Hinterbliebene aus dem Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt (BVerfGE 97, 271, 293). Bezieht der Hinterbliebene aus Verwertung und Einsatz seiner Arbeitskraft sei es als abhängig Beschäftigter, sei es als selbständiger Tätiger – ein den (Anrechnungs-)Freibetrag übersteigendes Einkommen, sinkt oder fällt der am bisherigen Lebensstandard ausgerichtete Bedarf an wirtschaftlicher Sicherung gerade durch eine Hinterbliebenenrente (BVerfGE, a.a.O.). Dies ist aber vorliegend gerade nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung, die vor dem Hintergrund seiner verstorbenen Ehefrau, also durch deren Leistung, erworben wurde. Die Beschränkung anrechenbaren Einkommens auf solche Einnahmen, die der Hinterbliebene aus dem Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt, muss auch schon bei Auslegung von § 15 Abs. 1 SGB IV berücksichtigt werden; insbesondere kann auch das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung der "selbständigen Tätigkeit" und damit auf den Einsatz eigener Arbeitskraft nicht allein deshalb verzichtet werden, weil der Betroffene bei Anwendung der Rechtsfolge aus steuerrechtlicher Sicht Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt hat (BSG, a.a.O., S. 20). Daher handelt es sich bei den Ansprüchen des Klägers auf Zahlung von Überbrückungsgeld auch nicht um Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen "vergleichbarer Einnahmen" im Sinne von § 18a Abs. 2 Satz 1 SGB IV.
Das erkennende Gericht sieht sich mit dieser Rechtsauffassung im Einklang mit derjenigen der übrigen Sozialversicherungsträger.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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