Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 SO 23/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren von der Antragsgegnerin die Ausstellung von Krankenscheinen.
Die Antragsteller bezogen in der Vergangenheit von der Antragsgegnerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Der Antragsteller zu 1) war im Auftrag der Antragsgegnerin zwecks Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit im März 2004 amtsärztlich untersucht worden. Der Amtsarzt Herr C1, Arzt für Innere Medizin, stellte in seinem Gutachten vom 19.03.2004 fest, dem Antragsteller zu 1.) könnten körperlich mittelschwere Arbeiten in vollschichtigem Umfang zugemutet werden. Der Antragsteller zu 1.) hatte vor und auch nach der Untersuchung fortlaufende Meldungen über seine Arbeitsunfähigkeit –ausgestellt von seinem Hausarzt C2 aus H zu den Verwaltungsakten gereicht.
Nach zunächst vorgenommenen Kürzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt versagte die Antragsgegnerin die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt für den Antragsteller zu 1.) ab dem 01.07.2004 wegen fehlender Arbeitsbemühungen gänzlich (Bescheid vom 22.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005). Gegen diese Leistungsversagung wendet sich der Antragsteller zu 1) im Hauptsacheverfahren S 37 SO 52/05 SG Düsseldorf. Mit der Klageschrift vom 19.05.2005 erklärte der Antragsteller, er sei aus gesundheitlichen Gründen an einer Arbeitsaufnahme gehindert. Er reichte Atteste seiner behandelnden Ärzte T, Orthopäde aus C3 vom 02.10.2000 und F, L, D und G, Ärzte für Diagnostische Radiologie aus H vom 20.04.2004 zu den Gerichtsakten.
Für die Antragstellerin zu 2) stellte der zuständige Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 05.07.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, beginnend ab dem 01.03.2003 fest. Der monatliche Rentenbetrag belief sich ab dem 01.04.2004 auf einen Betrag in Höhe von 743,73 Euro. Zusätzlich wurde der Antragstellerin zu 2.) vom Rentenversicherungsträger ein monatlicher Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 51,12 Euro bewilligt. Daraufhin stellte die Antragsgegnerin die Zahlung von Leistungen an die Antragstellerin zu 2) ab August 2004 ein.
Am 29.08.2005 haben die Antragsteller Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erhoben und die B Rhein-Kreis O als Antragsgegnerin bezeichnet. Die Antragsteller tragen vor, sie seien zur Zeit nicht krankenversichert. Aufgrund akuter Erkrankungen seien sie dringend auf ärztliche Hilfe und Medikamente angewiesen. Die B Rhein-Kreis O weigere sich unter Verweis auf das beim Sozialgericht anhängige Verfahren S 37 SO 52/05 SG Düsseldorf Krankenscheine auszustellen. Die AOK Rheinland habe ihnen wegen Beitragsrückständen im Januar 2005 gekündigt.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für sie Krankenscheine auszustellen.
Die B Rhein-Kreis O hat daraufhin mit Schreiben vom 27.09.2005 mitgeteilt, es käme allenfalls eine gesetzliche Krankenversicherung über Leistungen nach dem SGB II in Betracht. Über eine Vorsprache der Antragsteller liege ihr nichts vor. Ein Antrag sei auch nicht vorhanden. Ob Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch –Sozialhilfe- (SGB XII) in Betracht kämen, könne sie nicht beurteilen, insoweit wären diese bei der Stadt Grevenbroich zu beantragen.
Das Gericht hat mit Blick auf das von den Antragstellern formulierte Begehren auf "Ausstellung von Krankenscheinen" die Bezeichnung der Antragsgegnerin von Amts wegen berichtigt und die Stadt Grevenbroich als örtlichen Träger der Sozialhilfe als Antragsgegnerin eingetragen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Die Einlassung der B Rhein-Kreis O könne sie nicht nachvollziehen. Der Antragsteller zu 1) sei amtsärztlich untersucht und für grundsätzlich erwerbsfähig befunden worden. Damit unterfalle er dem Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch –Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II), so dass die B für Leistungen zuständig sei. Gerade deshalb kämen auch Leistungen nach dem SGB XII wohl derzeit nicht in Betracht. Auch hätten die Antragsteller bei ihr keine entsprechenden Anträge gestellt. Es lägen zudem keine Unterlagen zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor, so dass weder sie noch die B in der Lage seien, die Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB XII oder SGB II zu prüfen.
Die Antragsteller haben ärztliche Atteste von C2 vom 07.10.2005 sowie an die Antragstellerin zu 2) gerichtete Schreiben der AOK Rheinland vom 10.03.2005, 11.04.2005 und 17.10.2005 zu den Gerichtsakten gereicht. In dem Schreiben vom 10.03.2005 wurde mitgeteilt, dass die freiwillige Mitgliedschaft der Antragstellerin zu 2) bei der AOK Rheinland zum 15.01.2005 beendet worden sei und eine (erneute) freiwillige Versicherung weder dort noch bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse möglich sei.
Nachdem der Antragsteller zu 1) mitgeteilt hat, er sei am 14.10.2005 bei der B Rhein-Kreis O vorstellig geworden, hat das Gericht dort Nachfrage gehalten. Die B Rhein-Kreis O hat mit Schreiben vom 09.11.2005 die Vorsprache des Antragstellers zu 1) bestätigt. Ihm sei anlässlich der Vorsprache dargelegt worden, welche Unterlagen er von sich und seiner Frau zur Antragsaufnahme mitbringen müsse. Nach dieser ersten Vorsprache sei von Seiten des Antragstellers zu 1) keine weitere Kontaktaufnahme mehr erfolgt und ein Antrag bislang nicht gestellt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Das Begehren der Antragsteller, ihnen "Krankenscheine auszustellen" hat das Gericht vorrangig als Antrag auf Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII aufgefasst (vgl. zum Ganzen Grube/Wahrendorf, SGB XII –Sozialhilfe-, 2005, § 48 Rdn. 5, wonach dem Hilfeempfänger die Hilfe bei Krankheit mittels eines "Krankenscheines" gewährt werden kann). Zuständiger Leistungsträger für die Ausstellung von Krankenscheinen ist der örtliche Träger der Sozialhilfe (§ 97 Abs. 1 SGB XII) und damit die Antragsgegnerin.
Eine einstweilige Anordnung gegen die Antragsgegnerin war nicht zu erlassen.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint (Regelungsanordnung).
Dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Gerichtlicher vorläufiger Rechtsschutz kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller sein Begehren nicht auf einfachere Art und Weise zumindest genauso schnell erreichen kann. In Vornahmesachen –wie der vorliegenden- muss sich der Antragsteller grundsätzlich zunächst erfolglos an die zuständige Behörde gewandt, d.h. dort zuvor vergeblich einen Antrag gestellt haben (vgl. Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, Kapitel V Rdn. 46). Soweit (noch) die Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichtes zur Verfügung zu stellen (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, vor § 51 Rdn. 16). Einen Antrag auf Ausstellung von Krankenscheinen bzw. Gewährung von Hilfen bei Krankheit im Sinne des § 48 Satz 1 SGB XII haben die Antragsteller bei der Antragsgegnerin bislang nicht gestellt. Entsprechende Antragsvorgänge sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den in der Sozialhilfe herrschenden Kenntnisgrundsatz (§ 18 SGB XII), wonach Sozialhilfe und damit eingeschlossen auch Hilfe bei Krankheit im Sinne des § 48 Satz 1 SGB XII von Amts wegen einsetzen, sobald der Sozialhilfebehörde bekannt wird, dass die Voraussetzungen für deren Gewährung vorliegen (Grube/Wahrendorf, aaO, § 18 Rdn. 3). Voraussetzung ist aber auch hierfür, dass der Sozialhilfeträger überhaupt Kenntnis von der Notlage, d.h. von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers erlangt. Nach den Verwaltungsakten ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller vor Erhebung des Eilantrages bei der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Gewährung von Krankenbeihilfe vorgesprochen bzw. nachgefragt oder ihre aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dort dargelegt haben. Etwas anderes kann ausnahmsweise u.a. gelten, wenn die Sache sehr eilig ist (vgl. Krasney/Udsching, aaO, Kapitel V Rdn. 46). Begründete Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Eilbedürftigkeit können im vorliegenden nicht gesehen werden. Insbesondere ergeben sich aus den eingereichten Attesten von C2 vom 7.10.2005 keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer akuten, keinen Aufschub duldenden Behandlungsbedürftigkeit der Antragsteller. Die Atteste enthalten eine bloße Aufzählung von Diagnosen ohne Feststellungen zu einer tatsächlich akuten Behandlungsbedürftigkeit. Ungeachtet des fehlenden Antrages dürfte in Bezug auf den Antragsteller zu 1) der Anwendungsbereich des SGB XII nicht eröffnet sein und es damit an einem Anordnungsanspruch für ihn gegen die Antragsgegnerin fehlen. Der Antragsteller zu 1) dürfte vielmehr unter den Anwendungsbereich nach dem SGB II fallen (dazu weiter unten).
Auch eine zu erwägende Gewährung von Krankenversicherungsschutz durch die B Rhein-Kreis O, insbesondere für den Antragsteller zu 1) (die auf Dauer voll erwerbsgeminderte Antragstellerin zu 2) dürfte als Antragsberechtigte im Sinne einer (erwerbsfähigen) Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 SGB II von vornherein ausscheiden), führt nicht zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Antrag der Antragsteller auf "Ausstellung von Krankenscheinen" dürfte über seinen Wortlaut hinaus nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung weitergehend dahin auszulegen sein, dass es dem Begehren der Antragsteller entspricht, Krankenversicherungsschutz überhaupt zu erlangen. Die Antragsgegnerin dürfte zudem zu Recht darauf hingewiesen haben, dass der Antragsteller zu 1) als erwerbsfähig anzusehen sein und damit grundsätzlich dem Anwendungsbereich des SGB II unterfallen dürfte. Nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 19.3.2004 liegt bei dem Antragsteller zu 1) ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich mittelschwere Arbeiten vor. Die in den Verwaltungsakten befindlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von C2 führen nicht zwingend zu einer anderen Sichtweise, da sich der Begriff der Arbeitsunfähigkeit allein auf die gesundheitliche Unfähigkeit bezieht, die zuletzt verrichtete Tätigkeit (vorübergehend) nicht verrichten zu können, Arbeitsunfähigkeit ist dagegen nicht mit (voller) Erwerbsminderung gleichzusetzen. Auch aus den zu den Streitakten S 37 SO 52/05 SG Düsseldorf gereichten ärztlichen Attesten ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte, da die Atteste zur Frage einer Erwerbsfähigkeit bzw. -minderung des Klägers keine Feststellungen enthalten. Der Antragsteller zu 1) hat aber nach Mitteilung der B Rhein-Kreis O dort bislang keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II –welche grundsätzlich auch eine Pflichtversicherung des Leistungsempfängers in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch –Gesetzliche Krankenversicherung- (SGB V) einschließen- gestellt. Die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II kann aber nur auf Antrag erfolgen (§ 37 Abs. 1 SGB II). Eine Leistungserbringung ist erst ab dem Zeitpunkt möglich, ab dem der erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen nach dem SGB II beantragt hat. Eine Leistungsgewährung von Amts wegen scheidet aus (vgl. zum Ganzen Eicher/Spellbrink, SGB II –Grundsicherung für Arbeitssuchende, 2005, § 37 Rdn. 1, 2). Insoweit ist es unzureichend, dass der Antragsteller zu 1.) bei der B Rhein-Kreis O am 14.10.2005 lediglich vorgesprochen hat.
Dem Antragsteller zu 1) kann daher nur dringend empfohlen werden, erneut bei der B Rhein-Kreis O vorzusprechen und dort einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II unter Vorlage der bereits von der B anlässlich der Vorsprache am 14.10.2005 angeforderten Unterlagen von ihm und der Antragstellerin zu 2) (als Bedarfsgemeinschaftsmitglied) zu stellen. Soweit er anspruchsberechtigt nach dem SGB II ist, schließen die zu bewilligenden Grundsicherungsleistungen –wie oben bereits dargestellt- auch Beiträge zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Aus der Pflichtversicherung des Leistungsempfängers kann sich weitergehend für Bedarfsgemeinschaftsmitglieder (Ehepartner, Kinder) die Möglichkeit der Familienversicherung nach § 10 SGB Abs. 1 SGB V ergeben, so dass ggf. die Antragstellerin zu 2) über diesen Weg wieder einen Krankenversicherungsschutz erlangen könnte.
Mit Blick auf den fehlenden Leistungsantrag des (erwerbsfähigen) Antragstellers zu 1) ist ein Anspruch für ihn nach dem SGB II offensichtlich nicht begründet. Die Antragstellerin zu 2) scheidet wegen fehlender Erwerbsfähigkeit von vornherein als Antragsberechtigte nach dem SGB II aus. Mangels Anordnungsanspruch der Antragsteller kommt daher eine einstweilige Anordnung gegen die B Rhein-Kreis O offensichtlich nicht in Betracht. Das Gericht hat vor diesem Hintergrund von einer (ggf. nach § 75 Abs. 2 SGG notwendigen) Beiladung der B Rhein-Kreis O zum Antragsverfahren abgesehen (vgl. hierzu BSG Urteil vom 18.3.1987 -9b RU 56/85-).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren von der Antragsgegnerin die Ausstellung von Krankenscheinen.
Die Antragsteller bezogen in der Vergangenheit von der Antragsgegnerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Der Antragsteller zu 1) war im Auftrag der Antragsgegnerin zwecks Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit im März 2004 amtsärztlich untersucht worden. Der Amtsarzt Herr C1, Arzt für Innere Medizin, stellte in seinem Gutachten vom 19.03.2004 fest, dem Antragsteller zu 1.) könnten körperlich mittelschwere Arbeiten in vollschichtigem Umfang zugemutet werden. Der Antragsteller zu 1.) hatte vor und auch nach der Untersuchung fortlaufende Meldungen über seine Arbeitsunfähigkeit –ausgestellt von seinem Hausarzt C2 aus H zu den Verwaltungsakten gereicht.
Nach zunächst vorgenommenen Kürzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt versagte die Antragsgegnerin die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt für den Antragsteller zu 1.) ab dem 01.07.2004 wegen fehlender Arbeitsbemühungen gänzlich (Bescheid vom 22.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2005). Gegen diese Leistungsversagung wendet sich der Antragsteller zu 1) im Hauptsacheverfahren S 37 SO 52/05 SG Düsseldorf. Mit der Klageschrift vom 19.05.2005 erklärte der Antragsteller, er sei aus gesundheitlichen Gründen an einer Arbeitsaufnahme gehindert. Er reichte Atteste seiner behandelnden Ärzte T, Orthopäde aus C3 vom 02.10.2000 und F, L, D und G, Ärzte für Diagnostische Radiologie aus H vom 20.04.2004 zu den Gerichtsakten.
Für die Antragstellerin zu 2) stellte der zuständige Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 05.07.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, beginnend ab dem 01.03.2003 fest. Der monatliche Rentenbetrag belief sich ab dem 01.04.2004 auf einen Betrag in Höhe von 743,73 Euro. Zusätzlich wurde der Antragstellerin zu 2.) vom Rentenversicherungsträger ein monatlicher Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 51,12 Euro bewilligt. Daraufhin stellte die Antragsgegnerin die Zahlung von Leistungen an die Antragstellerin zu 2) ab August 2004 ein.
Am 29.08.2005 haben die Antragsteller Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erhoben und die B Rhein-Kreis O als Antragsgegnerin bezeichnet. Die Antragsteller tragen vor, sie seien zur Zeit nicht krankenversichert. Aufgrund akuter Erkrankungen seien sie dringend auf ärztliche Hilfe und Medikamente angewiesen. Die B Rhein-Kreis O weigere sich unter Verweis auf das beim Sozialgericht anhängige Verfahren S 37 SO 52/05 SG Düsseldorf Krankenscheine auszustellen. Die AOK Rheinland habe ihnen wegen Beitragsrückständen im Januar 2005 gekündigt.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für sie Krankenscheine auszustellen.
Die B Rhein-Kreis O hat daraufhin mit Schreiben vom 27.09.2005 mitgeteilt, es käme allenfalls eine gesetzliche Krankenversicherung über Leistungen nach dem SGB II in Betracht. Über eine Vorsprache der Antragsteller liege ihr nichts vor. Ein Antrag sei auch nicht vorhanden. Ob Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch –Sozialhilfe- (SGB XII) in Betracht kämen, könne sie nicht beurteilen, insoweit wären diese bei der Stadt Grevenbroich zu beantragen.
Das Gericht hat mit Blick auf das von den Antragstellern formulierte Begehren auf "Ausstellung von Krankenscheinen" die Bezeichnung der Antragsgegnerin von Amts wegen berichtigt und die Stadt Grevenbroich als örtlichen Träger der Sozialhilfe als Antragsgegnerin eingetragen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Die Einlassung der B Rhein-Kreis O könne sie nicht nachvollziehen. Der Antragsteller zu 1) sei amtsärztlich untersucht und für grundsätzlich erwerbsfähig befunden worden. Damit unterfalle er dem Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch –Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II), so dass die B für Leistungen zuständig sei. Gerade deshalb kämen auch Leistungen nach dem SGB XII wohl derzeit nicht in Betracht. Auch hätten die Antragsteller bei ihr keine entsprechenden Anträge gestellt. Es lägen zudem keine Unterlagen zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor, so dass weder sie noch die B in der Lage seien, die Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB XII oder SGB II zu prüfen.
Die Antragsteller haben ärztliche Atteste von C2 vom 07.10.2005 sowie an die Antragstellerin zu 2) gerichtete Schreiben der AOK Rheinland vom 10.03.2005, 11.04.2005 und 17.10.2005 zu den Gerichtsakten gereicht. In dem Schreiben vom 10.03.2005 wurde mitgeteilt, dass die freiwillige Mitgliedschaft der Antragstellerin zu 2) bei der AOK Rheinland zum 15.01.2005 beendet worden sei und eine (erneute) freiwillige Versicherung weder dort noch bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse möglich sei.
Nachdem der Antragsteller zu 1) mitgeteilt hat, er sei am 14.10.2005 bei der B Rhein-Kreis O vorstellig geworden, hat das Gericht dort Nachfrage gehalten. Die B Rhein-Kreis O hat mit Schreiben vom 09.11.2005 die Vorsprache des Antragstellers zu 1) bestätigt. Ihm sei anlässlich der Vorsprache dargelegt worden, welche Unterlagen er von sich und seiner Frau zur Antragsaufnahme mitbringen müsse. Nach dieser ersten Vorsprache sei von Seiten des Antragstellers zu 1) keine weitere Kontaktaufnahme mehr erfolgt und ein Antrag bislang nicht gestellt worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Das Begehren der Antragsteller, ihnen "Krankenscheine auszustellen" hat das Gericht vorrangig als Antrag auf Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII aufgefasst (vgl. zum Ganzen Grube/Wahrendorf, SGB XII –Sozialhilfe-, 2005, § 48 Rdn. 5, wonach dem Hilfeempfänger die Hilfe bei Krankheit mittels eines "Krankenscheines" gewährt werden kann). Zuständiger Leistungsträger für die Ausstellung von Krankenscheinen ist der örtliche Träger der Sozialhilfe (§ 97 Abs. 1 SGB XII) und damit die Antragsgegnerin.
Eine einstweilige Anordnung gegen die Antragsgegnerin war nicht zu erlassen.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint (Regelungsanordnung).
Dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Gerichtlicher vorläufiger Rechtsschutz kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller sein Begehren nicht auf einfachere Art und Weise zumindest genauso schnell erreichen kann. In Vornahmesachen –wie der vorliegenden- muss sich der Antragsteller grundsätzlich zunächst erfolglos an die zuständige Behörde gewandt, d.h. dort zuvor vergeblich einen Antrag gestellt haben (vgl. Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, Kapitel V Rdn. 46). Soweit (noch) die Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichtes zur Verfügung zu stellen (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, vor § 51 Rdn. 16). Einen Antrag auf Ausstellung von Krankenscheinen bzw. Gewährung von Hilfen bei Krankheit im Sinne des § 48 Satz 1 SGB XII haben die Antragsteller bei der Antragsgegnerin bislang nicht gestellt. Entsprechende Antragsvorgänge sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den in der Sozialhilfe herrschenden Kenntnisgrundsatz (§ 18 SGB XII), wonach Sozialhilfe und damit eingeschlossen auch Hilfe bei Krankheit im Sinne des § 48 Satz 1 SGB XII von Amts wegen einsetzen, sobald der Sozialhilfebehörde bekannt wird, dass die Voraussetzungen für deren Gewährung vorliegen (Grube/Wahrendorf, aaO, § 18 Rdn. 3). Voraussetzung ist aber auch hierfür, dass der Sozialhilfeträger überhaupt Kenntnis von der Notlage, d.h. von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers erlangt. Nach den Verwaltungsakten ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller vor Erhebung des Eilantrages bei der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Gewährung von Krankenbeihilfe vorgesprochen bzw. nachgefragt oder ihre aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dort dargelegt haben. Etwas anderes kann ausnahmsweise u.a. gelten, wenn die Sache sehr eilig ist (vgl. Krasney/Udsching, aaO, Kapitel V Rdn. 46). Begründete Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Eilbedürftigkeit können im vorliegenden nicht gesehen werden. Insbesondere ergeben sich aus den eingereichten Attesten von C2 vom 7.10.2005 keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer akuten, keinen Aufschub duldenden Behandlungsbedürftigkeit der Antragsteller. Die Atteste enthalten eine bloße Aufzählung von Diagnosen ohne Feststellungen zu einer tatsächlich akuten Behandlungsbedürftigkeit. Ungeachtet des fehlenden Antrages dürfte in Bezug auf den Antragsteller zu 1) der Anwendungsbereich des SGB XII nicht eröffnet sein und es damit an einem Anordnungsanspruch für ihn gegen die Antragsgegnerin fehlen. Der Antragsteller zu 1) dürfte vielmehr unter den Anwendungsbereich nach dem SGB II fallen (dazu weiter unten).
Auch eine zu erwägende Gewährung von Krankenversicherungsschutz durch die B Rhein-Kreis O, insbesondere für den Antragsteller zu 1) (die auf Dauer voll erwerbsgeminderte Antragstellerin zu 2) dürfte als Antragsberechtigte im Sinne einer (erwerbsfähigen) Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 SGB II von vornherein ausscheiden), führt nicht zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Antrag der Antragsteller auf "Ausstellung von Krankenscheinen" dürfte über seinen Wortlaut hinaus nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung weitergehend dahin auszulegen sein, dass es dem Begehren der Antragsteller entspricht, Krankenversicherungsschutz überhaupt zu erlangen. Die Antragsgegnerin dürfte zudem zu Recht darauf hingewiesen haben, dass der Antragsteller zu 1) als erwerbsfähig anzusehen sein und damit grundsätzlich dem Anwendungsbereich des SGB II unterfallen dürfte. Nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 19.3.2004 liegt bei dem Antragsteller zu 1) ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich mittelschwere Arbeiten vor. Die in den Verwaltungsakten befindlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von C2 führen nicht zwingend zu einer anderen Sichtweise, da sich der Begriff der Arbeitsunfähigkeit allein auf die gesundheitliche Unfähigkeit bezieht, die zuletzt verrichtete Tätigkeit (vorübergehend) nicht verrichten zu können, Arbeitsunfähigkeit ist dagegen nicht mit (voller) Erwerbsminderung gleichzusetzen. Auch aus den zu den Streitakten S 37 SO 52/05 SG Düsseldorf gereichten ärztlichen Attesten ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte, da die Atteste zur Frage einer Erwerbsfähigkeit bzw. -minderung des Klägers keine Feststellungen enthalten. Der Antragsteller zu 1) hat aber nach Mitteilung der B Rhein-Kreis O dort bislang keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II –welche grundsätzlich auch eine Pflichtversicherung des Leistungsempfängers in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch –Gesetzliche Krankenversicherung- (SGB V) einschließen- gestellt. Die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II kann aber nur auf Antrag erfolgen (§ 37 Abs. 1 SGB II). Eine Leistungserbringung ist erst ab dem Zeitpunkt möglich, ab dem der erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen nach dem SGB II beantragt hat. Eine Leistungsgewährung von Amts wegen scheidet aus (vgl. zum Ganzen Eicher/Spellbrink, SGB II –Grundsicherung für Arbeitssuchende, 2005, § 37 Rdn. 1, 2). Insoweit ist es unzureichend, dass der Antragsteller zu 1.) bei der B Rhein-Kreis O am 14.10.2005 lediglich vorgesprochen hat.
Dem Antragsteller zu 1) kann daher nur dringend empfohlen werden, erneut bei der B Rhein-Kreis O vorzusprechen und dort einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II unter Vorlage der bereits von der B anlässlich der Vorsprache am 14.10.2005 angeforderten Unterlagen von ihm und der Antragstellerin zu 2) (als Bedarfsgemeinschaftsmitglied) zu stellen. Soweit er anspruchsberechtigt nach dem SGB II ist, schließen die zu bewilligenden Grundsicherungsleistungen –wie oben bereits dargestellt- auch Beiträge zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Aus der Pflichtversicherung des Leistungsempfängers kann sich weitergehend für Bedarfsgemeinschaftsmitglieder (Ehepartner, Kinder) die Möglichkeit der Familienversicherung nach § 10 SGB Abs. 1 SGB V ergeben, so dass ggf. die Antragstellerin zu 2) über diesen Weg wieder einen Krankenversicherungsschutz erlangen könnte.
Mit Blick auf den fehlenden Leistungsantrag des (erwerbsfähigen) Antragstellers zu 1) ist ein Anspruch für ihn nach dem SGB II offensichtlich nicht begründet. Die Antragstellerin zu 2) scheidet wegen fehlender Erwerbsfähigkeit von vornherein als Antragsberechtigte nach dem SGB II aus. Mangels Anordnungsanspruch der Antragsteller kommt daher eine einstweilige Anordnung gegen die B Rhein-Kreis O offensichtlich nicht in Betracht. Das Gericht hat vor diesem Hintergrund von einer (ggf. nach § 75 Abs. 2 SGG notwendigen) Beiladung der B Rhein-Kreis O zum Antragsverfahren abgesehen (vgl. hierzu BSG Urteil vom 18.3.1987 -9b RU 56/85-).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
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