L 5 KR 2351/05 W-A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2351/05 W-A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Streitwert für die Streichung der Produktuntergruppen im Hilfsmittelverzeichnis ist in Analogie zu § 50 Abs. 2 GKG zu bestimmen. Der Streitwert ist auf 5 % des Umsatzrückgangs des Lieferanten, bezogen auf einen 3-Jahreszeitraum, zu schätzen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens L 5 KR 5853/04 ER-B wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wandte sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die von den Antragsgegnern vorgenommene Fortschreibung der Produktgruppe 32 (Therapeutische Bewegungsgeräte) im Hilfsmittelverzeichnis (§ 128 Fünftes Sozialgesetzbuch -SGB V-).Die Antragsgegner hatten im Jahr 1996 fremdkraftbetriebene Bewegungsschienen in die Produktgruppe 32 des Hilfsmittelverzeichnisses aufgenommen. Nachdem Zweifel an deren therapeutischem Nutzen aufgekommen waren, wurde die Produktgruppe 32 geändert und einige Untergruppen ersatzlos gestrichen. Die Antragstellerin, die medizinische Präparate vertreibt und in der mobilen Krankenpflege tätig ist, hat im Jahr 2003 etwa 900 Patienten im ambulanten häuslichen Bereich mit CPM-Schienen versorgt und dabei mit Auslieferung, Betreuung und Kontrolle der Geräte nach eigenen Angaben insgesamt 458.000 EUR Gesamtumsatz erreicht, von welchen rund 70 % auf die gesetzliche Krankenversicherung entfielen. Nachdem verschiedene Krankenkassen gesetzlich Versicherten unter Hinweis auf das geänderte Hilfsmittelverzeichnis die Kostenübernahme von CPM-Schienen verweigert hatten, legte die Antragstellerin "Widerspruch" gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) ein, weil ihr die wirtschaftliche Grundlage entzogen werde. Die Antragstellerin wandte sich am 23.09.2004 mit einem Eilantrag und Klage an das Sozialgericht Freiburg (SG). Sie begehrte vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Aufhebung der Vollziehung der Entscheidung der Antragsgegner über die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses zu erreichen. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 25.11.2004 abgelehnt, der Beschwerde hat das SG nicht abgeholfen (Beschluss vom 13.01.2005). Die Beschwerde zum Landessozialgericht blieb erfolglos (Beschluss vom 18.05.2005).

II.

Da weder der Kläger und Berufungskläger noch die Beklagte und Berufungsbeklagte des Rechtsstreites Leistungsempfänger oder Behinderte sind, werden gemäß § 197 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit 2. Januar 2002 gültigen Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I, 2144) Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Nach §§ 52 Abs. 1, 47 GKG (in der gemäß den §§ 71 Abs. 1, 72 Nr. 1 GKG hier anzuwendenden seit 1. Juli 2004 geltenden Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes) bestimmt sich in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers/Beschwerdeführers. Es ist also auf das wirtschaftliche Interesse an der angestrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen abzustellen. Erstrecken sich die Auswirkungen auf eine längere Zeit, ist dies gebührend zu berücksichtigen (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6; SozR 3-1930 § 8 Nr. 1 jeweils noch zur alten Rechtslage bei entsprechender Anwendung des § 13 GKG).

Gemäß § 52 Abs. 2 GKG darf der Regelstreitwert von 5000 EUR nur dann angesetzt werden, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Betrifft der Antrag des Klägers dagegen eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Das gilt nach § 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG auch für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b SGG, wobei der Wert der Hauptsache nur dann anzusetzen ist, wenn die Bedeutung des vorläufigen Verfahrens dem Hauptverfahren gleichkommt; hat sie eine geringere Bedeutung, ist ein Bruchteil des Werts der Hauptsache anzunehmen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, § 53 GKG, Rdnr. 22 ff.)

Die Bedeutung der Sache liegt für die Antragstellerin nach eigenem Vortrag darin, dass ihr durch die Änderung des Hilfsmittelverzeichnisses und den damit verbundene Wegfall des Marktes der gesetzlich Krankenversicherten die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird. Die Auswirkungen gehen also weit über den konkret erzielbaren Jahresgewinn hinaus. Wie der Gesetzgeber entgangene Gewinnchancen von Firmen bewertet, lässt sich § 50 Abs. 2 GKG in der Fassung des KostRMoG entnehmen. Kommt ein Unternehmen bei der Vergabe eines Auftrags nicht zum Zug und unternimmt es hiergegen gerichtliche Schritte, beträgt der Streitwert 5% der Bruttoauftragssumme. Diesen Ansatz übernimmt der Senat. Er vermeidet aufwändige Ermittlungen zur (manchmal durch einmalige Faktoren bestimmten) Höhe des Gewinns. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 15.02.2005 den Jahresumsatz mit GKV-Versicherten für 2003 mit 318.000 EUR und für 2004 mit 277.000 EUR beziffert und durch Vorlage einer vorläufigen Bilanz glaubhaft gemacht. Der durchschnittlichen Jahresumsatz beträgt somit gerundet 300.000 EUR , 5% hiervon sind 15.000 EUR. Bei der Würdigung der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin darf nicht unbeachtete bleiben, dass die Auswirkungen des Rechtsstreits sich über längere Zeit erstrecken. Die Streichung der CPM-Schienen aus dem Hilfsmittelverzeichnis hat für die Antragstellerin nicht die Funktion des Verlustes eines einmaligen Auftrags oder einer ohnehin befristeten Tätigkeit, die Aufnahme dieser Schienen in das Hilfsmittelverzeichnis bildet für sie vielmehr die Basis für eine sich in die überschaubare Zukunft erstreckende Geschäftstätigkeit. Bei weit in die Zukunft hineinragenden Genehmigungen setzt der Senat entsprechend der neueren Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 01.09.2005,- B 6 KA 41/04 R) allgemein einen 3-Jahres-Zeitraum an. Dies ist gerechtfertigt, weil diese Genehmigungen wegen des damit verbundenen Vertrauensschutzes auch eine starke Rechtsposition beinhalten. In anderen Fällen, in denen die Rechtsposition weniger stark ausgeprägt ist oder - wie hier - sich sogar darin erschöpft, unverändert auf einem selbst gewählten Markt tätig sein zu können, geht der Senat von einem Zeitrahmen von zwei Jahren aus.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig die Hälfte des Gegenstandswertes des Hauptsacheverfahrens anzusetzen, da der einstweilige Rechtsschutz nur für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens Auswirkungen hat und in der Regel nicht die Hauptsache vorwegnehmen soll (Beschluss vom 9. November 2001 L 5 KA 1455/01 W-B; vgl. auch Knittel in: Hennig u. a., Kommentar zum SGG, § 193 Rdnr. 151). Dieser Pauschalabzug erübrigt Überlegungen, wie lange das Hauptsacheverfahren gedauert hätte.

Aus alledem ergibt sich hier ein Betrag in Höhe von 15.000 EUR (5% des Jahresumsatzes von 300.000 EUR multipliziert mit dem Faktor 2, hiervon die Hälfte) sodass der Streitwert in dieser Höhe festzusetzen ist.

III.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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