Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2040/05 KO-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 RJ 4141/05 KO-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Beschwerdebefugnis des Bezirksrevisors gegen Beschlüsse, die der Staatskasse Kosten für ein gem. § 109 SGG eingeholtes Gutachten auferlegen. Allein die nach einem Gutachten gem. § 109 SGG erfolgte Einholung eines Gutachtens von Amts wegen rechtfertigt nicht die Übernahme der Kosten des Gutachten gem. § 109 SGG.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 11. August 2005 aufgehoben.
Die Klägerin hat die Kosten des Gutachtens von Dr. R. vom 3. Dezember 2003 endgültig zu tragen.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nach den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Auch der Bezirksrevisor hat nach Auffassung des Senats eine Beschwerdebefugnis gegen Beschlüsse, welche Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens der Staatskasse auferlegen (so Pawlak, in: Hennig u. a., Kommentar zum SGG, § 109 Rdnr. 80; Roller, in: Hk-SGG, § 109 Rdnr. 28; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.01.2004, L 2 RJ 187/02 B, Breithaupt 2004, 561; Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 109 Rdnr. 22). Beschwerdeführer kann nicht nur der Beteiligte (vorliegend die Antragstellerin) sein, sondern auch ein Dritter, wenn eine Entscheidung gegen ihn ergangen ist und er dadurch beschwert wird. Durch die Kostentragungspflicht der Staatskasse ist diese aber unzweifelhaft in diesem Sinne beschwert.
Dem steht insbesondere der Grundsatz der Gewaltenteilung nicht entgegen. Zum einen ist der Zusammenhang mit der prozessleitenden Verfügung in dem Verfahren über die endgültige Kostentragungspflicht gelöst, da die Entscheidung - wie auch vorliegend - in aller Regel nach Abschluss des Verfahrens getroffen wird. Deswegen ist die Gefahr der Einflussnahme auf den gerichtlichen Entscheidungsprozess aus fiskalischen Gründen allenfalls gering. Zum anderen hat die Staatskasse auch bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Beschwerderecht aus fiskalischen Gründen (§ 127 Abs. 3 ZPO). Eine (ausdrückliche) Einschränkung der Beschwerdebefugnis ist ferner weder § 109 SGG noch § 172 Abs. 1 SGG zu entnehmen. Nach Auffassung des Senats besteht schließlich kein Wertungswiderspruch dazu, dass die Staatskasse nur die nachträgliche Entscheidung über die Kostenübernahme anfechten kann. Dass das Gericht nach seinem Ermessen berechtigt gewesen wäre, das Gutachten nach § 109 SGG ohne Kostenvorschuss einzuholen mit der Folge, dass die Staatskasse in jedem Fall die Kosten endgültig hätte tragen müssen, ist vielmehr zwangsläufige Folge des § 172 Abs. 2 SGG, wonach prozessleitende Verfügungen (im Gegensatz zu Beschlüssen) nicht anfechtbar sind.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat dem Antrag der Antragstellerin auf Übernahme der Kosten von Dr. R. auf die Staatskasse zu Unrecht stattgegeben.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG. Nach dieser Vorschrift kann die von einem Versicherten, Behinderten, Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Nach dem Gesetz steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Antragsteller endgültig auferlegt. Das vom SG ausgeübte Ermessen ist durch den Senat voll nachprüfbar, weil die Befugnis zur Ausübung dieses Ermessens durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergeht.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel des Antragstellers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Das ist zum Beispiel anzunehmen, wenn das Gutachten Grundlage eines für den Antragsteller günstigen Urteils, für einen günstigen Vergleich oder ein Anerkenntnis war. Eine Kostenübernahme scheidet dagegen regelmäßig aus, wenn das Gutachten nicht zu einem für den Kläger günstigen Ergebnis gekommen ist oder das Gericht der Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen nicht gefolgt ist.
Unter Heranziehung dieser Grundsätze können die Kosten des o. g. Gutachtens nicht auf die Staatskasse übernommen werden. Durch dieses Gutachten sind nämlich, gemessen am Prozessziel der Klägerin, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu erhalten, keine neuen Gesichtspunkte in das Verfahren eingebracht worden, die diesem Prozessziel förderlich gewesen wären. Der Gutachter hat vielmehr ein vollschichtiges Leistungsvermögen für allgemeine Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen bestätigt. Damit hat dieses Gutachten die Sachaufklärung nicht im Sinne des Prozesszieles der Antragstellerin gefördert.
Dass das Sozialgericht von Amts wegen noch ein nervenärztliches Gutachten eingeholt hat, ändert hieran nichts. Selbst wenn dies durch die Ausführungen im Gutachten von Dr. R. veranlasst worden ist, so hat auch dieses Gutachten ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestätigt, in dessen Folge die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.10.2004) und die Berufung (L 13 RJ 5024/04) von der Klägerin zurückgenommen wurde.
In derartigen Fällen rechtfertigt die Tatsache der späteren Einholung eines Gutachtens von Amts wegen die Übernahme der Kosten des ersten Gutachtens nicht (vgl. bereits Beschluss des LSG vom 10.04.1989, L 10 KoB 37/89 B). Denn darin allein liegt noch keine Sachaufklärung, diese erfolgt vielmehr erst durch die nachfolgenden Ermittlungen (so Beschluss des LSG vom 12. September 2005, L 8 SB 3347/05 KO-B). Das ist im Ergebnis auch deswegen gerechtfertigt, weil das sozialgerichtliche Verfahren nicht den Sinn hat, das isolierte Vorliegen oder Nichtvorliegen von Gesundheitsstörungen abzuklären, sondern es ist zur Durchsetzung möglicher Ansprüche geschaffen. Für die Frage eines Anspruches auf Rente wegen Erwerbsminderung ist letztlich allein entscheidungserheblich, ob und wie das Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist (Beschluss des LSG vom 13.09.1994 - L 10 KoB 128/94 B). Das hat das Gutachten von Dr. R. aber verneint.
Der Senat hat deswegen der Beschwerde stattgegeben.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Klägerin hat die Kosten des Gutachtens von Dr. R. vom 3. Dezember 2003 endgültig zu tragen.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nach den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Auch der Bezirksrevisor hat nach Auffassung des Senats eine Beschwerdebefugnis gegen Beschlüsse, welche Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens der Staatskasse auferlegen (so Pawlak, in: Hennig u. a., Kommentar zum SGG, § 109 Rdnr. 80; Roller, in: Hk-SGG, § 109 Rdnr. 28; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.01.2004, L 2 RJ 187/02 B, Breithaupt 2004, 561; Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 109 Rdnr. 22). Beschwerdeführer kann nicht nur der Beteiligte (vorliegend die Antragstellerin) sein, sondern auch ein Dritter, wenn eine Entscheidung gegen ihn ergangen ist und er dadurch beschwert wird. Durch die Kostentragungspflicht der Staatskasse ist diese aber unzweifelhaft in diesem Sinne beschwert.
Dem steht insbesondere der Grundsatz der Gewaltenteilung nicht entgegen. Zum einen ist der Zusammenhang mit der prozessleitenden Verfügung in dem Verfahren über die endgültige Kostentragungspflicht gelöst, da die Entscheidung - wie auch vorliegend - in aller Regel nach Abschluss des Verfahrens getroffen wird. Deswegen ist die Gefahr der Einflussnahme auf den gerichtlichen Entscheidungsprozess aus fiskalischen Gründen allenfalls gering. Zum anderen hat die Staatskasse auch bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Beschwerderecht aus fiskalischen Gründen (§ 127 Abs. 3 ZPO). Eine (ausdrückliche) Einschränkung der Beschwerdebefugnis ist ferner weder § 109 SGG noch § 172 Abs. 1 SGG zu entnehmen. Nach Auffassung des Senats besteht schließlich kein Wertungswiderspruch dazu, dass die Staatskasse nur die nachträgliche Entscheidung über die Kostenübernahme anfechten kann. Dass das Gericht nach seinem Ermessen berechtigt gewesen wäre, das Gutachten nach § 109 SGG ohne Kostenvorschuss einzuholen mit der Folge, dass die Staatskasse in jedem Fall die Kosten endgültig hätte tragen müssen, ist vielmehr zwangsläufige Folge des § 172 Abs. 2 SGG, wonach prozessleitende Verfügungen (im Gegensatz zu Beschlüssen) nicht anfechtbar sind.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat dem Antrag der Antragstellerin auf Übernahme der Kosten von Dr. R. auf die Staatskasse zu Unrecht stattgegeben.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG. Nach dieser Vorschrift kann die von einem Versicherten, Behinderten, Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Nach dem Gesetz steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Antragsteller endgültig auferlegt. Das vom SG ausgeübte Ermessen ist durch den Senat voll nachprüfbar, weil die Befugnis zur Ausübung dieses Ermessens durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergeht.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel des Antragstellers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Das ist zum Beispiel anzunehmen, wenn das Gutachten Grundlage eines für den Antragsteller günstigen Urteils, für einen günstigen Vergleich oder ein Anerkenntnis war. Eine Kostenübernahme scheidet dagegen regelmäßig aus, wenn das Gutachten nicht zu einem für den Kläger günstigen Ergebnis gekommen ist oder das Gericht der Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen nicht gefolgt ist.
Unter Heranziehung dieser Grundsätze können die Kosten des o. g. Gutachtens nicht auf die Staatskasse übernommen werden. Durch dieses Gutachten sind nämlich, gemessen am Prozessziel der Klägerin, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu erhalten, keine neuen Gesichtspunkte in das Verfahren eingebracht worden, die diesem Prozessziel förderlich gewesen wären. Der Gutachter hat vielmehr ein vollschichtiges Leistungsvermögen für allgemeine Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen bestätigt. Damit hat dieses Gutachten die Sachaufklärung nicht im Sinne des Prozesszieles der Antragstellerin gefördert.
Dass das Sozialgericht von Amts wegen noch ein nervenärztliches Gutachten eingeholt hat, ändert hieran nichts. Selbst wenn dies durch die Ausführungen im Gutachten von Dr. R. veranlasst worden ist, so hat auch dieses Gutachten ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestätigt, in dessen Folge die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.10.2004) und die Berufung (L 13 RJ 5024/04) von der Klägerin zurückgenommen wurde.
In derartigen Fällen rechtfertigt die Tatsache der späteren Einholung eines Gutachtens von Amts wegen die Übernahme der Kosten des ersten Gutachtens nicht (vgl. bereits Beschluss des LSG vom 10.04.1989, L 10 KoB 37/89 B). Denn darin allein liegt noch keine Sachaufklärung, diese erfolgt vielmehr erst durch die nachfolgenden Ermittlungen (so Beschluss des LSG vom 12. September 2005, L 8 SB 3347/05 KO-B). Das ist im Ergebnis auch deswegen gerechtfertigt, weil das sozialgerichtliche Verfahren nicht den Sinn hat, das isolierte Vorliegen oder Nichtvorliegen von Gesundheitsstörungen abzuklären, sondern es ist zur Durchsetzung möglicher Ansprüche geschaffen. Für die Frage eines Anspruches auf Rente wegen Erwerbsminderung ist letztlich allein entscheidungserheblich, ob und wie das Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist (Beschluss des LSG vom 13.09.1994 - L 10 KoB 128/94 B). Das hat das Gutachten von Dr. R. aber verneint.
Der Senat hat deswegen der Beschwerde stattgegeben.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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