L 22 KN 35/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 6 KN 96/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 KN 35/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 29. November 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung der Zeit ihrer Ausbildung zur Stenotypistin als rentenrechtliche Zeit und dementsprechend eine höhere Altersrente.

Die 1943 geborene Klägerin besuchte vom 01. September 1957 bis 30. Juni 1959 die gewerbliche Berufsschule in S und erlernte dort den Beruf der Stenotypistin. Diese Ausbildung hat sie erfolgreich mit der entsprechenden Facharbeiterprüfung abgeschlossen.

In dem Kontenklärungsantrag der Klägerin aus dem Jahre 1996 im Rahmen eines Versorgungsausgleichsverfahrens war diese Zeit von der Klägerin nicht als Beitragszeit bezeichnet worden und auch im SV-Ausweis nicht als solche vermerkt. Der Arbeitgeber L AG hat in einer Bescheinigung vom 13. August 1993 sozialversicherungspflichtige Bruttoverdienste der Klägerin ab 03. November 1959 mitgeteilt. Im Versicherungsverlauf vom 20. März 1997 war die Zeit von September 1957 bis Juni 1959 dementsprechend nicht verzeichnet.

Im Rentenantrag vom 16. Januar 2003 gab die Klägerin an, sie habe vom 01. September 1957 bis 30. Juni 1959 eine Berufsausbildung als Stenotypistin durchgeführt, für die Beiträge gezahlt worden seien. Belege für die Beitragszahlung waren entgegen den Angaben im Antrag nicht beigefügt.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 16. Juli 2003 Altersrente ab 01. Juli 2003, ohne dass die Zeit vom 01. September 1957 bis zum 30. Juni 1959 als versicherungsrechtliche Zeit berücksichtigt war.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 15. August 2003, mit dem die Klägerin geltend machte, diese Zeit sei auf Seite 4 ihres Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung eingetragen. Tatsächlich war dort unter der Sparte "Berufsausbildung" "Stenotypistin, Stenoschule Spremberg, 1957/1959, Abschlussjahr" verzeichnet.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2004 den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, es habe sich um eine schulische Ausbildung gehandelt und die Klägerin habe während dieser Ausbildung das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt.

Gegen diesen der Klägerin am 28. April 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid hat sich die am 27. Mai 2004 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, die die Klägerin damit begründet hat, es habe sich um eine Berufsausbildung mit Facharbeiterprüfung als Stenotypistin in der ABerufsschule in S und nicht um eine allgemeine Schulausbildung gehandelt.

Das Sozialgericht hat dem Begehren der Klägerin den Antrag entnommen,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2004 sowie unter Änderung des Bescheides vom 09. Juli 2004 zu verurteilen, die Zeit vom 01. September 1957 bis 30. Juni 1959 als Zeit der Berufsausbildung zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen und mit Bescheid vom 09. Juli 2004 die Rente (mit Entgeltpunkten [West]) neu festgestellt.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 29. November 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02. Dezember 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 20. Dezember 2004. Der Ausbildungsbetrieb sei die ABerufsschule in S gewesen und die Ausbildung habe am 01. September 1957 begonnen. Nachdem die Klägerin zunächst im Juni 1959 die Prüfung nicht bestanden habe, sei diese während der Tätigkeit im VEB B S am 12. Februar 1960 bestanden worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 29. November 2004 zu ändern und die Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2004 sowie unter Änderung des Bescheides vom 09. Juli 2004 zu verurteilen, die Zeit der Berufsausbildung vom 01. September 1957 bis 30. Juni 1959 als rentenrechtliche Zeit zu berücksichtigen und ihr dementsprechend eine höhere Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte der Beklagten zum Aktenzeichen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, somit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung der Zeit ihrer Ausbildung zur Stenotypistin als Beitragszeit oder Anrechnungszeit in der Gesetzlichen Rentenversicherung, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, und dementsprechend auch nicht auf höheres Altersruhegeld unter Berücksichtigung dieser Zeiten.

Die entsprechenden Bescheide der Beklagten und der dieses bestätigende Gerichtsbescheid des Sozialgerichts unterliegen daher keiner Beanstandung.

Die Anerkennung dieser Zeit als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - scheidet bereits daher aus, da die Klägerin im streitigen Zeitraum das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

Es liegt jedoch auch keine Beitragszeit gemäß § 248 Abs. 3 SGB VI vor, wonach den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08. Mai 1945 gleichstehen, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach den vor dem In-Kraft-Treten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind.

Abzustellen ist also auf das Recht der DDR, nach ihm müssten aufgrund gesetzlicher Vorschriften Beiträge gezahlt worden sein.

Das bedeutet, erstens muss nach dem Recht der DDR Beitragspflicht bestanden haben und zweitens müssen deshalb tatsächlich Beiträge gezahlt worden sein.

Hier fehlt es an beiden Voraussetzungen.

Zum einen kann die Klägerin selbst keine Nachweise über die Beiträge vorlegen und hat zunächst in ihrem Antrag auf Kontenklärung als Beginn der Beitragsentrichtung die Aufnahme der Tätigkeit beim Braunkohlekombinat angegeben. Diese Angaben der Klägerin erscheinen zutreffend, da für die Ausbildung zur Stenotypistin in Schulen im maßgebenden Zeitraum nach den Bestimmungen der DDR keine Versicherungspflicht bestand.

Nach der "Anordnung über die Ausbildung von Stenotypistinnen" vom 01. September 1953 (ZBl, Seite 507) sind mit Wirkung vom 01. Oktober 1953 zur Ausbildung von Stenotypistinnen spezielle Stenotypistinnenklassen an Berufsschulen eingerichtet worden. Die Ausbildung dauerte zwei Jahre und endete mit einer Fachprüfung und der Aushändigung des Fachzeugnisses. Den Teilnehmerinnen konnten Ausbildungsbeihilfen zwischen 25,00 DM und 60,00 DM monatlich gewährt werden. Die Teilnehmerinnen an den Stenotypistinnenlehrgängen unterlagen nicht der Versicherungspflicht in der Studentenversicherung (vgl. Versicherung und Beitragsrecht der Sozialversicherung in der DDR, zusammengestellt von Verwaltungsamtsrat Horst Weser, Stand: 01. Juni 1979, Seite 85). Die an die Stenotypistinnen gezahlten Ausbildungsbeihilfen waren beitragsfrei in der Sozialversicherung (vgl. Weser, a. a. O., Seite 348).

In Ermangelung entgegenstehender Nachweise ergibt sich daraus, dass für die Zeit vom 01. September 1957 bis 30. Juni 1959 für die Klägerin keine Beiträge abgeführt worden sind, da Versicherungspflicht aus den vorgenannten Erwägungen eben nicht bestand.

Die Zeit kann auch nicht als so genannte fiktive Beitragszeit gemäß § 247 Abs. 2 a SGB VI anerkannt werden. Nach § 247 Abs. 2 a SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung, in denen während der Zeit vom 01. Juni 1945 bis zum 30. Juni 1965 Personen als Lehrling oder zur ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeit jedoch unterblieb. Der Abs. 2 a des § 247 SGB VI setzt also voraus, dass für die Lehre beziehungsweise Berufsausbildung grundsätzlich Versicherungspflicht bestand. Es muss eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden sein, die ihrer Art nach kraft Gesetzes von der Versicherungspflicht erfasst wurde. Ob in der betreffenden Zeit nach dem seinerzeit geltenden Recht Versicherungspflicht bestand, ist rückschauend zu beurteilen (vgl. Kasseler Kommentar, Niesel, § 247 SGB VI Rdnr. 12). Schon das Bestehen der grundsätzlichen Versicherungspflicht ist im Fall der Klägerin aus den vorstehenden Erwägungen nicht gegeben.

Aus der Formulierung "grundsätzlich" kann auch nicht abgeleitet werden, dass eine der Art nach versicherungspflichtige Beschäftigung ausreicht. Denn aus der Gesetzesbegründung ist abzuleiten, dass § 247 Abs. 2 a SGB VI insbesondere die Fälle erfassen soll, in denen Beiträge trotz Versicherungspflicht nicht eingezogen worden waren (vgl. Kasseler Kommentar, a. a. O.). Dass die Voraussetzungen des Abs. 2 a erfüllt sind, wäre auch nachzuweisen. Eine Glaubhaftmachung reicht nicht aus. Nach den eigenen Angaben der Klägerin über eine Ausbildung in einer Stenoschule ist eine Versicherungspflicht der Klägerin in der fraglichen Zeit der Ausbildung zur Stenotypistin weder glaubhaft gemacht noch - erst recht nicht - nachgewiesen.

Im Übrigen stand die Klägerin auch nicht als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung im Sinne von § 247 Abs. 2 a SGB VI in einem Beschäftigungsverhältnis. Eine Beschäftigung liegt vor, wenn eine abhängige Beschäftigung in einem Betrieb auf der Grundlage eines Ausbildungsvertrags nach Art eines Arbeitnehmers eingegliedert und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist und Arbeitsentgelt bezieht (Kasseler Kommentar, Niesel, a. a. O., m. w. N.). Die Klägerin absolvierte die Ausbildung jedoch nicht in einem Betrieb, sondern auf der ABerufsschule in S. Diese Ausbildung erfolgte im Rahmen einer Vollbeschulung, so dass es sich nicht um eine Zeit der grundsätzlichen Versicherungspflicht gemäß § 247 Abs. 2 a SGB VI und auch nicht um eine Lehrzeit gemäß § 252 SGB VI handelte.

Deshalb wäre eine Anerkennung als Beitragszeit selbst dann nach Bundesrecht ausgeschlossen, wenn - was aber wie dargelegt nicht der Fall war - nach dem Recht der DDR Beitragspflicht bestanden hätte. Denn § 248 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 SGB VI bestimmt ausdrücklich, dass unter anderem Zeiten der Schulausbildung im Beitrittsgebiet keine Beitragszeiten sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG - und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der hierfür im Gesetz (§ 160 Abs. 2 SGG) bezeichneten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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