Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 344/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 40/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2005 wird zurück-gewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu zwei Dritteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob der Kläger in der Zeit vom 01. September 2004 bis zum 30. November 2005 Mitglied der Beklagten war; ausschlaggebend war, ob der Kläger die Mitgliedschaft wegen einer Beitragserhöhung kündigen konnte, die vor dem Beginn seiner Versicherung bei der Beklagten vorgenommen wurde.
Der Kläger, der bei der Techniker Krankenkasse Mitglied war, kündigte diese Versicherung zum 31. Mai 2004 und beantragte mit am 25. März 2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben die Mitgliedschaft bei dieser. In dem entsprechenden Formular gab er als Beginn der Mitgliedschaft den "01. Juni" ohne eine Jahreszahl an, dahinter befand sich ein Fragezeichen und der Vermerk, er wisse nicht genau, ab wann man ihn aus der Mitgliedschaft der Techniker Krankenkasse entlasse.
Die Beklagte hatte zu dieser Zeit einen Beitragssatz von 12,8 % und in der Ausgabe Nr. 1 Jahrgang 2004 ihres Kundenmagazins darauf hingewiesen, ihr Beitragssatz sei stabil. Mit Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 29. April 2004 jedoch wurden die Beitragssätze ab 01. Mai 2004 auf 13,5 % erhöht. Diese Erhöhung wurde durch Bescheid des Bundesversicherungsamtes - BVA - vom 30. April 2004 genehmigt.
Am 21. Juni 2004 kündigte der Kläger seine Mitgliedschaft zum 01. September 2004. Nunmehr sei ihm durch seinen Rentenversicherungsträger mitgeteilt worden, dass die Beitragssätze im Mai von 12,8 auf 13,5 % erhöht worden seien. Damit habe die Beklagte ihr Versprechen stabiler Beiträge gebrochen und unter diesen Umständen sei er nicht mehr bereit, bei ihr krankenversichert zu sein.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2004 bestätigte die Beklagte die Kündigung, teilte jedoch mit, dass ihrer Auffassung nach die 18-monatige Bindungsfrist nach der Ausübung des Wahlrechts einschlägig sei, so dass sie die Kündigung umdeute und die Krankenversicherung bei ihr zum 30. November 2005 beenden werde. Die erläuterte die Beklagte auf ein Schreiben des Klägers hin nochmals in einem Schreiben vom 08. Juli 2004.
Da der Kläger an seiner Auffassung festhielt, die Kündigung sei zum 01. September 2004 wirksam, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2004 den Widerspruch zurück. Da der Kläger erst ab dem 01. Juni 2004 bei der Beklagten krankenversichert gewesen sei, der neue Beitragssatz jedoch bereits ab 01. Mai 2004 gegolten habe, stehe fest, dass keine den Kläger betreffende Erhöhung des Beitragssatzes vorgelegen habe. Vielmehr habe der Beitragssatz von 13,5 % von Beginn der Versicherung des Klägers an bei der Beklagten vorgelegen.
Hiergegen hat sich die am 29. Oktober 2004 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Er hat seine Darlegungen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und gerügt, dass die Beitragserhöhung nicht durch persönliche Anschreiben an die einzelnen Betroffenen rechtzeitig bekannt gemacht worden sei. Er hat auch einen Schaden in Höhe der Differenz zwischen alten und neuen Beitragssätzen geltend gemacht.
Die Beklagte hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. April 2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Sonderkündigungsrecht zu, da während seiner Mitgliedschaft keine Erhöhung des Beitragssatzes erfolgt sei. Es liege auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vor, da die Beklagte nicht verpflichtet sei, jedes einzelne zukünftige Mitglied persönlich über die veränderten Beitragssätze zu unterrichten.
Gegen diesen dem Kläger am 20. April 2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich dessen Berufung vom 25. April 2005, mit der er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2005 zu ändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und festzustellen, dass seine Mitgliedschaft bei der Beklagten wirksam zum 01. September 2004 gekündigt wurde und die Beklagte zu verpflichten, die Differenz zwischen alten und neuen Beiträgen an ihn zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Kläger ist während des Berufungsverfahrens nach Ablauf der regulären 18-monatigen Kündigungsfrist am 30. November 2005 zum 01. Dezember 2005 auf seinen Antrag vom
3. November 2005 Mitglied bei der BKK A.T.U. geworden (Mitgliedsbescheinigung vom 15. November 2005).
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und den die Mitgliedschaft des Klägers betreffenden Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und somit insgesamt zulässig.
Die Berufung des Klägers ist jedoch – obwohl die Beklagte die Kündigungsbestätigung zum vom Kläger gewünschten Zeitpunkt mit unzutreffender Begründung abgelehnt hatte - nicht begründet.
Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ist während des Verfahrens aufgrund seiner Kündigung und seines Beitritts zur BKK A.T.U. am 30. November 2005 beendet worden, so dass der Rechtsstreit für die Zeit ab 01. Dezember 2005 erledigt ist. Jedoch auch für die Zeit zuvor konnte die Klage keinen Erfolg haben, weil der Kläger zunächst keine andere Krankenkasse gewählt hatte, so dass der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus im Ergebnis zutreffend war.
Nach § 175 Abs. 4 Satz 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) wird die Kündigung der Mitgliedschaft eines Versicherungspflichtigen nur wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedschaftsbescheinigung nachweist. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfte hierfür auch die Ausübung des Wahlrechts nach § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausreichen (BSG, Urteil vom 02. Dezember 2004, B 12 KR 23/04 R, II. 2. b.). Letztlich kann dies dahinstehen: Der Kläger hat erst am 03. November 2005 eine derartige Erklärung für die BKK A.T.U. mit Versicherungsbeginn 01. Dezember 2005 unterzeichnet und diese hat dementsprechend am 15. November 2005 die Mitgliedschaft bei ihr zum 01. Dezember 2005 bescheinigt.
Die genannte Regelung macht auch Sinn, da andernfalls Versicherungspflichtige durch Austritt aus einer Krankenkasse ohne dass zugleich der Eintritt in eine andere erfolgt, nicht Mitglied einer Krankenkasse wären.
Die Kündigung, zu deren Wirksamkeit also zwei Bedingungen Voraussetzung sind - nämlich Austritt aus der alten und Eintritt in die neue Kasse -, konnte demnach erst zum 30. November 2005 Rechtsfolgen entfalten.
Dem Kläger kann deshalb auch Schadenersatz - unabhängig von der Frage der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz – nicht zustehen, da das Verhalten der Beklagten für den Eintritt des angeblichen Schadens nicht (allein) kausal war. Auch wenn die Auffassung der Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung unzutreffend war, so hat der Kläger den Nichteintritt der anderen Voraussetzung der Wirksamkeit der Kündigung - Eintritt in eine andere Kasse - doch selbst zu vertreten.
Über die Erstattung von Mehraufwendungen (in Höhe von 3,58 EUR monatlich) kann der Senat allerdings nicht entscheiden, weil es sich insoweit um einen Schadenersatzanspruch handelt, für den die Zuständigkeit der Sozialgerichte nicht gegeben ist. Die Regelungen des Sozialversicherungsrechts - insbesondere des SGB V - geben insoweit keine Rechtsgrundlage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht billigem Ermessen, bei deren Ausübung der Senat sich daran orientiert, wer Veranlassung für den Rechtsstreit gegeben hat. Das war aber im Wesentlichen die Beklagte.
Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten hätte bei dessen entsprechendem Eintritt in eine andere Kasse nach seiner Kündigung bei der Beklagten geendet.
§ 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V lautet:
"Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte sind an die Wahl der Krankenkasse mindestens 18 Monate gebunden, wenn sie das Wahlrecht ab dem 01. Januar 2002 ausüben."
Der Kläger hat sein Wahlrecht nach dem 01. Januar 2002 ausgeübt, so dass grundsätzlich eine Bindung seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten von 18 Monaten bestand. Gerechnet vom Beginn der Mitgliedschaft am 01. Juni 2004 bedeutet dies, dass er nicht vor dem 30. November 2005 die Mitgliedschaft beenden konnte, es sei denn, ihm hätte ein anderer Kündigungsgrund zur Seite gestanden.
In Betracht kommt dafür das Sonderkündigungsrecht des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V. Danach kann die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des auf das In-Kraft-Treten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats gekündigt werden, wenn eine Krankenkasse den Beitragssatz erhöht. Bereits nach dem Wortlaut dieser Norm war das Sonderkündigungsrecht im Falle des Klägers gegeben. Die Krankenkasse hat ihren Beitragssatz erhöht und der Kläger hat die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des auf das In-Kraft-Treten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats gekündigt. Die Beitragserhöhung wurde zum 01. Mai 2004 wirksam, die Kündigung ging im Juni 2004 bei der Beklagten ein.
Für eine Auslegung dieser Vorschrift dahingehend, dass das Sonderkündigungsrecht dann nicht wirksam werde, wenn die Beitragserhöhung schon zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der Versicherte noch nicht versichert ist, sieht der Senat keinen Grund. Dies folgt zum einem daraus, dass die Wahl einer Krankenkasse und somit auch deren Wechsel eine einseitige Willenserklärung ist, zu deren Wirksamkeit es keiner konstitutiven Entscheidung der gewählten Krankenkasse über die Aufnahme als Mitglied bedarf (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 175 Rdnr. 9). Darüber hinaus kann diese Willenserklärung nur begrenzt widerrufen werden, da es eine Gestaltungserklärung ist, deren Widerruflichkeit nach Zugang grundsätzlich zu verneinen ist. Somit war der Kläger durch seine als Aufnahmeantrag im Formular der Beklagten bezeichnete Erklärung ab 01. Juni 2004 Mitglied bei der Beklagten und von der Beitragserhöhung in gleicher Art und Weise betroffen wie die Mitglieder, deren Versicherung bereits vorher begonnen hatte. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum ein derartiges "Wartemitglied" in Bezug auf § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V schlechter gestellt werden sollte als ein "Vollmitglied", dem das Sonderkündigungsrecht zweifelsfrei zusteht. Dies ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Diese verwendet nicht den Begriff "Mitglied", sondern den der "Mitgliedschaft". Nicht - nur - dem Mitglied steht das Sonderkündigungsrecht zu, sondern die "Mitgliedschaft" kann gekündigt werden. Auch wenn der Kläger aber (noch) kein (Voll)Mitglied der Beklagten war, so war doch seine Mitgliedschaft, wie dargelegt, wenn auch mit Wirkung für die Zukunft, bereits wirksam begründet.
Darüber hinaus widerspricht die von der Beklagten vorgenommene und vom Sozialgericht bestätigte Auslegung der genannten Vorschrift auch dem Willen des Gesetzgebers.
In der amtlichen Begründung zur Einführung des Sonderkündigungsrechts zum 01. Mai 1997 wird dargelegt, dass es ohne Bedeutung sei, ob das Mitglied von der Erhöhung der Beiträge unmittelbar betroffen werde (BT-Drucksache 13/5724 Seite 5). Auch wenn diese Regelung in der Folge geändert wurde, ist, wie dargelegt, auch dem neuen Wortlaut nicht zu entnehmen, dass die von der Beklagten und dem Sozialgericht, entgegen dem grammatikalischen Wortsinn, vorgenommene Auslegung nunmehr dem Willen des Gesetzgebers entspräche. An der Grundtatsache - Sonderkündigungsrecht bei Erhöhung der Mitgliedsbeiträge - hat sich durch die nachfolgenden Rechtsänderungen, auch wenn diese das Sonderkündigungsrecht eingeschränkt haben, nichts geändert.
Insgesamt stellt § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V auf eine Handlung der Krankenkasse - Erhöhung des Beitragssatzes - ab. Maßgeblich ist also nicht der Beginn der Mitgliedschaft. Die Frist des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V gibt das Kündigungsrecht denjenigen, die in dieser Frist von dem neu festgesetzten Beitragssatz betroffen sind.
Der Kläger wäre danach bei rechtzeitiger Wahl einer anderen Krankenkasse im Rechtsstreit erfolgreich gewesen. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte durch die im Rahmen der obigen Ausführungen unzutreffenden Bescheide Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und zudem in Ausübung ihrer Beratungspflicht auch nicht darauf hingewiesen hatte, dass für eine wirksame Beendigung der Mitgliedschaft auch die Wahl einer anderen Krankenkasse Voraussetzung war, ist es nicht gerechtfertigt, dem Kläger, der insoweit von der Beklagten in den Rechtsstreit gedrängt worden ist, einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte zu versagen.
Dem steht der Beschluss des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2004 (B 12 KR 24/04 R) nicht entgegen. Der dortige Kläger hatte zunächst eine andere Krankenkasse gewählt und dann während des Rechtsstreits eine Dritte Krankenkasse; er hatte durch die Wahl der Dritten Krankenkasse sein Wahlrecht verbraucht und hätte somit – für die Zwischenzeit – nicht mehr rückwirkend Mitglied der zunächst gewählten Krankenkasse werden können. Vorliegend hat der Kläger allein die BKK A.T.U. gewählt, diese Mitgliedschaft hätte ohne die fehlerhaften Bescheide der Beklagten früher beginnen können.
Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche, mit denen er – wie ausgeführt – vor den Sozialgerichten nicht erfolgreich sein kann, hätte seine Klage zu keinem Zeitpunkt in vollem Umfang Erfolg haben können. Der Senat hält dementsprechend nur einen Kostenerstattungsanspruch im Umfang von zwei Dritteln für angemessen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 SGG vorliegt. Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist dies ohnehin ausgeschlossen (§ 165 in Verbindung mit § 144 Abs. 4 SGG).
Tatbestand:
Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob der Kläger in der Zeit vom 01. September 2004 bis zum 30. November 2005 Mitglied der Beklagten war; ausschlaggebend war, ob der Kläger die Mitgliedschaft wegen einer Beitragserhöhung kündigen konnte, die vor dem Beginn seiner Versicherung bei der Beklagten vorgenommen wurde.
Der Kläger, der bei der Techniker Krankenkasse Mitglied war, kündigte diese Versicherung zum 31. Mai 2004 und beantragte mit am 25. März 2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben die Mitgliedschaft bei dieser. In dem entsprechenden Formular gab er als Beginn der Mitgliedschaft den "01. Juni" ohne eine Jahreszahl an, dahinter befand sich ein Fragezeichen und der Vermerk, er wisse nicht genau, ab wann man ihn aus der Mitgliedschaft der Techniker Krankenkasse entlasse.
Die Beklagte hatte zu dieser Zeit einen Beitragssatz von 12,8 % und in der Ausgabe Nr. 1 Jahrgang 2004 ihres Kundenmagazins darauf hingewiesen, ihr Beitragssatz sei stabil. Mit Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 29. April 2004 jedoch wurden die Beitragssätze ab 01. Mai 2004 auf 13,5 % erhöht. Diese Erhöhung wurde durch Bescheid des Bundesversicherungsamtes - BVA - vom 30. April 2004 genehmigt.
Am 21. Juni 2004 kündigte der Kläger seine Mitgliedschaft zum 01. September 2004. Nunmehr sei ihm durch seinen Rentenversicherungsträger mitgeteilt worden, dass die Beitragssätze im Mai von 12,8 auf 13,5 % erhöht worden seien. Damit habe die Beklagte ihr Versprechen stabiler Beiträge gebrochen und unter diesen Umständen sei er nicht mehr bereit, bei ihr krankenversichert zu sein.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2004 bestätigte die Beklagte die Kündigung, teilte jedoch mit, dass ihrer Auffassung nach die 18-monatige Bindungsfrist nach der Ausübung des Wahlrechts einschlägig sei, so dass sie die Kündigung umdeute und die Krankenversicherung bei ihr zum 30. November 2005 beenden werde. Die erläuterte die Beklagte auf ein Schreiben des Klägers hin nochmals in einem Schreiben vom 08. Juli 2004.
Da der Kläger an seiner Auffassung festhielt, die Kündigung sei zum 01. September 2004 wirksam, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2004 den Widerspruch zurück. Da der Kläger erst ab dem 01. Juni 2004 bei der Beklagten krankenversichert gewesen sei, der neue Beitragssatz jedoch bereits ab 01. Mai 2004 gegolten habe, stehe fest, dass keine den Kläger betreffende Erhöhung des Beitragssatzes vorgelegen habe. Vielmehr habe der Beitragssatz von 13,5 % von Beginn der Versicherung des Klägers an bei der Beklagten vorgelegen.
Hiergegen hat sich die am 29. Oktober 2004 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Er hat seine Darlegungen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und gerügt, dass die Beitragserhöhung nicht durch persönliche Anschreiben an die einzelnen Betroffenen rechtzeitig bekannt gemacht worden sei. Er hat auch einen Schaden in Höhe der Differenz zwischen alten und neuen Beitragssätzen geltend gemacht.
Die Beklagte hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. April 2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Sonderkündigungsrecht zu, da während seiner Mitgliedschaft keine Erhöhung des Beitragssatzes erfolgt sei. Es liege auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vor, da die Beklagte nicht verpflichtet sei, jedes einzelne zukünftige Mitglied persönlich über die veränderten Beitragssätze zu unterrichten.
Gegen diesen dem Kläger am 20. April 2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich dessen Berufung vom 25. April 2005, mit der er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2005 zu ändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und festzustellen, dass seine Mitgliedschaft bei der Beklagten wirksam zum 01. September 2004 gekündigt wurde und die Beklagte zu verpflichten, die Differenz zwischen alten und neuen Beiträgen an ihn zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Kläger ist während des Berufungsverfahrens nach Ablauf der regulären 18-monatigen Kündigungsfrist am 30. November 2005 zum 01. Dezember 2005 auf seinen Antrag vom
3. November 2005 Mitglied bei der BKK A.T.U. geworden (Mitgliedsbescheinigung vom 15. November 2005).
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und den die Mitgliedschaft des Klägers betreffenden Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und somit insgesamt zulässig.
Die Berufung des Klägers ist jedoch – obwohl die Beklagte die Kündigungsbestätigung zum vom Kläger gewünschten Zeitpunkt mit unzutreffender Begründung abgelehnt hatte - nicht begründet.
Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ist während des Verfahrens aufgrund seiner Kündigung und seines Beitritts zur BKK A.T.U. am 30. November 2005 beendet worden, so dass der Rechtsstreit für die Zeit ab 01. Dezember 2005 erledigt ist. Jedoch auch für die Zeit zuvor konnte die Klage keinen Erfolg haben, weil der Kläger zunächst keine andere Krankenkasse gewählt hatte, so dass der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus im Ergebnis zutreffend war.
Nach § 175 Abs. 4 Satz 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) wird die Kündigung der Mitgliedschaft eines Versicherungspflichtigen nur wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedschaftsbescheinigung nachweist. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfte hierfür auch die Ausübung des Wahlrechts nach § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausreichen (BSG, Urteil vom 02. Dezember 2004, B 12 KR 23/04 R, II. 2. b.). Letztlich kann dies dahinstehen: Der Kläger hat erst am 03. November 2005 eine derartige Erklärung für die BKK A.T.U. mit Versicherungsbeginn 01. Dezember 2005 unterzeichnet und diese hat dementsprechend am 15. November 2005 die Mitgliedschaft bei ihr zum 01. Dezember 2005 bescheinigt.
Die genannte Regelung macht auch Sinn, da andernfalls Versicherungspflichtige durch Austritt aus einer Krankenkasse ohne dass zugleich der Eintritt in eine andere erfolgt, nicht Mitglied einer Krankenkasse wären.
Die Kündigung, zu deren Wirksamkeit also zwei Bedingungen Voraussetzung sind - nämlich Austritt aus der alten und Eintritt in die neue Kasse -, konnte demnach erst zum 30. November 2005 Rechtsfolgen entfalten.
Dem Kläger kann deshalb auch Schadenersatz - unabhängig von der Frage der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz – nicht zustehen, da das Verhalten der Beklagten für den Eintritt des angeblichen Schadens nicht (allein) kausal war. Auch wenn die Auffassung der Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung unzutreffend war, so hat der Kläger den Nichteintritt der anderen Voraussetzung der Wirksamkeit der Kündigung - Eintritt in eine andere Kasse - doch selbst zu vertreten.
Über die Erstattung von Mehraufwendungen (in Höhe von 3,58 EUR monatlich) kann der Senat allerdings nicht entscheiden, weil es sich insoweit um einen Schadenersatzanspruch handelt, für den die Zuständigkeit der Sozialgerichte nicht gegeben ist. Die Regelungen des Sozialversicherungsrechts - insbesondere des SGB V - geben insoweit keine Rechtsgrundlage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht billigem Ermessen, bei deren Ausübung der Senat sich daran orientiert, wer Veranlassung für den Rechtsstreit gegeben hat. Das war aber im Wesentlichen die Beklagte.
Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten hätte bei dessen entsprechendem Eintritt in eine andere Kasse nach seiner Kündigung bei der Beklagten geendet.
§ 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V lautet:
"Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte sind an die Wahl der Krankenkasse mindestens 18 Monate gebunden, wenn sie das Wahlrecht ab dem 01. Januar 2002 ausüben."
Der Kläger hat sein Wahlrecht nach dem 01. Januar 2002 ausgeübt, so dass grundsätzlich eine Bindung seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten von 18 Monaten bestand. Gerechnet vom Beginn der Mitgliedschaft am 01. Juni 2004 bedeutet dies, dass er nicht vor dem 30. November 2005 die Mitgliedschaft beenden konnte, es sei denn, ihm hätte ein anderer Kündigungsgrund zur Seite gestanden.
In Betracht kommt dafür das Sonderkündigungsrecht des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V. Danach kann die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des auf das In-Kraft-Treten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats gekündigt werden, wenn eine Krankenkasse den Beitragssatz erhöht. Bereits nach dem Wortlaut dieser Norm war das Sonderkündigungsrecht im Falle des Klägers gegeben. Die Krankenkasse hat ihren Beitragssatz erhöht und der Kläger hat die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des auf das In-Kraft-Treten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats gekündigt. Die Beitragserhöhung wurde zum 01. Mai 2004 wirksam, die Kündigung ging im Juni 2004 bei der Beklagten ein.
Für eine Auslegung dieser Vorschrift dahingehend, dass das Sonderkündigungsrecht dann nicht wirksam werde, wenn die Beitragserhöhung schon zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der Versicherte noch nicht versichert ist, sieht der Senat keinen Grund. Dies folgt zum einem daraus, dass die Wahl einer Krankenkasse und somit auch deren Wechsel eine einseitige Willenserklärung ist, zu deren Wirksamkeit es keiner konstitutiven Entscheidung der gewählten Krankenkasse über die Aufnahme als Mitglied bedarf (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 175 Rdnr. 9). Darüber hinaus kann diese Willenserklärung nur begrenzt widerrufen werden, da es eine Gestaltungserklärung ist, deren Widerruflichkeit nach Zugang grundsätzlich zu verneinen ist. Somit war der Kläger durch seine als Aufnahmeantrag im Formular der Beklagten bezeichnete Erklärung ab 01. Juni 2004 Mitglied bei der Beklagten und von der Beitragserhöhung in gleicher Art und Weise betroffen wie die Mitglieder, deren Versicherung bereits vorher begonnen hatte. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum ein derartiges "Wartemitglied" in Bezug auf § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V schlechter gestellt werden sollte als ein "Vollmitglied", dem das Sonderkündigungsrecht zweifelsfrei zusteht. Dies ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Diese verwendet nicht den Begriff "Mitglied", sondern den der "Mitgliedschaft". Nicht - nur - dem Mitglied steht das Sonderkündigungsrecht zu, sondern die "Mitgliedschaft" kann gekündigt werden. Auch wenn der Kläger aber (noch) kein (Voll)Mitglied der Beklagten war, so war doch seine Mitgliedschaft, wie dargelegt, wenn auch mit Wirkung für die Zukunft, bereits wirksam begründet.
Darüber hinaus widerspricht die von der Beklagten vorgenommene und vom Sozialgericht bestätigte Auslegung der genannten Vorschrift auch dem Willen des Gesetzgebers.
In der amtlichen Begründung zur Einführung des Sonderkündigungsrechts zum 01. Mai 1997 wird dargelegt, dass es ohne Bedeutung sei, ob das Mitglied von der Erhöhung der Beiträge unmittelbar betroffen werde (BT-Drucksache 13/5724 Seite 5). Auch wenn diese Regelung in der Folge geändert wurde, ist, wie dargelegt, auch dem neuen Wortlaut nicht zu entnehmen, dass die von der Beklagten und dem Sozialgericht, entgegen dem grammatikalischen Wortsinn, vorgenommene Auslegung nunmehr dem Willen des Gesetzgebers entspräche. An der Grundtatsache - Sonderkündigungsrecht bei Erhöhung der Mitgliedsbeiträge - hat sich durch die nachfolgenden Rechtsänderungen, auch wenn diese das Sonderkündigungsrecht eingeschränkt haben, nichts geändert.
Insgesamt stellt § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V auf eine Handlung der Krankenkasse - Erhöhung des Beitragssatzes - ab. Maßgeblich ist also nicht der Beginn der Mitgliedschaft. Die Frist des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V gibt das Kündigungsrecht denjenigen, die in dieser Frist von dem neu festgesetzten Beitragssatz betroffen sind.
Der Kläger wäre danach bei rechtzeitiger Wahl einer anderen Krankenkasse im Rechtsstreit erfolgreich gewesen. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte durch die im Rahmen der obigen Ausführungen unzutreffenden Bescheide Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und zudem in Ausübung ihrer Beratungspflicht auch nicht darauf hingewiesen hatte, dass für eine wirksame Beendigung der Mitgliedschaft auch die Wahl einer anderen Krankenkasse Voraussetzung war, ist es nicht gerechtfertigt, dem Kläger, der insoweit von der Beklagten in den Rechtsstreit gedrängt worden ist, einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte zu versagen.
Dem steht der Beschluss des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2004 (B 12 KR 24/04 R) nicht entgegen. Der dortige Kläger hatte zunächst eine andere Krankenkasse gewählt und dann während des Rechtsstreits eine Dritte Krankenkasse; er hatte durch die Wahl der Dritten Krankenkasse sein Wahlrecht verbraucht und hätte somit – für die Zwischenzeit – nicht mehr rückwirkend Mitglied der zunächst gewählten Krankenkasse werden können. Vorliegend hat der Kläger allein die BKK A.T.U. gewählt, diese Mitgliedschaft hätte ohne die fehlerhaften Bescheide der Beklagten früher beginnen können.
Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche, mit denen er – wie ausgeführt – vor den Sozialgerichten nicht erfolgreich sein kann, hätte seine Klage zu keinem Zeitpunkt in vollem Umfang Erfolg haben können. Der Senat hält dementsprechend nur einen Kostenerstattungsanspruch im Umfang von zwei Dritteln für angemessen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 SGG vorliegt. Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist dies ohnehin ausgeschlossen (§ 165 in Verbindung mit § 144 Abs. 4 SGG).
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