S 6 KR 223/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Bayreuth (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 223/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 29. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2000 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in der ab 01. April 1999 ausgeübten Tätigkeit als Feuerwehrkommandant der Stadt C. in keinem abhängigen und damit Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Stadt C. steht. II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob der Kläger ab 01.04.1999 in seiner Tätigkeit als Feuerwehrkommandant der Stadt C. in einem abhängigen und damit Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Stadt C. steht. Am 29.07.1999 und am 01.03.2000 erfolgten seitens der Stadt C. an die Beklagte drei Meldungen zur Sozialversicherung mit dem Inhalt, dass der Kläger ab 01.04.1999 bei der Stadt C. mehrfach beschäftigt sei und dass in der Zeit vom 01.04.1999 bis 31.12.1999 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.763,00 DM erzielt worden sei. Mit Bescheid vom 29.02.2000 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger fest, dass er als Feuerwehrkommandant der Stadt C. in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu Letzterer stehe. Da er neben dieser geringfügig entlohnten Beschäftigung bei der Stadt C. noch eine mehr als geringfügige Hauptbeschäftigung bei der Kreissparkasse ausübe, bestehe nach §§ 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in der vom 01.04.1999 bis 31.03.2003 geltenden Fassung, 7 Abs. 1 Satz 2 SGB V, 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der Zeit vom 01.04.1999 bis 31.12.1999 in der geringfügig entlohnten Beschäftigung bei der Stadt C. Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Da ab 01.01.2000 mit dem in der Hauptbeschäftigung erzielten Arbeitsentgelt die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten werde, bestehe ab 01.01.2000 bezüglich der geringfügig entlohnten Beschäftigung bei der Stadt C. nur noch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 09.03.2000 Widerspruch. Zur Begründung führte er an, dass er zur Stadt C. in keinem weisungsgebundenen Beschäftigungsverhältnis stehe, da er als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in freier Abwägung und auf Grundlage des Bayer.Feuerwehrgesetzes handle und somit niemals an die Weisungen einer Kommune gebunden sei. Letzteres ergebe sich auch nicht daraus, dass die Stadt C. die Gerätschaften und die Einrichtungen zur Verfügung stelle und den Unterhalt dafür leiste. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2000 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA vom 16. und 17.11.1999, dem sich die Beklagte vollinhaltlich anschließe, Führungskräfte der Feuerwehren, unter anderem Kommandanten, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Mit seiner Klage zum Sozialgericht Bayreuth vom 09.10.2000 begehrt der Kläger weiterhin die Feststellung, dass seine Tätigkeit als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr C. nicht sozialversicherungspflichtig sei. Zur Begründung führt er an, dass eine Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorliege, da er von der Gemeinde C. nicht persönlich abhängig sei. So könne die Gemeinde kein Direktionsrecht ausüben, da er nicht weisungsgebunden sei und die Gemeinde gemäß Art. 1 Abs. 2 Bayer. Feuerwehrgesetz (BayFwG) nur zuständig sei für das Aufstellen der Feuerwehr und deren Unterhalt. Ein fachliches Weisungsrecht an den Kommandanten sei im Gesetz nicht vorgesehen und werde auch in der Praxis nicht ausgeübt. Das Gesetz sehe eine völlige Unabhängigkeit der Feuerwehr und seines Kommandanten vor, zumal keinerlei Eingriffsrechte des Gemeinderates bzw. des Bürgermeisters beständen und auch im Rahmen der Bestellung zum Kommandanten kein Mitspracherecht der Gemeinde bestände.

Die Bevollmächtigten des Klägers beantragen sinngemäß,unter Aufhebung des Bescheides vom 29.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2000 festzustellen, dass der Kläger in der ab 01.04.1999 ausgeübten Tätigkeit als Feuerwehrkommandant der Stadt C. in keinem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen BeschäftigungsVerhältnis zur Stadt C. steht.

Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten und der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 05.07.2005, die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 11.07.2005 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden, da die Beteiligten mit Schriftsatz vom 05.07.2005 und 11.07.2005 ihr Einverständnis dazu erteilt haben. Die gemäß §§ 51, 78, 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. In der Sache ist sie auch begründet, da der Kläger in seiner Tätigkeit als Feuerwehrkommandant der Stadt C. ab 01.04.1999 zu keinem Zeitpunkt in einem abhängigen und damit Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Stadt C. stand.
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist unter Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, zu verstehen. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 04.06.1998, Az. B 12 KR 5/97 R, SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 13; Urteil vom 12.02.2004, Az. B 12 KR 26/02 R, USK 2004/25) die Merkmale einer Beschäftigung und diejenigen einer selbstständigen Tätigkeit sowie die Grundsätze, nach denen die festgestellten Tatsachen gegeneinander abzuwägen sind, entwickelt. Danach setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert werden. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag. Der Feuerwehrkommandant übt im Gegensatz zum Kreisbrandrat, zum Kreisbrandinspektor und zum Kreisbrandmeister, welche in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis besonderer Art stehen (vgl. Endres/Forster/Pemler, Kommentar zum Bayer. Feuerwehrge¬setz, Art. 20 Rdnr. 2) und gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 2 Bayer. Feuerwehrgesetz (BayFwG) in ihrem dienstlichen Tätigkeitsbereich den Weisungen des Landrats unterstehen, ein kommunales Ehrenamt im Sinne von Art. 19 Bayer. Gemeindeordnung (BayGO) aus (vgl. Endres/Forster/Pemler, Kommentar zum Bayer. Feuerwehrgesetz, Art. 8 Rdnr. 2). Daraus resultieren nach Art. 20 BayGO Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflichten und nach Art. 20a BayGO ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, aber kein Weisungsrecht des Bürgermeisters bzw. eines Bediensteten der Gemeinde in der Hinsicht, wie der Feuerwehrkommandant seine Aufgaben zu verrichten hat. Somit besteht schon aus diesem Grund als auch aufgrund des Fehlens einer Art. 20 Abs. 1 Satz 2 BayFwG entsprechenden Vorschrift beim Feuerwehrkommandanten keine Weisungsgebundenheit und damit kein abhängiges und sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zur Stadt C ... Da der Feuerwehrkommandant zwar ehrenamtlich tätig ist, aber kein Ehrenbeamter der Gemeinde, hier der Stadt C., ist, ist auch schon aus diesem Grund vorliegend die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes von einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozesse von Ehrenbeamten, die über die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben auch zur weisungsgebundenen Wahrnehmung von das Bild ihrer Tätigkeit prägenden Verwaltungsaufgaben verpflichtet sind, nicht anwendbar. Auch aus den dem Feuerwehrkommandanten nach dem BayFwG obliegenden Aufgaben, nämlich unter anderem
- Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr
- Leitung der Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr
- Leitung der Ausbildung
- Ernennung der Mannschafts- und Führungsdienstgrade
- Aufnahme der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr
- Beratung der Gemeinde

ergibt sich kein Weisungsrecht des Bürgermeisters bzw. eines sonstigen Bediensteten der Gemeinde gegenüber dem Feuerwehrkommandanten bzw. eine irgend geartete Weisungsgebundenheit des Feuerwehrkommandanten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist nämlich nur ein ständiger Kontakt mit Bürgermeister und Gemeindeverwaltung einerseits und den Feuerwehrdienstleistenden andererseits sowie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihnen unerlässlich. Ein Weisungsrecht gegenüber dem Feuerwehrkommandanten bzw. eine Weisungsgebundenheit des Feuerwehrkommandanten resultiert auch nicht aus der Obliegenheit der Kommune, hier der Stadt C., die Einrichtung, den Unterhalt sowie den Betrieb des Feuerwehrwesens zu gewährleisten. Durch die Aufgabe "Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr" nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayFwG wird der Feuerwehrkommandant gesetzlich verpflichtet, bei der Gemeinde, hier der Stadt C., die Anschaffung oder Ersatzbeschaffung von notwendigen Fahrzeugen und Gerätschaften (vgl. Art. 1 Abs. 2 BayFwG) zu verlangen und durchzusetzen. Auch gehört die Aufsicht über die Pflege der Fahrzeuge, Geräte, Bekleidungs- und persönlichen Ausrüstungsgegenstände durch die Feuerwehrdienstleistenden zu seinen Pflichten (vgl. Endres/Forster/Pemler, Kommentar zum Bayer. Feuerwehrgesetz Art. 8 Rdnr. 51). Den genannten Pflichten könnte der Feuerwehrkommandant bei Bestehen eines Weisungsrechts bzw. einer Weisungsgebundenheit in keinster Weise nachkommen. Nach alledem stand der Kläger in seiner Tätigkeit als Feuerwehrkommandant ab 01.04.1999 zu keinem Zeitpunkt in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der Stadt C ... Da somit keine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der vom 01.04.1999 bis 31.03.2003 geltenden Fassung vorlag, war auch keine Zusammenrechnung mit der Hauptbeschäftigung des Klägers bei der Kreissparkasse nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in der vom 01.04.1999 bis 31.03.2003 geltenden Fassung veranlasst mit der Folge, dass die dem Kläger monatlich gewährte Aufwandsentschädigung nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung unterlag und dass der Klage in vollem Umfange stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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