L 2 RA 874/02

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 7 RA 123/00
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 RA 874/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 22. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der im Jahre 1953 geborene Kläger schloss im August 1972 eine Ausbildung zum "Facharbeiter für Holztechnik – Industrielle Möbelfertigung" erfolgreich ab. Später (Juni 1977) qualifizierte er sich zum Meister für Holztechnik.

Pflichtbeiträge wurden für ihn bis November 1991 abgeführt. Mit Wirkung vom 1. November 1991 meldete er ein Gewerbe für "Tischlerarbeiten, Fensterbau" an; seit diesem Tag ist er dementsprechend in die Handwerksrolle eingetragen. Im Juni 1992 beantragte er bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Thüringen die Befreiung von der Versicherungspflicht als Handwerker. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom September 1992 (genaues Datum nicht bekannt) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 stattgegeben.

Im Oktober 1998 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Dazu erklärte er, dass er seit 1997 an "Osteoporose, Bandscheiben" leide und seit dem 1. April 1998 arbeitsunfähig erkrankt sei.

Mit Bescheid vom 5. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Der Kläger habe in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.

Mit der beim Sozialgericht Suhl (später Sozialgericht Meiningen) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, ihm sei nicht klar gewesen, dass er keinen Anspruch auf Rente habe, wenn er keine Beiträge zahle. Er habe niemals einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht an die Beklagte gestellt, sondern lediglich seine Beitragszahlungen eingestellt. – Nachdem sich im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens herausgestellt hatte, dass er im Juni 1992 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt hatte, hat er vorgetragen, er habe keinen Hinweis bezüglich des Anspruchs auf "BU-Rente" bekommen, sonst hätte er sich anders entschieden.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 22. Juli 2002 die Klage abgewiesen und in den Urteilsgründen näher dargelegt, dass für einen Rentenanspruch des Klägers die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlen. Hinsichtlich der behaupteten fehlerhaften Beratung durch die Beklagte hat das Sozialgericht näher begründet, weshalb es die Darstellung des Klägers nicht für glaubhaft hält.

Die dagegen im Oktober 2002 eingelegte Berufung hat der Kläger zunächst nicht begründet, weil er anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wolle. Seit April 2003 ist er anwaltlich vertreten. Er hat nunmehr vorgetragen, der Befreiungsbescheid der LVA Thüringen sei ihm nie zugegangen. Deshalb habe er die darin stehende Belehrung über die Risiken bei Beendigung der Versicherungspflicht nicht zur Kenntnis nehmen können. Da ihm der Bescheid nicht zugegangen sei, liege eine Verletzung der Auskunftspflicht vor. Er sei nunmehr so zu stellen, als ob er ordnungsgemäß beraten worden wäre.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 22. Juli 2002 sowie den Bescheid vom 5. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Oktober 1998 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält daran fest, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Ihres Erachtens ist die Rechtslage in dem angefochtenen Bescheid und dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend dargestellt.

Ergänzend wird auf den wesentlichen Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung liegen unbedenklich vor.

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Meiningen hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen; dem Kläger steht ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu.

Vorab wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -). Lediglich ergänzend und zusammenfassend ist Folgendes auszuführen:

Ob die Beklagte als Rentenversicherungsträger im vorliegenden Fall überhaupt zuständig ist (und nicht etwa die LVA Thüringen), kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls aus materiell-rechtlichen Gründen kein Anspruch besteht.

§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sah in der hier noch anzuwendenden alten Fassung vor, dass eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nur gewährt wird, wenn der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Zutreffend hat die Vorinstanz als frühestmöglichen Eintritt der Berufsunfähigkeit den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 1. April 1998 angenommen – dies ist auch nicht streitig. Für die fünf Jahre vor Eintritt der Berufsunfähigkeit hat der Kläger die Zahlung von Pflichtbeiträgen nicht einmal behauptet.

Der Kläger kann aber auch nicht nachträglich so gestellt werden, als hätte er Pflichtbeiträge ordnungsgemäß entrichtet. Dies ist insbesondere auch nicht über das von der Rechtsprechung entwickelte Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches möglich. Dieser Herstellungsanspruch setzt nämlich voraus, dass ein Versicherungsträger seine Beratungspflicht verletzt hat. Die Beratungspflicht kann jedoch nur dann verletzt werden, wenn der Versicherungsträger überhaupt um Beratung gebeten wurde. Der Kläger behauptet aber auch nicht, dass er jemals die Beklagte um Beratung in seinem konkreten Falle gebeten hat.

Im Übrigen teilt das erkennende Gericht die Ansicht der Vorinstanz, dass der Vortrag des Klägers nicht glaubhaft ist. Mit Schriftsatz vom 29. März 2000 hat der Kläger noch geltend gemacht, dass er einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nicht gestellt habe. Nachdem aber ermittelt worden war, dass er im Juni 1992 bei der LVA doch einen Befreiungsantrag gestellt hatte, hat er diese Antragstellung in seinem Schriftsatz vom 20. Juni 2001 nicht mehr abgestritten, sondern nunmehr behauptet, er habe keinen "Hinweis bezüglich des Anspruchs auf BU-Rente bekommen".

Sofern der Kläger in seinem Schriftsatz vom 29. März 2000 nur mitteilen wollte, er habe keinen Befreiungsantrag "an die BfA" gestellt, ist seine Mitteilung in hohem Maße irreführend. Spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2001 hätte er klarstellen müssen, dass er bei der LVA einen Befreiungsantrag gestellt hatte. Denn bei diesem Termin wurde die Verhandlung nur deswegen vertagt, um etwaige Vorgänge bei der LVA zu ermitteln.

Erst mit Schriftsatz vom 1. Mai 2003 wird der Zugang des Bescheides über die Befreiung von der Versicherungspflicht bestritten. Dies ist jedoch nicht glaubhaft. Der Zugang dieses Bescheides ist von weitreichender Bedeutung. Auch bei laienhaften Rechtskenntnissen musste sich der Kläger deshalb nach der späteren Zusendung einer Kopie dieses Bescheides durch das Sozialgericht veranlasst sehen, umgehend darauf hinzuweisen, dass ihm dieser Bescheid unbekannt war. In seinem Schriftsatz vom 20. Juni 2001 findet sich ein solcher Hinweis aber nicht, und auch in der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2002 hat er offensichtlich Entsprechendes nicht vorgetragen. Erst in der Berufungsbegründung, die nach fast sieben Monaten nach Einlegung der Berufung vorgelegt wurde, wird der Zugang des Bescheides überhaupt bestritten.

Sollte es tatsächlich so sein, dass der Kläger den Bescheid nicht erhalten hat, ist ihm vorzuhalten, dass er zwar einen Antrag gestellt, sich aber nicht um dessen weiteres Schicksal gekümmert hat. Auch wenn er rechtlich nicht versiert war, musste er wissen, dass ein rentenrechtlicher Antrag vom Versicherungsträger auch bearbeitet und in irgendeiner Form auch beschieden werden musste. Falls er sich nach Antragstellung nicht mehr um die Angelegenheit gekümmert hat, ist dies allein sein Verschulden.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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