Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 (4) RA 232/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 247/05
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung im Wege eines Summenbescheides.
Der am 00.00.1968 geborene Kläger hat im Jahre 1996 ein Gewerbe als Bodenleger, Kabelverleger, Holz- und Bautenschutzbetrieb, Einbau von genormten Baufertigteilen sowie Entrümpelungen angemeldet.
Nachdem der für ihn tätige Beigeladene zu 3.) auf einer Baustelle angetroffen worden war, führte das Hauptzollamt B ab November 2000 umfangreiche Ermittlungen gegen den Kläger. Die vom Hauptzollamt informierte Beklagte gelangte nach Auswertung zahlreicher beim Kläger aufgefundener Rechnungen, Terminkalender und Stundenzettel zum Ergebnis, dass der Kläger in der Zeit seit Februar 1994 jedenfalls die Beigeladenen zu 1.) bis 7.) beschäftigt hatte. Sie teilte dem Kläger mit Schreiben vom 07.03.2002 unter ausführlicher Darlegung der Berechnungen mit, dass sie per Summenbescheid Beiträge iHv 321.161,08 Euro nachfordern werde, wenn der Kläger keine prüffähigen Lohnunterlagen vorlege sowie sämtliche Beschäftigten und Auftraggeber lückenlos benenne.
Der Kläger wandte hiergegen ein, er habe als Bauleiter lediglich Aufzeichnungen für Dritte geführt, die ihrerseits die fraglichen Beigeladenen beschäftigt und entlohnt hätten. Er selbst habe nur "zeitweilig" eine Aushilfe beschäftigt und im Übrigen auf Studenten zurückgegriffen, von denen er geglaubt habe, dass sie nicht der Beitragspflicht unterlägen.
Nach Anhörung der Beigeladenen zu 1) und 2.) erließ die Beklagten am 11.03.2003 den angekündigten Bescheid, in dem sie eine Nachforderung von insgesamt 263.187,53 Euro (Beiträge 180.503, 17 Euro und Säumniszuschläge 82.684,36 Euro) für die Zeit vom 01.02.1994 bis 31.12.2000 geltend machte. Sie führte unter Vorlage umfangreicher Berechnungen aus, sie habe - ausgehend von regional üblichen Stundenlöhnen zwischen 10.- DM und 25.- DM - einen durchschnittlichen Stundenlohn von 15.- DM zugrunde gelegt und im Übrigen die Eigenleistung des Klägers mit 150 Stunden monatlich veranschlagt. Der Vortrag des Klägers, er habe lediglich als Bauleiter fungiert, sei durch nichts bewiesen, zumal der Kläger auch auf Aufforderung keine entsprechenden prüffähigen Unterlagen vorgelegt und seine Auftraggeber nicht benannt habe. Verjährung sei nicht eingetreten, da der Kläger die Beiträge vorsätzlich vorenthalten habe.
Seinen am 15.04.2003 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger nach mehrfacher Aufforderung sowie nach Einsichtnahme in die Akten der Beklagten damit, dass die veranschlagten Arbeitsstunden den tatsächlichen Arbeitsanfall weit überstiegen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 04.11.2003 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 08.12.2003 erhobene Klage.
Der Kläger rügt, dass die Beklagte ihm nicht hinreichend Gelegenheit dazu gegeben habe, die Tatsachengrundlage ihrer Vorwürfe zu prüfen. Im Übrigen hätten ihn teilweise Bekannte als Freundschaftsdienst bei der Arbeit unterstützt, teilweise auch studentische Hilfskräfte. Eine Reihe der von ihm aufgezeichneten Leistungen habe er in Polen mit der Hilfe dort ansässiger Beschäftigter erbracht. Die Beklagte habe weiter seine Eigenleistung zu niedrig veranschlagt; so habe er regelmäßig bis zu 80 Stunden in der Woche gearbeitet. Schließlich sprächen seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse dagegen, dass er jemals die von der Beklagten veranschlagten Beträge umgesetzt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte und die ebenfalls beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Aachen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 64 Abs. 3 1.Alt Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die Beitragsnachforderung zu Recht im Wege eines Summenbescheides geltend gemacht.
Nach § 28 f Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28 d SGB IV) von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht (§ 28 f Abs. 1 SGB IV) nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dies gilt nach § 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Soweit der prüfende Sozialversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese nach § 28 f Abs. 2 Satz 3 SGB IV zu schätzen. Dabei ist nach § 28 f Abs. 2 Satz 4 SGB IV für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mitzuberücksichtigen.
Die Vorschrift soll verhindern, dass Arbeitgeber sich durch Verletzung der Aufzeichnungspflicht den Beitragspflichten zu entziehen. In prozessualer Hinsicht ist es für eine Beanstandung des Summenbescheides durch ein Gericht erforderlich, dass ein Vorgehen nach § 28 f Abs. 2 SGB VI zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens bei einer Gesamtwürdigung der Summenbescheid für die Beklagte als unverhältnismäßig erscheinen musste und deshalb eine personenbezogene Feststellung der Beiträge geboten war (BSG, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 12/01 R = NZS 2002, 593 ff).
Die Beklagte konnte bei Erlass des Widerspruchsbescheides von der Zulässigkeit eines Summenbescheides ausgehen.
Der Kläger hat seine Aufzeichnungspflicht nach § 28 f Abs. 1 SGB IV verletzt. Er hat nachweislich keine Unterlagen geführt, die den in § 28 f Abs. 1 und 1 a SGB IV genannten Anforderungen genügen. Zwar wäre er hierzu nicht verpflichtet gewesen, wenn er niemals Dritte beschäftigt hätte, jedoch hat er nachweislich - und von ihm selbst eingeräumt - Dritte beschäftigt. Dies gilt auch angesichts seines Vortrags, er sei davon ausgegangen, dass keine Beiträge zu zahlen seien, denn § 28 f Abs. 1 SGB IV soll gerade auch die entsprechende Prüfung durch die Einzugsstelle ermöglichen. Verschulden ist nicht erforderlich (vgl. nur Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 28 f SGB IV, Rn 7).
Die Feststellung personenbezogener Beiträge war nicht nur - wie vom Gesetz vorausgesetzt - mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden, sondern wurde der Beklagten dadurch unmöglich gemacht, dass der Kläger die mehrfach angeforderten detaillierten Angaben nur in einem solch geringen Umfang gemacht hat, dass es einer Verweigerung seiner Mitwirkung am Verfahren gleichkommt.
Die wesentlichen Aufklärungsschwierigkeiten bestanden darin, dass der Kläger die Namen derjenigen, die aus Sicht der Beklagten als Beschäftigte in Betracht kommen mussten, nur unvollständig festgehalten hat. Dasselbe gilt hinsichtlich der geleisteten Arbeitsstunden. Die Beklagte hat nachweislich über einen längeren Zeitraum versucht, diese Unstimmigkeiten mit dem Kläger zu klären. Sie hat dem Kläger (der nach allgemeinen Regeln die materielle Beweislast dafür trägt, dass eine personenbezogene Zuordnung ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, Seewald, aaO, Rn 8) die maßgeblichen Umstände dargelegt und auch die Vorlage von Rechnungen an Auftraggeber etc angeregt. Es wurden verschiedene Gespräche mit dem Kläger geführt, der daraufhin stets genauere Nachweise und Darlegungen angekündigt, dies jedoch nur höchst bruchstückweise in die Tat umgesetzt hat. Vielmehr hat er durch seine Prozessbevollmächtigte erwidern lassen, die meisten Ansprüche gegen Auftraggeber seien inzwischen "aufgrund mangelnder Organisation" verjährt.
Auch die Voraussetzungen für die Schätzung der Gesamtlohnsumme sind erfüllt, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der Ermittlung des ortsüblichen Arbeitsentgelts von unzutreffenden Werten ausgegangen ist.
Für die weitere inhaltliche Frage nach der Rechtmäßigkeit der im Summenbescheid geltend gemachten Forderung gilt im Wesentlichen dasselbe wie für die Zulässigkeit des Summenbescheides als solchen: Jedenfalls aus der Perspektive der Beklagten im Widerspruchsverfahren sprach mehr dafür als dagegen, dass der Kläger die Beigeladenen zu 1.) bis 7.) beschäftigt iSd § 7 SGB IV hat.
Fehler bei der Berechnung der Säumniszuschläge (§ 24 Abs. 1, 23 SGB IV) sind nicht ersichtlich. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verjährt. Im vorliegenden Fall ist die 30-jährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einschlägig, da der Kläger die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat. Für diesen Tatbestand genügt bedingter Vorsatz (BSG, Urteil vom 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R = SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Er liegt idR vor, wenn - wie hier - für das gesamte typische Arbeitsentgelt überhaupt keine Beiträge abgeführt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG. Da weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz genannten Personen gehören, werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben, § 197 a Satz 1 SGG: Die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung, statt dessen sind die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend anzuwenden. Nach § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterlegene Teil die Kosten des Verfahrens. Dies sind im vorliegenden Fall die Gerichtskosten und die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Seite.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung im Wege eines Summenbescheides.
Der am 00.00.1968 geborene Kläger hat im Jahre 1996 ein Gewerbe als Bodenleger, Kabelverleger, Holz- und Bautenschutzbetrieb, Einbau von genormten Baufertigteilen sowie Entrümpelungen angemeldet.
Nachdem der für ihn tätige Beigeladene zu 3.) auf einer Baustelle angetroffen worden war, führte das Hauptzollamt B ab November 2000 umfangreiche Ermittlungen gegen den Kläger. Die vom Hauptzollamt informierte Beklagte gelangte nach Auswertung zahlreicher beim Kläger aufgefundener Rechnungen, Terminkalender und Stundenzettel zum Ergebnis, dass der Kläger in der Zeit seit Februar 1994 jedenfalls die Beigeladenen zu 1.) bis 7.) beschäftigt hatte. Sie teilte dem Kläger mit Schreiben vom 07.03.2002 unter ausführlicher Darlegung der Berechnungen mit, dass sie per Summenbescheid Beiträge iHv 321.161,08 Euro nachfordern werde, wenn der Kläger keine prüffähigen Lohnunterlagen vorlege sowie sämtliche Beschäftigten und Auftraggeber lückenlos benenne.
Der Kläger wandte hiergegen ein, er habe als Bauleiter lediglich Aufzeichnungen für Dritte geführt, die ihrerseits die fraglichen Beigeladenen beschäftigt und entlohnt hätten. Er selbst habe nur "zeitweilig" eine Aushilfe beschäftigt und im Übrigen auf Studenten zurückgegriffen, von denen er geglaubt habe, dass sie nicht der Beitragspflicht unterlägen.
Nach Anhörung der Beigeladenen zu 1) und 2.) erließ die Beklagten am 11.03.2003 den angekündigten Bescheid, in dem sie eine Nachforderung von insgesamt 263.187,53 Euro (Beiträge 180.503, 17 Euro und Säumniszuschläge 82.684,36 Euro) für die Zeit vom 01.02.1994 bis 31.12.2000 geltend machte. Sie führte unter Vorlage umfangreicher Berechnungen aus, sie habe - ausgehend von regional üblichen Stundenlöhnen zwischen 10.- DM und 25.- DM - einen durchschnittlichen Stundenlohn von 15.- DM zugrunde gelegt und im Übrigen die Eigenleistung des Klägers mit 150 Stunden monatlich veranschlagt. Der Vortrag des Klägers, er habe lediglich als Bauleiter fungiert, sei durch nichts bewiesen, zumal der Kläger auch auf Aufforderung keine entsprechenden prüffähigen Unterlagen vorgelegt und seine Auftraggeber nicht benannt habe. Verjährung sei nicht eingetreten, da der Kläger die Beiträge vorsätzlich vorenthalten habe.
Seinen am 15.04.2003 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger nach mehrfacher Aufforderung sowie nach Einsichtnahme in die Akten der Beklagten damit, dass die veranschlagten Arbeitsstunden den tatsächlichen Arbeitsanfall weit überstiegen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 04.11.2003 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 08.12.2003 erhobene Klage.
Der Kläger rügt, dass die Beklagte ihm nicht hinreichend Gelegenheit dazu gegeben habe, die Tatsachengrundlage ihrer Vorwürfe zu prüfen. Im Übrigen hätten ihn teilweise Bekannte als Freundschaftsdienst bei der Arbeit unterstützt, teilweise auch studentische Hilfskräfte. Eine Reihe der von ihm aufgezeichneten Leistungen habe er in Polen mit der Hilfe dort ansässiger Beschäftigter erbracht. Die Beklagte habe weiter seine Eigenleistung zu niedrig veranschlagt; so habe er regelmäßig bis zu 80 Stunden in der Woche gearbeitet. Schließlich sprächen seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse dagegen, dass er jemals die von der Beklagten veranschlagten Beträge umgesetzt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte und die ebenfalls beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Aachen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 64 Abs. 3 1.Alt Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die Beitragsnachforderung zu Recht im Wege eines Summenbescheides geltend gemacht.
Nach § 28 f Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28 d SGB IV) von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht (§ 28 f Abs. 1 SGB IV) nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dies gilt nach § 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Soweit der prüfende Sozialversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese nach § 28 f Abs. 2 Satz 3 SGB IV zu schätzen. Dabei ist nach § 28 f Abs. 2 Satz 4 SGB IV für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mitzuberücksichtigen.
Die Vorschrift soll verhindern, dass Arbeitgeber sich durch Verletzung der Aufzeichnungspflicht den Beitragspflichten zu entziehen. In prozessualer Hinsicht ist es für eine Beanstandung des Summenbescheides durch ein Gericht erforderlich, dass ein Vorgehen nach § 28 f Abs. 2 SGB VI zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens bei einer Gesamtwürdigung der Summenbescheid für die Beklagte als unverhältnismäßig erscheinen musste und deshalb eine personenbezogene Feststellung der Beiträge geboten war (BSG, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 12/01 R = NZS 2002, 593 ff).
Die Beklagte konnte bei Erlass des Widerspruchsbescheides von der Zulässigkeit eines Summenbescheides ausgehen.
Der Kläger hat seine Aufzeichnungspflicht nach § 28 f Abs. 1 SGB IV verletzt. Er hat nachweislich keine Unterlagen geführt, die den in § 28 f Abs. 1 und 1 a SGB IV genannten Anforderungen genügen. Zwar wäre er hierzu nicht verpflichtet gewesen, wenn er niemals Dritte beschäftigt hätte, jedoch hat er nachweislich - und von ihm selbst eingeräumt - Dritte beschäftigt. Dies gilt auch angesichts seines Vortrags, er sei davon ausgegangen, dass keine Beiträge zu zahlen seien, denn § 28 f Abs. 1 SGB IV soll gerade auch die entsprechende Prüfung durch die Einzugsstelle ermöglichen. Verschulden ist nicht erforderlich (vgl. nur Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 28 f SGB IV, Rn 7).
Die Feststellung personenbezogener Beiträge war nicht nur - wie vom Gesetz vorausgesetzt - mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden, sondern wurde der Beklagten dadurch unmöglich gemacht, dass der Kläger die mehrfach angeforderten detaillierten Angaben nur in einem solch geringen Umfang gemacht hat, dass es einer Verweigerung seiner Mitwirkung am Verfahren gleichkommt.
Die wesentlichen Aufklärungsschwierigkeiten bestanden darin, dass der Kläger die Namen derjenigen, die aus Sicht der Beklagten als Beschäftigte in Betracht kommen mussten, nur unvollständig festgehalten hat. Dasselbe gilt hinsichtlich der geleisteten Arbeitsstunden. Die Beklagte hat nachweislich über einen längeren Zeitraum versucht, diese Unstimmigkeiten mit dem Kläger zu klären. Sie hat dem Kläger (der nach allgemeinen Regeln die materielle Beweislast dafür trägt, dass eine personenbezogene Zuordnung ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, Seewald, aaO, Rn 8) die maßgeblichen Umstände dargelegt und auch die Vorlage von Rechnungen an Auftraggeber etc angeregt. Es wurden verschiedene Gespräche mit dem Kläger geführt, der daraufhin stets genauere Nachweise und Darlegungen angekündigt, dies jedoch nur höchst bruchstückweise in die Tat umgesetzt hat. Vielmehr hat er durch seine Prozessbevollmächtigte erwidern lassen, die meisten Ansprüche gegen Auftraggeber seien inzwischen "aufgrund mangelnder Organisation" verjährt.
Auch die Voraussetzungen für die Schätzung der Gesamtlohnsumme sind erfüllt, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der Ermittlung des ortsüblichen Arbeitsentgelts von unzutreffenden Werten ausgegangen ist.
Für die weitere inhaltliche Frage nach der Rechtmäßigkeit der im Summenbescheid geltend gemachten Forderung gilt im Wesentlichen dasselbe wie für die Zulässigkeit des Summenbescheides als solchen: Jedenfalls aus der Perspektive der Beklagten im Widerspruchsverfahren sprach mehr dafür als dagegen, dass der Kläger die Beigeladenen zu 1.) bis 7.) beschäftigt iSd § 7 SGB IV hat.
Fehler bei der Berechnung der Säumniszuschläge (§ 24 Abs. 1, 23 SGB IV) sind nicht ersichtlich. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verjährt. Im vorliegenden Fall ist die 30-jährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einschlägig, da der Kläger die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat. Für diesen Tatbestand genügt bedingter Vorsatz (BSG, Urteil vom 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R = SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Er liegt idR vor, wenn - wie hier - für das gesamte typische Arbeitsentgelt überhaupt keine Beiträge abgeführt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG. Da weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz genannten Personen gehören, werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben, § 197 a Satz 1 SGG: Die §§ 184 bis 195 SGG finden keine Anwendung, statt dessen sind die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend anzuwenden. Nach § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterlegene Teil die Kosten des Verfahrens. Dies sind im vorliegenden Fall die Gerichtskosten und die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Seite.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved