Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
56
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 AS 127/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom 2.12.2005 gegen den Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin vom 29.11.2005 aufschiebende Wirkung hat. 2. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
Der Antrag auf Feststellung, dass der Widerspruch des Antragstellers (ASt.) vom 2.12.2005 gegen den Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin (AG.) vom 29.11.2005 aufschiebende Wirkung hat, ist zulässig und auch begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorläufiger Rechtsschutz ist in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift jedoch auch dann statthaft, wenn es um die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs geht, weil die Behörde diesem zu Unrecht keine aufschiebende Wirkung beigemessen hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rn. 5, 15).
So liegt der Fall hier. Der Widerspruch des ASt. gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29.11.2005 hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG hinsichtlich der Erstattungsforderung aufschiebende Wirkung, was von der AG. jedoch in Abrede gestellt wird. Mit diesem Bescheid hat die AG. die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Vergangenheit teilweise zurückgenommen und die Erstattung der entsprechenden Beträge gefordert. Auch wenn die Erstattungspflicht in dem Bescheid nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, ergibt sich doch aus der Tatsache, dass konkrete Beträge benannt und Hinweise zur Zahlungsweise gegeben werden, dass der Bescheid auch das Erstattungsverlangen der AG. umfasst, was schließlich auch dadurch bestätigt wird, dass der ASt. mittlerweile eine Zahlungsmitteilung erhalten hat.
Die vom Gesetzgeber in § 86a Abs. 1 SGG grundsätzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage im Bereich des Sozialrechts entfällt hinsichtlich des Erstattungsbescheides nicht gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - (vgl. Conradis in LPK-SGB II, § 39 Rn. 7; SG Hamburg 15.11.2005 – S 55 AS 1397/05 ER; SG Hamburg 16.11.2005 – S 53 AS 1293/05 ER; a.A.: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rn. 3 und 12; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 Rn. 44). Nach den genannten Vorschriften hat der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Auch wenn der Wortlaut insoweit nicht eindeutig ist, kann ein Erstattungsbescheid nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) von dieser Regelung nicht erfasst sein. Ein Erstattungsbescheid entscheidet nämlich allein über eine Rückleistung, die von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ebenso verschieden ist wie ein übergegangener Anspruch. Die Tatsache, dass § 39 SGB II letzteren gesondert aufzählt, ersteren hingegen nicht, spricht demnach dafür, dass Erstattungsforderungen von dieser Sondervorschrift nicht erfasst sind.
Hinzu kommt, dass § 39 SGB II als Ausnahme von der Regel des § 86a Abs. 1 SGG eng auszulegen ist, was auch der Rechtslage in anderen Bereichen des Sozialrechts entspricht, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung beigemessen wird (vgl. Keller a.a.O., § 86a Rn. 14 f.). Die grundsätzliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nämlich Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Wenn der Gesetzgeber hiervon abweichend in bestimmten Bereichen die sofortige Vollziehung als Regel und die Aussetzung des Vollzugs als Ausnahme vorsieht, ist dies daher verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn er aufgrund einer vorgezogenen, generalisierenden Interessenabwägung davon ausgehen darf, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Individualinteresse an einer Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich überwiegt (vgl. BVerfG 24.4.1974 – 2 BvR 236, 245, 308/74 – BVerfGE 37, 150). Für den Bereich der Leistungen des SGB II dürfte der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, dass Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich schnellstmöglich umgesetzt und insbesondere notwendige Eingliederungsmaßnahmen nicht durch die Erhebung von Rechtsbehelfen verzögert werden sollen (vgl. BT-Drucks. 14/5943 S. 31 zu § 336a SGB III). Diese Erwägungen treffen auf Rückforderungen jedoch nicht zu. Eine besondere Eilbedürftigkeit der Vollziehung ist hier – auch im Vergleich mit den anderen Bereichen des Sozialrechts – nicht erkennbar. Im Gegenteil dürfte der betroffene Personenkreis in der Regel nicht über die Mittel zur sofortigen Rückzahlung verfügen, sodass es sachgerecht ist, wenn eine Klärung der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung vor ihrer Vollziehung erfolgt. In besonderen Ausnahmefällen hat die AG. die Möglichkeit, nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung des Erstattungsbescheides anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
Der Antrag auf Feststellung, dass der Widerspruch des Antragstellers (ASt.) vom 2.12.2005 gegen den Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin (AG.) vom 29.11.2005 aufschiebende Wirkung hat, ist zulässig und auch begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorläufiger Rechtsschutz ist in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift jedoch auch dann statthaft, wenn es um die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs geht, weil die Behörde diesem zu Unrecht keine aufschiebende Wirkung beigemessen hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rn. 5, 15).
So liegt der Fall hier. Der Widerspruch des ASt. gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29.11.2005 hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG hinsichtlich der Erstattungsforderung aufschiebende Wirkung, was von der AG. jedoch in Abrede gestellt wird. Mit diesem Bescheid hat die AG. die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Vergangenheit teilweise zurückgenommen und die Erstattung der entsprechenden Beträge gefordert. Auch wenn die Erstattungspflicht in dem Bescheid nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, ergibt sich doch aus der Tatsache, dass konkrete Beträge benannt und Hinweise zur Zahlungsweise gegeben werden, dass der Bescheid auch das Erstattungsverlangen der AG. umfasst, was schließlich auch dadurch bestätigt wird, dass der ASt. mittlerweile eine Zahlungsmitteilung erhalten hat.
Die vom Gesetzgeber in § 86a Abs. 1 SGG grundsätzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage im Bereich des Sozialrechts entfällt hinsichtlich des Erstattungsbescheides nicht gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - (vgl. Conradis in LPK-SGB II, § 39 Rn. 7; SG Hamburg 15.11.2005 – S 55 AS 1397/05 ER; SG Hamburg 16.11.2005 – S 53 AS 1293/05 ER; a.A.: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rn. 3 und 12; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 Rn. 44). Nach den genannten Vorschriften hat der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Auch wenn der Wortlaut insoweit nicht eindeutig ist, kann ein Erstattungsbescheid nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) von dieser Regelung nicht erfasst sein. Ein Erstattungsbescheid entscheidet nämlich allein über eine Rückleistung, die von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ebenso verschieden ist wie ein übergegangener Anspruch. Die Tatsache, dass § 39 SGB II letzteren gesondert aufzählt, ersteren hingegen nicht, spricht demnach dafür, dass Erstattungsforderungen von dieser Sondervorschrift nicht erfasst sind.
Hinzu kommt, dass § 39 SGB II als Ausnahme von der Regel des § 86a Abs. 1 SGG eng auszulegen ist, was auch der Rechtslage in anderen Bereichen des Sozialrechts entspricht, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung beigemessen wird (vgl. Keller a.a.O., § 86a Rn. 14 f.). Die grundsätzliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nämlich Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Wenn der Gesetzgeber hiervon abweichend in bestimmten Bereichen die sofortige Vollziehung als Regel und die Aussetzung des Vollzugs als Ausnahme vorsieht, ist dies daher verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn er aufgrund einer vorgezogenen, generalisierenden Interessenabwägung davon ausgehen darf, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Individualinteresse an einer Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich überwiegt (vgl. BVerfG 24.4.1974 – 2 BvR 236, 245, 308/74 – BVerfGE 37, 150). Für den Bereich der Leistungen des SGB II dürfte der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, dass Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich schnellstmöglich umgesetzt und insbesondere notwendige Eingliederungsmaßnahmen nicht durch die Erhebung von Rechtsbehelfen verzögert werden sollen (vgl. BT-Drucks. 14/5943 S. 31 zu § 336a SGB III). Diese Erwägungen treffen auf Rückforderungen jedoch nicht zu. Eine besondere Eilbedürftigkeit der Vollziehung ist hier – auch im Vergleich mit den anderen Bereichen des Sozialrechts – nicht erkennbar. Im Gegenteil dürfte der betroffene Personenkreis in der Regel nicht über die Mittel zur sofortigen Rückzahlung verfügen, sodass es sachgerecht ist, wenn eine Klärung der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung vor ihrer Vollziehung erfolgt. In besonderen Ausnahmefällen hat die AG. die Möglichkeit, nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung des Erstattungsbescheides anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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HAM
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