L 23 B 1080/05 SO

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 3/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 1080/05 SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Beschwerden der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Oktober 2005 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nicht zulässig. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen.

Gründe:

I.

Die Beklagten wenden sich gegen die Entscheidung über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht Potsdam begehrt der Kläger als örtlicher Sozialhilfeträger von den Beklagten einen – teilweisen - Ausgleich seiner Aufwendungen für Leistungen an Antragsberechtigte in stationären Einrichtungen nach dem Gesetz über bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz - GSiG).

Das beklagte Land gewährte den Kommunen für die durch die Übertragung der Aufgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung entstandenen Mehrbelastungen eine Zuwendung in Höhe von 65 v. H. der nachgewiesenen Aufwendungen durch Verrechnung mit zuviel gezahlten Abschlägen für Sozialhilfeleistungen. Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit von den Beklagten über den ihm durch diese Verrechnung bereits gewährten Betrag hinaus eine zusätzliche Zuweisung in Höhe von jeweils 235.765,62 EUR sowohl für das Kalenderjahr 2003 als auch für das Kalenderjahr 2004, weil seine Aufwendungen für Grundsicherungsleistungen entsprechend höher gewesen seien; die geltend gemachten Beträge stellten 65 v. H. der tatsächlichen Aufwendungen des Klägers dar.

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Potsdam den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig erklärt. Erstattungsbeziehungen zwischen einem örtlichen und einem überörtlichen Träger der Sozialhilfe seien Angelegenheiten der Sozialhilfe, und zwar auch dann, wenn Rechtsgrundlage für die Leistungen, deren Erstattung begehrt werde, weder das Bundessozialhilfegesetz noch das Sozialgesetzbuch-Sozialhilfe (SGB XII) sei. Das Erstattungsverhältnis werde allein von den sozialhilferechtlichen Vorschriften des § 4 Abs. 2 Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz (AG-BSHG) und § 100 Abs. 1 Nr. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geprägt.

Mit ihren Beschwerden begehren die Beklagten die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Potsdam. Es handele sich um eine Rechtsstreitigkeit des kommunalen Finanzausgleichs. Für derartige Streitigkeiten sei die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben. Die vom Kläger begehrten Zahlungen für die Kalenderjahre 2003/2004 könnten weder aus dem GSiG noch aus dem Brandenburgischen Gesetz zur Ausführung des BSHG hergeleitet werden. Das AG-BSHG sei lediglich die gesetzliche Grundlage für eine Kostenerstattung des Landes an die örtlichen Träger der Sozialhilfe für die Durchführung der den öffentlichen Trägern der Sozialhilfe durch Landesgesetz übertragenen Aufgaben. Die Aufgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung seien den Kommunen nicht durch Landes-, sondern durch Bundesgesetz übertragen.

II.

Der Rechtsstreit war gemäß § 98 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an das Verwaltungsgericht Potsdam zu verweisen. Denn der Sozialrechtsweg ist nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe. Um eine solche handelt es sich vorliegend aber nicht.

Zwar sind von dem Begriff "Sozialhilfe" im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG auch Streitigkeiten nach dem GSiG erfasst (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – B 9b SF 4/05 R – zitiert nach JURIS) und es gilt die seit dem 1. Januar 2005 begründete Zuständigkeit der Sozialgerichte für Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe auch für solche Verfahren, die nicht unmittelbar Leistungsansprüche von Hilfebedürftigen, sondern die Erstattung von im Zusammenhang mit Sozialhilfeleistungen entstandenen Kosten betreffen (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Juni 2005 – 4 OB 193/05 – zitiert nach JURIS; OVG Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2005 – OVG 6 L 104/05 – GA Blatt 83 ff.). Bei der vorliegenden Klage handelt es sich aber nicht um eine Streitigkeit zwischen Sozialhilfeträgern über die Erstattung von im Zusammenhang mit Sozialhilfeleistungen – in konkreten Sozialhilfefällen - entstandenen Kosten, sondern um einen Streit über die finanzielle Ausstattung eines Landkreises zum Ausgleich besonderer Belastungen im Bereich der sozialen Grundsicherung.

Rechtsgrundlage ist insbesondere nicht § 4 Abs. 2 AG-BSHG Brandenburg, wonach das Land den Landkreisen zum Ausgleich der Kosten, die den örtlichen Trägern durch die Übertragung der sachlichen Zuständigkeit nach § 2 AG-BSHG entstehen, die angemessenen und notwendigen Aufwendungen erstattet. Bei den Leistungen nach dem GSiG handelt es sich nicht um Aufgaben, die gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG dem überörtlichen Träger oblagen und gemäß § 2 Abs. 2 AG-BSHG vom örtlichen Träger der Sozialhilfe als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrgenommen wurden. Der örtliche Träger der Sozialhilfe, der Kreis oder die kreisfreie Stadt war vielmehr gemäß § 4 Abs. 1 GSiG - alleiniger - Träger der Grundsicherung. Von der Ermächtigung zu einer Übertragung der Zuständigkeit auf den überörtlichen Träger der Sozialhilfe gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 GSiG ist im Land Brandenburg kein Gebrach gemacht worden. Aus diesem Grund kommt auch § 103 BSHG, wonach der überörtliche dem örtlichen Träger der Sozialhilfe unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten eines Aufenthalts in einer Anstalt zu erstatten hat, als Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Wie ausgeführt war das beklagte Land nicht (überörtlicher) Träger von Grundsicherungsleistungen.

Der Kläger stützt seinen Anspruch, mit dem er auch nicht eine Erstattung seiner vollen Kosten, sondern lediglich eine Erstattung in Höhe von 65 v. H. begehrt, auch nicht auf diese Vorschriften. Seiner Auffassung nach ist Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch eine schriftliche Aussage des seinerzeit zuständigen Ministers, die er als Zusicherung der Landesregierung wertet, die aufgrund des GSiG vom Land eingesparten Sozialleistungen an die örtlichen Sozialhilfeträger weiterzugeben. Diese Zusicherung sei im Lichte des Artikels 97 Abs. 3 der Brandenburger Verfassung auszulegen. Die Landesregierung habe mit ihrer Zusage für eine verfassungsgemäße Finanzausstattung der Landkreise und kreisfreien Städte Sorge tragen wollen. Der Kläger macht somit keinen Erstattungsanspruch i.S.d. § 4 Abs. 2 AG-BSHG geltend, in dessen Rahmen es auf die Angemessenheit und Notwendigkeit der vom kommunalen Träger getätigten Aufwendungen ankommen würde, und der wegen dieser Überprüfung der sozialhilferechtlichen Notwendigkeit vor der für das Rechtsgebiet der Sozialhilfe zuständigen Gerichtsbarkeit anhängig zu machen wäre.

Der Kläger macht vielmehr einen Anspruch auf Ausgleich seiner Belastungen, die ihm durch die bundesgesetzliche Verpflichtung zur Übernahme von Grundsicherungsleistungen entstanden sind, geltend. Hierbei handelt es sich der Sache nach um einen Anspruch auf kommunalen Finanzausgleich. Ansprüche auf kommunalen Finanzausgleich wegen besonderer Belastungen im Bereich der sozialen Grundsicherung finden grundsätzlich eine gesetzliche Regelung in § 15 des Gesetzes über den allgemeinen Finanzausgleich mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Land Brandenburg (Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz – BbgFAG) und in den für das jeweilige Haushaltsjahr geltenden Gesetzen zur Regelung der Zuweisungen des Landes Brandenburg an die Gemeinden und Landkreise (GFG 2002/2003 vom 18. Dezember 2001, GVBl. I S. 306; GFG 2004 vom 17. Dezember 2003, GVBl. I S. 331).

Es handelt sich mithin um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht als dem Verwaltungsgericht ausdrücklich zugewiesen ist. Zulässig ist danach gem. § 40 Verwaltungsgerichtsordnung der Verwaltungsrechtsweg.

Die Streitsache war gem. § 98 SGG i. V. m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Potsdam zu verweisen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 98 Satz 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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