Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 KR 1899/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 34/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. April 2005 aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 11.147,13 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 2000 und 4 % Zinsen aus 68,56 EUR vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2004 zu zahlen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 4. Der Streitwert wird auf 11.147,13 EUR festgesetzt. 5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit sind die Erstattung von 11.147,13 EUR und die Verzinsung dieses Betrages ab 1. Juli 2000 sowie des Betrages von 68,56 EUR vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2004 in Höhe von jeweils 4 %.
Die Beklagte nahm den Versicherten L. auf Grund des mit ihm im Verfahren des Sozialgerichts S 22 KR 521/97 am 5. Oktober 1999 geschlossenen Vergleiches rückwirkend ab 25. Januar 1996 als freiwilliges Mitglied auf. Die Klägerin zahlte hierfür die Beiträge. Zuvor hatte sie am 24. Juni 1999 die durch die stationäre Behandlung des Versicherten im Allgemeinen Krankenhaus (AK) B. vom 22. Oktober bis 20. Dezember 1998 in Höhe von 27.832,20 DM entstandenen Kosten bezahlt.
Am 7. Dezember 1999 (Schreiben vom 3. Dezember 1999) machte die Klägerin, die vom Vergleich vom 5. Oktober 1999 noch am Tage seines Abschlusses erfahren hatte, gegenüber der Beklagten insgesamt die Erstattung von Krankenhauskosten vom 7. März 1996 bis 12. Oktober 1999 in Höhe von 192.674,12 DM geltend, von denen auf die stationäre Behandlung des Versicherten im AK B. vom 22. Oktober bis 20. Dezember 1998 27.832,20 DM entfielen. Die Beklagte teilte ihr unter dem 15. Juni 2000 mit, dass eine Erstattung auf Grund des § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erst ab dem 8. Dezember 1998 erfolgen könne, und bat darum, ihr eine Kostenaufstellung ab diesem Datum zu übersenden.
Am 17. August 2000 (Schreiben vom 15. August 2000) meldete die Klägerin für den Krankenhausaufenthalt vom 8. bis 20. Dezember 1998 Kosten in Höhe von 6.030,31 DM an. Diese Kosten erstattete die Beklagte am 12. Oktober 2000.
Am 4. Dezember 2003 begehrte die Klägerin von der Beklagten unter Bezugnahme auf den Antrag vom 7. Dezember 1999 die Erstattung der Kosten, die sie vom 25. Januar 1996 bis 7. Dezember 1998 für den Versicherten aufgewendet habe. Sie bat die Beklagte, bis zum 17. Dezember 2003 schriftlich auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, andernfalls Klage erhoben werde. Die Beklagte könne sich nicht auf die Präklusion nach § 111 SGB X berufen.
Die Klägerin hat, nachdem sich die Beklagte nicht geäußert hatte, am 23. Dezember 2003 Klage erhoben und die Erstattung der Krankenhauskosten vom 22. Oktober 1998 bis 7. Dezember 1998 in Höhe von 21.801,89 DM (11.147,13 EUR) sowie pauschaler Krankenscheinkosten für das Quartal IV/1998 in Höhe von 134,09 DM (68,56 EUR) begehrt. Die Beklagte hat die Forderung von 68,56 EUR anerkannt und diesen Betrag am 7. Juli 2004 angewiesen. Die Klägerin hat dies als Teilanerkenntnis angenommen.
Durch Urteil vom 19. April 2005 hat das Sozialgericht die auf Zahlung von 11.147,13 EUR und auf Verzinsung dieses Betrages mit 4 % ab 1. Juli 2000 gerichtete Klage abgewiesen. Der Erstattungsanspruch sei hinsichtlich der Krankenhauskosten vom 22. Oktober bis 7. Dezember 1998 nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des § 111 SGB X ausgeschlossen. Diese Vorschrift sei in der Neufassung anwendbar, weil die Beklagte über das am 7. Dezember 1999 eingeleitete Erstattungsverfahren am 1. Juni 2000 noch nicht entschieden habe. Dies sei erst mit der Bezahlung des von der Klägerin unter dem 15. Juni 2000 konkretisierten Erstattungsbetrags (Leistungen ab 8. Dezember 1998) am 12. Oktober 2000 geschehen. Zwar sei die Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X bei Anmeldung des Erstattungsanspruchs am 7. Dezember 1999 noch nicht abgelaufen gewesen. Jedoch könne sich die Klägerin nicht mehr darauf berufen, dass sie am 7. Dezember 1999 einen Erstattungsanspruch für Leistungszeiträume vor dem 8. Dezember 1998 angemeldet habe. Diese Anmeldung sei durch eine auf einen Leistungszeitraum nach dem 7. Dezember 1998 eingeschränkte Anmeldung im Schreiben vom 15. Juni 2000 überholt und obsolet. Als die Klägerin den Erstattungsanspruch am 4. Dezember 2003 erneut geltend gemacht habe, sei die Jahresfrist des § 111 SGB X verstrichen gewesen.
Gegen das ihr am 17. Juni 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. Juli 2005 Berufung eingelegt. Sie trägt zu deren Begründung vor, das Sozialgericht habe § 111 SGB X falsch angewandt. Die Ausschlussfrist für die Anmeldung des Erstattungsanspruchs sei von der Verjährung des angemeldeten Anspruchs zu unterscheiden. Ein einmal angemeldeter Anspruch müsse nicht noch einmal angemeldet werden, wenn der erstattungspflichtige Träger den angemeldeten Erstattungsanspruch nur teilweise befriedige. Sie habe die Klageforderung innerhalb der Ausschlussfrist bei der Beklagten angemeldet. Diese Forderung sei bei Klagerhebung nicht verjährt gewesen. Das Sozialgericht werte ihr Schreiben vom 15. August 2000 zu Unrecht als Verzicht auf weitergehende, bereits angemeldete Erstattungsansprüche. Selbst wenn aber die Auffassung des Sozialgerichts zuträfe, bleibe sie berechtigt, eine irrtümlich nicht in die Kostenaufstellung vom 15. August 2000 aufgenommene Leistung, die erst nach dem 8. Dezember 1998 und innerhalb der Ausschlussfrist zur Erstattung angemeldet worden sei, innerhalb der Verjährungsfrist noch erstattet zu verlangen. Diese Voraussetzungen seien bezüglich der Krankenhauskosten erfüllt. Es sei nicht der jeweilige Behandlungstag, sondern die tatsächliche Gewährung der Sozialhilfe maßgebend. Sie habe die Rechnung des Krankenhauses am 24. Juni 1999 bezahlt. Dies verpflichte die Beklagte, auch die Krankenhauskosten für die Zeit vom 22. Oktober bis 7. Dezember 1998 zu tragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.147,13 EUR nebst 4% Zinsen ab 1. Juli 2000 sowie 4% Zinsen aus 68,56 EUR vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Klägerin könne durch die von ihr beschriebene Verwaltungspraxis die Gesetzeslage nicht verändern.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )). Insbesondere übersteigt die Erstattungsforderung den Betrag von 5.000 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG), sodass es einer Zulassung der Berufung nicht bedarf.
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu.
Anspruchsgrundlage ist § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Der Erstattungsanspruch ist für den vorliegenden konkreten Fall nicht durch die Vorschrift des § 111 SGB X in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung ausgeschlossen.
Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach Satz 2 dieser Vorschrift beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
§ 111 Satz 2 ist gem. § 120 Abs. 2 SGB X in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung auf die Erstattungsverfahren anzuwenden, die am 1. Juni 2000 noch nicht abschließend entschieden waren. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die Beklagte über das am 7. Dezember 1999 von der Klägerin eingeleitete Erstattungsverfahren am 1. Juni 2000 noch nicht (abschließend) befunden hatte. Insoweit wird auf die Begründung des Sozialgerichts Bezug genommen (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts ( BSG ) vom 11.11.2003 – B 2 U 15/03 R, vom 24.2.2004 – B 2 U 21/03 R).
Die Klägerin hat am 7. Dezember 1999 ihren Anspruch ganz allgemein in Bezug auf Krankenhauskosten vom 7. März 1996 bis 12. Oktober 1999 geltend gemacht und hierbei die streitigen Krankenhauskosten inbegriffen. Da der Lauf der Zwölfmonatsfrist des § 111 Satz 1 SGB X nach § 111 Satz 2 SGB X frühestens mit dem Zeitpunkt begann, zu dem die Klägerin von der Entscheidung der Beklagten über ihre Leistungspflicht (5. Oktober 1999) Kenntnis erlangt hatte, hat die Klägerin die Erstattungsforderung für den streitigen Krankenhauszeitraum rechtzeitig geltend gemacht. Geltendmachung bedeutet keine gerichtliche Geltendmachung und auch keine Darlegung in allen Einzelheiten, sondern Behaupten oder Vorbringen. Allerdings muss der Wille erkennbar sein, zumindest rechtssichernd tätig zu werden. Eine bloße vorsorgliche Anmeldung reicht nicht (BSG vom 18. Mai 2004 – B 1 KR 24/02 R, SozR 4-2500 § 10 Nr. 4). Eine ausreichende Geltendmachung lag am 7. Dezember 1999 für die in der Zeit vom 8. bis 20. Dezember 1998 entstandenen Krankenhauskosten vor. Ihrer Anmeldung im Schreiben vom 3. Dezember 1999 hatte die Klägerin in Ablichtung sogar die Endabrechnung des AK B. vom 11. Juni 1999 über Kosten in Höhe von 27.832,20 DM für die stationäre Behandlung des Versicherten vom 22. Oktober bis 20. Dezember 1998 beigefügt.
Soweit das Sozialgericht meint, die Klägerin könne sich nicht mehr auf diese Anmeldung der Erstattungsforderung berufen, kann dem nicht gefolgt werden.
Zu Unrecht meint das Sozialgericht, die spezifizierte Anmeldung der Kostenerstattung "ab 8.12.1998" im Schreiben vom 15. August 2000 habe die allgemeine Geltendmachung vom 7. Dezember 1999 konsumiert. Es folgert daher auch zu Unrecht, es habe für den Fall, dass die Klägerin nach dem 17. August 2000 für Leistungszeiträume vor dem 8. Dezember 1998 habe Erstattung begehren wollen, einer erneuten Geltendmachung spätestens bis zum 12. Oktober 2000 bedurft. Vielmehr ist die Geltendmachung vom 7. Dezember 1999 durch die Erklärung der Klägerin vom 15. August 2000 mit Wirkung für die hier streitige Erstattungsforderung weder zurückgenommen noch verdrängt worden. Eine ausdrückliche, der Beklagten zugegangene Willenserklärung der Klägerin, dass sie auf die Rechtswirkungen der Geltendmachung vom 7. Dezember 1999 oder auf die in Rede stehende Erstattungsforderung verzichte, liegt nicht vor. Ein interner Vermerk der Klägerin lässt zwar erkennen, dass sie damals dazu neigte, die Rechtsauffassung der Beklagten zu teilen. Dies mag auch dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass sie im Schreiben vom 15. August 2000 lediglich der im Schreiben vom 15. Juni 2000 geäußerten Bitte der Beklagten, ihr eine Kostenaufstellung ab dem 8. Dezember 1998 zu übersenden, nachgekommen ist. Damit und durch das Schreiben vom 15. August 2000 hat sie jedoch auf eine Erstattung im angemeldeten Umfang nicht verzichtet. Durch die Verwendung des Terminus "Anmeldung von Kostenerstattung" im Schreiben vom 15. August 2000 für Zeiträume ab 8. Dezember 1998 wurde die am 7. Dezember 1999 erfolgte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs für vor dem 8. Dezember 1998 liegende Leistungszeiträume nicht obsolet. Bei dem Schreiben vom 15. August 2000 handelt es sich im Übrigen nicht um eine Geltendmachung iSd § 111 SGB X für einen ab 8. Dezember 2000 bestehenden Erstattungsanspruch, sondern um eine Spezifizierung (Kostenaufstellung) dieses Anspruchs. Die fehlende Spezifizierung (Konkretisierung) für den Erstattungszeitraum vor dem 8. Dezember 1998 in diesem Schreiben kann schon deshalb nicht den Verlust des am 7. Dezember 1999 geltend gemachten Erstattungsanspruchs für letzteren Erstattungszeitraum bewirkt haben.
Da die Erstattungsforderung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 iVm § 120 Abs. 2 SGB X nicht verjährt ist - die Beklagte hat eine entsprechende Einrede auch nicht erhoben – steht der Klägerin der streitige Erstattungsbetrag zu.
Der geltend gemachte Zinsanspruch, den die Klägerin im Berufungsverfahren entsprechend § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG um die Verzinsung der Krankenscheinkosten von 68,56 EUR erweitert hat, ist aus § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X begründet. Hiernach ist ein Erstattungsanspruch der Träger der Sozialhilfe von anderen Leistungsträgern für die Dauer des Erstattungszeitraumes und für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung auf Antrag mit 4 vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt nach § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB X frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages des Leistungsberechtigten beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen zugrunde zu legen (§ 44 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch iVm § 108 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 SGB X). Diese Voraussetzungen liegen für die ab dem 1. Juli 2000 geltend gemachte Verzinsung vor. Denn die Klägerin hat mit dem Antrag vom 7. Dezember 1999 bezüglich der Krankenhauskosten für die Zeit vom 22. Oktober bis 7. Dezember 1998 und bezüglich der Krankenscheinkosten für das Quartal IV/1998 einen vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrag gestellt.
Nach alledem hat die Berufung in vollem Umfang Erfolg, ist das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3, 71 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Tatbestand:
Im Streit sind die Erstattung von 11.147,13 EUR und die Verzinsung dieses Betrages ab 1. Juli 2000 sowie des Betrages von 68,56 EUR vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2004 in Höhe von jeweils 4 %.
Die Beklagte nahm den Versicherten L. auf Grund des mit ihm im Verfahren des Sozialgerichts S 22 KR 521/97 am 5. Oktober 1999 geschlossenen Vergleiches rückwirkend ab 25. Januar 1996 als freiwilliges Mitglied auf. Die Klägerin zahlte hierfür die Beiträge. Zuvor hatte sie am 24. Juni 1999 die durch die stationäre Behandlung des Versicherten im Allgemeinen Krankenhaus (AK) B. vom 22. Oktober bis 20. Dezember 1998 in Höhe von 27.832,20 DM entstandenen Kosten bezahlt.
Am 7. Dezember 1999 (Schreiben vom 3. Dezember 1999) machte die Klägerin, die vom Vergleich vom 5. Oktober 1999 noch am Tage seines Abschlusses erfahren hatte, gegenüber der Beklagten insgesamt die Erstattung von Krankenhauskosten vom 7. März 1996 bis 12. Oktober 1999 in Höhe von 192.674,12 DM geltend, von denen auf die stationäre Behandlung des Versicherten im AK B. vom 22. Oktober bis 20. Dezember 1998 27.832,20 DM entfielen. Die Beklagte teilte ihr unter dem 15. Juni 2000 mit, dass eine Erstattung auf Grund des § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erst ab dem 8. Dezember 1998 erfolgen könne, und bat darum, ihr eine Kostenaufstellung ab diesem Datum zu übersenden.
Am 17. August 2000 (Schreiben vom 15. August 2000) meldete die Klägerin für den Krankenhausaufenthalt vom 8. bis 20. Dezember 1998 Kosten in Höhe von 6.030,31 DM an. Diese Kosten erstattete die Beklagte am 12. Oktober 2000.
Am 4. Dezember 2003 begehrte die Klägerin von der Beklagten unter Bezugnahme auf den Antrag vom 7. Dezember 1999 die Erstattung der Kosten, die sie vom 25. Januar 1996 bis 7. Dezember 1998 für den Versicherten aufgewendet habe. Sie bat die Beklagte, bis zum 17. Dezember 2003 schriftlich auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, andernfalls Klage erhoben werde. Die Beklagte könne sich nicht auf die Präklusion nach § 111 SGB X berufen.
Die Klägerin hat, nachdem sich die Beklagte nicht geäußert hatte, am 23. Dezember 2003 Klage erhoben und die Erstattung der Krankenhauskosten vom 22. Oktober 1998 bis 7. Dezember 1998 in Höhe von 21.801,89 DM (11.147,13 EUR) sowie pauschaler Krankenscheinkosten für das Quartal IV/1998 in Höhe von 134,09 DM (68,56 EUR) begehrt. Die Beklagte hat die Forderung von 68,56 EUR anerkannt und diesen Betrag am 7. Juli 2004 angewiesen. Die Klägerin hat dies als Teilanerkenntnis angenommen.
Durch Urteil vom 19. April 2005 hat das Sozialgericht die auf Zahlung von 11.147,13 EUR und auf Verzinsung dieses Betrages mit 4 % ab 1. Juli 2000 gerichtete Klage abgewiesen. Der Erstattungsanspruch sei hinsichtlich der Krankenhauskosten vom 22. Oktober bis 7. Dezember 1998 nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des § 111 SGB X ausgeschlossen. Diese Vorschrift sei in der Neufassung anwendbar, weil die Beklagte über das am 7. Dezember 1999 eingeleitete Erstattungsverfahren am 1. Juni 2000 noch nicht entschieden habe. Dies sei erst mit der Bezahlung des von der Klägerin unter dem 15. Juni 2000 konkretisierten Erstattungsbetrags (Leistungen ab 8. Dezember 1998) am 12. Oktober 2000 geschehen. Zwar sei die Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X bei Anmeldung des Erstattungsanspruchs am 7. Dezember 1999 noch nicht abgelaufen gewesen. Jedoch könne sich die Klägerin nicht mehr darauf berufen, dass sie am 7. Dezember 1999 einen Erstattungsanspruch für Leistungszeiträume vor dem 8. Dezember 1998 angemeldet habe. Diese Anmeldung sei durch eine auf einen Leistungszeitraum nach dem 7. Dezember 1998 eingeschränkte Anmeldung im Schreiben vom 15. Juni 2000 überholt und obsolet. Als die Klägerin den Erstattungsanspruch am 4. Dezember 2003 erneut geltend gemacht habe, sei die Jahresfrist des § 111 SGB X verstrichen gewesen.
Gegen das ihr am 17. Juni 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. Juli 2005 Berufung eingelegt. Sie trägt zu deren Begründung vor, das Sozialgericht habe § 111 SGB X falsch angewandt. Die Ausschlussfrist für die Anmeldung des Erstattungsanspruchs sei von der Verjährung des angemeldeten Anspruchs zu unterscheiden. Ein einmal angemeldeter Anspruch müsse nicht noch einmal angemeldet werden, wenn der erstattungspflichtige Träger den angemeldeten Erstattungsanspruch nur teilweise befriedige. Sie habe die Klageforderung innerhalb der Ausschlussfrist bei der Beklagten angemeldet. Diese Forderung sei bei Klagerhebung nicht verjährt gewesen. Das Sozialgericht werte ihr Schreiben vom 15. August 2000 zu Unrecht als Verzicht auf weitergehende, bereits angemeldete Erstattungsansprüche. Selbst wenn aber die Auffassung des Sozialgerichts zuträfe, bleibe sie berechtigt, eine irrtümlich nicht in die Kostenaufstellung vom 15. August 2000 aufgenommene Leistung, die erst nach dem 8. Dezember 1998 und innerhalb der Ausschlussfrist zur Erstattung angemeldet worden sei, innerhalb der Verjährungsfrist noch erstattet zu verlangen. Diese Voraussetzungen seien bezüglich der Krankenhauskosten erfüllt. Es sei nicht der jeweilige Behandlungstag, sondern die tatsächliche Gewährung der Sozialhilfe maßgebend. Sie habe die Rechnung des Krankenhauses am 24. Juni 1999 bezahlt. Dies verpflichte die Beklagte, auch die Krankenhauskosten für die Zeit vom 22. Oktober bis 7. Dezember 1998 zu tragen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.147,13 EUR nebst 4% Zinsen ab 1. Juli 2000 sowie 4% Zinsen aus 68,56 EUR vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Klägerin könne durch die von ihr beschriebene Verwaltungspraxis die Gesetzeslage nicht verändern.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )). Insbesondere übersteigt die Erstattungsforderung den Betrag von 5.000 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG), sodass es einer Zulassung der Berufung nicht bedarf.
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu.
Anspruchsgrundlage ist § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Der Erstattungsanspruch ist für den vorliegenden konkreten Fall nicht durch die Vorschrift des § 111 SGB X in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung ausgeschlossen.
Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach Satz 2 dieser Vorschrift beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
§ 111 Satz 2 ist gem. § 120 Abs. 2 SGB X in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung auf die Erstattungsverfahren anzuwenden, die am 1. Juni 2000 noch nicht abschließend entschieden waren. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die Beklagte über das am 7. Dezember 1999 von der Klägerin eingeleitete Erstattungsverfahren am 1. Juni 2000 noch nicht (abschließend) befunden hatte. Insoweit wird auf die Begründung des Sozialgerichts Bezug genommen (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts ( BSG ) vom 11.11.2003 – B 2 U 15/03 R, vom 24.2.2004 – B 2 U 21/03 R).
Die Klägerin hat am 7. Dezember 1999 ihren Anspruch ganz allgemein in Bezug auf Krankenhauskosten vom 7. März 1996 bis 12. Oktober 1999 geltend gemacht und hierbei die streitigen Krankenhauskosten inbegriffen. Da der Lauf der Zwölfmonatsfrist des § 111 Satz 1 SGB X nach § 111 Satz 2 SGB X frühestens mit dem Zeitpunkt begann, zu dem die Klägerin von der Entscheidung der Beklagten über ihre Leistungspflicht (5. Oktober 1999) Kenntnis erlangt hatte, hat die Klägerin die Erstattungsforderung für den streitigen Krankenhauszeitraum rechtzeitig geltend gemacht. Geltendmachung bedeutet keine gerichtliche Geltendmachung und auch keine Darlegung in allen Einzelheiten, sondern Behaupten oder Vorbringen. Allerdings muss der Wille erkennbar sein, zumindest rechtssichernd tätig zu werden. Eine bloße vorsorgliche Anmeldung reicht nicht (BSG vom 18. Mai 2004 – B 1 KR 24/02 R, SozR 4-2500 § 10 Nr. 4). Eine ausreichende Geltendmachung lag am 7. Dezember 1999 für die in der Zeit vom 8. bis 20. Dezember 1998 entstandenen Krankenhauskosten vor. Ihrer Anmeldung im Schreiben vom 3. Dezember 1999 hatte die Klägerin in Ablichtung sogar die Endabrechnung des AK B. vom 11. Juni 1999 über Kosten in Höhe von 27.832,20 DM für die stationäre Behandlung des Versicherten vom 22. Oktober bis 20. Dezember 1998 beigefügt.
Soweit das Sozialgericht meint, die Klägerin könne sich nicht mehr auf diese Anmeldung der Erstattungsforderung berufen, kann dem nicht gefolgt werden.
Zu Unrecht meint das Sozialgericht, die spezifizierte Anmeldung der Kostenerstattung "ab 8.12.1998" im Schreiben vom 15. August 2000 habe die allgemeine Geltendmachung vom 7. Dezember 1999 konsumiert. Es folgert daher auch zu Unrecht, es habe für den Fall, dass die Klägerin nach dem 17. August 2000 für Leistungszeiträume vor dem 8. Dezember 1998 habe Erstattung begehren wollen, einer erneuten Geltendmachung spätestens bis zum 12. Oktober 2000 bedurft. Vielmehr ist die Geltendmachung vom 7. Dezember 1999 durch die Erklärung der Klägerin vom 15. August 2000 mit Wirkung für die hier streitige Erstattungsforderung weder zurückgenommen noch verdrängt worden. Eine ausdrückliche, der Beklagten zugegangene Willenserklärung der Klägerin, dass sie auf die Rechtswirkungen der Geltendmachung vom 7. Dezember 1999 oder auf die in Rede stehende Erstattungsforderung verzichte, liegt nicht vor. Ein interner Vermerk der Klägerin lässt zwar erkennen, dass sie damals dazu neigte, die Rechtsauffassung der Beklagten zu teilen. Dies mag auch dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass sie im Schreiben vom 15. August 2000 lediglich der im Schreiben vom 15. Juni 2000 geäußerten Bitte der Beklagten, ihr eine Kostenaufstellung ab dem 8. Dezember 1998 zu übersenden, nachgekommen ist. Damit und durch das Schreiben vom 15. August 2000 hat sie jedoch auf eine Erstattung im angemeldeten Umfang nicht verzichtet. Durch die Verwendung des Terminus "Anmeldung von Kostenerstattung" im Schreiben vom 15. August 2000 für Zeiträume ab 8. Dezember 1998 wurde die am 7. Dezember 1999 erfolgte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs für vor dem 8. Dezember 1998 liegende Leistungszeiträume nicht obsolet. Bei dem Schreiben vom 15. August 2000 handelt es sich im Übrigen nicht um eine Geltendmachung iSd § 111 SGB X für einen ab 8. Dezember 2000 bestehenden Erstattungsanspruch, sondern um eine Spezifizierung (Kostenaufstellung) dieses Anspruchs. Die fehlende Spezifizierung (Konkretisierung) für den Erstattungszeitraum vor dem 8. Dezember 1998 in diesem Schreiben kann schon deshalb nicht den Verlust des am 7. Dezember 1999 geltend gemachten Erstattungsanspruchs für letzteren Erstattungszeitraum bewirkt haben.
Da die Erstattungsforderung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 iVm § 120 Abs. 2 SGB X nicht verjährt ist - die Beklagte hat eine entsprechende Einrede auch nicht erhoben – steht der Klägerin der streitige Erstattungsbetrag zu.
Der geltend gemachte Zinsanspruch, den die Klägerin im Berufungsverfahren entsprechend § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG um die Verzinsung der Krankenscheinkosten von 68,56 EUR erweitert hat, ist aus § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X begründet. Hiernach ist ein Erstattungsanspruch der Träger der Sozialhilfe von anderen Leistungsträgern für die Dauer des Erstattungszeitraumes und für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung auf Antrag mit 4 vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt nach § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB X frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages des Leistungsberechtigten beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen zugrunde zu legen (§ 44 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch iVm § 108 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 SGB X). Diese Voraussetzungen liegen für die ab dem 1. Juli 2000 geltend gemachte Verzinsung vor. Denn die Klägerin hat mit dem Antrag vom 7. Dezember 1999 bezüglich der Krankenhauskosten für die Zeit vom 22. Oktober bis 7. Dezember 1998 und bezüglich der Krankenscheinkosten für das Quartal IV/1998 einen vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrag gestellt.
Nach alledem hat die Berufung in vollem Umfang Erfolg, ist das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3, 71 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved