Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 (17) AL 269/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 244/05
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2004 und unter Änderung des Bescheides vom 19.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbe- scheides vom 29.06.2004 verurteilt, der Klägerin bereits ab 24.02.2004 Arbeits- losengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den Eintritt und die Folgen einer zwölfwöchigen Sperrzeit.
Die 1943 geborene, seit 1966 verheiratete Klägerin arbeitete seit dem 01.04.1986 als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte in einer Anwaltskanzlei in S. Am 15./16.01.2004 zog sie mit ihrem Ehemann nach E. Ihr Arbeitsverhältnis endete durch eine am 10.02.2004 geschlossene Aufhebungsvereinbarung zum 15.02.2004. Die Klägerin erhielt insoweit eine Abfindung in Höhe von 0,00 EUR. Die reguläre Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug sechs Monate. Am 03.02.2004 meldete sich die Klägerin zum 16.02.2004 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 18.02.2004 stellte die Beklagte fest, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der vom Arbeitgeber gezahlten Abfindung bis zum 23.02.2004 ruhe.
Mit weiterem Bescheid vom 18.02.2004 stellte die Beklagte darüber hinaus den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer von zwölf Wochen vom 16.02.2004 bis 09.05.2004 und eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs um 240 Tage fest. Diese Entscheidung begründete sie im wesentlichen damit, die Klägerin habe das Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss des Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos werden würde. Mit Bescheid vom 19.02.2004 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab dem 10.05.2004 für eine Anspruchsdauer von 720 Tagen.
Mit ihrem am 09.03.2004 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei mit ihrem Ehemann umgezogen, da dieser in E seine freiberufliche Tätigkeit fortsetze. Die Aufgabe einer Beschäftigung, um dem Ehepartner an einen neuen Arbeitsort zu folgen, führe nicht zu einer Sperrzeit. Im Übrigen habe sie von der Regelung des § 428 SGB III Gebrauch gemacht. Diese Vorschrift sei lex speciales zu § 144 SGB III.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2004 bestätigte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 16.02.2004 bis 09.05.2004 und die Minderung der Anspruchsdauer um 240 Tage. Die auf § 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III gestützte Entscheidung begründete sie im wesentlichen damit, die Klägerin habe ohne wichtigen Grund das Arbeitsverhältnis durch Abschluss des Aufhebungsvertrages selbst gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Der Umzug mit ihrem Ehegatten nach E stelle keinen wichtigen Grund dar, da die Klägerin keine zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um den Versicherungsfall zu vermeiden. Sie habe keine Eigenbemühungen um einen neuen Arbeitsplatz vor und nach ihrem Umzug unternommen, weil sie die Regelung des § 428 SGB III in Anspruch nehmen wolle. § 428 SGB III betreffe nur die Arbeitsbereitschaft ab der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Dies sei jedoch unabhängig von der Obliegenheit, alles zu tun, um die Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
Zur Begründung ihrer am 12.07.2004 erhobenen Klage beruft sich die Klägerin erneut darauf, dass der Zuzug zum Ehegatten zur Herstellung bzw. Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen wichtigen Grund darstelle, wenn der Arbeitslose von der gemeinsamen ehelichen Wohnung aus seine bisherige Arbeitsstelle zumutbar nicht erreichen könne. Dies sei bei ihr der Fall. Sie sei mit ihrem Ehemann nach E gezogen, damit dieser dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen konnte. Ihren ehemaligen Arbeitsplatz in I habe sie von E aus nicht mehr zumutbar erreichen können.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2004 und unter Änderung des Bescheides vom 19.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld bereits ab 24.02.2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig und weist darauf hin, dass bei Abschluss des Aufhebungsvertra-ges am 10.02.2004 zum 15.02.2004 die Kündigungsfrist von sechs Monaten nicht einge-halten worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der die Klägerin betreffenden Leistungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat bereits ab dem 24.02.2004 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, denn ab diesem Zeitpunkt erfüllt die sie alle Anspruchs-voraussetzungen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht auch nicht gemäß § 144 Abs. 2 Satz 2 SGB III, denn es ist keine Sperrzeit eingetreten.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeits-losigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Arbeitgeber am 10.02.2004 zum 15.02.2004 hat die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst. Sie hat dadurch zumindest grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeige-führt, denn sie hatte keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz. Nach ihren eigenen Angaben hat sie sich um einen Anschlussarbeitsplatz auch nicht bemüht.
Die Klägerin hat jedoch für ihr Verhalten einen wichtigen Grund, denn sie hat ihr Beschäf-tigungsverhältnis in I aufgegeben, um die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann, der im Januar 2004 seine berufliche Tätigkeit in E fortsetzte, aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Nach Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz steht die Ehe unter dem besonderen Schutz des Staates. Nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch sind die Ehegatten einan-der zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Aus diesem Grund hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung den Zuzug zum Ehegatten als wichtigen Grund im Sinne der Sperrzeitregelung anerkannt, wenn der Arbeitslose seine Arbeitsstelle nicht von der gemeinsamen Wohnung aus zumutbar erreichen kann (grundlegend BSG SozR 4100 § 119 Nr. 2). Ein Arbeitsplatz in S kann von der Ehewohnung in Duisburg aus nicht in zumutbarer Zeit erreicht werden. Sowohl eine Fahrt mit der Bahn als auch mit dem Pkw von E nach S würde bei einer Entfer-nung von ca. 270 km über 2,5 Stunden dauern (www.reiseauskunft.bahn.de; www.de.map24.com). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann sich die Klägerin auf diesen wichtigen Grund auch berufen. Es kann ihr nicht entgegen gehalten werden, dass sie die aus dem Versicherungsverhältnis ihr obliegende Pflicht, den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit zu vermeiden und sich um einen Anschlussarbeitsplatz in E zu bemühen, nicht erfüllt habe. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG kann sich der Arbeitnehmer nicht auf den Zuzug zum Ehegatten als wichtigen Grund berufen, wenn er sich zumindest grob fahrlässig nicht hinreichend um eine Anschlussbeschäftigung bemüht hat (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 14; Urt. v. 27.05.2003, B 7 AL 4/02 R = SozR 4-4300 § 144 Nr. 3). Obwohl sich die Klägerin vorliegend vorsätzlich nicht um einen Anschlussarbeitsplatz in E bemüht hat, weil sie beabsichtigte gemäß § 428 SGB III Arbeitslosengeld unter den dort genannten erleichterten Voraussetzungen zu beziehen, kann sie sich nach Ansicht des Gerichts auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen. Das Gericht weicht von der bisherigen Rechtsprechung des BSG ab und sieht sich dabei von einem Hinweis des BSG im Urteil vom 27.05.2003 (a.a.O.)bestärkt. Darin weist das BSG zunächst darauf hin, dass die Obliegenheit, durch Eigenbemühungen auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Arbeitsplatzaufgabe, den Eintritt des Versicherungsfalls zu vermeiden, im Gesetz nicht geregelt ist, sondern auf Richterrecht beruht. Erst zum 01.07.2003 habe der Gesetzgeber mit den Vorschriften der §§ 37 b, 140 SGB III eine spezielle Regelung über die Pflicht zur Arbeitssuche während eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses und die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen diese Pflicht ins SGB III eingefügt. Damit habe der Gesetzgeber möglicherweise erst ab dem 01.07.2003 – rechtspolitisch nachvollziehbar – eine gesetzliche Sanktion eingeführt, die für die davor-liegende Zeit unter Umständen nicht in anderer Form durch eine durch Richterrecht geschaffene Obliegenheit substituiert werden könne. Daraus und weil im SGB III an keiner anderen Stelle Pflichten des Arbeitnehmers festgelegt werden, die schon vor Eintritt des Leistungsfalls gelten sollen und aus der erstmaligen Einführung einer solchen Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche am 01.07.2003 entnimmt das Gericht, dass es sich insoweit um eine abschließende Regelung handelt. Dies gilt umsomehr, als die bisher vom BSG postulierte Obliegenheit zu Eigenbemühungen schon während eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses noch nicht in das allge-meine Bewusstsein der Arbeitnehmer übergegangen ist (BSG a.a.O.). Dagegen hat der Gesetzgeber eine mit der Obliegenheit gemäß § 37 b SGB III korrespondierende Informa-tionspflicht des Arbeitgebers in § 2 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 SGB III ausdrücklich geregelt. Dort ist auch die Verpflichtung des Arbeitgebers gesetzlich geregelt, den Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner sich aus § 37 b SGB III ergebenden Obliegenheit freizustellen. Der Gesetzgeber hat somit der schon vor Eintritt des Leistungsfalles auferlegten sozialrecht-lichen Obliegenheit eine entsprechende arbeitsrechliche Regelung an die Seite gestellt, durch die Erfüllung der Obliegenheit dem Arbeitnehmer ohne die Gefahr arbeitsrechtlicher Nachteile überhaupt erst möglich wird. Eine entsprechende Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zur Erfüllung der sich aus der bisherigen Rechtsprechung ergebenden Obligenheit freizustellen, gibt es nicht. Sie könnte durch Richterrecht gegenüber dem Arbeitgeber auch nicht begründet werden, was zeigt, dass die dem betroffenen Personenkreis durch die bisherigen Rechtsprechnung auferlegten sozialrechtlichen Pflichten mit dem arbeitsrechtlichen Möglichkeiten ohnehin nicht korrespondierten.
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld besteht erst ab dem 24.02.2004, denn durch bestandskräftigen Bescheid vom 18.02.2004 ruht der Anspruch gemäß § 143 a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 und 4 SGB III wegen der erhaltenen Abfindung in Höhe von 0,00 EUR während der Zeit vom 16.02.2004 bis 23.02.2004.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den Eintritt und die Folgen einer zwölfwöchigen Sperrzeit.
Die 1943 geborene, seit 1966 verheiratete Klägerin arbeitete seit dem 01.04.1986 als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte in einer Anwaltskanzlei in S. Am 15./16.01.2004 zog sie mit ihrem Ehemann nach E. Ihr Arbeitsverhältnis endete durch eine am 10.02.2004 geschlossene Aufhebungsvereinbarung zum 15.02.2004. Die Klägerin erhielt insoweit eine Abfindung in Höhe von 0,00 EUR. Die reguläre Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug sechs Monate. Am 03.02.2004 meldete sich die Klägerin zum 16.02.2004 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 18.02.2004 stellte die Beklagte fest, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der vom Arbeitgeber gezahlten Abfindung bis zum 23.02.2004 ruhe.
Mit weiterem Bescheid vom 18.02.2004 stellte die Beklagte darüber hinaus den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer von zwölf Wochen vom 16.02.2004 bis 09.05.2004 und eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs um 240 Tage fest. Diese Entscheidung begründete sie im wesentlichen damit, die Klägerin habe das Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss des Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos werden würde. Mit Bescheid vom 19.02.2004 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab dem 10.05.2004 für eine Anspruchsdauer von 720 Tagen.
Mit ihrem am 09.03.2004 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei mit ihrem Ehemann umgezogen, da dieser in E seine freiberufliche Tätigkeit fortsetze. Die Aufgabe einer Beschäftigung, um dem Ehepartner an einen neuen Arbeitsort zu folgen, führe nicht zu einer Sperrzeit. Im Übrigen habe sie von der Regelung des § 428 SGB III Gebrauch gemacht. Diese Vorschrift sei lex speciales zu § 144 SGB III.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2004 bestätigte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 16.02.2004 bis 09.05.2004 und die Minderung der Anspruchsdauer um 240 Tage. Die auf § 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III gestützte Entscheidung begründete sie im wesentlichen damit, die Klägerin habe ohne wichtigen Grund das Arbeitsverhältnis durch Abschluss des Aufhebungsvertrages selbst gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Der Umzug mit ihrem Ehegatten nach E stelle keinen wichtigen Grund dar, da die Klägerin keine zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um den Versicherungsfall zu vermeiden. Sie habe keine Eigenbemühungen um einen neuen Arbeitsplatz vor und nach ihrem Umzug unternommen, weil sie die Regelung des § 428 SGB III in Anspruch nehmen wolle. § 428 SGB III betreffe nur die Arbeitsbereitschaft ab der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Dies sei jedoch unabhängig von der Obliegenheit, alles zu tun, um die Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
Zur Begründung ihrer am 12.07.2004 erhobenen Klage beruft sich die Klägerin erneut darauf, dass der Zuzug zum Ehegatten zur Herstellung bzw. Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen wichtigen Grund darstelle, wenn der Arbeitslose von der gemeinsamen ehelichen Wohnung aus seine bisherige Arbeitsstelle zumutbar nicht erreichen könne. Dies sei bei ihr der Fall. Sie sei mit ihrem Ehemann nach E gezogen, damit dieser dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen konnte. Ihren ehemaligen Arbeitsplatz in I habe sie von E aus nicht mehr zumutbar erreichen können.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2004 und unter Änderung des Bescheides vom 19.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld bereits ab 24.02.2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig und weist darauf hin, dass bei Abschluss des Aufhebungsvertra-ges am 10.02.2004 zum 15.02.2004 die Kündigungsfrist von sechs Monaten nicht einge-halten worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der die Klägerin betreffenden Leistungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat bereits ab dem 24.02.2004 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, denn ab diesem Zeitpunkt erfüllt die sie alle Anspruchs-voraussetzungen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht auch nicht gemäß § 144 Abs. 2 Satz 2 SGB III, denn es ist keine Sperrzeit eingetreten.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeits-losigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Arbeitgeber am 10.02.2004 zum 15.02.2004 hat die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst. Sie hat dadurch zumindest grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeige-führt, denn sie hatte keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz. Nach ihren eigenen Angaben hat sie sich um einen Anschlussarbeitsplatz auch nicht bemüht.
Die Klägerin hat jedoch für ihr Verhalten einen wichtigen Grund, denn sie hat ihr Beschäf-tigungsverhältnis in I aufgegeben, um die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann, der im Januar 2004 seine berufliche Tätigkeit in E fortsetzte, aufrecht zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Nach Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz steht die Ehe unter dem besonderen Schutz des Staates. Nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch sind die Ehegatten einan-der zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Aus diesem Grund hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung den Zuzug zum Ehegatten als wichtigen Grund im Sinne der Sperrzeitregelung anerkannt, wenn der Arbeitslose seine Arbeitsstelle nicht von der gemeinsamen Wohnung aus zumutbar erreichen kann (grundlegend BSG SozR 4100 § 119 Nr. 2). Ein Arbeitsplatz in S kann von der Ehewohnung in Duisburg aus nicht in zumutbarer Zeit erreicht werden. Sowohl eine Fahrt mit der Bahn als auch mit dem Pkw von E nach S würde bei einer Entfer-nung von ca. 270 km über 2,5 Stunden dauern (www.reiseauskunft.bahn.de; www.de.map24.com). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann sich die Klägerin auf diesen wichtigen Grund auch berufen. Es kann ihr nicht entgegen gehalten werden, dass sie die aus dem Versicherungsverhältnis ihr obliegende Pflicht, den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit zu vermeiden und sich um einen Anschlussarbeitsplatz in E zu bemühen, nicht erfüllt habe. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG kann sich der Arbeitnehmer nicht auf den Zuzug zum Ehegatten als wichtigen Grund berufen, wenn er sich zumindest grob fahrlässig nicht hinreichend um eine Anschlussbeschäftigung bemüht hat (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 14; Urt. v. 27.05.2003, B 7 AL 4/02 R = SozR 4-4300 § 144 Nr. 3). Obwohl sich die Klägerin vorliegend vorsätzlich nicht um einen Anschlussarbeitsplatz in E bemüht hat, weil sie beabsichtigte gemäß § 428 SGB III Arbeitslosengeld unter den dort genannten erleichterten Voraussetzungen zu beziehen, kann sie sich nach Ansicht des Gerichts auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen. Das Gericht weicht von der bisherigen Rechtsprechung des BSG ab und sieht sich dabei von einem Hinweis des BSG im Urteil vom 27.05.2003 (a.a.O.)bestärkt. Darin weist das BSG zunächst darauf hin, dass die Obliegenheit, durch Eigenbemühungen auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Arbeitsplatzaufgabe, den Eintritt des Versicherungsfalls zu vermeiden, im Gesetz nicht geregelt ist, sondern auf Richterrecht beruht. Erst zum 01.07.2003 habe der Gesetzgeber mit den Vorschriften der §§ 37 b, 140 SGB III eine spezielle Regelung über die Pflicht zur Arbeitssuche während eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses und die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen diese Pflicht ins SGB III eingefügt. Damit habe der Gesetzgeber möglicherweise erst ab dem 01.07.2003 – rechtspolitisch nachvollziehbar – eine gesetzliche Sanktion eingeführt, die für die davor-liegende Zeit unter Umständen nicht in anderer Form durch eine durch Richterrecht geschaffene Obliegenheit substituiert werden könne. Daraus und weil im SGB III an keiner anderen Stelle Pflichten des Arbeitnehmers festgelegt werden, die schon vor Eintritt des Leistungsfalls gelten sollen und aus der erstmaligen Einführung einer solchen Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche am 01.07.2003 entnimmt das Gericht, dass es sich insoweit um eine abschließende Regelung handelt. Dies gilt umsomehr, als die bisher vom BSG postulierte Obliegenheit zu Eigenbemühungen schon während eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses noch nicht in das allge-meine Bewusstsein der Arbeitnehmer übergegangen ist (BSG a.a.O.). Dagegen hat der Gesetzgeber eine mit der Obliegenheit gemäß § 37 b SGB III korrespondierende Informa-tionspflicht des Arbeitgebers in § 2 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 SGB III ausdrücklich geregelt. Dort ist auch die Verpflichtung des Arbeitgebers gesetzlich geregelt, den Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner sich aus § 37 b SGB III ergebenden Obliegenheit freizustellen. Der Gesetzgeber hat somit der schon vor Eintritt des Leistungsfalles auferlegten sozialrecht-lichen Obliegenheit eine entsprechende arbeitsrechliche Regelung an die Seite gestellt, durch die Erfüllung der Obliegenheit dem Arbeitnehmer ohne die Gefahr arbeitsrechtlicher Nachteile überhaupt erst möglich wird. Eine entsprechende Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zur Erfüllung der sich aus der bisherigen Rechtsprechung ergebenden Obligenheit freizustellen, gibt es nicht. Sie könnte durch Richterrecht gegenüber dem Arbeitgeber auch nicht begründet werden, was zeigt, dass die dem betroffenen Personenkreis durch die bisherigen Rechtsprechnung auferlegten sozialrechtlichen Pflichten mit dem arbeitsrechtlichen Möglichkeiten ohnehin nicht korrespondierten.
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld besteht erst ab dem 24.02.2004, denn durch bestandskräftigen Bescheid vom 18.02.2004 ruht der Anspruch gemäß § 143 a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 und 4 SGB III wegen der erhaltenen Abfindung in Höhe von 0,00 EUR während der Zeit vom 16.02.2004 bis 23.02.2004.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved