L 3 U 24/01

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 U 123/96
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 24/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung eines Basalioms als weitere Folge einer anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung.

Der heute 64-jährige Kläger war vom 13. März 1963 bis zum 23. August 1965 vollschichtig im so genannten T-Säurebetrieb der Firma C.H. B. im Werk H. M. beschäftigt und dort (unter anderem) gegenüber 2,3,7,8 TCDD (Dioxin), einem chlorierten Aryloxid, exponiert. Nach Kündigung dieser Arbeitsstelle war er zunächst bis 31. Dezember 1968 bei einem Textilhersteller als Maschineneinrichter, danach bis November 1980 als Polierer und Glasschleifer in der Produktion von Brillengläsern tätig und anschließend arbeitslos. Seit Januar 1993 bezieht er aufgrund eines vor dem Sozialgericht Hamburg (16 J 440/93) geschlossenen Vergleichs Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Nervenfacharzt Dr. H. hatte ihn aufgrund festgestellter neuropsychiatrischer Störungen nicht mehr für fähig gehalten, auch nur leichte körperliche und geistige Arbeiten zu verrichten, und die Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg daraufhin den Rentenanspruch zum 1. Januar 1993 anerkannt.

Durch ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit des Arztes Prof. Dr. M. vom 28. März 1994 gelangte der Beklagten zur Kenntnis, dass der Kläger seit 1965 unter Kopfschmerzen, Schlafstörungen, depressiven Verstimmungszuständen, Vergesslichkeit und Antriebsstörungen sowie seit etwa 1980 unter einem Hautsarkom leide. Professor Dr. M. führte diese Beschwerden auf dem Umgang mit toxischen Chemikalien bei der Lindan- und T-Säureproduktion zurück und nahm an, dass eine Erkrankung durch halogenierte Alkyl-Aryloxide vorliege. Ein daraufhin von der Fachärztin für Dermatologie Dr. D. eingeholter Befundbericht ergab in Übereinstimmung mit dem Befundbericht des Universitätskrankenhauses E. vom 19. März 1981, dass der Kläger unter einem Basaliomrezidiv im Bereich des rechten Oberschenkels gelitten hatte, welches operativ entfernt geworden war. Das von der Beklagten beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der Betriebskrankenkasse der Firma B. weist für 1964 eine Thyreoidosis (Entzündung der Schilddrüse) sowie für 1965 eine Chlorvergiftung mit einer Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 11. August bis 30. August 1965 aus. Die von der Beklagten ebenfalls beigezogene Niederschrift über die Einstellungsuntersuchung bei der Firma B. vom 3. April 1963 enthält unter dem Abschnitt "Haut" den Hinweis "Akne juvenilis (Commedonen, Narben, Papeln im Gesicht, Brust, Rücken Pusteln)". Eine auf Veranlassung der Beklagten durchgeführte Untersuchung zur Bestimmung von PCDF/PCDD im Blut des Klägers ergab für den Mai 1994 eine Belastung mit 12,8 ppt 2,3,7,8 TCDD im Körperfett des Klägers bei Medianwerten für die unbelastete Bevölkerung von 3,6 ppt für die Jahre 1987 bis 1989, 4,4 ppt für 1992 und 2,7 für 1993.

Die Beklagte ließ daraufhin den Kläger (u.a.) hautfachärztlich von Dr. K. untersuchen. Dieser diagnostizierte in seinem schriftlichen Gutachten vom 6. Juni 1995 eine vermiculäre Närbchenbildung beider Wangen, einen Zustand nach Excision und cryochirurgischer Behandlung eines Basaliomrezidivs an rechten Oberschenkel, einen Zustand nach Entfernung eines Granuloma teleangiektatikums (eines Hämangioms) vom 2. Finger der linken Hand, einen Zustand nach Excision zahlreicher benigner Tumoren vom Stamm und rechten Oberschenkel, Fibromata pendulantes im Bereich der Achseln und schließlich ein seborrhisches Gesichtsekzem geringster Ausprägung. Da nicht sicher sei, ob der Kläger in seiner Jugendzeit an einer Akne gelitten habe, bestehe eine gewisse Unsicherheit der Einschätzung. Sicher sei aber, dass eine Akne durchgemacht wurde, da die Form der Närbchen für eine Akne typisch sei. Ein Zusammenhang zwischen dem Basaliom, den benignen Tumoren sowie dem Granuloma teleangiektatikum und der beruflichen Tätigkeit bei der Firma B. bestehe nicht. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei selbst dann nicht festzustellen, wenn die Närbchen im Bereich der Wangen als Restzustand einer abgelaufenen Chlorakne bewertet würden. Auch dann wäre die MdE mit null v.H. einzuschätzen.

Auf Grund des von der Beklagten ferner eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. L. vom 1. Juli 1995, der ein Polyneuropathiesyndrom und diffuse Befindlichkeitsstörungen auf seinem Fachgebiet festgestellt hatte, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 1995 eine neurologische Erkrankung als Folge der versicherten Tätigkeit als Berufskrankheit nach Ziffer 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung an und gewährte eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. seit dem 1. Januar 1990. Die vorhergehenden Rentenansprüche seien verjährt. Nicht als Folge der Berufskrankheit anerkannt wurden ein Asthma bronchiale so wie Hautbeschwerden. Hiergegen erhob der Kläger schriftlich Widerspruch. In dem vom Kläger unterzeichneten Widerspruchsschreiben vom 23. Oktober 1995 heißt es:

" Grundsätzlich bin ich mit der Höhe der festgesetzten M.d.E. einverstanden Nicht akzeptieren kann ich jedoch die Ausgrenzung der Hautveränderungen aus den Folgen der Berufskrankheit. Ich bitte deswegen um Überprüfung Ihres Bescheides."

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19. März 1996 zurück. Sie blieb bei ihrer Auffassung. Der Kläger hat daraufhin fristgerecht Klage erhoben, mit der er sein auf Anerkennung eines Hautkrebs und einer Chlorakne als weitere Folgen der anerkannten Berufskrankheit gerichtetes Begehren weiter verfolgt hat.

Das Sozialgericht hat ein hautfachärztliches Gutachten von Dr. R. eingeholt. Dieser hielt dafür, dass der Kläger in seinem Leben eine erhebliche Akne durchgemacht haben müsse. Jedoch ließen sich Anzeichen einer durchgemachten Chlorakne retrospektiv nicht feststellen. Die auf dermatologischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Exposition gegenüber TCDD zurückzuführen.

Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 2. März 2001 abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 8. März 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. März 2001 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die durchgemachte Akne ebenso auf die berufliche Exposition zurückzuführen wie die Entstehung der Tumore.

Das Berufungsgericht hat von Amts wegen ein Gutachten des Hautarztes und Allergologen Dr. U. eingeholt. Dieser hat einen Zustand nach einmalig rezidivierendem Basaliom am rechten Oberschenkel, einen Zustand nach Akne juvenilis, keinen sicheren Anhalt für eine stattgehabte Chlorakne, und einen Zustand nach Entfernung multipler benigner Tumoren diagnostiziert. Der Gutachter vertritt die Auffassung, es sei zwar bisher nicht möglich gewesen, einen sicheren Zusammenhang zwischen dem Auftreten bösartiger Tumore und einer Dioxinbelastung herzustellen, jedoch werde allgemein angenommen, das dem Dioxin eine insoweit promovierende Wirkung zukomme. Ausgehend von einer Endbelastung von 215 ppt zum Zeitpunkt des Ausscheidens, welcher Wert durch Rückrechnung des ermittelten Wertes von 12,8 ppt gewonnen werde, sei vorliegend unter Zugrundelegung der Konvention der Beklagten bei einer hohen Endbelastung (ab 200 ppt), bei einer Latenzzeit von nicht wesentlich unter zwanzig Jahren und beim Fehlen konkurrierender wesentlicher Ursachen von einer Kausalität zwischen Exposition und Tumorerkrankung auszugehen. Danach sei zwar nicht die Chlorakne, aber das Basaliom als weitere Folge der anerkannten Berufskrankheit anzuerkennen sei. Die MdE werde auf dermatologischem Gebiet mit 20 v.H. angenommen. Auf das schriftliche Gutachten (GA Blatt 144 ff.) wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte tritt den Ausführungen des Sachverständigen entgegen. Bereits der Ansatz des Gutachters sei fraglich. Zwar gebe die Konvention den derzeitigen mehrheitlichen Meinungsstand in der medizinischen Wissenschaft wieder, jedoch habe der Gutachter bei seinen Berechnungen einen Fehler gemacht. Die Rückrechnung für den Kläger ergebe nämlich bei erforderlichem Abzug des Medianwertes lediglich 146 ppt (bzw. 173 ppt bei Abzug des im Zeitpunkt der Analyse gültigen Medianwertes) bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens. Im Übrigen sei die MdE-Bewertung für das Basaliom im vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar. Der Gutachter selbst beschreibe, dass Basaliome im Allgemeinen nach kompletter Entfernung als ausgeheilt gelten. Gegenwärtig sei somit eine MdE v. H. anzunehmen.

Mit Beweisanordnung vom 28. November 2002 hat das Berufungsgericht auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG entschieden, ein weiteres hautfachärztliches Gutachten nach ambulanter Untersuchung, und zwar von Prof. Dr. R1 einzuholen. Vor Durchführung der Untersuchung entzog der Kläger dem Gutachter jedoch das Vertrauen, so dass dieser seine Beurteilung nach Aktenlage auf der Grundlage der bis zum Entzug des Auftrages durchgeführten Ermittlungen abgab. Er hält eine Kausalität zwischen beruflicher Exposition und Chlorakne sowie dem Auftreten des Basalioms nicht für wahrscheinlich. Auf das schriftliche Gutachten (GA Blatt 247 ff.) wird ergänzend Bezug genommen.

Auf weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Berufungsgericht diesen schließlich durch die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie des Universitätskrankenhauses E. untersuchen und schriftlich begutachten lassen. Frau Prof. Dr. M1 gelangt nach ambulanter Untersuchung des Klägers in ihrem schriftlichen Gutachten vom 1. Juli 2005 aufgrund eines Vergleichs von Fotos aus der Zeit vor und nach der Tätigkeit bei der Fa. B. zu dem Ergebnis, dass der Kläger bereits kurz nach Aufnahme der fraglichen Beschäftigung unter einer Chlorakne gelitten hat. Die Dokumentation der Einstellungsuntersuchung stehe dem nicht entgegen, weil eine Chlorakne bereits kurz nach einer entsprechenden Exposition auftreten könne und die Untersuchung erst drei Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit stattgefunden habe (GA Blatt 376 ff.). Sie persistiere oft über mehrere Jahre. Allerdings führe der erkennbare Restzustand zu keiner höheren MdE als die bereits anerkannte in Höhe von 30 %. Auf das schriftliche Gutachten (GA Blatt 370 ff.) wird ergänzend Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat die medizinische Sachverständige ihr schriftliches Gutachten erläutert. Daraufhin hat die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Bescheides als weitere Folge der anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung eine "abgeheilte Chlorakne" anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 18. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1996, beide in der Fassung des heute abgegebenen Anerkenntnisses, zu verurteilen, die Hautkrebserkrankung (Basaliom) des Klägers als weitere Folge der anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid in der Fassung des abgegebenen Anerkenntnisses.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf denjenigen der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

a) Soweit der Kläger die Entschädigung weiterer Folgen der anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung, d.h. die Gewährung einer Rente nach einer höheren MdE als 30 v.H. begehrt, steht dem bereits die Bestandskraft des Bescheides vom 18. Oktober 1995 entgegen. Er kann eine weitergehende Entschädigung als diejenige, die ihm durch den angefochtenen Bescheid bereits gewährt wurde, nämlich schon deshalb nicht (mehr) verlangen, weil er sich mit seinem Widerspruch nicht gegen die Höhe der Rente, sondern ausschließlich gegen die Ablehnung der Anerkennung weiterer Folgen gewandt hat. Dies folgt aus dem Widerspruchsschreiben vom 23. Oktober 1995. Danach hat er mit seinem Widerspruch ausschließlich die Ausgrenzung der Hautveränderungen gerügt, jedoch keine höhere Entschädigung begehrt. Auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat der Senat Eingangs der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Da der Kläger sich auf diesen Umstand sogleich erklärt hat, ohne Vertagung zu beantragen, konnte der Senat seine Entscheidung hierauf stützen, ohne die Beteiligten zu überraschen oder ihnen das rechtliche Gehör zu versagen.

b) Das ausschließlich auf die Anerkennung weiterer Folgen der anerkannten Berufskrankheit in Gestalt eines entfernten Basalioms gerichtete und mit der Berufung weiter verfolgte übrige Klagebegehren ist zulässig, obwohl der Erfolg dieser Klage dem Kläger zunächst keine geldwerten Vorteile brächte. Gleichwohl steht ihm für dieses Begehren ein rechtlich schützenswertes Interesse zur Seite. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urt. vom 15. Februar 2005, B 2 U 1/04 R und vom 3. April 1980, 8 RKnU 3/88) ist nämlich anerkannt, dass der Versicherte nicht nur gegenwärtige Leistungspflichten aufgrund eines Unfallversicherungsverhältnisses geltend machen, sondern auch die isolierte Feststellung begehren kann, dass der Träger der Unfallversicherung für einen erst künftig eintretenden Leistungsfall einzustehen hat. Dies folgt aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Diese Sicht trägt der Unterscheidung zwischen Versicherungsfall und Leistungsfall Rechnung, wie er nunmehr in § 7 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) zum Ausdruck kommt. Hiernach sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, während der Eintritt eines Leistungsfalles an das Vorliegen weiterer tatbestandlicher Merkmale geknüpft ist. Erst wenn in der Zukunft, etwa bei Verschlimmerung des Leidens, die erfolgte Anerkennung weiterer Folgen eine höhere MdE ergibt, liegt ein (weiterer) Leistungsfall vor. Dann ist von Gesetzes wegen zu leisten. Einer Verpflichtung zum Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedarf es nicht. Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat. Sie führt dazu, dass der Kläger den Streit um die Anerkennung des Basalioms als weitere Folge führen kann, obwohl gegenwärtig eine höhere Rente hieraus nicht folgt.

Das auf die Anerkennung des Basalioms als weitere Folge der anerkannten Berufskrankheit gerichtete Begehren ist aber nicht gründet.

Auf dieses Begehren finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO - Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuchs, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I, S. 1254, 1317, § 212 SGB VII). Gemäß den §§ 547 ff. RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung Entschädigung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind gemäß § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO die in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufgeführten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Voraussetzung für die Anerkennung einer Erkrankung als Folge einer Berufskrankheit ist danach, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (so genannte haftungsbegründende Kausalität) und den Gesundheitsschaden verursacht hat (so genannte haftungsausfüllende Kausalität). Während die einzelnen Glieder der Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung und Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, ohne dass eine völlige Gewissheit zu fordern ist, genügt für den – doppelten – Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d.h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen.

Aufgrund seiner Beschäftigung bei der Fa. B. gehört der Kläger zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht auch fest, dass der Kläger während der Zeit seiner Beschäftigung in höherem Maße als die übrige Bevölkerung gegenüber 2,3,7,8 TCDD (Dioxin), einem chlorierten Aryloxid, exponiert war. Dieser Stoff gehört zu der Gruppe der in Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung genannten. Keinem Zweifel unterliegt auch, dass beim dem Kläger zweimal an derselben Stelle ein sogenanntes Basaliom, ein nicht metastasierender, semimaligner Tumor, aufgetreten ist und operativ entfernt wurde. Jedoch hat der Kläger entgegen der ersten Einschätzung von Prof. Dr. M. nicht an einem Sarkom, einem malignen, metastasierenden Tumor, gelitten.

Es lässt sich aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass das zweimalige Auftreten eines Basalioms auf die Einwirkung von Dioxin im Beschäftigungsbetrieb des Klägers zurückzuführen ist. Hier fehlt es bereits an der generellen Eignung des Stoffes, diese Erkrankung hervorzurufen.

Bei der Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung handelt es sich um einen Berufskrankheitentatbestand mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung. Deshalb ist – anders als bei den speziell umschriebenen Tatbeständen mit bestimmter Krankheitsbezeichnung, bei der diese Prüfung antizipiert ist – die generelle Eignung der Einwirkung, bestimmte Erkrankungen hervorzurufen, besonders zu prüfen und festzustellen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht fest, dass der Stoff, gegenüber dem der Kläger exponiert war, nach dem hier anzuwendenden Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit generell geeignet ist, eine Chlorakne hervorzurufen (zur generellen Eignung einer Einwirkung und zum Grad der erforderlichen Gewissheit vgl. Koch in Lauterbach, Unfallversicherung-Sozialgesetzbuch VII, Stand Mai 2005, § 9, Rdrn. 105). Alle tätig gewesenen medizinischen Sachverständigen gehen hiervon aus. Eine Chlorakne ist die klassische Akutreaktion auf die Exposition gegenüber 2,3,7,8 TCDD. Anders verhält es sich jedoch mit Basaliomen. Während über das Auftreten von Weichteilsarkomen nach Dioxin-Einwirkung in Einzelfällen berichtet und eine generelle Eignung vertreten wird, wird Derartiges für Basaliome noch nicht einmal diskutiert (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Oktober 2005, Rdnr. 2 zu M 1310 sowie Koch, a.a.O., § 9 Anh IV, Rdnr. 8). Dies entspricht auch der Einschätzung der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M1, wonach allein der Stoff Arsen als Auslöser für Basaliome bekannt ist und wonach diese im Übrigen stets vor dem Hintergrund einer genetischen Veranlagung, des Einwirkens von UV-Licht oder ionisierender Strahlung entstehen. Auch Prof. Dr. R1 kommt in seinem Gutachten nach Aktenlage zu dem Ergebnis fehlender Ursächlichkeit zwischen Dioxin-Einwirkung und dem Entstehen von Basaliomen. Der Senat folgt diesen sachverständigen Äußerungen. Hiernach ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Dioxin-Einwirkung und Basaliomen nicht mehr als eine wissenschaftlich nicht belegte Möglichkeit. Der dem entgegen stehenden sachverständigen Äußerung von Dr. U., der ohne Weiteres von einem hinreichend wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Dioxin-Einwirkung und dem Auftreten des Basalioms ausgeht, vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Einschätzung steht nicht nur im Widerspruch zur medizinischen Literatur und der Auffassung der übrigen medizinischen Sachverständigen. Dr. U. gibt für seine hiervon abweichende Einschätzung auch keinerlei Begründung und stützt sie schließlich auf ein offensichtliches Fehlverständnis der lediglich zur Beweiserleichterung geschaffenen Konvention der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, die nach herrschender Auffassung als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten zu bewerten ist (vgl. Mehrtens/Perlebach, a.a.O., E § 9, Rdnr. 26.9 m.N sowie Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 111). Die nach der Konvention für die Annahme eines Ursachenzusammenhanges zwischen Dioxinexposition und Krebserkrankungen erforderlichen drei Voraussetzungen sind nämlich – die nach Auffassung des Senats fehlende generelle Eignung des TCDD, Basaliome hervorzurufen, hier unterstellt – entgegen der von Dr. U. geäußerten Auffassung nicht gegeben. Zum einen fehlt eine "hohe Exposition", d.h. eine solche zwischen 200 und 300 ppt TCDD zum Zeitpunkt der Beendigung der Exposition. Vorliegend ist bei einer mittleren Halbwertzeit von 7 Jahren, einem Expositionsende im August 1965 und einem im Mai 1994 gemessenen Wert von 12,8 ppt TCDD sowie einer Hintergrundbelastung von 2,7 ppt TCDD im Zeitpunkt der Blutentnahme und 4,1 Halbwertzeiten von einer Maximalbelastung von etwa 175 ppt TCDD (genau 173, 2 ppt) auszugehen. Dieser Wert stellt keine der Konvention entsprechende hohe Belastung dar. Auch die Latenzzeit unterschreitet mit 15 Jahren (erstmaliges Auftreten des Basalioms an derselben Stelle 1980) die vorausgesetzte Zeitspanne von nicht wesentlich unter 20 Jahren deutlich. Die sachverständige Äußerung von Dr. U. ist deshalb für den Senat nicht nachvollziehbar.

Der vom Kläger erbetenen ergänzenden Stellungnahme von Dr. U. zur Frage eines Zusammenhanges zwischen Basaliomen und einer abgelaufenen Chlorakne bedarf es im Hinblick auf die stattgefundene ergänzende Befragung der medizinischen Sachverständigen zu dieser Frage nicht. Frau Prof. Dr. M1 hat schlüssig und nachvollziehbar erläutert, dass chronische Hautentzündungen zwar grundsätzlich tumorpromovierend sein können, dass die Entstehung eines Tumors auf der Grundlage einer chronischen Hautentzündung aber die Identität der Örtlichkeit voraussetzt. Es ist aber weder dem Sachverhalt zu entnehmen noch behauptet der Kläger, dass er jemals von einer Chlorakne an der Stelle, nämlich am Oberschenkel, heimgesucht worden wäre, an der später das Basaliom aufgetreten ist.

Der vom Kläger weiter erbetenen ergänzenden Stellungnahme von Dr. U. zur Frage der Höhe der MdE seit dem 7. November 1980 bedarf es ebenso wenig. Wie ausgeführt ist der angegriffene Bescheid hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Entschädigung bestandskräftig geworden, weil sich der Kläger mit der ihm zugebilligten Entschädigung ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Wie die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid überdies zutreffend ausgeführt hat, sind die Rentenansprüche des Klägers bis einschließlich 31. Dezember 1989 verjährt. Spätestens im Jahre 1986 war zudem die ehemals akute Akne bereits abgeklungen. Dies folgt aus der im Rahmen des Sozialplans zur Auflösung der Fa. B. stattgefundenen Untersuchung des Klägers in diesem Jahr. Bereits seinerzeit konnten auf dermatologischem Fachgebiet keine pathologischen Befunde mehr gefunden werden (vgl. den Untersuchungsbericht des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der J. G. Universität M. vom 6. Mai 1987, VV der Beklagten Blatt 61 ff.). Danach mag es zwar sein, dass für die Chlorakne in der Akutphase eine MdE zuzubilligen gewesen wäre. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es hierauf jedoch nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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