Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 713/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 64/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die gesamten Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger die in Tunesien entstandenen Kosten einer Krankenbehandlung zu erstatten hat.
Der im Jahre 1960 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Er reiste am 5. Januar 1999 in familiären Angelegenheiten nach Tunesien und verunglückte dort am Tage seiner Ankunft. Dabei zog er sich ein schwerwiegendes Schädel-Hirn-Trauma zu und befand sich über 12 Tage im Koma. Nach einem Arztbericht des Prof. Dr. K vom 2. Februar 1999 wurde er zunächst in das staatliche Krankenhaus der Stadt Grombalia eingeliefert und sodann von dort an die neurochirurgische Poliklinik T AG/Tunis überwiesen, da es im staatlichen Krankenhaus keine entsprechende Fachabteilung gegeben habe. In der Poliklinik T entstanden für die Behandlung vom 5. Januar 1999 bis zum 25. Januar 1999 für stationäre Patientenunterbringung sowie weitere Leistungen (vor allem Patientenbegleitung, Operationssaal, Laboruntersuchungen, Röntgenaufnahmen, Reanimination, Rehabilitation, Arzneimittel, Notaufnahme und diverse Intensivbehandlungen) Gesamtkosten in Höhe von 7.036,07 tunesische Dinar. Für die ärztliche Behandlung während dieser Zeit entstanden für den Arzt Dr. H Kosten in Höhe von 520,00 tunesische Dinar, für 2 chirurgische Eingriffe und für die fachärztliche stationäre Behandlung durch den Facharzt für Neurochirurgie Prof. Dr. K Kosten in Höhe von 2.300,00 tunesische Dinar und für die Behandlung durch den Arzt für Anästhesie und Reanimation Dr. D Kosten in Höhe von 1.000,00 tunesische Dinar. Für eine computertomografische Untersuchung entstanden schließlich Kosten in Höhe von 140,00 tunesische Dinar. Diese Gesamtkosten in Höhe von 10.996,07 tunesischen Dinar zahlte der Kläger und machte am 30. April 1999 die Erstattung dieser Kosten in Höhe von umgerechnet 17.206,65 DM bei der Beklagten geltend. Nach Mitteilung der Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS) in Tunis an die Beklagte wären bei abkommensgemäßer Abwicklung im Wege der Sachleistung 600,00 Dinar für ärztliche Behandlung, 1.419,39 Dinar für Arzneimittel, 1.273,33 Dinar für stationäre Behandlung und 2.227,08 Dinar sonstige Kosten entstanden. Diese Gesamtkosten in Höhe von umgerechnet 8.637,40 DM erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 1999.
Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, es seien die privatärztlich entstandenen Kosten zu erstatten, da es keine andere Möglichkeit der Behandlung in Tunesien gegeben habe. Daneben machte er die Kosten für den Rückflug sowie die entstandenen Kosten für die Übersetzung der Rechnungen geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2000 zurück. Abweichend von dem Grundsatz in § 16 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe zwar aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit ein Anspruch auf Leistungen auch bei einem Aufenthalt in Tunesien. Trete dort eine Erkrankung ein, könnten jedoch nur die wegen des Gesundheitszustandes unverzüglich erforderlichen Sachleistungen in Anspruch genommen werden. Die ärztliche Behandlung könne entsprechend dem tunesischen Recht nur in einem staatlichen Ambulatorium, Dispensarium oder Krankenhaus bzw. in einer Ambulanz der Polikliniken der CNSS zur Verfügung gestellt werden. Die ärztliche Behandlung durch einen Privatarzt außerhalb der staatlichen Einrichtungen gehöre nicht zur Leistungspflicht der CNSS. Diese Leistungen könnten mithin auch nicht von den Versicherten deutscher Krankenkassen im Rahmen des Abkommens beansprucht werden. Könnten während des vorübergehenden Aufenthalts in Tunesien die Sachleistungen durch den tunesischen aushelfenden Träger nicht erbracht werden, wie dies hier der Fall sei, erstatte die deutsche Krankenkasse auf Antrag des Berechtigten die von diesem selbst bezahlten Kosten für Sachleistungen in Höhe dessen, was sie bei Leistungsaushilfe durch den tunesischen Träger des Aufenthaltsortes aufzuwenden gehabt hätte. Der entsprechende Betrag sei erstattet worden. Wegen des in Betracht kommenden Erstattungsbetrages könne die deutsche zuständige Krankenkasse bei dem für den Aufenthaltsort zuständigen tunesischen Träger anfragen (Nr. 33 der Vereinbarung der Verbindungsstellen für die Krankenversicherung). Eine weitergehende Erstattung sei ausgeschlossen, ebenso die Erstattung von Übersetzungskosten (§ 19 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und die Kosten des Rücktransports (§ 60 Abs. 4 SGB V).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte mit Urteil vom 13. September 2002 unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die Kosten für die in der Zeit vom 5. Januar 1999 bis zum 2. Februar 1999 selbst beschaffte Krankenhausbehandlung in vollem Umfang zu erstatten. Den Anspruch auf die Erstattung der Rückflugkosten und der Kosten der Übersetzung hat es abgewiesen. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers sei § 13 Abs. 3 SGB V. Die Beklagte habe ihrer Sachleistungspflicht nach den §§ 27, 28 Abs. 1 SGB V i. V.m. Artikel 14, 15, 30 Abs. 2 des deutsch-tunesischen Sozialversicherungsabkommens nach Lage der Akten nicht rechtzeitig erfüllen können. Der Kläger habe wegen der Unaufschiebbarkeit der Leistungen auch keine Gelegenheit gehabt, sich vor Behandlungsbeginn mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Die dem Kläger entstandenen Kosten seien deshalb von der Beklagten in der entstandenen Höhe zu erstatten. Eine Beschränkung auf den Betrag, den der tunesische Leistungsträger als fiktive Sachleistungskosten mitgeteilt habe, finde nicht statt. Soweit in der Literatur ohne nähere Begründung die Auffassung der Beklagten vertreten werde, vermöge sich die Kammer dem nicht anzuschließen, weil eine solche Lastenverteilung den Versicherten unangemessen benachteiligen würde. Wenn sich ein Versicherter darauf verlasse, durch zwischenstaatliches Recht auch im Ausland Versicherungsschutz zu erfahren, sei das Kostenrisiko für ein Fehl-schlagen der Inanspruchnahme nicht von ihm zu tragen, wenn er selbst – wie hier – dieses nicht zu vertreten habe. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, die Krankenhausbehandlungs-kosten des Klägers in Tunesien vollständig zu erstatten, wobei vollständig in diesem Sinne bedeute, dass die nach bundesdeutschem Recht zu erbringenden Eigenanteile des Klägers hiervon abzuziehen seien.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. § 13 Abs. 1 und 3 SGB V könnten nicht Grundlage eines Erstattungsanspruchs sein. Denn ein Sachleistungsanspruch gegen die Be-klagte habe für die streitige Krankenhausbehandlung nicht bestanden. Dies folge aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Leistungen ruhe, solange Versicherte sich im Ausland aufhielten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkrankten. Eine abweichende Bestimmung hiervon finde sich im SGB V nicht. Ein Anspruch komme allein durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der tunesischen Republik über soziale Sicherheit zustande. Der Sachleistungsanspruch werde in den Artikeln 14 und 15 dieses Abkommens geregelt. Nach Artikel 15 würden die Sachleistungen für Personen mit Aufenthalt im anderen Vertragsstaat nach dessen Rechts-vorschriften von der dortigen Krankenversicherung erbracht. Zur Durchführung und Auslegung des Abkommens sei eine Vereinbarung der Verbindungsstelle für die Krankenversicherung getroffen worden. In Nummer 33 dieser Vereinbarung werde die Erstattung der Kosten für während des vorübergehenden Aufenthalts in Tunesien selbst bezahlte Sachleistungen geregelt. Ein weitergehender Anspruch ergebe sich für die Versicherten nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2002 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil im Wesentlichen für zutreffend und hat darauf hingewiesen, dass er schon im Klageverfahren eine Erstattung von Rückflug- und Übersetzungskosten nicht mehr geltend gemacht habe, was das SG nicht berücksichtigt habe.
Dem Gericht haben die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (Az.: S 86 KR 713/00) sowie die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Beklagte zur Erstattung der streitigen Kosten verurteilt.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind §§ 27, 13 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit Art. 5 und Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit vom 16. 4. 1984 (BGBl. II S 584; im Folgenden Abkommen).
Der Leistungsanspruch des Klägers beurteilt sich im Grundsatz nach deutschem Recht. Es ist nicht das tunesische Recht maßgebend, obgleich sich der bei der Beklagten versicherte Kläger während des Eintritts des Versicherungsfalls (Notwendigkeit der ärztlichen Behandlung) in Tunesien aufgehalten hat, dort die Krankenbehandlung durchgeführt und vom Kläger bezahlt worden ist. Nach § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) gelten die Vorschriften des SGB, also auch jene des SGB V, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Mit der Anknüpfung an das Territorialitätsprinzip hat § 30 SGB I den Charakter einer Kollisionsnorm. Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben dabei unberührt (§ 30 Abs. 2 SGB I), lassen also die allgemeinen Regelungen des SGB jeweils zurücktreten. Der Kläger wohnt in Berlin, hat also seinen Wohnsitz in Deutschland und hält sich dort auch gewöhnlich auf. Sein Aufenthalt in Tunesien Anfang 1999 war nur vorübergehender Natur und berührte daher weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Deshalb gilt allein das deutsche Krankenversicherungsrecht, soweit das Abkommen selbst keine besonderen Regelungen enthält.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst den Anspruch auf ärztliche Behandlung (Satz 2 Nr. 1) und Krankenhausbehandlung (Satz 2 Nr. 5). Dabei hat der Kläger gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf die streitige Leistung als Sachleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V), Abweichendes gilt im Falle einer Notfallbehandlung: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig als Sachleistung erbringen und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (vgl. § 13 Abs. 3 erste Alternative SGB V).
Dieser Leistungsanspruch aus § 27 SGB V des Klägers ruht nicht für die Dauer seines vorübergehenden Aufenthaltes in Tunesien. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht zwar der Anspruch auf Leistungen, solange sich ein Versicherter im Ausland aufhält, und zwar auch dann, wenn er dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkrankt, soweit im SGB V (zB § 16 Abs. 4, § 17 und § 18 SGB V) nichts Abweichendes bestimmt ist. Diese Ruhensvorschrift ist im vorliegenden Fall aber nicht anwendbar. Der Kläger fällt als deutscher Staatsangehöriger unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik (Art. 3 Buchstabe a des Abkommens). Nach Art. 5 des Abkommens gelten die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Erbringung von Leistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängt, nicht für die in Art. 3 Buchstabe a genannten Personen, die sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats aufhalten, soweit das Abkommen nichts anderes bestimmt. Für in Deutschland wohnende Versicherte mit deutscher oder tunesischer Staatsangehörigkeit, die sich in Tunesien aufhalten, wird damit der gewöhnliche Aufenthalt (und in bestimmten Fällen auch der vorübergehende, dazu sogleich) im Ausland (Tunesien) dem Aufenthalt im Inland (Deutschland) gleichgestellt, so dass der Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht (vgl. zum insoweit im Kern gleich lautenden deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen BSGE 86, 86 = SozR 3-6855 Art 10d Nr. 1).
Das Abkommensrecht sieht für den vorliegenden Fall auch nicht deshalb eine Ausnahme von der Gleichstellung des ausländischen mit dem inländischen Aufenthalt vor, weil sich der Kläger nur vorübergehend im Vertragsausland aufgehalten hat. Nach Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b des Abkommens gilt die in Art. 5 vorgesehene Gebietsgleichstellung für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt. Dies ist hier unstreitig für die infolge eines schweren Unfalls notwendig gewordene Krankenbehandlung der Fall gewesen. Nach alledem ist der Auffassung der Beklagten, dass sich der Anspruch auf Krankenbehandlung vorliegend allein aus dem Abkommen ergebe und das SGB V nicht zur Anwendung komme, nicht zu folgen. Lediglich § 16 SGB V ist wegen Art. 5 iVm Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b des Abkommens nicht anwendbar; die Ansprüche des Klägers, der seinen Wohnsitz in Deutschland hatte, gegen die Beklagte, deren Mitglied er im Zeitpunkt des Unfalls war, ergeben sich im Übrigen aus dem SGB V.
Die Sachleistungen, auf die nach dem SGB V grundsätzlich Anspruch besteht, erbringt die Beklagte im Vertragsstaat Tunesien im Wege der Sachleistungsaushilfe. Art. 15 des Abkommens regelt insoweit die Zuständigkeiten für die Erbringung von Sachleistungen in den Fällen der Sachleistungsaushilfe (Abs.1) sowie die Modalitäten der Sachleistungserbringung (Abs. 2), wobei für Körperersatzstücke und andere Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung die Sonderregelung (Abs. 3) gilt, dass sie außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit im Wege der Sachleistungsaushilfe nur erbracht werden, wenn der zuständige inländische Versicherungsträger zustimmt.
Die Versorgung mit der notwendigen Krankenbehandlung konnte der Kläger in Tunesien nicht als Sachleistung im Wege der Sachleistungsaushilfe in Anspruch nehmen, also ohne Eingehen einer eigenen Kostenverpflichtung, auf Kosten der insoweit zuständigen CNSS (Art. 15 Abs. 1 des Abkommens), deren Kosten wiederum der deutsche Träger zu erstatten hat (Art. 15 Abs. 5 des Abkommens). Das steht für den Senat aufgrund der ärztlichen Bescheinigung des Prof. Dr. K vom 2. Februar 1999 fest und wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in Tunesien grundsätzlich eine Möglichkeit bestanden hätte, im Falle einer schweren Erkrankung wie der des Klägers im Wege der Sachleistungsaushilfe eine medizinisch ausreichende Behandlung in einem staatlichen Krankenhaus zu erbringen. Entscheidend ist vielmehr, dass im vorliegenden Notfall ein ausreichend ausgestattetes staatliches Krankenhaus nicht erreichbar war. Das staatliche Krankenhaus, in das der Kläger zunächst eingeliefert worden war, hat dementsprechend entschieden, den Kläger in die Privatklinik T zu überweisen. An der Notwendigkeit dieser ärztlichen Entscheidung ergeben sich für den Senat keine Zweifel. Der Kläger konnte auf diese Entscheidung ohnehin keinen Einfluss nehmen, da er nicht bei Bewusstsein war.
Im Hinblick auf solche Notfallbehandlungen außerhalb der grundsätzlich vorgesehenen Sachleistungshilfe enthält das Abkommen – anders als andere Sozialversicherungsabkommen, die einen Kostenerstattungsanspruch für solche Fälle ausdrücklich normieren – keine Regelungen. Eine Regelung folgt insbesondere nicht aus Art. 15 Abs. 2 des Abkommens. Danach gelten für die Erbringung der Sachleistungen die für den Träger des Wohnorts oder des Aufenthaltsorts maßgebenden Rechtsvorschriften (mit weiteren Ausnahmen), wobei Aufenthaltsort im Sinne des Abkommens, der vorübergehende Aufenthaltsort ist (Art. 1 Nr. 13). Aus Art. 15 des Abkommens ergibt sich nicht, dass ein Anspruch nur besteht, wenn und soweit es sich bei der erbrachten Leistung auch um eine nach tunesischem Recht als Sachleistung zu erbringende Leistung handelt. Art. 15 Abs. 2 Abkommen regelt nicht den Anspruch dem Grunde nach (hier § 27 Abs. 1 SGB V), sondern nur die Form der Versicherungsleistung (im Falle eines Anspruchs auf Sachleistung Sachleistungsaushilfe nach tunesischem Recht). Deshalb brauchte nicht geprüft zu werden, ob und welche Regelungen nach tunesischem Recht für Notfallbehandlungen außerhalb der staatlichen Einrichtungen bestehen. Den Fall, dass eine notwendige Sachleistung im Vertragsausland nicht rechtzeitig erbracht werden kann, haben die Vertragsparteien nicht abweichend von ihren jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften geregelt. Soweit die Beklagte auf Vereinbarungen zwischen den Verbindungsstellen auf der Grundlage von Art. 30 des Abkommens verweist, aus denen sich ein Kostenerstattungsanspruch der Art und der Höhe nach abweichend von § 13 Abs. 3 SGB V ergeben soll, hat das SG zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei solchen Vereinbarungen nicht um zwischenstaatliches Recht im Sinne des § 30 Abs. 2 SGB I handelt, das innerstaatliche Ansprüche einschränken könnte.
Zutreffend hat das SG daher entschieden, dass die Regelung des § 13 Abs. 3 erste Alternative SGB V als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht durch zwischenstaatliches Recht ausgeschlossen ist. Solche unaufschiebbaren Behandlungen hat der Kläger hier in notwendigem Umfang in Anspruch genommen, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Die Kosten sind in der geltend gemachten Höhe auch tatsächlich angefallen, so dass nach Auffassung des Senats lediglich die Beträge abzuziehen sind, die nicht auf ärztliche Leistungen bzw. Leistungen des Krankenhauses entfallen, wie etwa die in der Rechnung der Poliklinik T enthaltenen Telefonkosten in Höhe von wenigen Dinar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es war zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 18. Juli 2000 Rückflug- und Übersetzungskosten schon im Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht hatte, so dass das Urteil des SG im Kostenpunkt zu ändern war.
Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) ist nicht ersichtlich. Das BSG hat bereits entschieden, dass Ansprüche aus dem SGB V nicht nach § 16 SGB V ruhen, soweit zwischenstaatliche Abkommen (wie hier Art. 5 des Abkommens) eine Gebietsgleichstellungsklausel enthalten. Wegen der übrigen Fragen ist grundsätzliche Bedeutung nicht zu erkennen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger die in Tunesien entstandenen Kosten einer Krankenbehandlung zu erstatten hat.
Der im Jahre 1960 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Er reiste am 5. Januar 1999 in familiären Angelegenheiten nach Tunesien und verunglückte dort am Tage seiner Ankunft. Dabei zog er sich ein schwerwiegendes Schädel-Hirn-Trauma zu und befand sich über 12 Tage im Koma. Nach einem Arztbericht des Prof. Dr. K vom 2. Februar 1999 wurde er zunächst in das staatliche Krankenhaus der Stadt Grombalia eingeliefert und sodann von dort an die neurochirurgische Poliklinik T AG/Tunis überwiesen, da es im staatlichen Krankenhaus keine entsprechende Fachabteilung gegeben habe. In der Poliklinik T entstanden für die Behandlung vom 5. Januar 1999 bis zum 25. Januar 1999 für stationäre Patientenunterbringung sowie weitere Leistungen (vor allem Patientenbegleitung, Operationssaal, Laboruntersuchungen, Röntgenaufnahmen, Reanimination, Rehabilitation, Arzneimittel, Notaufnahme und diverse Intensivbehandlungen) Gesamtkosten in Höhe von 7.036,07 tunesische Dinar. Für die ärztliche Behandlung während dieser Zeit entstanden für den Arzt Dr. H Kosten in Höhe von 520,00 tunesische Dinar, für 2 chirurgische Eingriffe und für die fachärztliche stationäre Behandlung durch den Facharzt für Neurochirurgie Prof. Dr. K Kosten in Höhe von 2.300,00 tunesische Dinar und für die Behandlung durch den Arzt für Anästhesie und Reanimation Dr. D Kosten in Höhe von 1.000,00 tunesische Dinar. Für eine computertomografische Untersuchung entstanden schließlich Kosten in Höhe von 140,00 tunesische Dinar. Diese Gesamtkosten in Höhe von 10.996,07 tunesischen Dinar zahlte der Kläger und machte am 30. April 1999 die Erstattung dieser Kosten in Höhe von umgerechnet 17.206,65 DM bei der Beklagten geltend. Nach Mitteilung der Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS) in Tunis an die Beklagte wären bei abkommensgemäßer Abwicklung im Wege der Sachleistung 600,00 Dinar für ärztliche Behandlung, 1.419,39 Dinar für Arzneimittel, 1.273,33 Dinar für stationäre Behandlung und 2.227,08 Dinar sonstige Kosten entstanden. Diese Gesamtkosten in Höhe von umgerechnet 8.637,40 DM erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 1999.
Hiergegen wandte sich der Kläger und machte geltend, es seien die privatärztlich entstandenen Kosten zu erstatten, da es keine andere Möglichkeit der Behandlung in Tunesien gegeben habe. Daneben machte er die Kosten für den Rückflug sowie die entstandenen Kosten für die Übersetzung der Rechnungen geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2000 zurück. Abweichend von dem Grundsatz in § 16 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe zwar aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit ein Anspruch auf Leistungen auch bei einem Aufenthalt in Tunesien. Trete dort eine Erkrankung ein, könnten jedoch nur die wegen des Gesundheitszustandes unverzüglich erforderlichen Sachleistungen in Anspruch genommen werden. Die ärztliche Behandlung könne entsprechend dem tunesischen Recht nur in einem staatlichen Ambulatorium, Dispensarium oder Krankenhaus bzw. in einer Ambulanz der Polikliniken der CNSS zur Verfügung gestellt werden. Die ärztliche Behandlung durch einen Privatarzt außerhalb der staatlichen Einrichtungen gehöre nicht zur Leistungspflicht der CNSS. Diese Leistungen könnten mithin auch nicht von den Versicherten deutscher Krankenkassen im Rahmen des Abkommens beansprucht werden. Könnten während des vorübergehenden Aufenthalts in Tunesien die Sachleistungen durch den tunesischen aushelfenden Träger nicht erbracht werden, wie dies hier der Fall sei, erstatte die deutsche Krankenkasse auf Antrag des Berechtigten die von diesem selbst bezahlten Kosten für Sachleistungen in Höhe dessen, was sie bei Leistungsaushilfe durch den tunesischen Träger des Aufenthaltsortes aufzuwenden gehabt hätte. Der entsprechende Betrag sei erstattet worden. Wegen des in Betracht kommenden Erstattungsbetrages könne die deutsche zuständige Krankenkasse bei dem für den Aufenthaltsort zuständigen tunesischen Träger anfragen (Nr. 33 der Vereinbarung der Verbindungsstellen für die Krankenversicherung). Eine weitergehende Erstattung sei ausgeschlossen, ebenso die Erstattung von Übersetzungskosten (§ 19 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und die Kosten des Rücktransports (§ 60 Abs. 4 SGB V).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte mit Urteil vom 13. September 2002 unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die Kosten für die in der Zeit vom 5. Januar 1999 bis zum 2. Februar 1999 selbst beschaffte Krankenhausbehandlung in vollem Umfang zu erstatten. Den Anspruch auf die Erstattung der Rückflugkosten und der Kosten der Übersetzung hat es abgewiesen. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers sei § 13 Abs. 3 SGB V. Die Beklagte habe ihrer Sachleistungspflicht nach den §§ 27, 28 Abs. 1 SGB V i. V.m. Artikel 14, 15, 30 Abs. 2 des deutsch-tunesischen Sozialversicherungsabkommens nach Lage der Akten nicht rechtzeitig erfüllen können. Der Kläger habe wegen der Unaufschiebbarkeit der Leistungen auch keine Gelegenheit gehabt, sich vor Behandlungsbeginn mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Die dem Kläger entstandenen Kosten seien deshalb von der Beklagten in der entstandenen Höhe zu erstatten. Eine Beschränkung auf den Betrag, den der tunesische Leistungsträger als fiktive Sachleistungskosten mitgeteilt habe, finde nicht statt. Soweit in der Literatur ohne nähere Begründung die Auffassung der Beklagten vertreten werde, vermöge sich die Kammer dem nicht anzuschließen, weil eine solche Lastenverteilung den Versicherten unangemessen benachteiligen würde. Wenn sich ein Versicherter darauf verlasse, durch zwischenstaatliches Recht auch im Ausland Versicherungsschutz zu erfahren, sei das Kostenrisiko für ein Fehl-schlagen der Inanspruchnahme nicht von ihm zu tragen, wenn er selbst – wie hier – dieses nicht zu vertreten habe. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, die Krankenhausbehandlungs-kosten des Klägers in Tunesien vollständig zu erstatten, wobei vollständig in diesem Sinne bedeute, dass die nach bundesdeutschem Recht zu erbringenden Eigenanteile des Klägers hiervon abzuziehen seien.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. § 13 Abs. 1 und 3 SGB V könnten nicht Grundlage eines Erstattungsanspruchs sein. Denn ein Sachleistungsanspruch gegen die Be-klagte habe für die streitige Krankenhausbehandlung nicht bestanden. Dies folge aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Leistungen ruhe, solange Versicherte sich im Ausland aufhielten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkrankten. Eine abweichende Bestimmung hiervon finde sich im SGB V nicht. Ein Anspruch komme allein durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der tunesischen Republik über soziale Sicherheit zustande. Der Sachleistungsanspruch werde in den Artikeln 14 und 15 dieses Abkommens geregelt. Nach Artikel 15 würden die Sachleistungen für Personen mit Aufenthalt im anderen Vertragsstaat nach dessen Rechts-vorschriften von der dortigen Krankenversicherung erbracht. Zur Durchführung und Auslegung des Abkommens sei eine Vereinbarung der Verbindungsstelle für die Krankenversicherung getroffen worden. In Nummer 33 dieser Vereinbarung werde die Erstattung der Kosten für während des vorübergehenden Aufenthalts in Tunesien selbst bezahlte Sachleistungen geregelt. Ein weitergehender Anspruch ergebe sich für die Versicherten nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2002 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil im Wesentlichen für zutreffend und hat darauf hingewiesen, dass er schon im Klageverfahren eine Erstattung von Rückflug- und Übersetzungskosten nicht mehr geltend gemacht habe, was das SG nicht berücksichtigt habe.
Dem Gericht haben die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (Az.: S 86 KR 713/00) sowie die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Beklagte zur Erstattung der streitigen Kosten verurteilt.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind §§ 27, 13 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit Art. 5 und Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit vom 16. 4. 1984 (BGBl. II S 584; im Folgenden Abkommen).
Der Leistungsanspruch des Klägers beurteilt sich im Grundsatz nach deutschem Recht. Es ist nicht das tunesische Recht maßgebend, obgleich sich der bei der Beklagten versicherte Kläger während des Eintritts des Versicherungsfalls (Notwendigkeit der ärztlichen Behandlung) in Tunesien aufgehalten hat, dort die Krankenbehandlung durchgeführt und vom Kläger bezahlt worden ist. Nach § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) gelten die Vorschriften des SGB, also auch jene des SGB V, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Mit der Anknüpfung an das Territorialitätsprinzip hat § 30 SGB I den Charakter einer Kollisionsnorm. Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben dabei unberührt (§ 30 Abs. 2 SGB I), lassen also die allgemeinen Regelungen des SGB jeweils zurücktreten. Der Kläger wohnt in Berlin, hat also seinen Wohnsitz in Deutschland und hält sich dort auch gewöhnlich auf. Sein Aufenthalt in Tunesien Anfang 1999 war nur vorübergehender Natur und berührte daher weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Deshalb gilt allein das deutsche Krankenversicherungsrecht, soweit das Abkommen selbst keine besonderen Regelungen enthält.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst den Anspruch auf ärztliche Behandlung (Satz 2 Nr. 1) und Krankenhausbehandlung (Satz 2 Nr. 5). Dabei hat der Kläger gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf die streitige Leistung als Sachleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V), Abweichendes gilt im Falle einer Notfallbehandlung: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig als Sachleistung erbringen und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (vgl. § 13 Abs. 3 erste Alternative SGB V).
Dieser Leistungsanspruch aus § 27 SGB V des Klägers ruht nicht für die Dauer seines vorübergehenden Aufenthaltes in Tunesien. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht zwar der Anspruch auf Leistungen, solange sich ein Versicherter im Ausland aufhält, und zwar auch dann, wenn er dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkrankt, soweit im SGB V (zB § 16 Abs. 4, § 17 und § 18 SGB V) nichts Abweichendes bestimmt ist. Diese Ruhensvorschrift ist im vorliegenden Fall aber nicht anwendbar. Der Kläger fällt als deutscher Staatsangehöriger unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik (Art. 3 Buchstabe a des Abkommens). Nach Art. 5 des Abkommens gelten die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Erbringung von Leistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängt, nicht für die in Art. 3 Buchstabe a genannten Personen, die sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats aufhalten, soweit das Abkommen nichts anderes bestimmt. Für in Deutschland wohnende Versicherte mit deutscher oder tunesischer Staatsangehörigkeit, die sich in Tunesien aufhalten, wird damit der gewöhnliche Aufenthalt (und in bestimmten Fällen auch der vorübergehende, dazu sogleich) im Ausland (Tunesien) dem Aufenthalt im Inland (Deutschland) gleichgestellt, so dass der Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht (vgl. zum insoweit im Kern gleich lautenden deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommen BSGE 86, 86 = SozR 3-6855 Art 10d Nr. 1).
Das Abkommensrecht sieht für den vorliegenden Fall auch nicht deshalb eine Ausnahme von der Gleichstellung des ausländischen mit dem inländischen Aufenthalt vor, weil sich der Kläger nur vorübergehend im Vertragsausland aufgehalten hat. Nach Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b des Abkommens gilt die in Art. 5 vorgesehene Gebietsgleichstellung für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt. Dies ist hier unstreitig für die infolge eines schweren Unfalls notwendig gewordene Krankenbehandlung der Fall gewesen. Nach alledem ist der Auffassung der Beklagten, dass sich der Anspruch auf Krankenbehandlung vorliegend allein aus dem Abkommen ergebe und das SGB V nicht zur Anwendung komme, nicht zu folgen. Lediglich § 16 SGB V ist wegen Art. 5 iVm Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b des Abkommens nicht anwendbar; die Ansprüche des Klägers, der seinen Wohnsitz in Deutschland hatte, gegen die Beklagte, deren Mitglied er im Zeitpunkt des Unfalls war, ergeben sich im Übrigen aus dem SGB V.
Die Sachleistungen, auf die nach dem SGB V grundsätzlich Anspruch besteht, erbringt die Beklagte im Vertragsstaat Tunesien im Wege der Sachleistungsaushilfe. Art. 15 des Abkommens regelt insoweit die Zuständigkeiten für die Erbringung von Sachleistungen in den Fällen der Sachleistungsaushilfe (Abs.1) sowie die Modalitäten der Sachleistungserbringung (Abs. 2), wobei für Körperersatzstücke und andere Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung die Sonderregelung (Abs. 3) gilt, dass sie außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit im Wege der Sachleistungsaushilfe nur erbracht werden, wenn der zuständige inländische Versicherungsträger zustimmt.
Die Versorgung mit der notwendigen Krankenbehandlung konnte der Kläger in Tunesien nicht als Sachleistung im Wege der Sachleistungsaushilfe in Anspruch nehmen, also ohne Eingehen einer eigenen Kostenverpflichtung, auf Kosten der insoweit zuständigen CNSS (Art. 15 Abs. 1 des Abkommens), deren Kosten wiederum der deutsche Träger zu erstatten hat (Art. 15 Abs. 5 des Abkommens). Das steht für den Senat aufgrund der ärztlichen Bescheinigung des Prof. Dr. K vom 2. Februar 1999 fest und wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in Tunesien grundsätzlich eine Möglichkeit bestanden hätte, im Falle einer schweren Erkrankung wie der des Klägers im Wege der Sachleistungsaushilfe eine medizinisch ausreichende Behandlung in einem staatlichen Krankenhaus zu erbringen. Entscheidend ist vielmehr, dass im vorliegenden Notfall ein ausreichend ausgestattetes staatliches Krankenhaus nicht erreichbar war. Das staatliche Krankenhaus, in das der Kläger zunächst eingeliefert worden war, hat dementsprechend entschieden, den Kläger in die Privatklinik T zu überweisen. An der Notwendigkeit dieser ärztlichen Entscheidung ergeben sich für den Senat keine Zweifel. Der Kläger konnte auf diese Entscheidung ohnehin keinen Einfluss nehmen, da er nicht bei Bewusstsein war.
Im Hinblick auf solche Notfallbehandlungen außerhalb der grundsätzlich vorgesehenen Sachleistungshilfe enthält das Abkommen – anders als andere Sozialversicherungsabkommen, die einen Kostenerstattungsanspruch für solche Fälle ausdrücklich normieren – keine Regelungen. Eine Regelung folgt insbesondere nicht aus Art. 15 Abs. 2 des Abkommens. Danach gelten für die Erbringung der Sachleistungen die für den Träger des Wohnorts oder des Aufenthaltsorts maßgebenden Rechtsvorschriften (mit weiteren Ausnahmen), wobei Aufenthaltsort im Sinne des Abkommens, der vorübergehende Aufenthaltsort ist (Art. 1 Nr. 13). Aus Art. 15 des Abkommens ergibt sich nicht, dass ein Anspruch nur besteht, wenn und soweit es sich bei der erbrachten Leistung auch um eine nach tunesischem Recht als Sachleistung zu erbringende Leistung handelt. Art. 15 Abs. 2 Abkommen regelt nicht den Anspruch dem Grunde nach (hier § 27 Abs. 1 SGB V), sondern nur die Form der Versicherungsleistung (im Falle eines Anspruchs auf Sachleistung Sachleistungsaushilfe nach tunesischem Recht). Deshalb brauchte nicht geprüft zu werden, ob und welche Regelungen nach tunesischem Recht für Notfallbehandlungen außerhalb der staatlichen Einrichtungen bestehen. Den Fall, dass eine notwendige Sachleistung im Vertragsausland nicht rechtzeitig erbracht werden kann, haben die Vertragsparteien nicht abweichend von ihren jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften geregelt. Soweit die Beklagte auf Vereinbarungen zwischen den Verbindungsstellen auf der Grundlage von Art. 30 des Abkommens verweist, aus denen sich ein Kostenerstattungsanspruch der Art und der Höhe nach abweichend von § 13 Abs. 3 SGB V ergeben soll, hat das SG zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei solchen Vereinbarungen nicht um zwischenstaatliches Recht im Sinne des § 30 Abs. 2 SGB I handelt, das innerstaatliche Ansprüche einschränken könnte.
Zutreffend hat das SG daher entschieden, dass die Regelung des § 13 Abs. 3 erste Alternative SGB V als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht durch zwischenstaatliches Recht ausgeschlossen ist. Solche unaufschiebbaren Behandlungen hat der Kläger hier in notwendigem Umfang in Anspruch genommen, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Die Kosten sind in der geltend gemachten Höhe auch tatsächlich angefallen, so dass nach Auffassung des Senats lediglich die Beträge abzuziehen sind, die nicht auf ärztliche Leistungen bzw. Leistungen des Krankenhauses entfallen, wie etwa die in der Rechnung der Poliklinik T enthaltenen Telefonkosten in Höhe von wenigen Dinar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es war zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 18. Juli 2000 Rückflug- und Übersetzungskosten schon im Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht hatte, so dass das Urteil des SG im Kostenpunkt zu ändern war.
Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) ist nicht ersichtlich. Das BSG hat bereits entschieden, dass Ansprüche aus dem SGB V nicht nach § 16 SGB V ruhen, soweit zwischenstaatliche Abkommen (wie hier Art. 5 des Abkommens) eine Gebietsgleichstellungsklausel enthalten. Wegen der übrigen Fragen ist grundsätzliche Bedeutung nicht zu erkennen.
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