L 18 AS 1325/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 2307/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1325/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2005 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, und die Sache insoweit an das Sozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Abzug einer Pauschale für Warmwasserbereitung von den ihm gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II); ferner begehrt er eine höhere Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 03. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe der monatlichen Regelleistung von 345,- EUR zzgl. der um eine Pauschale von 9,- EUR monatlich gekürzten tatsächlichen Unterkunftskosten für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005.

Mit seiner bei dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger die Gewährung von "weiterem" Alg II geltend gemacht, und zwar in Höhe der ungekürzten tatsächlichen Unterkunftskosten und einer höheren Regelleistung als 345,- EUR monatlich (vgl. Klageschrift vom 13. April 2005). Das SG hat mit Urteil vom 30. September 2005 die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die vollen Unterkunftskosten abzüglich einer Warmwasserpauschale von 6,67 EUR monatlich zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die gegen den Abzug der Warmwasserpauschale gerichtete Klage sei teilweise begründet. Der Abzug der Warmwasserpauschale von 9,- EUR monatlich sei rechtswidrig. Zwar sei bei den Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II ein Abzug für die Warmwasserbereitung vorzunehmen, um eine doppelte Bedarfsdeckung zu vermeiden. Dies erfordere jedoch zwingend eine möglichst genaue Berechnung der Pauschale, um zu vermeiden, dass der Abzugsbetrag über den Aufwandsbetrag hinausgehe, der den tatsächlichen Aufwendungen für die Warmwasserbereitung entspreche. Vorliegend sei auf der Grundlage der Berechnungen des Ableseunternehmens ein Abzug von lediglich 6,67 EUR monatlich vorzunehmen. Der darüber hinausgehende Pauschalabzug führe zu einer rechtswidrigen Verkürzung des Anspruchs auf Übernahme der vollen Unterkunftskosten, so dass die angefochtenen Bescheide insoweit rechtswidrig gewesen seien. Hinsichtlich der begehrten vollen Übernahme der Unterkunftskosten sei die Klage dagegen nicht begründet. Denn im Regelsatz sei unstreitig ein Bedarf für Haushaltsenergie vorgesehen, der deshalb bei den Unterkunftskosten herausgerechnet werden dürfe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren – auch auf Zuerkennung einer nunmehr mit 627,- EUR monatlich bezifferten Regelleistung - weiter; auf seine Berufungsschrift vom 25. November 2005 nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 03. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 01. Januar 2005 die tatsächlichen Kosten seiner Unterkunft ohne Abzug einer Warmwasserpauschale von 6,67 EUR sowie eine höhere Regelleistung in Höhe von 627,- EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte stellt keine Anträge.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des SG-Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, soweit dieses Urteil mit der Berufung angefochten war, begründet. Das Urteil leidet im angefochtenen Umfang an wesentlichen Mängeln.

Das Urteil des SG enthält im Hinblick auf den vom Kläger bereits mit seiner Klageschrift vom 13. April 2005 geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelleistung nach § 20 SGB II keinen Urteilsausspruch und diesbezüglich mithin auch keine Entscheidungsgründe im Sinne von § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG.

Das SG hat den Antrag des Klägers auf Gewährung einer höheren Regelleistung, der sich dem Vorbringen in der Klageschrift vom 13. April 2005 unschwer entnehmen lässt, übergangen. Hierin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel. Denn das Gericht hat über sämtliche erhobenen Ansprüche zu entscheiden (vgl. § 123 SGG). Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches auf Gewährung einer höheren Regelleistung fehlen dem angefochtenen Urteil somit sowohl die "gedrängte Darstellung des Tatbestandes" (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG) als auch "die Entscheidungsgründe" (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG). Letztere enthält das Urteil (nur) dann, wenn in der Begründung selbst mindestens diejenigen Erwägungen zusammengefasst sind, auf denen die Entscheidung über jeden einzelnen für den Urteilausspruch rechtserheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Die Begründung muss derart ausführlich sein, dass die höhere Instanz das angefochtene Urteil zuverlässig nachprüfen und der unterlegene Beteiligte aus ihm ersehen kann, worauf das Gericht seine Entscheidung stützt. Zum Mindestinhalt gehört hiernach die Angabe der angewandten Rechtsnorm und der für erfüllt bzw. nicht für erfüllt erachteten Tatbestandsmerkmale (vgl. BSG, Beschluss vom 03. Mai 1984 – 11 RA 8/83 = SozR 1500 § 136 Nr. 3; Urteil vom 15. November 1988 – 4/11a RA 20/87 = SozR 1500 § 136 Nr. 10).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem angefochtenen Urteil des SG auch nicht entnommen werden, das SG habe "konkludent" mit seinem die Klage im Übrigen abweisenden Urteilsausspruch (auch) über den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelleistung nach § 20 SGB II entscheiden wollen. Hierfür findet sich vielmehr kein Anhalt. Der Tatbestand des SG-Urteils und der dort nach dem "schriftsätzlichen Vorbringen" des Klägers zugrunde gelegte Klageantrag befassen sich ausschließlich mit dem geltend gemachten Klageanspruch auf Übernahme der gesamten tatsächlichen Unterkunftskosten. In den Entscheidungsgründen wird das Begehren auf höhere Regelleistungen ebenfalls nicht erwähnt.

Die Tatsache, dass das SG über den Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelleistung tatsächlich nicht entschieden hat, stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Denn es ist davon auszugehen, dass Mängel bei der Erfassung des Streitgegenstandes bzw. die Nichtbeachtung geltend gemachter Klageansprüche regelmäßig auch Mängel bei den Erwägungen auf dem Wege zum Urteilsspruch darstellen. Die Sache war daher nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG im tenoriertem Umfang an das SG zurückzuverweisen. Zwar sind bei der Ausführung des Ermessens im Rahmen des § 159 Abs. 1 SGG auch prozessökonomische Erwägungen sowie das Interesse der Beteiligten an einer zeitnahen und endgültigen Erledigung des Rechtsstreits zu beachten. Das berufungsgerichtliche Ermessen, ob der Rechtsstreit zurückverwiesen oder vom Landessozialgericht selbst entschieden werden soll, ist aber diesbezüglich nicht eingeschränkt. Vorliegend erschien dem Gericht eine Zurückverweisung als sachgerecht, weil die von dem Kläger gerügte Verfassungswidrigkeit der Regelleistungshöhe des § 20 Abs. 2 SGB II, bezüglich derer sich der Kläger insbesondere auf die Ermittlungsgrundlagen für die Regelleistungshöhe und deren Verwertbarkeit bzw. Aussagekraft bezieht, auch noch weitere Sachermittlungen zur Prüfung der Ausgangsdatenlage für die Regelleistung bzw. deren Fortschreibung erforderlich macht. Im Übrigen haben die Beteiligten durch ihr Einverständnis mit der beabsichtigten Zurückverweisung zum Ausdruck gebracht, dass sie an einer – erstmaligen - Entscheidung durch das SG interessiert sind.

Die Zurückverweisung hat im gesamten Umfang der Klageabweisung zu erfolgen, d. h. auch soweit das SG die Klage auf Übernahme der vollen Unterkunftskosten ohne Abzug einer Warmwasserpauschale von 9,- EUR monatlich abgewiesen hat. Zwar sind zur Vermeidung einer doppelten Bedarfsdeckung aus den Unterkunftskosten diejenigen Nebenkosten herauszurechnen, die sich auf Bedarfslagen beziehen, die bereits von der Regelleistung des § 20 SGB II abgedeckt werden. Hierzu zählen neben den Kosten für die Elektrizität auch die Kosten der Aufbereitung von Warmwasser. Soweit diese in der Regelleistung enthalten sind, können sie – da bereits abgegolten - von vornherein keine "tatsächlichen Aufwendungen" für Unterkunft und Heizung i. S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II darstellen. Da aber Höhe und Umfang der von der Regelleistung umfassten Warmwasserbereitung, d.h. gegebenenfalls deren (prozentualer) Anteil an der Regelleistung, wiederum von der Höhe der Regelleistung und deren Zusammensetzung abhängen, ist auch eine abschließende Entscheidung über die Höhe einer abzugsfähigen Warmwasserpauschale erst dann möglich, wenn Höhe und Zusammensetzung der Regelleistung feststehen. Da das SG diesbezüglich keine Feststellungen getroffen hat, war der Rechtsstreit somit hinsichtlich des noch streitigen Abzugs einer Warmwasserpauschale in Höhe von 6,67 EUR monatlich ebenfalls zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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