L 11 B 521/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 SO 253/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 521/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen Ziff. I und II des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 03.08.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (ASt) ist - den eigenen Angaben folgend - Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina. Sie lebt seit 1972 in Deutschland und ist seit 1994 pflegebedürftig. Sie lebt zusammen mit Herrn F. E. , der sie in der gemeinsamen Wohnung versorgt. Sie erhält Pflegegeld in Höhe von etwa 410,00 EUR monatlich.

Ihren Antrag auf Bewilligung von Krankenhilfe nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) lehnte der Antragsgegner (Ag) mit Bescheid vom 03.11.2003 ab. Im Widerspruchsverfahren forderte die Regierung den Ag zur Abhilfe auf, weil die ASt einen Anspruch auf Krankenhilfe nach § 120 Abs 1 Satz 1 BSHG habe.

Der Ag bat die ASt mit Schreiben vom 13.04.2005 um Vorlage der Belege über die Krankenkosten. Da seit 01.04.2005 auch Leistungsempfänger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) eine Krankenversicherungskarte erhalten können, werde um Mitteilung der von der ASt gewählten Krankenkasse gebeten. Die ASt wurde desweiteren aufgefordert, einen beigefügten Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff SGB XII auszufüllen und die angeforderten Unterlagen vorzulegen. Wegen Änderung der Rechtslage durch das In-Kraft-Treten des SGB XII müsse ihre Anspruchsberechtigung erneut geprüft werden.

Mit Schriftsatz vom 09.02.2005 beantragte die ASt beim Verwaltungsgericht München sinngemäß, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für das Jahr 2005 einen Krankenschein zu erteilen.

Bis heute sei über ihren Widerspruch noch nicht entschieden. Zu ihrer medizinischen Versorgung sei ein Krankenschein dringend erforderlich.

Zudem beantragte die ASt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwalt H. , E ...

Mit Beschluss vom 01.06.2005 verwies das Verwaltungsgericht München den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht München (SG).

Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.

Eine Bedürftigkeitsprüfung sei im Falle der ASt nicht möglich, weil sie bis dato noch keine Unterlagen zur Prüfung ihres sozialhilferechtlichen Anspruches vorgelegt habe. Über die Krankenhilfe könne erst entschieden werden, sobald die angeforderten Unterlagen vorlägen.

Mit Beschluss vom 03.08.2005 (Ziff. I und II) lehnte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die ASt sei nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet, die erforderlichen Unterlagen zur Prüfung ihres Anspruches vorzulegen und den dafür vorgesehenen Vordruck zu verwenden. Ohne einen Grund dafür anzugeben, leiste sie dieser Obliegenheit keine Folge. Der Ag ist auf Grund der Rechtslage nicht nur berechtigt sonder verpflichtet, eine neue sozialhilferechtliche Prüfung vorzunehmen.

Hiergegen wendet sich die ASt mit ihrer beim SG am 13.09.2005 eingegangenen Beschwerde.

Nach mehreren Anträgen auf Verlängerung der richterlich gesetzten Frist zur Begründung der Beschwerde gibt sie, ohne einen ausdrücklichen Antrag im Beschwerdeverfahren zu stellen, an, sie sei schwerstbehindert und pflegebedürftig. Sie habe bis vor kurzem Pflegegeld bekommen, das ihr jetzt aber versagt werde, weil Herr E. ein zu hohes Vermögen habe. Gegen diesen, der Versagung zugrunde liegenden Bescheid vom 22.07.2005 habe sie Widerspruch erhoben. Als Pflegefall sei ständig damit zu rechnen, dass ein Krankenschein benötigt werde. Im Übrigen habe die Regierung von Oberbayern bereits mit Schreiben vom 20.12.2004 mitgeteilt, dass ein Anspruch auf Krankenhilfe bestehe.

Sie legt vor die Kopie ihres Schwerbehindertenausweises sowie einen Auszug der "Beschreibung des Pflegeaufwandes" aus dem Jahre 1995 in Kopie.

Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wie bereits mit Schreiben vom 29.04.2005, 07.07.2005 und vom 13.10.2005 erläutert, sei eine Bedürftigkeitsprüfung bei der ASt hinsichtlich der Bewilligung von Hilfe zur Gesundheit nicht möglich, weil sie nach wie vor die angeforderten Unterlagen nicht vorlege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Auflage 2005, RdNr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die ASt Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage 2005, § 86 b RdNr 41).

Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu i.E. BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59), zeigt sich, dass der ASt kein Anordnungsgrund (mehr) zur Seite steht. Im Übrigen fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch.

Soweit die ASt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für das Jahr 2005 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt, steht ihr kein Anordnungsgrund zur Seite. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen der Sozialhilfe für abgelaufene Bewilligungszeiträume durch einstweilige Anordnung regelmäßig nicht zugesprochen werden können. Die ASt hat, insbesondere vor dem Hintergrund der ihr vom Ag auferlegten Verpflichtung, Belege für Krankenbehandlungen vorzulegen, nicht dargetan, dass solche Leistungen für das Jahr 2005 ausnahmsweise eilbedürftig wären. Sie ist deshalb insoweit auf das anhängige Widerspruchs- bzw. auf ein folgendes Klageverfahren zu verweisen.

Da sich der von der ASt geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Krankenscheines ausdrücklich nur auf das Jahr 2005 bezieht, kann die Beschwerde bereits aus diesem Grund keinen Erfolg haben.

Der Senat weist gleichwohl ergänzend darauf hin, dass die ASt auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen konnte. Sie stützt sich nach wie vor auf eine Mitteilung vom 20.12.2004, in der die Regierung von Oberbayern zur Rechtslage im Jahre 2004 Stellung genommen hat. Noch in ihrem Schreiben vom 19.10.2005 will die ASt den von ihr geltend gemachten Anspruch aus § 120 Abs 1 BSHG herleiten, und verkennt dabei, dass diese Vorschrift mit Ablauf des 31.12.2004 gemäß Art 68, 70 Abs 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I S 3022) aufgehoben worden ist. Dass der Ag den von der ASt geltend gemachten Anspruch vor dem Hintergrund der am 01.01.2005 in Kraft getretenen Bestimmungen des SGB XII zu prüfen hat und die hierfür erforderlichen Angaben von der ASt und gegebenenfalls die Vorlage erforderlicher Belege gemäß §§ 60 ff SGB I anfordern kann, bedarf keiner näheren Begründung.

Die Beschwerde hat deshalb insgesamt keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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