L 14 R 4213/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 RA 1090/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4213/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 8. August 2003 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Die 1950 geborene Klägerin hat im Gebiet der ehemaligen DDR eine zweijährige Ausbildung zur Stenophonotypistin durchlaufen und mit der Facharbeiterprüfung abgeschlossen. Sie war nach eigenen Angaben beruflich in wechselnden Stellungen als Sekretärin, Korrespondentin, Hauptkassiererin, ökonomische Mitarbeiterin und Chefsekretärin tätig, zuletzt - nach einem sieben Monate langen EDV-Kurs für kaufmännische Sachbearbeitung - seit 1994 als Arztsekretärin beim M. Bayern in F. , wo sie im Laufe der Zeit vom Schreiben langer Gutachten entbunden und auch mit organisatorischen Tätigkeiten betraut wurde. Ab 10.01.2002 bestand Arbeitsunfähigkeit. Nach Auslaufen des Krankengeldes im März 2003 hat die Klägerin die Arbeitstätigkeit auf einem Arbeitsplatz in der Anmeldung einer anderen Dienststelle des M. Bayern wieder aufgenommen.

Am 16.11.2000 stellte die Klägerin Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, den sie u.a. mit ständigen Schmerzen, Bewegungseinschränkung der HWS und der Schultergelenke, Parästhesien an den Händen und Schlafstörungen begründete.

Sie legte verschiedene ärztliche Unterlagen vor, darunter ein Attest des behandelnden Arztes Dr. B. vom 18.01.2000, wonach zur anhaltenden Besserung des Beschwerdebildes eine Arbeitsplatzumsetzung empfohlen wurde, Schreibtätigkeit sollte nicht länger als drei Stunden täglich durchgeführt werden.

Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung auf orthopädischem Gebiet durch Dr. D. (Gutachten vom 21.02.2001). Dieser diagnostizierte bei der Klägerin "Tendinitis calcarea beider Schultergelenke, Cervikalgie bei Diskusprotrusion HWK 5/6, Carpaltunnelsyndrom bds., Bursitis trochanterica rechts, neurologisch attestierter benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel". Er hielt die Klägerin für in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten ohne häufige Arbeiten mit Armvorhalte unter Krafteinsatz, ohne Zwangshaltungen der HWS und ohne häufige Überkopftätigkeiten vollschichtig zu verrichten, und empfahl zur langfristigen Erhaltung der Erwerbsfähigkeit ein Heilverfahren. Gegen eine weitere Verwendung im Beruf der Stenotypistin/Sekretärin bestanden aus seiner Sicht keine Bedenken.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 19.03.2001 ab mit der Begründung, die Klägerin könne in ihrem bisherigen Arbeitsbereich und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein.

Dem entgegnete die Klägerin mit ihrem Widerspruch, sie sei in der Lebensqualität stark eingeschränkt, könne wegen ständigem Liegeschmerz nachts nicht durchschlafen und habe auch tagsüber ständig Schmerzen und auch neurologische Ausfälle an den Händen.

Der nunmehr beauftragte Nervenarzt Dr. S. setzte sich in seinem neurologischem Gutachten vom 13.06.2001 mit den Vorbefunden der behandelnden Ärzten auseinander. Er erhob aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin einen weitgehend unauffälligen neurologischen Status und diagnostizierte folgende Gesundheitsstörungen:

1. cervikales Wurzelreizsyndrom bei radiologisch nachgewiesener Diskusprotrusio in Höhe HWK 5/6 ohne neurologische Defizite 2. lumbo-sakrales Wurzelreizsyndrom mit angegebener Hypästhesie im Bereich der rechten Großzehe ohne sonstige sensomotorische Ausfälle 3. beginnendes Karpaltunnelsyndrom, rechts betont 4. V.a. paroxysmalen Lagerungsschwindel 5. vasomotorische Kopfschmerzen 6. deutliche Adipositas.

Der Gutachter kam zu der Auffassung, die Klägerin könne ihre bisherige Tätigkeit sowie sonstige leichte bis mittelschwere Arbeiten weiter vollschichtig verrichten, allerdings seien körperliche Spitzenbelastungen und allgemeine Stresssituationen zu vermeiden, ebenso ständiges Stehen und Gehen, Heben und Tragen schwerer Gegenstände sowie häufiges Bücken.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) machte die Klägerin weiterhin ständige Schmerzen und Erschöpfung geltend, hinzugekommen seien noch Schmerzen im rechten Ellbogen- und Handgelenk sowie im rechten Oberschenkel, ferner morgendliche Unbeweglicckeit/Steifheit sowie Kälteempfindlichkeit an den Extremitäten. Eine ambulante RehaMaßnahme im Oktober/November 2001 habe keine entscheidende Besserung erbracht.

Das SG beauftragte den Orthopäden Dr. K. mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser erhob in seinem Gutachten vom 17.02.2002 folgende Gesundheitsstörungen:

1. Steilgestellte Fehlstatik der HWS mit geringgradigen Verschleißzeichen und pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung. Lumbalisation der LWS mit sechs freien Lendenwirbelkörpern; sacrum acutum; Osteochondrose des Sakralplateaus bei präsakralem Bandscheibenschaden und lumbosakraler leichtgradiger Spondylarthrose ohne neurologische Ausfälle und nur geringgradigen Funktionseinschränkungen

2. beginnende Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke bds. mit geringgradigen Funktionseinschränkungen

3. beginnende Heberden- und Polyarthrose beider Hände, Karpaltunnelsyndrom, rechts stärker als links, mit leichten Funktionseinschränkungen

4. Schultereckgelenksarthrose bds. bei Tendinosis calcarea und degenerativen Rotatorenmanschettenteilrupturen bds.

Der Gutachter führte dazu aus, wegen der anlagebedingten Störungen der Wirbelsäule - bei Fehlen altersüberdurchschnittlicher Veränderungen - seien schwere Hebe- und Tragebelastungen und Arbeiten aus ungünstigen Positionen heraus zu vermeiden. Von Seiten der Hände müssten lediglich schwere manuelle Kraft- und Haltearbeit unterbleiben, wegen des peripheren Nervenkompressionssyndroms des Nervus medianus seien darüber hinaus derzeit nur leichte manuelle Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderung an die Fingergeschicklichkeit und Feintaktilität zumutbar, insoweit werde dringend zur Durchführung einer Dekompressions-Operation, die nur einen kleinen Eingriff darstelle, geraten. Wegen des Verschleißschadens der Schultergelenke seien Überkopftätigkeiten mit stärkerer Kraft- und Haltearbeit nicht mehr möglich. Im "unteren Arbeitskreis" dagegen könnten noch leichte Arbeiten abverlangt werden. Insgesamt könne die Klägerin noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung ausschließlichen Sitzens ohne schwere Hebe- und Tragebelastung der Wirbelsäule sowie ohne Arbeiten aus ungünstigen vorgeneigten Positionen heraus vollschichtig verrichten. Das Bedienen von Büromaschinen sowie einer PC-Tastatur könne nur noch unter halbschichtig erfolgen. Tätigkeiten als Arztsekretärin und Schreibkraft seien damit wegen der überwiegend sitzenden Körperhaltung und starken Belastung beider Hände nur noch unter halbschichtig möglich.

Die Klägerin unterzog sich am 11.04.2002 einer Untersuchung in der Rheuma-Einheit der Medizinischen Universitätspoliklinik M. , bei der eine entzündlich-rheumatische Erkrankung ausgeschlossen und der Verdacht auf Fibromyalgie geäußert wurde.

Die Beklagte verwies auf die nach ihrer Meinung fortbestehende Leistungsfähigkeit der Klägerin in ihrem Beruf als Arztsekretärin; auszugehen sei insoweit von dem typischen Anforderungsprofil der Tätigkeit, die konkrete Ausgestaltung der letzten Arbeitsstelle sei dagegen nicht maßgeblich. Neben sitzender Arbeitshaltung sei ein häufiger Wechsel der Körperposition erforderlich, andauerndes Bedienen von Büromaschinen werde regelmäßig nicht verlangt.

Die Klägerin machte eine Verschlimmerung ihrer Schmerzsymptomatik trotz zwischenzeitlich erfolgter ergonomischer Arbeitsplatzoptimierung durch zeitlich reduzierte Bildschirmtätigkeit geltend. Vom Schreiben ärztlicher Gutachten sei sie seit dem Attest des Dr. B. von Januar 2000 weitestgehend befreit und u.a. in der Anmeldung und in der Telefonzentrale tätig gewesen, auch habe sie Dienstgänge, Post- und Bankgeschäfte erledigt. Sie legte eine Skelettszintigraphie vom 01.08.2002 vor.

Das SG ließ die Klägerin durch die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. untersuchen (Gutachten vom 06.12.2002). Dr. M. beschrieb eine klagsame, in ihrem Denken auf ihre Schmerzen fixierte und unter erheblichem Leidensdruck stehende Klägerin. Sie erhob die Diagnosen "chronisches Schmerzsyndrom der HWS und LWS bei degenerativen Veränderungen ohne neurologische Funktionsausfälle, Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung, (sozial-medizinisch nicht relevanter) benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Carpaltunnelsyndrom beidseits".

Die Gutachterin hielt die Arbeitsfähigkeit der Klägerin qualitativ für leicht bis mittelgradig eingeschränkt und die von Dr. K. vorgenommene Einschätzung des Leistungsvermögens für nachvollziehbar. Sie führte aus, am meisten sei die Klägerin durch die Schmerzen und Feinmotorikstörungen der Hände beeinträchtigt, es seien derzeit nur leichte manuelle Tätigkeiten ohne vermehrte Anforderungen an die Geschicklichkeit der Hände möglich. Aus psychiatrischer Sicht könne sie dagegen Tätigkeiten einer Arztsekretärin und sonstige leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit vollschichtig verrichten. Allerdings sei die Leistungsmotivation krankheitsbedingt eingeschränkt, und die Merk- und Konzentrationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und geistige Beweglichkeit seien im Rahmen der chronischen Schmerzen herabgesetzt. Die Gutachterin sah Besserungsmöglichkeiten durch dekomprimierende Eingriffe im Bereich beider Handgelenke und empfahl die Einleitung psychiatrischer Behandlungsmaßnahmen sowie die Gabe trizyklischer Antidepressiva zur Schmerzdistanzierung.

Auf Anregung der Beklagten holte das SG eine ergänzende Stellungnahme des Dr. K. vom 23.02.2003 zu den Leistungseinschränkungen von Seiten der Arme und Hände ein. Dieser legte dar, dass die Klägerin lediglich schwere manuelle Arbeiten vermeiden müsse und keine besonderen Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit gestellt werden dürften. Greiftätigkeiten, Halten und Sortieren sei weiterhin vollschichtig möglich, Kraft und Möglichkeiten zum Faustschluss erhalten. Manuelle Schreibarbeiten seien unter halbschichtig (drei Stunden täglich) möglich, am Stück jedoch nur etwa eine halbe Stunde. Überwiegend sitzende Tätigkeiten könnten ganztags verrichtet werden, wenn die Möglichkeit zum gelegentlichen Aufstehen und Umhergehen bestehe.

Die Beklagte legte eine Stellungnahme ihres berufskundlichen Dienstes vom 01.04.2003 vor. Darin wurde die Klägerin im Hinblick auf die Beschränkung von Schreibarbeiten als durchgehend nicht mehr unbedingt geeignet zur vollschichtigen Verrichtung von Sekretariatsarbeit angesehen. Im Hinblick auf ihre Zuordnung zur mittleren Gruppe der Angestelltenberufe innerhalb des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas müsse sie sich jedoch auch auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisen lassen, solange die allereinfachsten Arbeiten ausgeschlossen würden. Als zumutbare Tätigkeiten wurden die einer Pförtnerin bzw. Auskunftsassistentin genannt. Es handle sich um körperlich leichte Tätigkeit ohne nennenswerte physische Belastungen, die z.B. im öffentlichen Dienst zumindest mit der Vergütungsgruppe IX, üblicherweise sogar mit der Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt werde. Innerhalb des umgrenzten Arbeitsplatzes in der sogenannten Pförtnerloge sei die Arbeitshaltung praktisch freigestellt, d.h. der Wechsel der Körperhaltung könne im eigenen Ermessen erfolgen.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2003, gestützt auf die eingeholten Gutachten, ab. Ausgehend von einem noch vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten legte es dar, dass es für die Frage der Berufsunfähigkeit nicht allein auf die letzte Tätigkeit der Klägerin als Arztsekretärin, sondern auch auf andere zumutbare Tätigkeiten ankomme. Es verwies auf das durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Prüfung der Wertigkeit des bisherigen Berufs und der sozialen Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit entwickelte Berufsgruppenschema, wonach die Klägerin entsprechend ihrer zweijährigen Ausbildung zur Stenophonotypistin mit späterem EDV-Lehrgang und Beschäftigung als Arztsekretärin der Stufe der angelernten Versicherten des oberen Bereichs (mit einer Regelausbildung von bis zu zwei Jahren) zuzuordnen sei; der siebenmonatige EDV-Kurs selbst stelle keine auf der zweijährigen Ausbildung zur Stenophonotypistin aufbauende Weiterbildung dar, sondern habe das in Ausbildung und Berufstätigkeit erworbene Wissen auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Weiter wurde ausgeführt, dem Versicherten sei nach der Rechtsprechung jede Tätigkeit derselben oder der nächstniedrigeren Stufe zumutbar. Dementsprechend sei die Klägerin im Rahmen der Prüfung von Berufsunfähigkeit verweisbar auf angelernte und auch auf ungelernte Tätigkeiten mit gewissen Qualitätsmerkmalen wie Einweisung und Einarbeitung, wobei ihr eine Verweisungstätigkeit aufzuzeigen sei. Als in Betracht kommende Verweisungstätigkeiten benannte und beschrieb das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Urteile des BSG vom 30.07.1988 - 5/4 a RJ 19/87 und vom 05.04.2001 - B 13 RJ 61/00 R - die mit der Vergütungsgruppe BAT IX und üblicherweise sogar BAT VIII entlohnten Tätigkeiten eines einfachen Pförtners oder eines Auskunftsassistenten, bei denen es sich weder um Schonarbeitsplätze noch um Tätigkeiten von nur geringen qualitativem Wert handle und die der Klägerin sozial zumutbar seien.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und vertritt die Auffassung, das Erstgericht komme bei der Prüfung der Verweisungstätigkeit zu einem unrichtigen Ergebnis. Sie sei der Gruppe der ausgebildeten Angestellten mit mehr als zweijähriger Berufsausbildung zuzuordnen, ihre siebenmonatige EDV-Ausbildung stelle zusätzlich zu der früheren Ausbildung eine eigenständige Qualifikation mit Abschluss dar. Die Verweisung auf Tätigkeiten des ungelernten oder des unteren Anlernbereiches komme daher nicht in Betracht. Bei der Pförtnertätigkeit handle es sich zudem nur um eine einfachste Tätigkeit, die im Sitzen ohne die Möglichkeit des Umhergehens ablaufe.

Sie übersandte den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. (Versorgungsamt)über die Feststellung eines GdB von 30 vom 16.09.2003 sowie verschiedene ärztliche Unterlagen, darunter ein orthopädisches Attest des Dr. B. vom 01.02.2004 (neue Diagnose neben den bereits bekannten: "therapieresistente chronische Epicondylitis radialis humeri rechts"). Darin heißt es, auf Grund der Chronifizierung des Erkrankungen werde empfohlen, die Klägerin von der PC-Arbeit zu befreien, für Telefonarbeiten werde das Tragen eines sogenannten Head-Set sowie eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung empfohlen.

Der Senat zog die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts M. bei (darin ein Änderungsbescheid vom 03.02.2005 über einen GdB von 40 u.a. wegen "chronische Schmerzstörung, seelische Störung", ferner einen Bericht der Schmerztherapeutischen Tagesklinik des Krankenhauses M. vom 31.07.2003, in dem neben den Schmerzdiagnosen auch die "psychologische Diagnose" einer Dysthymie gestellt wurde). Er holte eine Auskunft des derzeitigen Arbeitgebers der Klägerin, M. Bayern, vom 12.11.2004 ein. Danach war die Klägerin seit 2000 aus der Schreibtätigkeit (Gutachten) herausgenommen, seit 7/03 nurmehr in der Aufnahme tätig und seit 5/04 im Callcenter (Telefondienst) eingesetzt. Es handele sich bei der ausgeübten Tätigkeit (65 % Sitzen, 20 % Stehen, 15 % Gehen) um eine Anlerntätigkeit mit sechsmonatiger Einarbeitungszeit. Die Klägerin erfülle damit die Tätigkeitsmerkmale der VergGr.4 M.-TV, sei aber von der früheren Vergütungsgruppe 5 nicht zurückgestuft worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 08.08.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antrag zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist - nach Einschaltung ihres beratungsärztlichen Dienstes - darauf, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin kein relevanter neuer medizinischer Sachverhalt ergebe. Aus den vorgelegten Unterlagen resultiere keine quantitative Leistungsminderung.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Rentenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 SGB VI bzw. § 240 SGB VI bei Berufsunfähigkeit in der Fassung ab 01.01.2001.

Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen, die das Erstgericht im Einzelnen dargelegt hat, sind nicht gegeben. Die Klägerin kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der ersten Instanz noch vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit weiteren qualitativen Einschränkungen verrichten. Unterbleiben sollen dabei ausschließliches Sitzen, schwere Hebe- und Tragebelastung der Wirbelsäule, Arbeiten aus ungünstigen vorgeneigten Positionen heraus und ohne besondere Anforderungen an die Geschicklichkeit der Hände und der Feintaktilität der Finger. PC-Arbeiten sind ununterbrochen eine halbe Stunde, ansonsten etwa drei Stunden täglich möglich. Darüber hinaus sollten im Hinblick auf die in den ärztlichen Unterlagen des M. und der Universitäts-Rheumaklinik anklingenden psychischen Faktoren - Dr. M. spricht von einer gewissen Überforderung bei Entwurzelungssymptomatik nach Übersiedlung aus dem Gebiet der früheren DDR, auch die Möglichkeit eines Arbeitsplatzkonfliktes klingt bei ihr und in anderen ärztlichen Unterlagen an - auch besondere psychische Belastungen unterbleiben.

Der Senat hält die Gutachten der Dr. K. und Dr. M. für schlüssig und nachvollziehbar. Eine weitere Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz erschien nicht veranlasst. Das Leistungsvermögen hat sich seit der Entscheidung des Erstgerichts nicht wesentlich verändert, eine Leidensverschlimmerung wurde nicht vorgetragen.

Bei seiner Beurteilung verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin als Fibromyalgie-Patientin durch Schmerzen belastet ist, und dabei vor allem Einschränkungen an den Händen durch zusätzliche Fingerpolyarthrose und CTS bestehen, wobei allerdings Letzteres nach Aussagen der Gutachter durch relativ einfachen operativen Eingriff beseitigt werden könnte und es daher unverständlich erscheint, dass die Klägerin damit seit langem zögert. Ein Anlass zur Rentengewährung besteht trotz allem nicht.

Mit dem ihr verbliebenen vollschichtigen Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht teilweise erwerbsunfähig (§ 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI). Sie ist aber auch nicht berufsunfähig im Sinne von § 43 Abs.2 SGB VI a.F. oder § 240 Abs.2 SGB VI n.F.

Wohl zutreffend sind Erstgericht und Beklagte bei der Prüfung davon ausgegangen, dass die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Arztsekretärin/Schreibkraft im Rahmen des vom Bundessozialgericht entwickelten Berufsgruppenschemas entsprechend ihrer Ausbildung am ehesten den Angestellten mit einer Regelausbildung von zwei Jahren zuzuordnen ist und als solche auf Tätigkeiten des ungelernten Bereichs zumutbar verwiesen werden kann, sofern sich diese durch Einarbeitung und Einweisung auszeichnen und nicht einfachster Art sind. Das Argument der Klägerin, der sieben Monate dauernde EdV-Lehrgang müsse dazu führen, dass sie als Angestellte mit einem Ausbildungsberuf mit Regelausbildung von mehr als zwei Jahren, regelmäßig bis zu drei Jahren, einzustufen wäre, trifft nicht zu. Insoweit wurde vor allem - wie das Erstgericht bereits dargelegt hat - eine Aktualisierung des beruflichen Wissens nach Babypause und Wiedereinstig in das Berufsleben erzielt.

Als Angestellte des sogenannten oberen Anlernbereichs ist der Klägerin nach der Rechtsprechung des BSG eine noch in Betracht kommende Verweisungstätigkeit konkret zu benennen. Insoweit hat das Erstgericht entsprechend der beruflichen Stellungnahme des berufskundlichen Dienstes der Beklagten die Tätigkeit einer Pförtnerin bzw. einer Auskunftsassistentin benannt und näher beschrieben. Diese Tätigkeiten entsprechen auch nach Auffassung des Senats dem verbliebenen Leistungsvermögen der Klägerin, denn es handelt sich jeweils um eine körperlich leichte Tätigkeit, die zwar regelmäßig im Sitzen oder überwiegend im Sitzen ausgeübt wird, aber das jederzeitige Ändern der Körperposition im eigenen Ermessen zulässt, sodass die Klägerin nicht zwingend ununterbrochen sitzen muss; ebenso sind die übrigen qualitativen Einschränkungen damit vereinbar. Die innerhalb von drei Monaten erlernbare, im öffentlichen Dienst mit BAT IX und VIII bezahlte Tätigkeit ist der Klägerin sozial zumutbar.

Geht man allerdings davon aus, dass die Klägerin infolge ihrer langjährigen Tätigkeit beim jetzigen Arbeitgeber, wo sie in die Vergütungsgruppe 5 M.-TV eingestuft war und auch nach Arbeitsplatzumsetzung entsprechend weiter bezahlt wird, die Kenntnisse einer ausgebildeten Arztsekretärin erworben und damit zum Bereich der gelernten Versicherten (mit einer Regelausbildung von mehr als zwei, regelmäßig drei Jahren) zu zählen ist, ist darauf zu verweisen, dass die derzeit unter Beibehaltung der bisherigen Vergütungsgruppe ausgeübte Tätigkeit im Callcenter (Telefondienst) mit den Qualitätsmerkmalen der darunter liegenden Vergütungsgruppe 4 M.-TV - gegen die der behandelnde Orthopäde bei Empfehlung des Benutzens eines sogenannten Head-Sets keine Einwände hatte - ebenfalls eine zumutbare Verweisungstätigkeit in dem oben genannten Sinne darstellt. Die Klägerin hat also einen zumutbaren Arbeitsplatz inne.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved