Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 444/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 357/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall hat und ihr hieraus Entschädigungsleistungen zustehen.
Die 1945 geborene Klägerin, die bei der Firma R. S. KG (Fa. S.)in H. versicherungspflichtig vom 01.01.1972 bis 20.09.1974 beschäftigt war, erlitt im Jahre 1974 einen Unfall. Nach ihren Angaben rutschte sie auf nasser Treppe aus, stürzte diese hinunter, schlug mit dem Kopf auf und war kurzzeitig bewusstlos. Sie sei von Dr.J. untersucht worden und nach etwa einer Stunde wieder zu ihrem Arbeitsplatz zurückgekehrt. Etwa drei Monate später habe sie Herzbeschwerden, Kopfschmerzen und Schwindel verspürt.
Die Beklagte zog einen Ausdruck des Leistungsverzeichnisses der Krankenkasse bei, aus dem sich eine Arbeitsunfähigkeitszeit vom 10.06.1974 bis 11.06.1974 wegen multipler Prellungen und eines leichten Schocks ergibt, diagnostiziert von Dr.J ... Die anschließenden Arbeitsunfähigkeitszeiten datieren vom 19.09.1974 bis 20.09.1974 und vom 23.09.1974 bis 28.09.1974, wobei hier die Diagnosen Kreislaufstörung, Hypotonie und Stenokardie zugrunde lagen. Unterlagen der inzwischen nicht mehr existierenden Fa. S. konnten nicht mehr beigezogen werden. Die Klägerin übersandte eine Erklärung einer nach ihren Angaben ehemaligen Arbeitskollegin vom November 2001 zum geschilderten Unfallhergang.
Mit Bescheid vom 05.03.2002 lehnte die Beklagte Entschädigungs- leistungen mit der Begründung ab, die von der Klägerin angegeben Kreislaufstörungen, Herzbeschwerden und die Atemnot könnten nicht auf den im Jahr 1974 erlittenen Unfall zurückgeführt werden, weil es sich um typisch unfallfremde Erkrankungen handele. Im Widerspruchsverfahren übersandte die Klägerin eine Bestätigung des Erstinstanzlichen Gesundheitsausschusses für den Bezirk M. vom 16.05.2002, wonach die Herz-Kreislaufprobleme nach dem Unfall im Jahre 1974 aufgetreten seien. Danach liegen bei der Klägerin eine chronische depressive Neurose mit körperlichen und psychischen Beschwerden (Phobie, unheilbar krank zu sein, Schwindel, Bewusstlosigkeit, Dyspnoe, Erschöpfung, Tachykardie u.a.) vor. Es bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 %. Die Klägerin bezog sich auch auf ein Schreiben des Rechtsanwalts Dr.H. M. vom 04.06.2002, der aufgrund dieser ärztlichen Bestätigung die Gesundheitsprobleme als Folge des Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1974 ansah. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, ein Arbeitsunfall sei nicht nachgewiesen. Selbst wenn aber von einem Arbeitsunfall mit Prellungen und leichtem Schock auszugehen wäre, sei das heutige Beschwerdebild der Klägerin mit Sicherheit nicht mehr auf diesen Unfall zurückzuführen.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und beantragt, den Unfall im Jahre 1974 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen den bisherigen Vortrag wiederholt. Zur Aufklärung des Sachverhalts befragte das Sozialgericht die Klägerin zum Unfallhergang. In der Stellungnahme der Klägerin vom 18.11.2003 heißt es, die Fa. S. habe ihr und ihren Arbeitskolleginnen als Schlafgelegenheiten das Obergeschoss eines daneben befindlichen Gebäudes zur Verfügung gestellt. Dort habe sich auch die gemeinsame Küche befunden. Am Unfalltag sei sie während der Mittagspause wie üblich die Treppe zum Obergeschoss hinauf gegangen, um in der Küche etwas vorzubereiten und zu essen. Die Plastikstufen seien nass gewesen, so dass sie abgerutscht sei. In dem weiteren Schreiben der Klägerin vom 17.01.2004 teilte die Klägerin mit, das Gebäude, in dem sich der Unfall ereignet habe, sei zusätzlich zu Arbeitszwecken der Fa. S. genutzt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.02.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe mit dem Betreten des den Privatzwecken der untergebrachten Beschäftigten dienenden Unterkunftsgebäudes den von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Bereich verlassen. Der Sturz auf der Treppe sei daher kein Arbeitsunfall.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Fa. S. sei schuld an dem Unfall. In dem Haus habe sich eine Plastiktreppe ohne Teppich befunden. Sie habe durch den Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten. Seit 20 Jahren benötige sie Hilfe, u.a. leide sie immer an Atemnot. Beigefügt ist ein ärztliches Attest aus der Heimat der Klägerin vom 27.08.1985, dem zu entnehmen ist, dass die Klägerin vom 17.03.1978 bis 06.06.1978 und vom 06.09.1984 bis 09.09.1984 aufgrund einer Psychose in stationärer Behandlung war. Bestätigt wird, dass sie für jede Arbeit unfähig sei und Hilfe benötige. Erneut bezieht sich die Klägerin auf das Gutachten des Erstinstanzlichen Gesundheitsausschusses für den Bezirk M. vom 20.08.1996. Die Klägerin hat auch eine Erklärung des M. H. vom 07.01.2006 übersandt, der aufgrund deren gesundheitlicher Beeinträchigungen die Hilfsbedürftigkeit bestätigt. Er sei ihr seit dem Jahr 1993 täglich von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr behilflich. Bezug nimmt die Klägerin auf eine Bestätigung des Chefarztes Prof. P. T. vom 14.10.2002 bezüglich einer Herzuntersuchung sowie auf deren eidesstattliche Versicherung vom 15.10.2002, in der sie erklärt, die Gesundheitsprobleme (Ohnmacht, Herz-Kreislaufstörungen, Mitral-insuffizienz) seien Folge des Unfalls im Jahre 1974.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist die ordnungsgemäß geladene Klägerin, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nicht erschienen.
Sie beantragt (sinngemäß), die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des So- zialgerichts Augsburg vom 17.02.2004 und des Bescheids vom 05.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2002 zu verurteilen, den Unfall im Jahr 1974 als Ar- beitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.02.2004 zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Er- gänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der bei- gezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.02.2004 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung des im Jahre 1974 erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall hat und somit auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen hieraus.
Der Senat hat keine Zweifel, dass die von der Klägerin im Zuge des Verwaltungsverfahren und dieses Rechtsstreits vorgetragenen Angaben zum Unfallhergang wahrheitsgemäß erfolgt sind. Insbesondere stimmen die Eintragungen im Leistungsauszug der Krankenkasse mit dem Vortrag der Klägerin völlig überein. Daraus ergibt sich u.a., dass die Klägerin im Juni 1974 multiple Prellungen und einen leichten Schock erlitt. Auch unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist aber die Anerkennung des Unfalls im Juni 1974 als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall nicht zu begründen.
Da sich der Unfall vor dem 01.01.1997 ereignet hat, sind die Vorschriften der RVO anzuwenden (§ 212 SGB VII).
Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Nach § 550 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit, denn den hierbei auftretenden Gefahren sind die Versicherten letztlich nur infolge dieser Tätigkeit ausgesetzt. Der von der Wohnung aus angetretene versicherte Weg beginnt mit dem Verlassen des häuslichen Wirkungskreises bzw. des bewohnten Gebäudes und endet mit dem Erreichen der Arbeitsstätte. Umgekehrt beginnt der versicherte Rückweg mit dem Verlassen der Arbeitsstätte und endet mit dem Betreten des bewohnten Gebäudes durch die Außentür, weil der Hinweg zur Arbeitsstätte und der Rückweg zum bewohnten Gebäude versicherungsrechtlich als Einheit anzusehen sind (BSGE 8, 55; 51, 258). Die Grenze zwischen dem noch nicht oder nicht mehr dem Versicherungsschutz unterliegenden häuslichen Bereich und dem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit, sofern der Weg von der Wohnung des Versicherten aus angetreten wird oder dort endet, bildet somit die Außentür des vom Versicherten bewohnten Gebäudes (BSG SozR 2200 § 550 Nr.22).
Nach den Angaben der Klägerin stellte der Arbeitgeber der Klägerin und anderen Beschäftigten Wohnungen in einem Unterkunftsgebäude mit einer Gemeinschaftsküche neben dem Gebäude der Arbeitsstätte zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der Versicherungsschutz endete somit auf dem Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes (vgl. BSGE 2, 239; 11, 156). Hierbei ist unbeachtlich, dass das Gebäude von mehreren Beschäftigten bewohnt wurde und eine Gemeinschaftsküche zur Verfügung stand. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird auch bei Mehrfamilienhäusern der häusliche Bereich im Allgemeinen durch die Haustür des Gebäudes begrenzt, in dem der Versicherte wohnt. Das Bundessozialgericht hat es dagegen abgelehnt, als Grenze des häuslichen Bereichs die Tür einer abgeschlossenen Etagenwohnung anzusehen. Damit umfasst der häusliche Bereich eines Gebäudes mit mehreren Wohnungen nicht ausschließlich die Räume, die anderen Personen nicht zugänglich sind (BSG, Urteil vom 30.11.1982 - 2 RU 33/81 m.w.N.). Zu dem nicht versicherten häuslichen Wirkungskreis gehörte somit hier auch die von allen Mitbewohnern genutzte Treppe innerhalb des Gebäudes, die die Klägerin hinabstürzte.
Nicht maßgebend ist, dass sich der Unfall während der Mittagspause ereignete, denn auch der auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme bestehende Versicherungsschutz beginnt bzw. endet mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet. Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf Unfälle beim Aufenthalt an der zur Einnahme einer Mahlzeit aufgesuchten Stelle, sei es die eigene Wohnung, eine Gaststätte oder eine Kantine (BSG, Urteil vom 26.04.1973 - 2 RU 213/71; Urteil vom 27.08.1981 - 2 RU 47/79; Urteil vom 26.01.1988 - 2 RU 1/87). Die Klägerin suchte nach ihren Angaben ihre Wohnung bzw. die Gemeinschaftsküche nicht aus betrieblichen Gründen auf, sondern gerade zum Zwecke eines dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnenden Aufenthalts bzw. zur Einnahme des Mittagessens.
Die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls würden auch dann nicht vorliegen, wenn nur das Obergeschoss des Gebäudes zu Wohnzwecken und das Gebäude im Übrigen betrieblichen Zwecken gedient hätte. Eine solche Tatsache könnte aus der Angabe der Klägerin hergeleitet werden, das Gebäude sei zusätzlich zu Arbeitszwecken genutzt worden. Sofern aber das Gebäude tatsächlich auch wesentlich betrieblichen Zwecken gedient hätte, wäre § 550 RVO nicht anwendbar, weil kein Wegeunfall vorliegen würde. Der Versicherungsschutz würde sich in diesem Fall nach § 548 RVO beurteilen (BSG, Urteil vom 30.11.1982 - 2 RU 33/81 m.w.N.).
Wenn unterstellt wird, dass die Klägerin nach dem Betreten des Gebäudes tatsächlich zunächst betrieblich genutzte Räume durchschreiten musste, hat sie aber spätestens nach dem Erreichen der Treppe, die ausschließlich dazu diente, die Wohnungen im Obergeschoss und die Gemeinschaftsküche aufzusuchen, den versicherungsrechtlich geschützten Raum verlassen. Der Weg auf der Treppe zur Einnahme einer Mahlzeit würde somit auch dann nicht unter Versicherungsschutz stehen, wenn sich sowohl Wohn- als auch Betriebsräume in dem Gebäude befunden hätten. Der Weg auf der Treppe wäre auch hier allein dem persönlichen Lebensbereich der Klägerin zuzuordnen (vgl. BSG, Urteile vom 29.01.1960 - 2 RU 265/56 und 23.03.1972 - 2 RU 153/70). Der den Unfallversicherungsschutz begründende innere Zusammenhang zwischen der versicherungspflichtigen Beschäftigung und der beim Unfall ausgeübten Tätigkeit würde also auch bei dieser Fallkonstellation fehlen.
Unbeachtlich ist der Vorwurf der Klägerin, die Fa. S. sei verantwortlich gewesen, weil sich die Treppe in einem schlechten Zustand befunden habe, denn diese Frage betrifft nicht den Bereich des Unfallversicherungsrechts, sondern das privatrechtliche Mietverhältnis.
Ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall liegt somit nicht vor. Der Senat hatte folglich nicht zu prüfen, ob bei der Klägerin gesundheitliche Folgen des erlittenen Unfalls vorliegen. Der Senat weist aber ungeachtet dessen darauf hin, dass der Nachweis eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem vor über 33 Jahren erlittenen Unfall und den in diesem Verfahren geäußerten Beschwerden außerordentlich schwierig erfolgreich zu erbringen wäre.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozi- algerichts Augsburg vom 17.02.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall hat und ihr hieraus Entschädigungsleistungen zustehen.
Die 1945 geborene Klägerin, die bei der Firma R. S. KG (Fa. S.)in H. versicherungspflichtig vom 01.01.1972 bis 20.09.1974 beschäftigt war, erlitt im Jahre 1974 einen Unfall. Nach ihren Angaben rutschte sie auf nasser Treppe aus, stürzte diese hinunter, schlug mit dem Kopf auf und war kurzzeitig bewusstlos. Sie sei von Dr.J. untersucht worden und nach etwa einer Stunde wieder zu ihrem Arbeitsplatz zurückgekehrt. Etwa drei Monate später habe sie Herzbeschwerden, Kopfschmerzen und Schwindel verspürt.
Die Beklagte zog einen Ausdruck des Leistungsverzeichnisses der Krankenkasse bei, aus dem sich eine Arbeitsunfähigkeitszeit vom 10.06.1974 bis 11.06.1974 wegen multipler Prellungen und eines leichten Schocks ergibt, diagnostiziert von Dr.J ... Die anschließenden Arbeitsunfähigkeitszeiten datieren vom 19.09.1974 bis 20.09.1974 und vom 23.09.1974 bis 28.09.1974, wobei hier die Diagnosen Kreislaufstörung, Hypotonie und Stenokardie zugrunde lagen. Unterlagen der inzwischen nicht mehr existierenden Fa. S. konnten nicht mehr beigezogen werden. Die Klägerin übersandte eine Erklärung einer nach ihren Angaben ehemaligen Arbeitskollegin vom November 2001 zum geschilderten Unfallhergang.
Mit Bescheid vom 05.03.2002 lehnte die Beklagte Entschädigungs- leistungen mit der Begründung ab, die von der Klägerin angegeben Kreislaufstörungen, Herzbeschwerden und die Atemnot könnten nicht auf den im Jahr 1974 erlittenen Unfall zurückgeführt werden, weil es sich um typisch unfallfremde Erkrankungen handele. Im Widerspruchsverfahren übersandte die Klägerin eine Bestätigung des Erstinstanzlichen Gesundheitsausschusses für den Bezirk M. vom 16.05.2002, wonach die Herz-Kreislaufprobleme nach dem Unfall im Jahre 1974 aufgetreten seien. Danach liegen bei der Klägerin eine chronische depressive Neurose mit körperlichen und psychischen Beschwerden (Phobie, unheilbar krank zu sein, Schwindel, Bewusstlosigkeit, Dyspnoe, Erschöpfung, Tachykardie u.a.) vor. Es bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 %. Die Klägerin bezog sich auch auf ein Schreiben des Rechtsanwalts Dr.H. M. vom 04.06.2002, der aufgrund dieser ärztlichen Bestätigung die Gesundheitsprobleme als Folge des Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1974 ansah. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, ein Arbeitsunfall sei nicht nachgewiesen. Selbst wenn aber von einem Arbeitsunfall mit Prellungen und leichtem Schock auszugehen wäre, sei das heutige Beschwerdebild der Klägerin mit Sicherheit nicht mehr auf diesen Unfall zurückzuführen.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und beantragt, den Unfall im Jahre 1974 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen den bisherigen Vortrag wiederholt. Zur Aufklärung des Sachverhalts befragte das Sozialgericht die Klägerin zum Unfallhergang. In der Stellungnahme der Klägerin vom 18.11.2003 heißt es, die Fa. S. habe ihr und ihren Arbeitskolleginnen als Schlafgelegenheiten das Obergeschoss eines daneben befindlichen Gebäudes zur Verfügung gestellt. Dort habe sich auch die gemeinsame Küche befunden. Am Unfalltag sei sie während der Mittagspause wie üblich die Treppe zum Obergeschoss hinauf gegangen, um in der Küche etwas vorzubereiten und zu essen. Die Plastikstufen seien nass gewesen, so dass sie abgerutscht sei. In dem weiteren Schreiben der Klägerin vom 17.01.2004 teilte die Klägerin mit, das Gebäude, in dem sich der Unfall ereignet habe, sei zusätzlich zu Arbeitszwecken der Fa. S. genutzt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.02.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe mit dem Betreten des den Privatzwecken der untergebrachten Beschäftigten dienenden Unterkunftsgebäudes den von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Bereich verlassen. Der Sturz auf der Treppe sei daher kein Arbeitsunfall.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Fa. S. sei schuld an dem Unfall. In dem Haus habe sich eine Plastiktreppe ohne Teppich befunden. Sie habe durch den Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten. Seit 20 Jahren benötige sie Hilfe, u.a. leide sie immer an Atemnot. Beigefügt ist ein ärztliches Attest aus der Heimat der Klägerin vom 27.08.1985, dem zu entnehmen ist, dass die Klägerin vom 17.03.1978 bis 06.06.1978 und vom 06.09.1984 bis 09.09.1984 aufgrund einer Psychose in stationärer Behandlung war. Bestätigt wird, dass sie für jede Arbeit unfähig sei und Hilfe benötige. Erneut bezieht sich die Klägerin auf das Gutachten des Erstinstanzlichen Gesundheitsausschusses für den Bezirk M. vom 20.08.1996. Die Klägerin hat auch eine Erklärung des M. H. vom 07.01.2006 übersandt, der aufgrund deren gesundheitlicher Beeinträchigungen die Hilfsbedürftigkeit bestätigt. Er sei ihr seit dem Jahr 1993 täglich von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr behilflich. Bezug nimmt die Klägerin auf eine Bestätigung des Chefarztes Prof. P. T. vom 14.10.2002 bezüglich einer Herzuntersuchung sowie auf deren eidesstattliche Versicherung vom 15.10.2002, in der sie erklärt, die Gesundheitsprobleme (Ohnmacht, Herz-Kreislaufstörungen, Mitral-insuffizienz) seien Folge des Unfalls im Jahre 1974.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist die ordnungsgemäß geladene Klägerin, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nicht erschienen.
Sie beantragt (sinngemäß), die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des So- zialgerichts Augsburg vom 17.02.2004 und des Bescheids vom 05.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2002 zu verurteilen, den Unfall im Jahr 1974 als Ar- beitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.02.2004 zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Er- gänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der bei- gezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.02.2004 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung des im Jahre 1974 erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall hat und somit auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen hieraus.
Der Senat hat keine Zweifel, dass die von der Klägerin im Zuge des Verwaltungsverfahren und dieses Rechtsstreits vorgetragenen Angaben zum Unfallhergang wahrheitsgemäß erfolgt sind. Insbesondere stimmen die Eintragungen im Leistungsauszug der Krankenkasse mit dem Vortrag der Klägerin völlig überein. Daraus ergibt sich u.a., dass die Klägerin im Juni 1974 multiple Prellungen und einen leichten Schock erlitt. Auch unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist aber die Anerkennung des Unfalls im Juni 1974 als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall nicht zu begründen.
Da sich der Unfall vor dem 01.01.1997 ereignet hat, sind die Vorschriften der RVO anzuwenden (§ 212 SGB VII).
Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Nach § 550 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit, denn den hierbei auftretenden Gefahren sind die Versicherten letztlich nur infolge dieser Tätigkeit ausgesetzt. Der von der Wohnung aus angetretene versicherte Weg beginnt mit dem Verlassen des häuslichen Wirkungskreises bzw. des bewohnten Gebäudes und endet mit dem Erreichen der Arbeitsstätte. Umgekehrt beginnt der versicherte Rückweg mit dem Verlassen der Arbeitsstätte und endet mit dem Betreten des bewohnten Gebäudes durch die Außentür, weil der Hinweg zur Arbeitsstätte und der Rückweg zum bewohnten Gebäude versicherungsrechtlich als Einheit anzusehen sind (BSGE 8, 55; 51, 258). Die Grenze zwischen dem noch nicht oder nicht mehr dem Versicherungsschutz unterliegenden häuslichen Bereich und dem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit, sofern der Weg von der Wohnung des Versicherten aus angetreten wird oder dort endet, bildet somit die Außentür des vom Versicherten bewohnten Gebäudes (BSG SozR 2200 § 550 Nr.22).
Nach den Angaben der Klägerin stellte der Arbeitgeber der Klägerin und anderen Beschäftigten Wohnungen in einem Unterkunftsgebäude mit einer Gemeinschaftsküche neben dem Gebäude der Arbeitsstätte zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der Versicherungsschutz endete somit auf dem Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes (vgl. BSGE 2, 239; 11, 156). Hierbei ist unbeachtlich, dass das Gebäude von mehreren Beschäftigten bewohnt wurde und eine Gemeinschaftsküche zur Verfügung stand. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird auch bei Mehrfamilienhäusern der häusliche Bereich im Allgemeinen durch die Haustür des Gebäudes begrenzt, in dem der Versicherte wohnt. Das Bundessozialgericht hat es dagegen abgelehnt, als Grenze des häuslichen Bereichs die Tür einer abgeschlossenen Etagenwohnung anzusehen. Damit umfasst der häusliche Bereich eines Gebäudes mit mehreren Wohnungen nicht ausschließlich die Räume, die anderen Personen nicht zugänglich sind (BSG, Urteil vom 30.11.1982 - 2 RU 33/81 m.w.N.). Zu dem nicht versicherten häuslichen Wirkungskreis gehörte somit hier auch die von allen Mitbewohnern genutzte Treppe innerhalb des Gebäudes, die die Klägerin hinabstürzte.
Nicht maßgebend ist, dass sich der Unfall während der Mittagspause ereignete, denn auch der auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme bestehende Versicherungsschutz beginnt bzw. endet mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet. Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf Unfälle beim Aufenthalt an der zur Einnahme einer Mahlzeit aufgesuchten Stelle, sei es die eigene Wohnung, eine Gaststätte oder eine Kantine (BSG, Urteil vom 26.04.1973 - 2 RU 213/71; Urteil vom 27.08.1981 - 2 RU 47/79; Urteil vom 26.01.1988 - 2 RU 1/87). Die Klägerin suchte nach ihren Angaben ihre Wohnung bzw. die Gemeinschaftsküche nicht aus betrieblichen Gründen auf, sondern gerade zum Zwecke eines dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnenden Aufenthalts bzw. zur Einnahme des Mittagessens.
Die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls würden auch dann nicht vorliegen, wenn nur das Obergeschoss des Gebäudes zu Wohnzwecken und das Gebäude im Übrigen betrieblichen Zwecken gedient hätte. Eine solche Tatsache könnte aus der Angabe der Klägerin hergeleitet werden, das Gebäude sei zusätzlich zu Arbeitszwecken genutzt worden. Sofern aber das Gebäude tatsächlich auch wesentlich betrieblichen Zwecken gedient hätte, wäre § 550 RVO nicht anwendbar, weil kein Wegeunfall vorliegen würde. Der Versicherungsschutz würde sich in diesem Fall nach § 548 RVO beurteilen (BSG, Urteil vom 30.11.1982 - 2 RU 33/81 m.w.N.).
Wenn unterstellt wird, dass die Klägerin nach dem Betreten des Gebäudes tatsächlich zunächst betrieblich genutzte Räume durchschreiten musste, hat sie aber spätestens nach dem Erreichen der Treppe, die ausschließlich dazu diente, die Wohnungen im Obergeschoss und die Gemeinschaftsküche aufzusuchen, den versicherungsrechtlich geschützten Raum verlassen. Der Weg auf der Treppe zur Einnahme einer Mahlzeit würde somit auch dann nicht unter Versicherungsschutz stehen, wenn sich sowohl Wohn- als auch Betriebsräume in dem Gebäude befunden hätten. Der Weg auf der Treppe wäre auch hier allein dem persönlichen Lebensbereich der Klägerin zuzuordnen (vgl. BSG, Urteile vom 29.01.1960 - 2 RU 265/56 und 23.03.1972 - 2 RU 153/70). Der den Unfallversicherungsschutz begründende innere Zusammenhang zwischen der versicherungspflichtigen Beschäftigung und der beim Unfall ausgeübten Tätigkeit würde also auch bei dieser Fallkonstellation fehlen.
Unbeachtlich ist der Vorwurf der Klägerin, die Fa. S. sei verantwortlich gewesen, weil sich die Treppe in einem schlechten Zustand befunden habe, denn diese Frage betrifft nicht den Bereich des Unfallversicherungsrechts, sondern das privatrechtliche Mietverhältnis.
Ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall liegt somit nicht vor. Der Senat hatte folglich nicht zu prüfen, ob bei der Klägerin gesundheitliche Folgen des erlittenen Unfalls vorliegen. Der Senat weist aber ungeachtet dessen darauf hin, dass der Nachweis eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem vor über 33 Jahren erlittenen Unfall und den in diesem Verfahren geäußerten Beschwerden außerordentlich schwierig erfolgreich zu erbringen wäre.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozi- algerichts Augsburg vom 17.02.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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