S 27 RA 189/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 RA 189/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt trotz Vorliegens einer Befreiung von der Versicherungspflicht die Vormerkung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten nach § 56 bzw. § 57 SGB VI (Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung).

Die am 00.00.1950 geborene Klägerin ist seit Mai 1974 Tierärztin. Sie ließ sich ab dem 01.09.1974 nach § 7 AVG (Angestelltenversicherungsgesetz – jetzt § 6 SGB VI) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien (Antrag vom 21.08.1974 – Bescheid vom 30.09.1974). Sie war nach eigenen Angaben vom 01.12.1974 bis zum 31.08.1992 verheiratet und gebar in dieser Zeit zwei Kinder (L – geboren am 00.00.1977 + G – geboren am 00.00.1979). Im Rahmen der Ehescheidung wurde ein Versorgungsausgleich durchgeführt, von dem Versicherungskonto des Ehemannes wurden Rentenanwartschaften auf ihr Versicherungskonto übertragen.

Im November 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kontoklärung. Im März 2003 stellte sie darüber hinaus einen Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Auf den näheren Inhalt der von ihr ausgefüllten Antragsformulare wird verwiesen.

Mit Bescheid vom 04.04.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der beantragten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten ab. Zur Begründung berief sie sich dabei auf die Befreiung von der Versicherungspflicht.

Der Widerspruch der Klägerin (Schreiben vom 13.04.2003) blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.07.2003). Auf den allen Beteiligten bekannten Inhalt des Widerspruchsschreibens sowie des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hebt hervor, dass ihr Ehemann Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei, und vertritt die Auffassung, dass sie durch die Übertragung der Rentenanwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs für die Ehezeit – in die auch die Geburt der Kinder falle – in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sei. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 21.10.2003 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2003 zu verurteilen, die Kindererziehungszeiten sowie die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Kinder L (geb. 00.00.1977) und G (geb. 00.00.1979) vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und sieht keine Gründe, ihre Auffassung zu ändern (Schriftsatz vom 04.11.2003).

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den restlichen Akteninhalt Bezug genommen, auch dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Zu Recht lehnt die Beklagte die Vormerkung der beantragten Kindererziehungszeiten sowie der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ab. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine entsprechende Feststellung.

Nach § 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI sind Elternteile von der Anrechnung unter anderem dann ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit von der Versicherungspflicht befreit waren und nach dieser Zeit nicht nachversichert worden sind. Dies trifft auf die Klägerin zu. Sie war – unstreitig – seit dem 01.09.1974 wegen Zugehörigkeit zum berufsständischen Versorgungswerk der Tierärzte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit (Bescheid vom 30.09.1974). Ebenso unstreitig ist eine Nachversicherung nicht durchgeführt worden.

Die Übertragung von Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs stellen keine Nachversicherung in diesem Sinne dar. Dass es sich hierbei um zwei verschiedene Formen der Begründung von Rentenanwartschaften handelt ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 SGB VI ( ... nachversichert ... oder ... aufgrund eines Versorgungsausgleichs ...) und bedarf daher keiner weiteren Erläuterung.

Die Begründung von Rentenanwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs hat auch nicht etwa dieselbe Wirkung wie die Durchführung einer Nachversicherung. Die durch einen Versorgungsausgleich begünstigten Personen stehen den nachversicherten Personen nicht gleich (vgl. nur: Gürtner in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VI Rn. 5).

Die übertragenen Rentenanwartschaften führen allein dazu, dass eine bestimmte Anzahl von Monaten in der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, die – nach nähere Maßgabe des § 52 SGB VI – ohne Zuordnung zu bestimmten Kalendermonaten bei den Wartezeiten angerechnet werden; eine weiter gehende Auswirkung auf Tatbestände, die das Vorliegen von anzurechnenden oder zu berücksichtigenden Zeiten in der Rentenversicherung voraussetzen, findet nicht statt (Gürtner, a.a.O., § 76 SGB VI Rn. 16 m.w.N.). Im Wege des Versorgungsausgleichs übertragene oder begründete Rentenanwartschaften sind keine mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegte Zeiten (Urteil des BSG (Bundessozialgericht) – 4 RA 4/88 – vom 31.05.1989). Verfassungsrechtliche Gründe, die im Wege des Versorungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften im Wege verfassungskonformer Auslegung als Pflichtbeitragszeiten zu behandeln, liegen nicht vor (BSG – 1 RA 63/89 – vom 19.04.1990).

Die Befreiung von der Versicherungspflicht während der Zeit der Kindererziehung schließt deren Berücksichtigung als Versicherungszeit aus (BSG – 1 RA 35/88 – vom 19.04.1990). Diese Regelung verstößt auch nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG (Grundgesetz). Der Ausschluss von der Versicherungspflicht wegen Zugehörigkeit zu einem anderen sozialen Sicherungssystem, welches prinzipiell gleichwertigen Schutz wie die gesetzliche Rentenversicherung gewährt, ist nach der ständigen Rechtssprechung des BSG – der sich die Kammer ausdrücklich anschließt – sachgerecht, die entsprechende Regelung hat systemabgrenzende Funktion und ist nicht zu beanstanden (BSG – 4 RA 27/91 – vom 21.07.1992 und – B 5/4 RA 80/97 R – vom 22.10.1998; ebenso LSG (Landessozialgericht) Baden-Württemberg – L 13 RA 4653/02 – vom 08.04.2003 und LSG Hessen – L 2 RA 119/04 – vom 14.12.2004).

Mit ihrer Entscheidung für das berufsständische Versorgungswerk hat die Klägerin das umlage- und steuerfinanzierte allgemeine Rentenversicherungssystem verlassen und sich dem landesrechtlichen berufsständischen Versorgungswerk angeschlossen. Soweit Umfang und Qualität in diesem Sondersystem, dessen Mitgliedschaft eine Befreiung von der Versicherungspflicht ermöglicht hat, hinter dem der gesetzlichen Rentenversicherung zurückbleiben sollte, ist dieses nicht subsidiär leistungspflichtig, denn mit Eintritt der Befreiung wurde das Versicherungsverhältnis vollständig suspendiert.

Über eventuelle Nachteile, die die Klägerin durch ihre Mitgliedschaft im Versorgungswerk dadurch erleidet, dass dort möglicherweise keine entsprechende Anerkennung des generativen Beitrags der Kindererziehung erfolgt, kann im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden werden (so schon LSG Hessen a.a.O.). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nach Auffassung der hier zur Entscheidung berufenen Kammer nicht.

Das Gericht folgt ausdrücklich nicht der Auffassung des BSG in der Begründung des Urteils – B 4 RA 6/05 R – vom 18.10.2005, wonach ein Ausschluss der Anrechnung nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Kindererziehungszeiten systembezogen annähernd gleichwertig in der berufsständischen Versorgungseinrichtung berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber ist nach Auffassung der Kammer nicht verpflichtet, eventuelle Nachteile im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zu Gunsten von Personen auszugleichen, die dieses System bewusst und freiwillig verlassen haben. Ob die Regelungen des berufsständischen Versorgungswerkes verfassungsrechtlich insoweit akzeptabel sind, ist im Rahmen dieser Klage nicht zu prüfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG ( Sozialgerichtsgesetz).
Rechtskraft
Aus
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