Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 8 AL 1972/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 377/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 18. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Das Urteil wird zur Klarstellung wie folgt abgeändert:
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2003 wird aufgehoben sowie die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 7. August 2003 aufzuheben und dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 23. Oktober 2003 bis zum 31. Mai 2004 zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1976 geborene Kläger begehrt Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 23. Oktober 2003 bis zum 31. Mai 2004.
Er war in der Zeit vom 1. September 1994 bis zum 28. Februar 1998 als Auszubildender in einem Betrieb für Kachelofen- und Kaminbau tätig.
Die Beklagte bewilligte ihm für die Zeit ab dem 1. März 1998 Arbeitslosengeld und nach Erschöpfung dieses Anspruchs Arbeitslosenhilfe bis einschließlich 31. August 1999.
Der Kläger teilte der Beklagten Ende August 1999 mit, ab dem 1. September 1999 eine "Lehre beim K.-Bildungswerk Thüringen e.V." aufzunehmen.
Er schloss mit diesem einen Berufsausbildungsvertrag nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) für den Bereich Agrarwirtschaft/Hauswirtschaft (Gartenbauwerker/Zierpflanzenbau) ab. Die Ausbildungszeit betrug nach der Ausbildungsordnung 36 Monate und dauerte bis zum 31. August 2002. Der Vertrag wurde in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen. Im August 2002 wurde der Berufsausbildungsvertrag bis zum 31. Juli 2003 verlängert. Die Beklagte förderte den Kläger in dieser Zeit wegen einer Behinderung mit Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Das Thüringer Landesverwaltungsamt bescheinigte dem Kläger die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Gärtner/Gärtnerin (Fachrichtung Zierpflanzen) vor dem nach § 36 BBiG errichteten Prüfungsausschuss.
Er beantragte am 3. Juli 2003 unter gleichzeitiger Arbeitslosmeldung die Zahlung von Arbeitslosengeld.
In der Zeit vom 25. Juli 2003 bis zum 22. Oktober 2003 bezog der Kläger Übergangsgeld. Die Beklagte lehnte die Zahlung von Arbeitslosengeld ab, weil der Kläger innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 25. Juli 2003 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Er habe auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, weil es an der Erfüllung der Vorfrist fehle (Bescheid vom 7. August 2003).
Den Antrag auf Arbeitslosenhilfe vom 15. September 2003 lehnte sie (erneut) ab (Bescheid vom 23. September 2003).
Am 26. September 2003 sprach der Kläger bei der Beklagten wegen der Versagung des Arbeitslosengeldes persönlich vor.
Seinen Widerspruch vom 1. Oktober 2003 verwarf die Beklagte als unzulässig, weil die Widerspruchsfrist am 10. September 2003 geendet habe. Gründe für eine Wiedereinsetzung seien nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht worden (Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2003).
Die Beklagte legte den Widerspruch vom 1. Oktober 2003 zugleich als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 7. August 2003 aus und lehnte eine solche ab, weil der Bescheid nicht zu beanstanden sei (Bescheid vom 23. Oktober 2003).
Sie wies den Widerspruch des Klägers hiergegen als unbegründet zurück. Erhielten zur Berufsausbildung Beschäftigte ohne Arbeitsentgelt Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld, bestehe in der Arbeitslosenversicherung keine Beitragspflicht, wenn die Leistung vom Arbeitsamt gewährt werde. Der Bezug von Übergangsgeld schließe die Versicherungspflicht nur dann nicht aus, wenn der Jugendliche vor Beginn der Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben noch keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe, was hier nicht der Fall sei (Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2003).
Der Kläger hat hiergegen am 29. Dezember 2003 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 sowie den Bescheid vom 23. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 23. Oktober 2003 zu zahlen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III lägen vor. Die Ausbildung im K.-Bildungswerk sei auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrages nach § 1 Abs. 2 BBiG im Rahmen der Benachteiligtenförderung erfolgt. Damit habe der Kläger innerhalb der Rahmenfrist mehr als zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Dem stehe auch nicht die Rechtsauffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 26. März 2003 entgegen. Zwar verneine die Vereinbarung für den Fall des Klägers eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Die Vereinbarung stehe damit jedoch im Gegensatz zum Wortlaut als auch zur amtlichen Begründung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III und binde die Kammer nicht (Urteil vom 18. Februar 2004, der Beklagten am 6. April 2004 zugestellt).
Die Beklagte hat hiergegen am 5. Mai 2004 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht stütze seine Entscheidung allein auf den reinen Gesetzestext des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III und die Gesetzesbegründung hierzu. Im Protokoll der Spitzenverbände der Sozialversicherung heiße es unter anderem: "Erhalten zur Berufsausbildung Beschäftigte ohne Arbeitsentgelt Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld, besteht in der Arbeitslosenversicherung keine Beitragspflicht, wenn die Leistung vom Arbeitsamt gewährt wird. In der Arbeitslosenversicherung unterliegen nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB III Jugendliche, die in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, insbesondere in Berufsbildungswerken, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll, der Versicherungspflicht. Der Begriff des Jugendlichen ist so zu verstehen, dass es sich dabei um Personen handeln muss, die keinen Anspruch auf Übergangsgeld bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die vor Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben noch keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben; die Volljährigkeit des behinderten Menschen ist unerheblich. Zu den Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation gehören alle Einrichtungen – gegebenenfalls auch Betriebe – in denen Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung (Rehabilitation) durchgeführt werden." Tatsächlich habe der Kläger keinerlei Ausbildungsvergütung erhalten, eine solche sei auch im Berufsausbildungsvertrag nicht vorgesehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 18. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger u. a. erklärt, dass er Arbeitslosengeld bis einschließlich 31. Mai 2004 begehre. Zur weiteren Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf das von ihm begehrte Arbeitslosengeld.
Nach § 117 Abs. 1 SGB III in der hier bis zum 31. Dezember 2004 maßgeblichen Fassung setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und das Erfüllen der Anwartschaftszeit voraus. Anhaltspunkte dafür, dass das die Anspruchsvoraussetzungen Arbeitslosigkeit und Arbeitslosmeldung für die Zeit ab dem 23. Oktober 2003 nicht (mehr) gegeben sind, hat der Senat keine. Dies trägt auch die Beklagte nicht vor.
Der Kläger hat ferner die Anwartschaftszeit erfüllt. Sie hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs. 1 SGB III). Durch das vom 1. September 1999 bis zum 24. Juli 2003 dauernde Berufsausbildungsverhältnis stand der Kläger innerhalb der Rahmenfrist in einem Versicherungspflichtverhältnis. In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind (§ 24 Abs. 1 SGB III). Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Ausbildung (§ 7 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, SGB IV).
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem BBiG in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden, stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 des § 25 Abs. 1 SGB III gleich (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Beschäftigte im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind zunächst diejenigen, die eine Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG absolvieren (Wissing in PK-SGB III, Kommentar, 2. Auflage 2004, § 25 Rdnr. 60; Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, Kommentar, § 25 Rdnr. 146, Stand: Dezember 2002).
So ist es hier. Denn der Kläger hat mit dem K.-Bildungswerk, einer außerbetrieblichen Einrichtung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III, einen "klassischen" Berufsausbildungsvertrag nach den Maßgaben des BBiG geschlossen. Dies ist im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die Berufsausbildung nach dem BBiG (§§ 1 Abs. 2, 3 BBiG) wird grundsätzlich als Erstausbildung im Anschluss an die Vollzeitschulpflicht verstanden. Sie kann aber auch einer ersten Berufsausbildung nachfolgen (BAG vom 3. Juni 1987, NZA 1988, 66; Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1988, § 1 BBiG Rz. 3, S. 614).
Dahinstehen kann, ob es sich gleichwohl bei der vom Kläger absolvierten Berufsausbildung nicht eigentlich um eine Umschulung in einen anerkannten Ausbildungsberuf gehandelt hat.
Denn die Rechtsprechung stellt eine Umschulung nach dem BBiG in einen anerkannten Ausbildungsberuf einer Berufsausbildung nach dem BBiG in einen solchen gleich, wenn die Umschulung nach den Vorschriften des BBiG (§§ 1 Abs. 4, 47 BBiG) durchgeführt wird (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 82; BSG SozR 3-2600 § 1 Nr. 7). Hierfür ist erforderlich aber auch ausreichend, dass, wie hier, die Umschulung - abgesehen von den Besonderheiten, die vor allem dem Lebensalter der meist schon für einen anderen Beruf ausgebildeten Umschüler Rechnung tragen sollen - im Wesentlichen die Merkmale einer Erstausbildung für den betreffenden Beruf erfüllt (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 82).
Das hier gefundene Ergebnis entspricht auch der Regelungsabsicht, die der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III verfolgt hat. Nach den Gesetzesmaterialien stellt die Vorschrift nämlich klar, dass Auszubildende, denen Ausbildungsstellen in einem Betrieb - auch mit ausbildungsbegleitenden Hilfen - nicht vermittelt werden und die allein wegen der in ihrer Person liegenden Gründe (Lernbeeinträchtigung oder soziale Benachteiligung) in einer außerbetrieblichen Einrichtung auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrages nach § 1 Abs. 2 BBiG im Rahmen der Benachteiligtenförderung ausgebildet werden, zum Personenkreis der zur Berufsausbildung Beschäftigten gehören und damit in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einbezogen sind. Mit der Regelung sollten Unklarheiten über den Status dieser Person, die auf Grund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12. Oktober 2000 (B 12 RK 7/00 R) entstanden sind, beseitigt werden. Ziel sei es, die Betroffenen, deren außerbetriebliche Ausbildung nach diesem Buch gefördert werde, wie bei einer betrieblichen Berufsausbildung zu schützen. Dies gelte entsprechend für die außerbetriebliche Ausbildung nach Art. 4 der Richtlinie zur Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit (vgl. BT-Drucks. 14/6944 S. 30 zu Nr. 9 - § 25).
Selbst wenn, wie die Beklagte wohl meint, keine Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB III vorliegen würde, wäre dies ohne Bedeutung, weil hiernach ohnehin nicht versicherungspflichtig ist, wer, wie hier, schon nach § 25 Abs. 1 SGB III versicherungspflichtig ist (§ 26 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ihre Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Das Urteil wird zur Klarstellung wie folgt abgeändert:
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2003 wird aufgehoben sowie die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 7. August 2003 aufzuheben und dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 23. Oktober 2003 bis zum 31. Mai 2004 zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1976 geborene Kläger begehrt Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 23. Oktober 2003 bis zum 31. Mai 2004.
Er war in der Zeit vom 1. September 1994 bis zum 28. Februar 1998 als Auszubildender in einem Betrieb für Kachelofen- und Kaminbau tätig.
Die Beklagte bewilligte ihm für die Zeit ab dem 1. März 1998 Arbeitslosengeld und nach Erschöpfung dieses Anspruchs Arbeitslosenhilfe bis einschließlich 31. August 1999.
Der Kläger teilte der Beklagten Ende August 1999 mit, ab dem 1. September 1999 eine "Lehre beim K.-Bildungswerk Thüringen e.V." aufzunehmen.
Er schloss mit diesem einen Berufsausbildungsvertrag nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) für den Bereich Agrarwirtschaft/Hauswirtschaft (Gartenbauwerker/Zierpflanzenbau) ab. Die Ausbildungszeit betrug nach der Ausbildungsordnung 36 Monate und dauerte bis zum 31. August 2002. Der Vertrag wurde in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen. Im August 2002 wurde der Berufsausbildungsvertrag bis zum 31. Juli 2003 verlängert. Die Beklagte förderte den Kläger in dieser Zeit wegen einer Behinderung mit Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Das Thüringer Landesverwaltungsamt bescheinigte dem Kläger die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Gärtner/Gärtnerin (Fachrichtung Zierpflanzen) vor dem nach § 36 BBiG errichteten Prüfungsausschuss.
Er beantragte am 3. Juli 2003 unter gleichzeitiger Arbeitslosmeldung die Zahlung von Arbeitslosengeld.
In der Zeit vom 25. Juli 2003 bis zum 22. Oktober 2003 bezog der Kläger Übergangsgeld. Die Beklagte lehnte die Zahlung von Arbeitslosengeld ab, weil der Kläger innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 25. Juli 2003 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Er habe auch keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, weil es an der Erfüllung der Vorfrist fehle (Bescheid vom 7. August 2003).
Den Antrag auf Arbeitslosenhilfe vom 15. September 2003 lehnte sie (erneut) ab (Bescheid vom 23. September 2003).
Am 26. September 2003 sprach der Kläger bei der Beklagten wegen der Versagung des Arbeitslosengeldes persönlich vor.
Seinen Widerspruch vom 1. Oktober 2003 verwarf die Beklagte als unzulässig, weil die Widerspruchsfrist am 10. September 2003 geendet habe. Gründe für eine Wiedereinsetzung seien nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht worden (Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2003).
Die Beklagte legte den Widerspruch vom 1. Oktober 2003 zugleich als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 7. August 2003 aus und lehnte eine solche ab, weil der Bescheid nicht zu beanstanden sei (Bescheid vom 23. Oktober 2003).
Sie wies den Widerspruch des Klägers hiergegen als unbegründet zurück. Erhielten zur Berufsausbildung Beschäftigte ohne Arbeitsentgelt Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld, bestehe in der Arbeitslosenversicherung keine Beitragspflicht, wenn die Leistung vom Arbeitsamt gewährt werde. Der Bezug von Übergangsgeld schließe die Versicherungspflicht nur dann nicht aus, wenn der Jugendliche vor Beginn der Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben noch keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe, was hier nicht der Fall sei (Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2003).
Der Kläger hat hiergegen am 29. Dezember 2003 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 sowie den Bescheid vom 23. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 23. Oktober 2003 zu zahlen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III lägen vor. Die Ausbildung im K.-Bildungswerk sei auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrages nach § 1 Abs. 2 BBiG im Rahmen der Benachteiligtenförderung erfolgt. Damit habe der Kläger innerhalb der Rahmenfrist mehr als zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Dem stehe auch nicht die Rechtsauffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 26. März 2003 entgegen. Zwar verneine die Vereinbarung für den Fall des Klägers eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Die Vereinbarung stehe damit jedoch im Gegensatz zum Wortlaut als auch zur amtlichen Begründung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III und binde die Kammer nicht (Urteil vom 18. Februar 2004, der Beklagten am 6. April 2004 zugestellt).
Die Beklagte hat hiergegen am 5. Mai 2004 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht stütze seine Entscheidung allein auf den reinen Gesetzestext des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III und die Gesetzesbegründung hierzu. Im Protokoll der Spitzenverbände der Sozialversicherung heiße es unter anderem: "Erhalten zur Berufsausbildung Beschäftigte ohne Arbeitsentgelt Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld, besteht in der Arbeitslosenversicherung keine Beitragspflicht, wenn die Leistung vom Arbeitsamt gewährt wird. In der Arbeitslosenversicherung unterliegen nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB III Jugendliche, die in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, insbesondere in Berufsbildungswerken, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll, der Versicherungspflicht. Der Begriff des Jugendlichen ist so zu verstehen, dass es sich dabei um Personen handeln muss, die keinen Anspruch auf Übergangsgeld bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die vor Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben noch keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben; die Volljährigkeit des behinderten Menschen ist unerheblich. Zu den Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation gehören alle Einrichtungen – gegebenenfalls auch Betriebe – in denen Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung (Rehabilitation) durchgeführt werden." Tatsächlich habe der Kläger keinerlei Ausbildungsvergütung erhalten, eine solche sei auch im Berufsausbildungsvertrag nicht vorgesehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 18. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger u. a. erklärt, dass er Arbeitslosengeld bis einschließlich 31. Mai 2004 begehre. Zur weiteren Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf das von ihm begehrte Arbeitslosengeld.
Nach § 117 Abs. 1 SGB III in der hier bis zum 31. Dezember 2004 maßgeblichen Fassung setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und das Erfüllen der Anwartschaftszeit voraus. Anhaltspunkte dafür, dass das die Anspruchsvoraussetzungen Arbeitslosigkeit und Arbeitslosmeldung für die Zeit ab dem 23. Oktober 2003 nicht (mehr) gegeben sind, hat der Senat keine. Dies trägt auch die Beklagte nicht vor.
Der Kläger hat ferner die Anwartschaftszeit erfüllt. Sie hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs. 1 SGB III). Durch das vom 1. September 1999 bis zum 24. Juli 2003 dauernde Berufsausbildungsverhältnis stand der Kläger innerhalb der Rahmenfrist in einem Versicherungspflichtverhältnis. In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind (§ 24 Abs. 1 SGB III). Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Ausbildung (§ 7 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, SGB IV).
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem BBiG in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden, stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 des § 25 Abs. 1 SGB III gleich (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Beschäftigte im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind zunächst diejenigen, die eine Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG absolvieren (Wissing in PK-SGB III, Kommentar, 2. Auflage 2004, § 25 Rdnr. 60; Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, Kommentar, § 25 Rdnr. 146, Stand: Dezember 2002).
So ist es hier. Denn der Kläger hat mit dem K.-Bildungswerk, einer außerbetrieblichen Einrichtung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III, einen "klassischen" Berufsausbildungsvertrag nach den Maßgaben des BBiG geschlossen. Dies ist im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die Berufsausbildung nach dem BBiG (§§ 1 Abs. 2, 3 BBiG) wird grundsätzlich als Erstausbildung im Anschluss an die Vollzeitschulpflicht verstanden. Sie kann aber auch einer ersten Berufsausbildung nachfolgen (BAG vom 3. Juni 1987, NZA 1988, 66; Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 1988, § 1 BBiG Rz. 3, S. 614).
Dahinstehen kann, ob es sich gleichwohl bei der vom Kläger absolvierten Berufsausbildung nicht eigentlich um eine Umschulung in einen anerkannten Ausbildungsberuf gehandelt hat.
Denn die Rechtsprechung stellt eine Umschulung nach dem BBiG in einen anerkannten Ausbildungsberuf einer Berufsausbildung nach dem BBiG in einen solchen gleich, wenn die Umschulung nach den Vorschriften des BBiG (§§ 1 Abs. 4, 47 BBiG) durchgeführt wird (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 82; BSG SozR 3-2600 § 1 Nr. 7). Hierfür ist erforderlich aber auch ausreichend, dass, wie hier, die Umschulung - abgesehen von den Besonderheiten, die vor allem dem Lebensalter der meist schon für einen anderen Beruf ausgebildeten Umschüler Rechnung tragen sollen - im Wesentlichen die Merkmale einer Erstausbildung für den betreffenden Beruf erfüllt (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 82).
Das hier gefundene Ergebnis entspricht auch der Regelungsabsicht, die der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III verfolgt hat. Nach den Gesetzesmaterialien stellt die Vorschrift nämlich klar, dass Auszubildende, denen Ausbildungsstellen in einem Betrieb - auch mit ausbildungsbegleitenden Hilfen - nicht vermittelt werden und die allein wegen der in ihrer Person liegenden Gründe (Lernbeeinträchtigung oder soziale Benachteiligung) in einer außerbetrieblichen Einrichtung auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrages nach § 1 Abs. 2 BBiG im Rahmen der Benachteiligtenförderung ausgebildet werden, zum Personenkreis der zur Berufsausbildung Beschäftigten gehören und damit in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einbezogen sind. Mit der Regelung sollten Unklarheiten über den Status dieser Person, die auf Grund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12. Oktober 2000 (B 12 RK 7/00 R) entstanden sind, beseitigt werden. Ziel sei es, die Betroffenen, deren außerbetriebliche Ausbildung nach diesem Buch gefördert werde, wie bei einer betrieblichen Berufsausbildung zu schützen. Dies gelte entsprechend für die außerbetriebliche Ausbildung nach Art. 4 der Richtlinie zur Durchführung des Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit (vgl. BT-Drucks. 14/6944 S. 30 zu Nr. 9 - § 25).
Selbst wenn, wie die Beklagte wohl meint, keine Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB III vorliegen würde, wäre dies ohne Bedeutung, weil hiernach ohnehin nicht versicherungspflichtig ist, wer, wie hier, schon nach § 25 Abs. 1 SGB III versicherungspflichtig ist (§ 26 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ihre Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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