Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 2 AL 473/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 469/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 11. April 2003 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die Klägerin war vom 1. Juni 1998 bis zum 30. April 2001 bei der Fa. R. GmbH (R.), deren Unternehmensgegenstand Reparatur- und Wartungsarbeiten an Rundfunk und Fernsehgeräten war, beschäftigt. Sie wurde zunächst als kaufmännische Sachbearbeiterin mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden und einer Vergütung von 2.100,- DM eingestellt. Ab Mai.2000 wurde sie auf der Grundlage eines Änderungsvertrages als "Assistentin des Geschäftsführers" mit einem Bruttogehalt von 2.800,- DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. März 2001 kündigte die R. der Klägerin wegen Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit zum 30. April 2001.
Aufgrund dieser Beschäftigung bei der R. wurden für die Klägerin Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet.
Die R. wurde im Jahr 1997 mit einem vereinbarten Stammkapital von 50.000,- DM durch die Klägerin, deren Einlage zunächst 18.500,- DM betrug, und drei weitere Personen errichtet. Der Ehemann der Klägerin sowie einer der Mitgesellschafter wurden zu je einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt. Unter dem 07. Mai 1998 erwarb die Klägerin weitere Geschäftsanteile im Umfang von 14 %, so dass sie mit 51 % am Stammkapital beteiligt war. Die R. selbst erwarb gleichzeitig Geschäftsanteile im Umfang von 23 % und der Ehemann der Klägerin wurde alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. Im Februar 2001 erwarb die Klägerin erneut Gesellschaftsanteile im Umfang von insgesamt weiteren 26 %. Ab diesem Zeitpunkt hielt sie Geschäftsanteile im Umfang von 77 %.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der R. werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz etwas anderes vorschreiben (§ 15 GmbH-Vertrag). Gemäß § 11 GmbH-Vertrag kann ein berufener Geschäftsführer nur mit einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen abberufen werden. Die Geschäftsführung erstreckt sich nach dieser Bestimmung auf alle Handlungen und Rechtsgeschäfte, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt und welche zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich erscheinen. Darüber hinaus bedarf sie der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit zu allen Geschäften, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen.
Der Ehemann der Klägerin war von 1994 bis 1998 Geschäftsführer eines weiteren Unternehmens, welches im gleichen Geschäftsfeld tätig war wie die R. Sein Anstellungsvertrag mit diesem Unternehmen enthielt eine Wettbewerbsklausel, nach der es ihm sowohl untersagt war, während der Dauer des Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit diesem Unternehmen in direktem oder indirektem Wettbewerb steht, als auch, ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar zu beteiligen.
Die Klägerin beantragte unter dem 04. Mai 2001 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10. Juli 2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Juli 2001 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass sie bis Februar 2001 lediglich 51 % der Gesellschaftsanteile gehalten habe und damit nach dem Gesellschaftsvertrag keine grundsätzlichen Beschlüsse habe fassen können. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 04. Februar 2002 den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin unter dem 04. März 2002 Klage beim Sozialgericht Gotha erhoben. Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 11. April 2003 (zugestellt am 15.05.2003) den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01.05.2002 zu zahlen. Es hat festgestellt, die Klägerin habe faktisch keinen Einfluss auf die Gesellschaft ausgeübt und sei wie eine Arbeitnehmerin in den Betrieb der R. eingegliedert gewesen.
Die Beklagte wendet sich mit der vorliegenden, am 10. Juni 2003 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangen Berufung gegen dieses Urteil. Sie ist der Rechtsauffassung, dass die Klägerin allein aufgrund ihrer Position als Mehrheitsgesellschafterin keine Arbeitnehmerin der R. gewesen sei. Dass sie ggf. tatsächlich von ihrer Gesellschafterstellung keinen Gebrauch gemacht habe, könne nicht dazu führen, dass ihr eine Arbeitnehmerstellung zuzubilligen sei. Es sei ihr weder vertraglich noch in sonstiger Weise untersagt worden, die ihr zukommenden Rechte auszuüben. Allein der Nichtgebrauch dieser Rechte mache sie nicht zur Arbeitnehmerin.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gotha vom 11.04.2003 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, sie habe die Geschäftsanteile an der R. GmbH lediglich als "Strohfrau" für ihren Ehemann gehalten. Dieser sei auf Grund der Wettbewerbsklausel in seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag hieran gehindert gewesen. Die Gesellschaftsanteile seien mit Mitteln ihres Mannes erworben worden und sie habe sich zum Erwerb bereit erklärt, nachdem ihr Mann ihr im Zusammenhang mit der Gründung der R. zugesichert habe, dass sie mit dem Gesellschaftsanteil keinerlei Arbeit habe und er alles übernehme, einschließlich der Haftung und der Aufgaben. Die sich aus ihrem Geschäftsanteil ergebenden Gesellschaftsrechte seien dann entsprechend dieser formlosen Abrede de facto ausschließlich von ihrem Ehemann ausgeübt worden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M. (Ehemann der Klägerin). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. Mai 2005 Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01. Mai 2001, da sie die gem. § 117 Abs.1 Ziffer 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hierfür erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat.
Gemäß § 123 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs.1 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, hier dem 30. April 2001. Die Rahmenfrist umfasst damit den Zeitraum vom 01. Mai 1998 bis zum 30. April 2001.
In diesem Zeitraum hat die Klägerin keine 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Nach § 24 Abs.1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Versicherungspflichtig sind nach § 25 Abs.1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs.1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund einer Gesellschafterstellung schließt ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 17).
Ein GmbH-Gesellschafter, der wie die Klägerin in der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, ist an die Weisungen der Geschäftsführung gebunden, da die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung sind. Nichts anderes bestimmt § 11 des Gesellschaftsvertrages der R. Dieses schließt aber nicht aus, dass die Gesellschafterversammlung diese Aufgabe allgemein oder im Einzelnen an sich ziehen kann. Nach § 15 des Gesellschaftsvertrages wäre für die Übertragung des arbeitsrechtlichen Weisungsrechts auf die Gesellschafterversammlung lediglich ein Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit erforderlich gewesen, den die Klägerin aufgrund ihres Anteils am Stammkapital von 51 % seit dem 7. Mai 1998 alleine hätte durchsetzen können. Damit konnte die Klägerin die für das Arbeitsverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber seit diesem Zeitpunkt vermeiden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob der Mehrheitsgesellschafter seine Rechtsmacht tatsächlich ausübt. Denn die erforderliche persönliche Abhängigkeit kann nicht durch den unverbindlichen inneren Entschluss der für eine Gesellschaft Arbeitenden begründet werden, ihre an sich bestehende Rechtsmacht nicht auszuüben. Für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgebenden Einfluss auf deren Entscheidungen besitzen, hat die Rechtsprechung dementsprechend grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint (BSG SozR 3-4100, § 168 Nr.5, m.w.N.; BSG SozR 4100, § 104 Nr. 19 für den Fall einer Alleingesellschafterin einer GmbH; BAG AP Nr. 95 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
Ein maßgeblicher Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft kann allerdings dann nicht mehr allein aufgrund der Höhe der Kapitalbeteiligung angenommen werden, wenn die mit der Übertragung von Gesellschaftsanteilen an sich verbundene Rechtsmacht durch rechtliche Bindungen gegenüber einem Dritten eingeschränkt ist (BSG SozR 3-4100 § 141 b Nr. 17).
Vom Vorliegen einer eingeschränkten Rechtsmacht der Klägerin konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen. Es ist auch im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ersichtlich geworden, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine Rechtspflicht begründet wurde, ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung nur entsprechend den Vorgaben ihres Ehemannes auszuüben.
Die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann im Zusammenhang mit der Errichtung der GmbH ausdrücklich getroffene Absprache beinhaltete nach den Ausführungen der Klägerin ausschließlich die Verpflichtung ihres Ehemannes zur Übernahme sämtlicher Tätigkeiten und Aufgaben, die durch die Stellung der Klägerin als Gesellschafterin an sich von ihr hätten wahrgenommen werden müssen und gleichzeitig eine Übernahme der Haftung durch ihn. Sie diente offensichtlich dem Ziel, die Klägerin in ihrem Interesse von zusätzlichen Tätigkeiten und Risiken freizustellen, beinhaltete aber keinerlei rechtliche Verpflichtung der Klägerin, ihr Stimmrecht nach den Vorgaben ihres Ehemannes auszuüben. Diesem Verständnis der Vereinbarung entspricht auch die Wertung des Zeugen, dass sie einen Weg hätten finden müssen sofern seine Ehefrau entgegen dieser Absprache als Gesellschafterin selbst aktiv geworden wäre. Hieraus geht hervor, dass die Klägerin und ihr Ehemann ausdrücklich gerade keine Regelung darüber getroffen haben, welche rechtlichen Verpflichtungen sich für die Klägerin aus der Vereinbarung ergeben sollten.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine stillschweigende Treuhandabrede, infolge der sie gemäß § 665 BGB an die Weisungen ihres Ehemannes gebunden gewesen wäre, zustande gekommen ist. Zwar könnte in dem rein formalen Erwerb von Gesellschaftsanteilen allein im Interesse des Treugebers und mit dessen Mitteln ohne weitergehende Absichten eine stillschweigend geschlossene Treuhandabrede liegen (Oberlandesgericht Hamburg vom 25. Juli 2001, Az: 4 U 61/00), vom Vorliegen dieser Voraussetzungen konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen. Die von der Klägerin vorgebrachte Begründung für einen rein formalen Erwerb ihrerseits ausschließlich im Interesse ihres Ehemannes war für den Senat nicht nachvollziehbar. Dem Ehemann der Klägerin war es nach seinem Anstellungsvertrag mit der R. GmbH nicht nur verboten, sich an einer Konkurrenzfirma mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen, sondern ebenso für ein solches Unternehmen tätig zu werden. Die Übernahme einer Geschäftsführerfunktion für die R. stellte für ihn mindestens das gleiche Risiko für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses dar, wie der Erwerb von Gesellschaftsanteilen, was ihm nach seinen Bekundungen auch bewusst war. Im Übrigen hat die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht durch Nichts zu erkennen gegeben, dass es (wirtschaftlich) letztlich nicht um ihre, sondern um die Gesellschaftsanteile ihres Ehemannes gehe. Zuvor hat sie vielmehr selbst ihre Arbeitnehmerstellung zweifelsfrei nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen, bis zu dem sie noch nicht 77 % der Gesellschaftsanteile hielt. Die Stellung der Klägerin als bloße "Strohfrau" ist damit nicht plausibel.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der Vorschrift des § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ihre gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die Klägerin war vom 1. Juni 1998 bis zum 30. April 2001 bei der Fa. R. GmbH (R.), deren Unternehmensgegenstand Reparatur- und Wartungsarbeiten an Rundfunk und Fernsehgeräten war, beschäftigt. Sie wurde zunächst als kaufmännische Sachbearbeiterin mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden und einer Vergütung von 2.100,- DM eingestellt. Ab Mai.2000 wurde sie auf der Grundlage eines Änderungsvertrages als "Assistentin des Geschäftsführers" mit einem Bruttogehalt von 2.800,- DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. März 2001 kündigte die R. der Klägerin wegen Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit zum 30. April 2001.
Aufgrund dieser Beschäftigung bei der R. wurden für die Klägerin Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet.
Die R. wurde im Jahr 1997 mit einem vereinbarten Stammkapital von 50.000,- DM durch die Klägerin, deren Einlage zunächst 18.500,- DM betrug, und drei weitere Personen errichtet. Der Ehemann der Klägerin sowie einer der Mitgesellschafter wurden zu je einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt. Unter dem 07. Mai 1998 erwarb die Klägerin weitere Geschäftsanteile im Umfang von 14 %, so dass sie mit 51 % am Stammkapital beteiligt war. Die R. selbst erwarb gleichzeitig Geschäftsanteile im Umfang von 23 % und der Ehemann der Klägerin wurde alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. Im Februar 2001 erwarb die Klägerin erneut Gesellschaftsanteile im Umfang von insgesamt weiteren 26 %. Ab diesem Zeitpunkt hielt sie Geschäftsanteile im Umfang von 77 %.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der R. werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz etwas anderes vorschreiben (§ 15 GmbH-Vertrag). Gemäß § 11 GmbH-Vertrag kann ein berufener Geschäftsführer nur mit einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen abberufen werden. Die Geschäftsführung erstreckt sich nach dieser Bestimmung auf alle Handlungen und Rechtsgeschäfte, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt und welche zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich erscheinen. Darüber hinaus bedarf sie der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit zu allen Geschäften, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen.
Der Ehemann der Klägerin war von 1994 bis 1998 Geschäftsführer eines weiteren Unternehmens, welches im gleichen Geschäftsfeld tätig war wie die R. Sein Anstellungsvertrag mit diesem Unternehmen enthielt eine Wettbewerbsklausel, nach der es ihm sowohl untersagt war, während der Dauer des Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit diesem Unternehmen in direktem oder indirektem Wettbewerb steht, als auch, ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar zu beteiligen.
Die Klägerin beantragte unter dem 04. Mai 2001 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10. Juli 2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Juli 2001 Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass sie bis Februar 2001 lediglich 51 % der Gesellschaftsanteile gehalten habe und damit nach dem Gesellschaftsvertrag keine grundsätzlichen Beschlüsse habe fassen können. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 04. Februar 2002 den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin unter dem 04. März 2002 Klage beim Sozialgericht Gotha erhoben. Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 11. April 2003 (zugestellt am 15.05.2003) den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01.05.2002 zu zahlen. Es hat festgestellt, die Klägerin habe faktisch keinen Einfluss auf die Gesellschaft ausgeübt und sei wie eine Arbeitnehmerin in den Betrieb der R. eingegliedert gewesen.
Die Beklagte wendet sich mit der vorliegenden, am 10. Juni 2003 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangen Berufung gegen dieses Urteil. Sie ist der Rechtsauffassung, dass die Klägerin allein aufgrund ihrer Position als Mehrheitsgesellschafterin keine Arbeitnehmerin der R. gewesen sei. Dass sie ggf. tatsächlich von ihrer Gesellschafterstellung keinen Gebrauch gemacht habe, könne nicht dazu führen, dass ihr eine Arbeitnehmerstellung zuzubilligen sei. Es sei ihr weder vertraglich noch in sonstiger Weise untersagt worden, die ihr zukommenden Rechte auszuüben. Allein der Nichtgebrauch dieser Rechte mache sie nicht zur Arbeitnehmerin.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gotha vom 11.04.2003 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, sie habe die Geschäftsanteile an der R. GmbH lediglich als "Strohfrau" für ihren Ehemann gehalten. Dieser sei auf Grund der Wettbewerbsklausel in seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag hieran gehindert gewesen. Die Gesellschaftsanteile seien mit Mitteln ihres Mannes erworben worden und sie habe sich zum Erwerb bereit erklärt, nachdem ihr Mann ihr im Zusammenhang mit der Gründung der R. zugesichert habe, dass sie mit dem Gesellschaftsanteil keinerlei Arbeit habe und er alles übernehme, einschließlich der Haftung und der Aufgaben. Die sich aus ihrem Geschäftsanteil ergebenden Gesellschaftsrechte seien dann entsprechend dieser formlosen Abrede de facto ausschließlich von ihrem Ehemann ausgeübt worden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M. (Ehemann der Klägerin). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. Mai 2005 Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01. Mai 2001, da sie die gem. § 117 Abs.1 Ziffer 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hierfür erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat.
Gemäß § 123 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs.1 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, hier dem 30. April 2001. Die Rahmenfrist umfasst damit den Zeitraum vom 01. Mai 1998 bis zum 30. April 2001.
In diesem Zeitraum hat die Klägerin keine 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Nach § 24 Abs.1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Versicherungspflichtig sind nach § 25 Abs.1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs.1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund einer Gesellschafterstellung schließt ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 17).
Ein GmbH-Gesellschafter, der wie die Klägerin in der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, ist an die Weisungen der Geschäftsführung gebunden, da die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung sind. Nichts anderes bestimmt § 11 des Gesellschaftsvertrages der R. Dieses schließt aber nicht aus, dass die Gesellschafterversammlung diese Aufgabe allgemein oder im Einzelnen an sich ziehen kann. Nach § 15 des Gesellschaftsvertrages wäre für die Übertragung des arbeitsrechtlichen Weisungsrechts auf die Gesellschafterversammlung lediglich ein Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit erforderlich gewesen, den die Klägerin aufgrund ihres Anteils am Stammkapital von 51 % seit dem 7. Mai 1998 alleine hätte durchsetzen können. Damit konnte die Klägerin die für das Arbeitsverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber seit diesem Zeitpunkt vermeiden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob der Mehrheitsgesellschafter seine Rechtsmacht tatsächlich ausübt. Denn die erforderliche persönliche Abhängigkeit kann nicht durch den unverbindlichen inneren Entschluss der für eine Gesellschaft Arbeitenden begründet werden, ihre an sich bestehende Rechtsmacht nicht auszuüben. Für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgebenden Einfluss auf deren Entscheidungen besitzen, hat die Rechtsprechung dementsprechend grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint (BSG SozR 3-4100, § 168 Nr.5, m.w.N.; BSG SozR 4100, § 104 Nr. 19 für den Fall einer Alleingesellschafterin einer GmbH; BAG AP Nr. 95 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
Ein maßgeblicher Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft kann allerdings dann nicht mehr allein aufgrund der Höhe der Kapitalbeteiligung angenommen werden, wenn die mit der Übertragung von Gesellschaftsanteilen an sich verbundene Rechtsmacht durch rechtliche Bindungen gegenüber einem Dritten eingeschränkt ist (BSG SozR 3-4100 § 141 b Nr. 17).
Vom Vorliegen einer eingeschränkten Rechtsmacht der Klägerin konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen. Es ist auch im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ersichtlich geworden, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine Rechtspflicht begründet wurde, ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung nur entsprechend den Vorgaben ihres Ehemannes auszuüben.
Die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann im Zusammenhang mit der Errichtung der GmbH ausdrücklich getroffene Absprache beinhaltete nach den Ausführungen der Klägerin ausschließlich die Verpflichtung ihres Ehemannes zur Übernahme sämtlicher Tätigkeiten und Aufgaben, die durch die Stellung der Klägerin als Gesellschafterin an sich von ihr hätten wahrgenommen werden müssen und gleichzeitig eine Übernahme der Haftung durch ihn. Sie diente offensichtlich dem Ziel, die Klägerin in ihrem Interesse von zusätzlichen Tätigkeiten und Risiken freizustellen, beinhaltete aber keinerlei rechtliche Verpflichtung der Klägerin, ihr Stimmrecht nach den Vorgaben ihres Ehemannes auszuüben. Diesem Verständnis der Vereinbarung entspricht auch die Wertung des Zeugen, dass sie einen Weg hätten finden müssen sofern seine Ehefrau entgegen dieser Absprache als Gesellschafterin selbst aktiv geworden wäre. Hieraus geht hervor, dass die Klägerin und ihr Ehemann ausdrücklich gerade keine Regelung darüber getroffen haben, welche rechtlichen Verpflichtungen sich für die Klägerin aus der Vereinbarung ergeben sollten.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine stillschweigende Treuhandabrede, infolge der sie gemäß § 665 BGB an die Weisungen ihres Ehemannes gebunden gewesen wäre, zustande gekommen ist. Zwar könnte in dem rein formalen Erwerb von Gesellschaftsanteilen allein im Interesse des Treugebers und mit dessen Mitteln ohne weitergehende Absichten eine stillschweigend geschlossene Treuhandabrede liegen (Oberlandesgericht Hamburg vom 25. Juli 2001, Az: 4 U 61/00), vom Vorliegen dieser Voraussetzungen konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen. Die von der Klägerin vorgebrachte Begründung für einen rein formalen Erwerb ihrerseits ausschließlich im Interesse ihres Ehemannes war für den Senat nicht nachvollziehbar. Dem Ehemann der Klägerin war es nach seinem Anstellungsvertrag mit der R. GmbH nicht nur verboten, sich an einer Konkurrenzfirma mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen, sondern ebenso für ein solches Unternehmen tätig zu werden. Die Übernahme einer Geschäftsführerfunktion für die R. stellte für ihn mindestens das gleiche Risiko für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses dar, wie der Erwerb von Gesellschaftsanteilen, was ihm nach seinen Bekundungen auch bewusst war. Im Übrigen hat die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht durch Nichts zu erkennen gegeben, dass es (wirtschaftlich) letztlich nicht um ihre, sondern um die Gesellschaftsanteile ihres Ehemannes gehe. Zuvor hat sie vielmehr selbst ihre Arbeitnehmerstellung zweifelsfrei nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen, bis zu dem sie noch nicht 77 % der Gesellschaftsanteile hielt. Die Stellung der Klägerin als bloße "Strohfrau" ist damit nicht plausibel.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der Vorschrift des § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ihre gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).
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