L 3 AL 911/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 9 AL 2099/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 911/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. August 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 20. Oktober 2002 bis 11. Januar 2003 wegen des Eintritts einer Sperrzeit und gegen die Rückforderung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen.

Der 1948 geborene Kläger war zuletzt vom 1. September 1997 bis zum 31. August 1998 als Helfer im Wirtschaftsbereich beim Malteser Hilfsdienst in Z. versicherungspflichtig beschäftigt und führte dort Hausmeistertätigkeiten durch. Anschließend bezog er Sozialhilfe beziehungsweise Arbeitslosengeld und Alhi. Zwischenzeitlich war er jeweils für kurze Zeiträume selbstständig tätig und beantragte für diese Tätigkeiten jeweils auch Leistungen bei der Beklagten.

Im September 2002 beantragte er die Fortzahlung von Alhi für den Bewilligungsabschnitt ab 7. Oktober 2002. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab dem 7. Oktober 2002 nach einem Bemessungsentgelt von 155,00 EUR und der Leistungsgruppe A in Höhe von wöchentlich 66,85 EUR. Mit Bescheid vom 2. Januar 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. Januar 2003 Alhi nach einem Bemessungsentgelt von 155,00 EUR und der Leistungsgruppe A in Höhe von 65,03 EUR wöchentlich.

Unter dem 18. Oktober 2002 unterbreitete die Beklagte dem Kläger schriftlich bei der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde A. ein Angebot für eine Arbeitsstelle als Sozialhelfer. Das Angebot ist beim Kläger am 19. Oktober 2002 eingegangen. Als Anforderungen wurden gestellt: "A.er Tafel - Begegnungsstätte für Sozialbedürftige, Zubereitung von Speisen sowie Erledigung der allgemeinen Küchenarbeit; Lebensmittelausgabe". Als Arbeitsort war A. vorgesehen. Als Lohn und Gehalt wurden 80 vom Hundert (v.H.) des tariflichen Lohnes angegeben. Die Arbeitszeit sollte 36 Stunden wöchentlich betragen. Das Bruttoarbeitsentgelt sollte 1.156,42 EUR monatlich betragen. Dabei wurde die Vergütungsgruppe IX b/33 nach den AVR (Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes) zu Grunde gelegt.

Der Kläger, der zuvor von der Beklagten telefonisch über das Stellenangebot informiert worden war, stellte sich am 18. Oktober 2002 bei der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde A. vor. Anschließend erklärte er auf der Rückseite des Arbeitsangebotes, dass er nicht eingestellt worden sei. Auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen sei die Tätigkeit ausgeschlossen. Er freue sich auf kommende Tätigkeitsaufgaben, welche seinem Gesundheitszustand und der Qualifikation als Dipl.-Ingenieur entsprächen. Als Anlage fügte er eine Bescheinigung des Dr. A. vom 18. Oktober 2002 bei, wonach der Kläger nur leichte Arbeiten mit Einschränkungen ausüben könne.

Nach einer Gesprächsnotiz vom 30. Oktober 2002 (unterschrieben M. N.) habe sich der Kläger am 18. Oktober 2002 um 9:00 Uhr im Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V. für ein Einstellungsgespräch vorgestellt. Anwesend seien weiter die Pastorin S., die Koordinatorin der A.er Tafel, Frau S., sowie die Beirätin der A.aer Tafel, Frau N., gewesen. Der Kläger sei pünktlich zum vereinbarten Termin erschienen. Im Gespräch seien ihm die Arbeitsaufgaben erläutert und die fachlichen und praktischen Anforderungen detailliert dargestellt worden. Es sei auf die notwendige pädagogische Verantwortung verwiesen worden. Der Kläger habe erklärt, schon aus gesundheitlicher Sicht nicht in der Lage zu sein, die Arbeitsaufgaben zu bewältigen. Es sei deutlich gemacht worden, dass gegebenenfalls nach Kompromissen gesucht werde, leichtere Arbeiten, zum Beispiel Hilfe in der Küche, Vor- und Nachbereitungsarbeiten aber auch pädagogische Unterstützung zur Betreuung der Besucher der A.er Tafel zu verrichten. Dies habe der Kläger abgelehnt. Er sei nicht kompetent für diese Tätigkeit und sozialpädagogische Arbeit sei Sache der Koordinatorin der A.er Tafel und nicht seine. Bemühungen, den Kläger für diese Arbeit aufzuschließen, seien fehlgeschlagen. Der Kläger habe den Hinweis bekommen, sich umgehend mit einem Attest des Arztes im Arbeitsamt zu melden.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine gesundheitliche Untersuchung des arbeitsamtsärztlichen Dienstes. Nach einer gutachterlichen Äußerung der Dipl.-Med. S. vom 5. Dezember 2002 lägen als relevante Gesundheitsstörungen bei dem Kläger vor: Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden ohne gravierende Funktionseinbußen beziehungsweise Hinweise auf Nervenausfallerscheinungen, Kniegelenksarthrose. Dem Kläger seien leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig zumutbar. Als Einschränkungen wurden aufgeführt: Heben und Tragen schwerer Lasten ohne technische Hilfsmittel, andauernde Körperzwangshaltungen, kniende und/oder hockende Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Klettern und Steigen. In Kenntnis der zu erwartenden körperlichen Belastungsanforderungen und nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Befundunterlagen könnten die vorgebrachten gesundheitlichen Störungen nicht die Ablehnung des Stellenangebotes als Sozialhelfer in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) hinreichend plausibel beziehungsweise nachvollziehbar begründen.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2003 stellte die Beklagte für die Zeit vom 30. Oktober 2002 bis 21. Januar 2003 eine Sperrzeit von 12 Wochen fest. Die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi sei für die Zeit vom 30. Oktober 2002 bis 21. Januar 2003 aufzuheben und zurückzunehmen. Dem Kläger sei am 18. Oktober 2002 eine Beschäftigung als Sozialhelfer bei der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde vom Arbeitsamt angeboten worden. Dieses Arbeitsangebot habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen, die Arbeit sei ihm deshalb zumutbar gewesen. Mit der Unterbreitung des Angebotes sei er auch darüber belehrt worden, dass er Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit gebe, sofern ein Beschäftigungsverhältnis durch sein Verschulden nicht zustande komme und er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe er die Arbeit nicht angenommen. Sein Verhalten habe er mit gesundheitlichen Einschränkungen, die die Aufnahme der Tätigkeit ausschlossen, begründet. Diese Gründe könnten jedoch bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft beziehungsweise der Allgemeinheit den Eintritt einer Sperrzeit nicht abwenden. Die Tätigkeit sei nicht mit schwerem Heben und Tragen verbunden beziehungsweise mit Arbeiten in gebückter Haltung und anderen anhaltenden Zwangshaltungen. Aus den vorhandenen Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes für sein Verhalten. In dem Zeitraum vom 30. Oktober 2002 bis 21. Januar 2003 sei ihm Alhi in Höhe von 796,94 EUR zu Unrecht gezahlt worden. Dieser Betrag sei von ihm zu erstatten.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Widerspruch erstrecke sich auf die Gesamtheit der vorgebrachten Argumente auf medizinischem und verwaltungstechnischem Gebiet. Es bestehe für ihn der hinreichende Tatverdacht, dass die im Arbeitsamt Apolda praktizierten besonderen Bestimmungen gegen Querulanten bei ihm gesetzwidrig angewendet würden.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2003 änderte die Beklagte den Bescheid vom 20. Februar 2003 ab und hob die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 20. Oktober 2002 bis 11. Januar 2003 auf. Sie forderte überzahlte Alhi in Höhe von 799,34 EUR zurück. Darüber hinaus hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2003 an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 4. August 2003 Klage erhoben. Diese begründete er damit, dass ihm keine zumutbare Beschäftigung angeboten worden sei. Eine Belehrung über Rechtsfolgen habe das Angebot ebenfalls nicht enthalten. Ferner sei ein wichtiger Grund für sein Verhalten gegeben gewesen. Im Übrigen sei die Sperrzeit im Wege einer Härteregelung herabzusetzen. Ferner sei ihm die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar gewesen. In diesem Zusammenhang legte er ein Attest des Dr. A. vom 14. Februar 2002 vor; danach könne er nur leichte Arbeiten ausüben ohne schwer tragen oder heben zu müssen. Arbeiten in gebückter Haltung oder anderen Zwangshaltungen könne der Kläger nicht mehr verrichten.

Mit Urteil vom 10. August 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass die ihm "auferlegte Zwangsarbeit" auch unter Missachtung medizinischer Einschränkungen zusätzlich der "europäischen Menschenrechtskonvention, dem Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf und dem Übereinkommen 29 über Zwangs- und Pflichtarbeit" widerspreche. Zugleich werde mitgeteilt, dass durch Teile des Gerichts psychologischer Druck auf ihn ausgeübt worden sei.

Auf die Anfrage des Gerichts, welche gesundheitlichen Einschränkungen geltend gemacht würden, sowie der Bitte, eine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu unterzeichnen, teilte der Kläger unter dem 30. März 2005 mit, dass er "keine Notwendigkeit einer gesundheitlichen Weiterverfolgung von der Sache her" sehe. Er bitte zu akzeptieren, dass er die beiliegenden Formulare über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nicht ausfülle.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. August 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2003, in der Fassung des Bescheides vom 19. Juni 2003, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend sei. Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Urteil des Sozialgerichts Gotha Berücksichtigung gefunden hätten. Der Kläger mache nunmehr ergänzend zum bisherigen Vortrag eine Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention des Übereinkommens über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf und des Übereinkommens über Zwangs- und Pflichtarbeit geltend, ohne die jeweiligen Verstöße jedoch zu untersetzen. Die Beklagte sehe daher von einer diesbezüglichen Erwiderung ab.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten Band I bis III lagen vor und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht den Eintritt einer Sperrzeit vom 20. Oktober 2002 bis 11. Januar 2003 festgestellt und die Bewilligung der Alhi für diesen Zeitraum aufgehoben. Sie fordert zu Recht die Erstattung der überzahlten Alhi in Höhe von 799,34 EUR.

Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alhi ist § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Soweit danach in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Die Bewilligung der Alhi mit Bescheid vom 10. Oktober 2002 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Mit der Ablehnung des Arbeitsangebotes, eine ABM als Sozialhelfer bei der A.er Tafel der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde A. anzunehmen, ist es zu einer wesentlichen Änderung gekommen. Die Änderung ist immer dann wesentlich, wenn sie sich auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirkt, wenn der Verwaltungsakt nun nicht mehr (so) ergehen dürfte. Das ist hier der Fall. Denn durch die Ablehnung ist nach § 198 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III der Anspruch auf Alhi zum Ruhen gekommen, weil eine Sperrzeit eingetreten ist.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III setzt der Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen voraus, dass der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches durch sein Verhalten verhindert hat (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung). Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist für den Senat nicht zweifelhaft. Die zuständige Arbeitsagentur (damals Arbeitsamt Erfurt) hat dem Kläger ein Stellenangebot unterbreitet, in dem der Arbeitgeber, die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde, eindeutig bestimmt war. Die Tätigkeit wurde als Sozialhelfer bezeichnet. Ferner wurden die Anforderungen beschrieben, nämlich eine Tätigkeit in der A. Tafel, einer Begegnungsstätte für Sozialbedürftige. Als Tätigkeiten fielen die Zubereitung von Speisen sowie die Erledigung der allgemeinen Küchenarbeit und der Lebensmittelausgabe an. Im Rahmen des Angebotes wurde ferner darauf verwiesen, dass es sich um eine befristete ABM handele, die mit einem Gehalt von 80 v.H. des Tarifes zu vergüten sei. Es handelte sich damit um ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes, hinreichend konkretisiertes Angebot (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 1). Die Beklagte hat den Kläger ferner auch hinreichend über das Arbeitsangebot und die Folgen einer Ablehnung belehrt. Der Kläger hat diese Belehrung unterschrieben. Nach dem Vorstellungsgespräch vom 18. Oktober 2002 und in Kenntnis des Arbeitsangebotes einschließlich der Rechtsmittelbelehrung, das ihm am 19. Oktober 2002 zugegangen war, hat er anschließend – angeblich aus gesundheitlichen Gründen - abgesagt. Dadurch kam das Beschäftigungsverhältnis nicht zustande.

Der Kläger hatte im Sinne des § 144 Abs. 1 SGB III für sein Verhalten auch keinen wichtigen Grund. Insbesondere ist er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht gehindert gewesen, die angebotene Tätigkeit anzunehmen.

Ob ein wichtiger Grund für die Ablehnung eines Arbeitsangebotes vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Dies beruht auf dem Grundgedanken, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (BSG, SozR 4100 § 119 Nr. 11). Eine Sperrzeit soll dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG, SozR 4100 § 119 Nr. 13). Geboten ist somit eine Einzelfallprüfung. Ob dem Arbeitslosen wegen der Unzumutbarkeit der angenommenen Arbeit ein wichtiger Grund für sein Verhalten zur Seite steht, richtet sich nach den gesetzlichen Regelungen über die Arbeitsvermittlung (§§ 35, 36 SGB III) und der Zumutbarkeit einer Beschäftigung (§ 121 SGB III). Die Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammen zu führen (§ 235 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Das Arbeitsamt darf nicht vermitteln, wenn ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll, das gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt (§ 36 Abs. 1 SGB III). Einem Arbeitslosen sind grundsätzlich alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe deren Zumutbarkeit nicht entgegenstehen; aus allgemeinen Gründen ist eine Beschäftigung insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung unter anderem gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen über Arbeitsbedingungen verstößt (§ 121 Abs. 1 und 2 SGB III). Ferner ist aus personenbezogenen Gründen eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn das daraus erzielte Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist, als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde liegende Arbeitsentgelt. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist eine Minderung von mehr als 20 v.H. und in den folgenden drei Monaten von mehr als 30 v.H. dieses Arbeitsentgeltes nicht zumutbar (§ 121 Abs. 3 SGB III). Eine Beschäftigung ist nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie befristet ist, vorübergehend eine getrennte Haushaltsführung erfordert oder nicht zu dem Kreis der Beschäftigungen gehört, für die der Arbeitnehmer ausgebildet ist oder die er bisher ausgeübt hat (§ 121 Abs. 5 SGB III).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war das Stellenangebot zumutbar.

Der Senat lässt es dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang im Rahmen des Tatbestandsmerkmales der Zumutbarkeit des § 121 SGB III eine in § 35 Abs. 2 SGB III möglicherweise geregelte Verpflichtung zur sachgerechten Vermittlung oder die Berufsfreiheit nach Art 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu berücksichtigen sind (vgl. zum Meinungsstand unter anderem Rolfs, Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Arbeitsförderungsrechts, NZA 1998, S. 17, 22; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, Kommentar, Stand: März 2004, § 121 Rz. 74; Steinmeyer in Gagel, SGB III, Kommentar, Stand: November 2003 § 121 Rz. 37; Estelmann in Eicher/Schlegel, SGB III, Kommentar, Stand: Juni 2004, § 121 Rz. 84, Brand in Niesel, SGB III, Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 121 Rz. 8). Denn das Arbeitsangebot entsprach auch dem Grundsatz einer sachgerechten Vermittlung. Ein Berufsschutz in dem Sinne, dass der Arbeitslose verlangen kann, ausschließlich in seinem erlernten, überwiegend oder zuletzt ausgeübten Beruf oder etwa nur in eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis vermittelt zu werden, besteht nicht (vgl. Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, Kommentar, Stand: August 2003, § 144 Rz. 174). Es ist nach dem Werdegang des Klägers insbesondere kein Grund ersichtlich, weshalb das Angebot eines Sozialhelfers unzumutbar im Sinne des § 121 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 35 Abs. 2 SGB III gewesen sein könnte. Der Kläger war vor dem streitigen Arbeitsangebot seit mehr als vier Jahren arbeitslos, unterbrochen durch kurzzeitige selbstständige Tätigkeiten (September 1998 bis März 1999: "Handelsvermittlung von Lebensmitteln und Haushaltswaren/Vermittlung von Informationen und Arbeitsaufträgen"; Februar bis Juni 2000: "Knödelvertrieb"), die offensichtlich erfolglos gewesen sind. Seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung, die zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der hier streitigen Alhi führte, war eine Hilfstätigkeit beim Malteser Hilfsdienst vom 1. September 1997 bis 31. August 1998. Davor hatte der Kläger Sozialhilfe bezogen. Allein deshalb kann der Kläger auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung des § 35 Abs. 2 SGB III einen "Berufsschutz" genießen.

Dass dem Kläger das Beschäftigungsverhältnis mit einer Entlohnung von 80 v.H. des Tariflohnes angeboten wurde, verstößt weder gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen noch führt dies zur Unzumutbarkeit. Für das im Rahmen der ABM abgeschlossene Beschäftigungsverhältnis hätten die Regelungen der AVR gegolten. Es entspricht der Praxis, dass AB-Kräfte mangels Tarifbindung 80 v.H. des Tariflohnes erhalten.

Der Kläger hätte im Rahmen der Beschäftigung ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.156,42 EUR monatlich nach der Tarifgruppe 9 b Ziffer 33 nach den AVR erzielt. Dieser Verdienst wäre höher gewesen, als das der Bemessung der Alhi zu Grunde liegende Arbeitsentgelt i. H. v. 155,00 EUR wöchentlich (671,67 EUR monatlich).

Der angebotenen ABM kann nicht entgegen gehalten werden, sie sei unzumutbar, weil es sich um eine Teilzeitbeschäftigung in dem Umfang von 36 Stunden wöchentlich gehandelt hat. Auch die Annahme einer Teilzeitbeschäftigung ist nicht unzumutbar, wenn das Nettoarbeitsentgelt über dem früheren Alhi-Satz liegt (vgl. BSG, SozR 4100 § 112 Nr. 52).

Schließlich kann der Kläger auch keine gesundheitlichen Gründe für die Ablehnung des Arbeitsangebotes geltend machen. Im Rahmen des Vorstellungsgespräches vom 18. Oktober 2002 wurde dem Kläger in Aussicht gestellt, den Arbeitsplatz seiner Leistungsfähigkeit anzupassen, insbesondere ihm leichtere Arbeit anzubieten. Insoweit ist der Inhalt des Gespräches unstreitig. Auf Grund dessen rechtfertigt auch das vom Kläger veranlasste Attest des Dr. A. vom 18. Oktober 2002 nicht, das Arbeitsangebot mit wichtigem Grund sanktionslos ablehnen zu können. Denn der Kläger hätte die angebotene Tätigkeit, die für ihn individuell ausgestaltet worden wäre, trotz der von Dr. A. genannten gesundheitlichen Einschränkungen ausüben können.

Allerdings ist für den Senat zweifelhaft, ob der Kläger tatsächlich nur leichte Arbeiten hätte ausführen können. Insofern folgt der Senat der gutachterlichen Äußerung der Dipl.-Med. S. vom 5. Dezember 2002, wonach der Kläger trotz seiner Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden und der Kniegelenksarthrose in der Lage ist, leichte bis zeitweise sogar mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig auszuüben. Die Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden sind ohne gravierende Funktionseinbußen beziehungsweise Hinweisen auf Nervenausfallerscheinungen. Nach den erhobenen Befunden ist es wissenschaftlich fundiert und nachvollziehbar, dass Dipl.-Med. S. zu dem Ergebnis kommt, dass die vom Kläger vorgebrachten gesundheitlichen Störungen eine Ablehnung des Stellenangebotes als Sozialhelfer in einer ABM nicht hinreichend plausibel begründen können. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Tätigkeit als Sozialhelfer mit schweren oder mehr als zeitweise mittelschweren Arbeiten oder mit anderen besonderen Anforderungen verbunden gewesen wäre.

An einer weiteren Aufklärung durch den Senat hat sich der Kläger nicht beteiligt. Er hat vielmehr unter dem 30. März 2005 mitgeteilt, keine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht auszufüllen, die Voraussetzung für weitere Ermittlungen gewesen wäre. Er hat mitgeteilt, dass er an seinem Vorbringen einer gesundheitlichen Einschränkung nicht festhalte und anschließend andere Gründe für die Unzumutbarkeit der Tätigkeit angeführt.

Auch die weitere, vom Kläger vorgebrachte Begründung, die im Wesentlichen darin besteht, dass von ihm verbotene Zwangsarbeit verlangt werde, rechtfertigt nicht die Ablehnung des zumutbaren Arbeitsangebotes. Die in diesem Zusammenhang vom Kläger vorgetragenen Argumente sind abwegig. Er wurde nicht gezwungen, eine Tätigkeit anzunehmen. Bei dem Arbeitslosengeld und der Alhi handelt es sich vielmehr um Versicherungsleistungen, die gewährt werden, wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, unter anderem auch die Bereitschaft, zumutbare Arbeitsangebote wie das von der Beklagten angebotene anzunehmen.

Gründe, die die Annahme einer Verkürzung der Sperrzeit nach § 144 Abs. 3 Nr. 2 b SGB III wegen einer besonderen Härte rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar.

Die Beklagte hat im Übrigen zutreffend festgestellt, dass die zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung vom 20. Oktober 2002 bis zum 11. Januar 2003 eingetreten ist. Denn nach § 144 Abs. 1 1. Halbsatz SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Spätestens am 19. Oktober 2002 lagen alle Voraussetzungen einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vor. Der Kläger hat bereits während des Vorstellungsgespräches am 18. Oktober 2002 in Kenntnis des Inhaltes der angebotenen Arbeitsstelle ein Beschäftigungsverhältnis abgelehnt und sich noch am selben Tag von Dr. A. ein Attest ausstellen lassen. Am 19. Oktober 2002 hat er das Stellenangebot einschließlich der Rechtsmittelbelehrung erhalten und dieses anschließend mit seiner Erklärung, aus gesundheitlichen Gründen nicht eingestellt worden zu sein sowie mit einer Kopie der Bescheinigung des Dr. A. vom 18. Oktober 2002 an die Beklagte zurückgesandt. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alhi (§ 198 S. 2 i. V. m. § 144 Abs. 2 S. 2 SGB III).

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 48 SGB X, insbesondere § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB X liegen vor. Der Kläger wusste, dass eine Sperrzeit im Umfang von 12 Wochen eintritt, wenn er das zumutbare Arbeitsangebot ablehnt und der sich aus dem Verwaltungsakt der Arbeitslosenbewilligung ergebende Anspruch nach der Ablehnung des Angebotes und des Eintritts der Sperrzeit kraft Gesetzes zum Ruhen kommt. Denn hierüber ist er durch die Beklagte belehrt worden. Dass er diese Belehrung zur Kenntnis genommen hat, hat er durch seine Unterschrift belegt.

Die Jahresfrist im Sinne des § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten. Der Bescheid der Beklagten war auch nicht aus formellen Gründen aufzuheben. Der Kläger ist insbesondere auch nach § 24 Abs. 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden.

Da die Beklagte den Bewilligungsbescheid nach § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III zutreffend aufgehoben hat, ist der Kläger zur Erstattung der überzahlten Alhi nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet. Zwar ist die Höhe der geltend gemachten Erstattung nicht zutreffend. Denn die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 19. Juni 2003 die Erstattung von 799,34 EUR verlangt. Nach dem Deckblatt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2003 habe der Kläger einen Betrag von 796,74 EUR zu erstatten, während nach der Begründung des Widerspruchsbescheides der Erstattungsbetrag 799,34 EUR betragen soll. Hierdurch ist der Kläger jedoch nicht beschwert. Denn er hätte sogar einen höheren Betrag nämlich 799,74 EUR zu erstatten (63 x 9,55 EUR = 601,65 EUR; 21 x 9,29 EUR = 195,03 EUR, insgesamt 799,74 EUR).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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