L 5 B 291/05 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 138/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 291/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 12. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Strittig ist, ob das Begehren der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung eines Beitragsbescheides vom Sozialgericht zu Recht abgelehnt worden ist.

Mit Bescheid vom 15.02.2005 stellte die Antragsgegnerin aufgrund einer Betriebsprüfung fest, dass zwischen März 2000 und Januar 2004 mehrere tschechische Staatsangehörige von der Antragstellerin beschäftigt worden sind, ohne die in den dem Arbeitsamt vorgelegten Einstellungsbestätigungen vorgeschriebenen und vereinbarten Löhne zu zahlen. Sie forderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge in Höhe von 32.004,40 EUR nach. Dass die Arbeitnehmer u.U. weniger als gemeldet beschäftigt waren, entbinde den Arbeitgeber nicht von der Beitragsabführung aus den gesetzlich vorgeschriebenen Garantielöhnen.

Nach Einlegung des Widerspruchs beantragte die Antragstellerin am 21.03.2005 die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides, weil die Arbeitnehmer tatsächlich viel weniger gearbeitet hätten und die Zahlung ihre wirtschaftliche Existenz vernichten würde. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin am 24.03.2005 u.a. mit der Begründung ab, die Behauptung geringerer Arbeitszeiten sei nicht glaubhaft und die Existenzgefährdung der Antragstellerin könne mangels Beweis nicht beurteilt werden.

Daraufhin hat die Antragstellerin am 26.04.2005 beim Sozialgericht die Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides beantragt und auf die im Verwaltungsverfahren vorgetragene Begründung hingewiesen.

Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 12. Mai 2005 abgelehnt und an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides wegen des sog. Entstehungsprinzips keine Zweifel geäußert. Eine mündliche Abänderung des Arbeitsvertrages habe beitragsrechtlich keine Auswirkung. Einer Härte könne die Antragstellerin mittels Stundungsantrag bei der zuständigen Einzugsstelle begegnen.

Gegen den am 17.05.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 17.06.2005 Beschwerde eingelegt, die sie trotz mehrmaliger Erinnerung nicht begründet hat.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Regensburg vom 12. Mai 2005 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.02.2005 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat den Widerspruch zwischenzeitlich am 06.06.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen ist seit 07.07.2005 eine Klage anhängig.

Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 12.05.2005 ist rechtmäßig. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 14.03.2005.

Nach § 86a Abs.1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG). Bei dem Bescheid vom 15.02.2005 handelt es sich um einen Beitragsbescheid gemäß § 28p SGB IV, mit dem die Antragsgegnerin Beiträge einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten geltend macht. § 86a Abs.2 Nr.1 SGG ist daher erfüllt.

Gemäß § 86b Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 86a Abs.2 Nr.1, Abs.3 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen des § 86a Abs.3 SGG durch Beschluss die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Danach soll in den Fällen des § 86a Abs.2 Nr.1 SGG die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kos-tenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86a Abs.3 Satz 2 SGG).

Zwar ist der Ansicht des Sozialgerichts und der Beklagten nicht beizupflichten, der Inhalt der jeweils erteilten Arbeitsgenehmigung bestimme den Umfang der Beitragsforderung. Abweichende Vereinbarungen zwischen dem Ausländer und dem Arbeitgeber haben nicht zur Folge, dass der vom Arbeitsamt genehmigte Arbeitsvertrag fiktiv weitergilt. Ein Arbeitsvertrag, der abgeschlossen wird, ohne dass eine entsprechende Arbeitsgenehmigung vorliegt, ist nicht nach § 134 BGB nichtig, nur die Erfüllung ist unmöglich (vgl. BAG AP Nr.2 bis 4 zu § 19 AFG). Dies führt zur Suspendierung der wechselseitigen Vertragspflichten (§§ 275, 223 BGB). Für die Zeit der Suspendierung gelten die Regeln des faktischen Arbeitsverhältnisses, d.h. der Arbeitgeber ist verpflichtet, für tatsächlich geleistete Arbeit die entsprechende Vergütung zu bezahlen (Düe in Niesel, SGB III Arbeitsförderung, Kommentar, 2. Auflage, § 284 Rz.7). Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge richtet sich nach dem Inhalt des gleich gestalteten Beschäftigungsverhältnisses.

Auch wenn die Rechtsansicht des Klägerbevollmächtigten grundsätzlich zutreffend erscheint, sind die tatsächlichen Verhältnisse nicht so gestaltet, dass vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren wäre. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die tschechischen Arbeitnehmer weniger Arbeit geleistet haben, als dies dem Arbeitsamt gegenüber angegeben worden ist, fehlen. Insbesondere wurden trotz Aufforderung durch die Antragsgegnerin keine Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsstunden vorgelegt und es wurden im Antragsverfahren keine Mittel der Glaubhaftmachung vorgelegt sowie im Klageverfahren keine Beweismittel angeboten. Die Erfolgsaussichten der Rechtsmittel sind daher gering.

Die Vollziehung des angegriffenen Bescheides stellt für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte gemäß § 86a Abs.3 SGG dar. Eine unbillige Härte in diesem Sinne liegt vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Beitragspflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer - etwa durch eine spätere Rückzahlung - wiedergutzumachen sind. Die Antragstellerin hat nichts dazu vorgetragen, dass ihr auch keine abgestufte, in Form von Ratenzahlungen vorzunehmende Vollziehung zumutbar ist. Die Beschwerde ist seit über einem halben Jahr ohne Begründung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1, 2 VwGO; danach trägt die Antragstellerin die Kosten des Rechtsmittels.

Bei der Höhe des Streitwertes wird von der streitigen Beitragsforderung, reduziert auf ein Drittel für das Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ausgegangen; er beträgt 10.000,00 EUR (§ 197a Abs.1 SGG i.V.m. § 13 Abs.1, 20 Abs.3 Gerichtskostengesetz).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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