L 7 B 602/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 533/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 602/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) streitig.

Der 1943 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) bezieht von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.) seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Er bewohnt in M. eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 50,11 qm zu einem monatlichen Kaltmietpreis von 650,00 EUR zuzüglich 65,00 EUR für Heizung und Warmwasser sowie 83,00 EUR für sonstige Nebenkosten. Mit Schreiben vom 21.02.2005 teilte die Bg. dem Bf. mit, dass bei der Berechnung der Leistungen auch die Unterkunftskosten (Kaltmiete) in Höhe von 650,00 EUR berücksichtigt worden seien. Die Kaltmiete liegt derzeit mit 252,70 EUR über der für die Haushaltsgröße angemessenen Mietobergrenze in Höhe von 397,30 EUR. Gemäß § 22 Abs.1 Satz 2 SGB II sei die überhöhte Miete als Bedarf der Leistungsberechtigten anzuerkennen, solange es diesen Personen nicht möglich oder nicht zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder andere Weise die Mietaufwendungen zu senken, längstens aber sechs Monate. Um zu vermeiden, dass nur noch die angemessene Miete in der Leistungsberechtigung angesetzt werde, werde der Bf. aufgefordert, sich ab sofort intensiv um die Senkung seiner Unterkunftskosten zu bemühen. Diese Bemühungen seien jeden Monat unaufgefordert am Monatsende zu belegen. Geeignete Nachweise seien z.B. bei Bewerbungen um Wohnungen eine Aufstellung, mit der der Bf. dokumentiere, wann er mit wem telefoniert habe und welche Gründe einer Anmietung entgegengestanden hätten. Der Bf. werde bereits jetzt darauf hingewiesen, dass bei Berechnung der Leistungen ab 01.07.2005 die Unterkunftskosten nur noch in Höhe der angemessenen Mietobergrenze von 397,30 EUR berücksichtigt würden. Sollten berechtigte Gründe vorliegen, durch die es dem Bf. nicht möglich bzw. nicht zumutbar sei, eine Senkung der Unterkunftskosten herbeizuführen, möge er dies umgehend schriftlich der Sachbearbeitung mitteilen und entsprechende Nachweise beifügen.

Mit Schreiben vom 20.03.2005 teilte der Bf. hierzu mit, es sei davon auszugehen, dass im Laufe des Jahres seine Lebensgefährtin bei ihm einziehen werde. Ein Wohnungswechsel bzw. eine anderweitige Vermietung sei ihm daher nicht zumutbar. Er sehe auch keine Möglichkeit, die Mietaufwendungen auf andere Weise zu senken.

Mit Bescheid vom 13.07.2005 bewilligte die Bg. dem Bf. für die Zeit vom 01.07. bis 31.08.2005 monatliche Leistungen in Höhe von 894,45 EUR und für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.2005 in Höhe von 879,47 EUR. Dabei berücksichtigte sie ab 01.09.2005 statt der tatsächlichen Kaltmiete in Höhe von 650,00 EUR nur noch einen Betrag in Höhe von 397,30 EUR.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, der Bescheid vom 12.07.2005 berücksichtige trotz mehrmaliger Hinweise und Nachweise den Fortfall seiner geringfügigen Beschäftigung ab dem 01.08.2005 nicht. Es stehe ihm also die Regeleistung von 345,00 EUR zu. Die Reduzierung auf die "angemessene Miete von 397,30 EUR" ab 01.09.2005 gefährde seine Existenz. Gegebenenfalls wäre ein Ausgleich über Sozialleistungen vorzunehmen.

Mit Änderungsbescheiden vom 21.07.2005 berücksichtigte die Bg. bei der Berechnung der Unterkunftskosten ab Juni 2005 eine Erhöhung der Heiz- und Betriebskosten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2005 wies die Bg. den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Bf. sei mit Schreiben vom 21.02.2005 unter Hinweis auf die Rechtslage des § 22 Abs.1 SGB II zum einen auf die Unangemessenheit seiner Wohnung hingewiesen und zum anderen aufgefordert worden, innerhalb von sechs Monaten eine Senkung der Mietkosten entweder durch Untervermietung oder durch Bezug einer neuen Wohnung herbeizuführen und seine entsprechenden diesbezüglichen Bemühungen nachzuweisen. Darüber hinaus sei er auch auf die Rechtsfolgen bei fehlenden Bemühungen hingewiesen worden. Er habe jedoch keinerlei Nachweisbemühungen zur Senkung der deutlich überhöhten Mietkosten erkennen lassen, sondern lediglich allgemein geltend gemacht, dass seine Lebensgefährtin im Laufe des Jahres 2005 bei ihm einziehen werde. Darüber hinaus habe er erstmals mit Schreiben vom 09.07.2005 angegeben, Antrag auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung stellen zu wollen, ohne dies aber bis jetzt nachgewiesen zu haben. Nachdem es ihm aber in dem Zeitraum von mehreren Monaten trotz des lediglich behaupteten, nicht näher konkretisierten Zusammenziehens mit seiner Lebensgefährtin grundsätzlich möglich und zumutbar gewesen sei, zumindest erkennbare Bemühungen zur Absenkung der überhöhten Mietkosten sowohl durch die Suche nach einer anderen Wohnung als auch durch Untervermietung angesichts der Größe (50,11 qm) und des Schnittes (zwei Zimmer) der Wohnung zu ergreifen, sei zu Recht lediglich die angemessene Miete berücksichtigt worden.

Am 26.08.2005 hat der Bf. Klage (S 51 AS 527/05) zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Am 29.08.2005 hat er beantragt, der Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, weiterhin ab 01.09.2005 die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 804,67 EUR zu bezahlen. Die Tatsache, dass er ab 01.09.2005 circa 250,00 EUR weniger erhalte, stelle für ihn eine unzumutbare Härte dar. Ihm würden zum "Überleben" nur ca. 100,00 EUR verbleiben.

Am 22.09.2005 hat der Bf. die Bewilligung von PKH beantragt.

Mit Beschluss vom 26.09.2005 hat das SG sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Bf. habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II würden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Zur Bestimmung der Angemessenheit von Wohnraum könnte im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf die zum Sozialhilferecht ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl. Bayer. Landessozialgericht L 7 B 203/05 AS ER). Gemessen an diesen Grundsätzen sei die vom Bf. bewohnte Wohnung nicht angemessen. Diese weise eine Wohnfläche von 50,11 qm auf. Allein stehende Personen hätten aber lediglich Anspruch auf eine Wohnfläche von maximal 45,00 qm (vgl. BayVGH vom 29.04.1999, FEVS 51, 116 bis 119 m.w.N. und ausführlicher Begründung). Auch die zu zahlende Grundmiete sei mit monatlich 650,00 EUR nicht angemessen. Dabei sei bei der Ermittlung der Angemessenheit des Mietpreises nicht auf den örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise abzustellen. Der Berechnung seien vielmehr nur die am Wohnort des Hilfesuchenden marktüblichen Wohnungsmieten im unteren Bereich vergleichbarer Wohnung zugrunde zu legen (vgl. BVerwG vom 17.11.1994 FEVS 45, 363 bis 369). Das Gericht habe keine Veranlassung daran zu zweifeln, dass zu den von der Bg. festgelegten Mietobergrenzen im Bereich der Landeshauptstadt M. Wohnraum zu finden sei. Der Bf. habe auch keinen Anspruch (mehr) auf Berücksichtigung seiner unangemessenen hohen Miete gemäß § 22 Abs.1 Satz 2 SGB II über den 01.09.2005 hinaus. Ein solcher Anspruch sei nur dann gegeben, wenn der Hilfesuchende substanziiert darlege, dass er eine angemessene Wohnung trotz intensiver und ernsthafter Suche nicht habe anmieten können. Diese Voraussetzungen würden hier nicht vorliegen. Der Bf. habe vielmehr vorgetragen, dass er - jedenfalls auf nicht absehbare Zeit - in der derzeit bewohnten Wohnung bleiben möchte. Die hierfür angegebenen Gründe (mögliche Gründung eines gemeinsamen Haushaltes mit seiner Lebensgefährtin bzw. mit dem Rentenbeginn im Jahre 2006) würden jedoch keinen Ausnahmefall im Sinne der genannten Vorschrift begründen, die die Bg. verpflichte, die unangemessen hohe Miete weiterhin anzuerkennen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Bf., mit der er geltend macht, er habe sich um eine Sozialwohnung bemüht, habe aber eine besondere Erwähnung nicht für notwendig gehalten. Bei dem Wohnungsamt in der F. Straße sei er darauf hingewiesen worden, dass jährlich 13.000 Anträge gestellt würden, wobei jedoch lediglich 3.000 Sozialwohnungen vermittelt würden und er sich in eine lange Warteschlange einreihen müsse. Der Bezug einer neuen Wohnung wäre in jedem Fall an seiner finanziellen Lage gescheitert. Er hätte weder Provision noch Kaution aufbringen, noch einen Umzug finanzieren können. Im Übrigen sei er von der Bg. zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden, dass gegebenenfalls Umzugs- und Maklerkosten, Mietkaution und möglicherweise auch die doppelte Miete bei Mietvertragsüberschneidungen seitens der Bg. übernommen werden würden. Aufgrund der Tatsache, dass seine geringfügige Beschäftigung mit Ablauf des 31.07.2005 weggefallen sei und er derzeit trotz entsprechender Bemühungen keine erneute geringfügige Beschäftigung habe finden können, habe er sich in Unkenntnis der Rechtslage außer Stande gesehen, eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu suchen. Aufgrund der unterlassenen Hinweise der Bg. seien ihm die beantragten Leistungen noch solange zuzusprechen, bis er eine anderweitige Wohnung gefunden habe. Ab 01.10.2006 werde er seine betriebliche Rente erhalten, so dass er dann ab diesem Zeitpunkt den derzeitigen Mietzins wieder tragen könnte. Zwischenzeitlich sei es so, dass er den Mietzins für den Monat Dezember und voraussichtlich auch für den Monat Januar 2006 nicht mehr bezahlen könne. Dies werde zur Folge habe, dass der Vermieter ihm kündigen werde und er dann die Wohnung räumen müsste, ohne dass jedoch Ersatzwohnraum zur Verfügung stehe. Wegen seiner Zahlungsunfähigkeit und der bevorstehenden voraussichtlichen Kündigung des Wohnverhältnisses sei ein Anordnungsgrund sowie ein Anordnungsanspruch gegeben, da er damit rechnen müsse, in Kürze wohnungslos zu werden. Schließlich werde darauf hingewiesen, dass es ihm gerade aufgrund des Wohnungszuschnittes nicht möglich sei, die Wohnung an eine fremde Person unterzuvermieten, da ihm lediglich zwei Zimmer zur Verfügung stünden. Ein Zimmer werde als Schlafzimmer genutzt, das andere als Wohn- und Esszimmer. Schon allein die Möblierung verbiete eine andere Gestaltung und Nutzung der Wohnung, da eben das eine Zimmer ein typisches Schlafzimmer sei. Auch würden ihm die finanziellen Mittel fehlen, um aus jedem der beiden Zimmer jeweils einen Tag- bzw. Nachtwohnraum machen zu können. Eine Untervermietung sei daher nicht möglich.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Bg. vertritt weiterhin die Auffassung, das der Bf. bis heute nicht dargelegt habe, sich intensiv um eine preisgünstigere Wohnung bemüht zu haben. Denn das Aufzeigen statistischer Daten des Wohnungsamtes ermögliche keinen Rückschluss über die Wahrscheinlichkeit einer Wohnungsvermittlung in seiner persönlichen Angelegenheit. Das Wohnungsamt biete immer preiswerte Wohnungen an. Nur würden diese sehr oft von den suchenden Personen nicht angenommen, so dass die Vermittlungsquote deshalb gering erscheine. Der Bf. habe es aber vorgezogen, sich gar nicht erst einem Vermittlungsversuch zu unterziehen und sich deshalb auch nicht habe registrieren lassen. Auch habe der Bf. bisher nicht nachgewiesen, dass er sich auf dem freien Markt um eine Wohnung mit angemessener Miete bemüht habe. Zum Bezug einer Wohnung mit einer angemessenen Miete biete § 22 SGB II finanzielle Hilfen an. Darüber habe sich der Bf. bisher wohl nicht informiert. Ein Umzug werde nicht an finanziellen Mitteln scheitern.

II.

Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufiges Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dabei hat der Bf. sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

Zu Recht hat das SG einen Anordnungsanspruch verneint. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen in dem Beschluss des SG München und sieht entsprechend § 142 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Ausführungen in dem Beschwerdeverfahren sind nicht geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung in Frage zu stellen. Die Tatsache, dass der Bf. vorträgt, nicht gewusst zu haben, dass u.a. Kosten für einen Umzug durch die Bg. übernommen würden, führt zu keiner anderen Entscheidung. So wurde der Bf. bereits mit Schreiben vom 21.02.2005 darauf hingewiesen, sich gegebenenfalls mit der Sachbearbeitung in Verbindung zu setzen. Auch scheint es wenig glaubhaft, dass der Bf. tatsächlich umzugswillig ist, da er nach wie vor damit rechnet, dass seine Lebensgefährtin zu ihm zieht. Hinzu kommt, dass der Bf. "lediglich" eine "Uberbrückungshilfe" bis zum Bezug seiner betrieblichen Rente ab 01.10.2006 begehrt.

Der Hinweis darauf, dass ihm wohl eine Kündigung drohe, weil er die Miete für Dezember 2005 nicht gezahlt habe und wohl auch für Januar 2006 nicht zahlen könne, stellt auch nicht die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes dar. Es ist insbesondere nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Bf. bislang (trotz der gekürzten Leistungen) seine Miete hat zahlen können und nunmehr seit Dezember nicht mehr. Im Übrigen könnten gegebenenfalls Mietschulden als Darlehen übernommen werden, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit einzutreten drohe.

Da die nach § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Aussicht auf einen Erfolg des Verfahrens gegenwärtig nicht gegeben ist, hat das SG auch zu Recht die Bewilligung von PKH abgelehnt.

Somit war die Beschwerde des Bf. gegen den Beschluss des SG München vom 26.09.2005 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs.1 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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