Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 RJ 1511/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 580/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 08.09.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Erwerbsminderungsrente.
Die Klägerin ist 1949 geboren. Sie stammt aus Jugoslawien und lebt seit 1967 in Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war seit 1969 als Löterin, Näherin und zuletzt ab 1983 als ungelernte Kunststoffschweißerin versicherungspflichtig beschäftigt.
Ihr Versicherungsverlauf weist eine versicherungspflichtige Beschäftigung von 1969 bis 20.10.1997 aus. Im Anschluss daran war die Klägerin vom 21.10.1997 bis 19.06.2001 arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Am 04.12.1997 beantragte sie erstmals Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen einer im März 1997 diagnostizierten Schilddrüsenkrebserkrankung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.04.1998 aus medizinischen Gründen ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.1999 zurück.
Der Widerspruchsbescheid enthielt "sonstige Hinweise" zu den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen mit unter anderem folgender wörtlicher Passage: "Die zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes bei zukünftig eintretender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß den §§ 240, 241 a.a.O. erforderliche lückenlose Belegung kann auch mit freiwilligen Beiträgen erfolgen." Es folgten Hinweise auf die hierfür geltende Frist (31. März des Folgejahres) sowie der Hinweis, dass zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes die Zahlung des Mindestbeitrages ausreichend sei, der allerdings im Bescheid nicht beziffert wird.
Am 12.03.2003 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.04.2003 ab, da die Klägerin nach ärztlicher Feststellung noch sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Nach den Untersuchungsergebnissen sei ihre Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt durch Somatisierungsstörung, phobische Störung sowie histrionische Persönlichkeitsstörung.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2003 zurückwies.
Dagegen erhob die Klägerin am 21.08.2003 Klage zum Sozialgericht München.
Das Sozialgericht beauftragte den Chirurgen Dr.L. , den Nervenarzt Dr.K. und den Internisten Dr.S. mit einer Begutachtung auf Grund ambulanter Untersuchung.
Dr.L. kommt in seinem Gutachten vom 15.03.2004 zur Feststellung folgender Gesundheitsstörungen: - chronisches leichtes Halswirbelsäulen-Schulter-Armsyndrom, - Lendenwirbelsäulensyndrom leichter bis mittelschwerer Prägung mit entsprechenden Funktionsdefizit. - Senk-Spreizfüße beidseits mit Hallux-valgus-Deformität. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule habe sich etwas verschlechtert. Die Klägerin könne noch acht Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Körperhaltungen verrichten. Der Sachverständige berichtet von ausreichender Mitarbeit der Klägerin, "wenn gleich die lautstarken Schmerzäußerungen ( ...) keine klinische ( ...) Erklärung" gefunden hätten.
Der internistische Gutachter Dr.S. schloss sich dieser Leistungsbeurteilung an. Er diagnostiziert in seinem Gutachten vom 06.04.2004 folgende weitere Gesundheitsstörungen: 1. Zustand nach Thyreoidektomie 09/97 und Radiojodtherapie bei eosinophilem Schilddrüsencarcinom (pT2, pNO, G2) 2. Adipositas Grad I (Body-Mass-Index 30,5 kg/qm). 3. Chronischer Schwindel. Refluxoesophagitis Grad 1 bei 4. axialer Hiatushernie. Mikrohämaturie. 5. Der Sachverständige berichtet von einer glaubhaften Rezidivangst der Klägerin, zumal eine positive Familienanamnese für bösartige Tumorerkrankungen bestehe. Dr.S. beurteilt die Leistungseinschränkung durch die totale Schilddrüsenentfernung auf Grund mäßig bösartiger Tumorerkrankung als nur leichtgradig. Weiterhin sei die Klägerin durch die Adipositas leicht- bis mittelgradig eingeschränkt. Schließlich bestehe seit vielen Jahren ein attackenartiger Drehschwindel mit anamnestisch mehrfachen Synkopen. Laut dem Sachverständigen handlelt es sich am ehesten um funktionelle Beschwerden bzw. um Somatisierung bei histrionischer Persönlichkeit. Die endgültige Abklärung erfolge durch das nervenärztliche Fachgutachten. Durch die Refluxösophagitis Grad I sei das Leistungsvermögen der Klägerin nicht eingeschränkt. Gleiches gelte für die Mikrohämaturie.
Der Nervenarzt Dr.K. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 15.03.2004 bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung bei neurasthenisch-histrionischer Persönlichkeitsstruktur sowie angegebene Panikattacken. Er beschreibt die Klägerin als lebhaft und emphatisch in der Berichterstattung, "teilweise begleitet von einer ausdrucksvollen Mimik". Die körperliche Untersuchung sei "begleitet von nicht undemonstrativ wirkenden Verhaltensweisen: teils hechelnde, vertiefte Atmung, teils Tiefseufzen und Stöhnen." Der Antrieb sei bei der Klägerin nicht nachweisbar gestört, die Grundstimmung etwas bedrückt. Die Klägerin könne noch leichte und vorübergehend auch mittelschwere Arbeiten acht Stunden täglich verrichten.
Gestützt auf diese Gutachten wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.09.2004 ab. Die Klägerin sei nicht erwerbsunfähig, da sie noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Sie sei auch nicht berufsunfähig, da sie als ungelernte Arbeiterin keinen Berufsschutz genieße.
Am 28.09.2004 legte die Klägerin gegen diesen Gerichtsbescheid Berufung ein, die sie unter anderem mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands begründete. Vom 14. bis 16.01.2004 sei sie im Klinikum R. wegen eines Schlaganfalls bzw. vorübergehender Durchblutungsstörungen stationär behandelt worden. Der entsprechende Entlassungsbericht über die dreitägige stationäre Behandlung vermutet eine transitorisch-ischiämische Attacke im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media rechts. Die Klägerin habe die stationäre Behandlung von sich aus gegen ärztlichen Rat beendet.
Der Senat holte eine ergänzende Stellungnahme des Nervenarztes Dr.K. hierzu ein. Dr.K. weist in seiner Stellungnahme vom 20.06.2005 darauf hin, dass die Klägerin das Ereignis vom Januar 2004 bei seiner Exploration damals nicht angegeben habe. Dr.K. verweist auf die Beurteilung im Entlassungsbericht, wonach "die neurologische Ausfallssymptomatik bereits zum Aufnahmezeitpunkt nahezu vollständig zurückgebildet" gewesen sei. Seine eigene ärztliche Untersuchung sei später erfolgt. Damals seien keine fassbaren fokal-neurologischen Defizite festzustellen gewesen. Daher seien aus dem übersandten Befund auch keine weiteren sozialmedizinischen Konsequenzen abzuleiten. eine erneute ambulante Untersuchung der Klägerin erscheine insofern entbehrlich.
Die Klägerin legte weitere aktuelle Befundberichte vor, unter anderem den Bericht vom 28.10.2005 der zentralen Notaufnahme des Klinikums M ... Dort war die Klägerin im Anschluss an einen im Gerichtssaal erlittenen Kollaps ambulant untersucht worden; das bei diesem Anlass eingeholte cerebrale Computertomogramm hat einen altersentsprechend unauffälligen Befund des Gehirns ergeben.
Das Gericht wies die Klägerin darauf hin, dass die übersandten aktuellen medizinischen Unterlagen keine weiteren Ermittlungen auslösen könnten. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nur bis Juli 2003 erfüllt, da die Klägerin seit Juni 2001 keine rentenrechtlichen Zeiten mehr zurückgelegt habe.
Die Beteiligten erklärten am 28.10.2005 sowie am 13.12.2005 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 08.09.2004 sowie des Bescheides vom 29.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2003 zu verurteilen, ihr aufgrund ihres Antrags vom 12.03.2003 Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf beigezogenen Akten der Beklagten, der Arbeitsagentur, des Sozialgerichts München sowie die Prozessakte hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Im Hinblick auf das Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 des IV. Sozialgesetzbuches (SGB IV) in der ab 2001 geltenden Fassung könnte für die Klägerin nur haben, wenn sie spätestens seit Juli 2003 erwerbsgemindert wäre.
Nur bis zu diesem Zeitpunkt reicht der Versicherungsschutz des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 SGB VI. Die Norm verlangt eine Belegung des 5-Jahres-Zeitraums vor Eintritt der Erwerbsminderung mit mindestens drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei verlängern die zuletzt bis 2001 zurückgelegten Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit den 5-Jahres-Zeitraum (§ 43 Abs.4). Nach Juni 2001 liegen jedoch keinerlei rentenrechtliche Zeiten mehr vor. Der Versicherungsschutz ist daher nur bis Juli 2003 noch erhalten.
Auch andere Regelungen greifen nicht ein: die Übergangsregelung des § 241 SGB VI ist ebenso wenig erfüllt wie ein privilegierter Tatbestand im Sinne von § 43 Abs.4 i.V.m. § 53. Auch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann sich die Klägerin nicht berufen. Im Anschluss an das erste Rentenverfahren hat die Beklagte mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid der Klägerin sowohl die Gefahr für ihre Anwartschaft als auch die Möglichkeit zur Abwendung dieser Gefahr - durchgehende freiwillige Beitragsentrichtung - ausreichend dargestellt. Ein Rentenanspruch kommt somit nur in Betracht, wenn die Klägerin bereits spätestens im Juli 2003 erwerbsgemindert gewesen wäre.
2. Eine Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI lag im Juli 2003 jedoch noch nicht vor, da die Klägerin damals noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein konnte. Darüber besteht Einigkeit in sämtlichen medizinischen Stellungnahmen, insbesondere auf grund der umfassenden Beweiserhebung durch das Sozialgericht auf internistischem, orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet.
Internistischerseits ist zur Überzeugung des Senats festgestellt, dass in der Krebserkrankung aus dem Jahre 1997 der Ausgangspunkt der Beschwerden der Klägerin zu sehen ist. Diese führt bei der Klägerin auch nachvollziehbar weiterhin zu Krankheitsängsten. Aktuell ist die Klägerin hierdurch jedoch entsprechend den überzeugenden Ausführungen von Dr.S. internistischerseits nicht maßgebend beeinträchtigt, vielmehr noch vollschichtig leistungsfähig.
Gleiches gilt auch aus orthopädischer Sicht. Dr.L. hat diesbezüglich Gesundheitsstörungen im Wesentlichen an der Wirbelsäule festgestellt. Die Funktionsdefizite sind jedoch nur leicht bzw. leicht bis mittelschwer und somit nicht geeignet, das arbeitszeitliche Leistungsvermögen einzuschränken.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der psychischen Situation. Der von Dr.K. beschriebene psychische Befund ist nicht gravierend pathologisch. Demonstrative Tendenzen scheinen bei der Klägerin durchaus eine Rolle zu spielen; entsprechende Aussagen der orthopädischen und des nervenärztlichen Sachverständigen sind doch recht eindeutig. Auch das Kollabieren im Gerichtssaal mag vor diesem Hintergrund zu sehen sein. Jedenfalls hat die anschließende Untersuchung keine organische Erklärung dafür geliefert. Nach alledem besteht bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen, so dass sie gesundheitlich nicht erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI ist.
Volle Erwerbsminderung besteht auch nicht aufgrund verschlossenen Arbeitsmarktes. Weder besteht bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkung noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich; bei vollschichtig Einsatzfähigen gilt der allgemeine Arbeitsmarkt als offen. Das Risiko der Arbeitsvermittlung ist von der Arbeitslosenversicherung nicht von der Rentenversicherung zu tragen. Dementsprechend bestimmt § 43 Abs.3, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Nach alledem besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Die Klägerin hat ohne erlernten Beruf auch zuletzt eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt und genießt daher keinen Berufsschutz. Sie kann daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen wäre.
Nach alledem besteht derzeit kein Anspruch der Klägerin auf Rente gegen die Beklagte.
Ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Erwerbsminderungsrente.
Die Klägerin ist 1949 geboren. Sie stammt aus Jugoslawien und lebt seit 1967 in Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war seit 1969 als Löterin, Näherin und zuletzt ab 1983 als ungelernte Kunststoffschweißerin versicherungspflichtig beschäftigt.
Ihr Versicherungsverlauf weist eine versicherungspflichtige Beschäftigung von 1969 bis 20.10.1997 aus. Im Anschluss daran war die Klägerin vom 21.10.1997 bis 19.06.2001 arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Am 04.12.1997 beantragte sie erstmals Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen einer im März 1997 diagnostizierten Schilddrüsenkrebserkrankung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.04.1998 aus medizinischen Gründen ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.1999 zurück.
Der Widerspruchsbescheid enthielt "sonstige Hinweise" zu den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen mit unter anderem folgender wörtlicher Passage: "Die zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes bei zukünftig eintretender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß den §§ 240, 241 a.a.O. erforderliche lückenlose Belegung kann auch mit freiwilligen Beiträgen erfolgen." Es folgten Hinweise auf die hierfür geltende Frist (31. März des Folgejahres) sowie der Hinweis, dass zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes die Zahlung des Mindestbeitrages ausreichend sei, der allerdings im Bescheid nicht beziffert wird.
Am 12.03.2003 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.04.2003 ab, da die Klägerin nach ärztlicher Feststellung noch sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Nach den Untersuchungsergebnissen sei ihre Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt durch Somatisierungsstörung, phobische Störung sowie histrionische Persönlichkeitsstörung.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2003 zurückwies.
Dagegen erhob die Klägerin am 21.08.2003 Klage zum Sozialgericht München.
Das Sozialgericht beauftragte den Chirurgen Dr.L. , den Nervenarzt Dr.K. und den Internisten Dr.S. mit einer Begutachtung auf Grund ambulanter Untersuchung.
Dr.L. kommt in seinem Gutachten vom 15.03.2004 zur Feststellung folgender Gesundheitsstörungen: - chronisches leichtes Halswirbelsäulen-Schulter-Armsyndrom, - Lendenwirbelsäulensyndrom leichter bis mittelschwerer Prägung mit entsprechenden Funktionsdefizit. - Senk-Spreizfüße beidseits mit Hallux-valgus-Deformität. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule habe sich etwas verschlechtert. Die Klägerin könne noch acht Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Körperhaltungen verrichten. Der Sachverständige berichtet von ausreichender Mitarbeit der Klägerin, "wenn gleich die lautstarken Schmerzäußerungen ( ...) keine klinische ( ...) Erklärung" gefunden hätten.
Der internistische Gutachter Dr.S. schloss sich dieser Leistungsbeurteilung an. Er diagnostiziert in seinem Gutachten vom 06.04.2004 folgende weitere Gesundheitsstörungen: 1. Zustand nach Thyreoidektomie 09/97 und Radiojodtherapie bei eosinophilem Schilddrüsencarcinom (pT2, pNO, G2) 2. Adipositas Grad I (Body-Mass-Index 30,5 kg/qm). 3. Chronischer Schwindel. Refluxoesophagitis Grad 1 bei 4. axialer Hiatushernie. Mikrohämaturie. 5. Der Sachverständige berichtet von einer glaubhaften Rezidivangst der Klägerin, zumal eine positive Familienanamnese für bösartige Tumorerkrankungen bestehe. Dr.S. beurteilt die Leistungseinschränkung durch die totale Schilddrüsenentfernung auf Grund mäßig bösartiger Tumorerkrankung als nur leichtgradig. Weiterhin sei die Klägerin durch die Adipositas leicht- bis mittelgradig eingeschränkt. Schließlich bestehe seit vielen Jahren ein attackenartiger Drehschwindel mit anamnestisch mehrfachen Synkopen. Laut dem Sachverständigen handlelt es sich am ehesten um funktionelle Beschwerden bzw. um Somatisierung bei histrionischer Persönlichkeit. Die endgültige Abklärung erfolge durch das nervenärztliche Fachgutachten. Durch die Refluxösophagitis Grad I sei das Leistungsvermögen der Klägerin nicht eingeschränkt. Gleiches gelte für die Mikrohämaturie.
Der Nervenarzt Dr.K. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 15.03.2004 bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung bei neurasthenisch-histrionischer Persönlichkeitsstruktur sowie angegebene Panikattacken. Er beschreibt die Klägerin als lebhaft und emphatisch in der Berichterstattung, "teilweise begleitet von einer ausdrucksvollen Mimik". Die körperliche Untersuchung sei "begleitet von nicht undemonstrativ wirkenden Verhaltensweisen: teils hechelnde, vertiefte Atmung, teils Tiefseufzen und Stöhnen." Der Antrieb sei bei der Klägerin nicht nachweisbar gestört, die Grundstimmung etwas bedrückt. Die Klägerin könne noch leichte und vorübergehend auch mittelschwere Arbeiten acht Stunden täglich verrichten.
Gestützt auf diese Gutachten wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.09.2004 ab. Die Klägerin sei nicht erwerbsunfähig, da sie noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Sie sei auch nicht berufsunfähig, da sie als ungelernte Arbeiterin keinen Berufsschutz genieße.
Am 28.09.2004 legte die Klägerin gegen diesen Gerichtsbescheid Berufung ein, die sie unter anderem mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands begründete. Vom 14. bis 16.01.2004 sei sie im Klinikum R. wegen eines Schlaganfalls bzw. vorübergehender Durchblutungsstörungen stationär behandelt worden. Der entsprechende Entlassungsbericht über die dreitägige stationäre Behandlung vermutet eine transitorisch-ischiämische Attacke im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media rechts. Die Klägerin habe die stationäre Behandlung von sich aus gegen ärztlichen Rat beendet.
Der Senat holte eine ergänzende Stellungnahme des Nervenarztes Dr.K. hierzu ein. Dr.K. weist in seiner Stellungnahme vom 20.06.2005 darauf hin, dass die Klägerin das Ereignis vom Januar 2004 bei seiner Exploration damals nicht angegeben habe. Dr.K. verweist auf die Beurteilung im Entlassungsbericht, wonach "die neurologische Ausfallssymptomatik bereits zum Aufnahmezeitpunkt nahezu vollständig zurückgebildet" gewesen sei. Seine eigene ärztliche Untersuchung sei später erfolgt. Damals seien keine fassbaren fokal-neurologischen Defizite festzustellen gewesen. Daher seien aus dem übersandten Befund auch keine weiteren sozialmedizinischen Konsequenzen abzuleiten. eine erneute ambulante Untersuchung der Klägerin erscheine insofern entbehrlich.
Die Klägerin legte weitere aktuelle Befundberichte vor, unter anderem den Bericht vom 28.10.2005 der zentralen Notaufnahme des Klinikums M ... Dort war die Klägerin im Anschluss an einen im Gerichtssaal erlittenen Kollaps ambulant untersucht worden; das bei diesem Anlass eingeholte cerebrale Computertomogramm hat einen altersentsprechend unauffälligen Befund des Gehirns ergeben.
Das Gericht wies die Klägerin darauf hin, dass die übersandten aktuellen medizinischen Unterlagen keine weiteren Ermittlungen auslösen könnten. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nur bis Juli 2003 erfüllt, da die Klägerin seit Juni 2001 keine rentenrechtlichen Zeiten mehr zurückgelegt habe.
Die Beteiligten erklärten am 28.10.2005 sowie am 13.12.2005 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 08.09.2004 sowie des Bescheides vom 29.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2003 zu verurteilen, ihr aufgrund ihres Antrags vom 12.03.2003 Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf beigezogenen Akten der Beklagten, der Arbeitsagentur, des Sozialgerichts München sowie die Prozessakte hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Im Hinblick auf das Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 des IV. Sozialgesetzbuches (SGB IV) in der ab 2001 geltenden Fassung könnte für die Klägerin nur haben, wenn sie spätestens seit Juli 2003 erwerbsgemindert wäre.
Nur bis zu diesem Zeitpunkt reicht der Versicherungsschutz des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 SGB VI. Die Norm verlangt eine Belegung des 5-Jahres-Zeitraums vor Eintritt der Erwerbsminderung mit mindestens drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei verlängern die zuletzt bis 2001 zurückgelegten Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit den 5-Jahres-Zeitraum (§ 43 Abs.4). Nach Juni 2001 liegen jedoch keinerlei rentenrechtliche Zeiten mehr vor. Der Versicherungsschutz ist daher nur bis Juli 2003 noch erhalten.
Auch andere Regelungen greifen nicht ein: die Übergangsregelung des § 241 SGB VI ist ebenso wenig erfüllt wie ein privilegierter Tatbestand im Sinne von § 43 Abs.4 i.V.m. § 53. Auch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann sich die Klägerin nicht berufen. Im Anschluss an das erste Rentenverfahren hat die Beklagte mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid der Klägerin sowohl die Gefahr für ihre Anwartschaft als auch die Möglichkeit zur Abwendung dieser Gefahr - durchgehende freiwillige Beitragsentrichtung - ausreichend dargestellt. Ein Rentenanspruch kommt somit nur in Betracht, wenn die Klägerin bereits spätestens im Juli 2003 erwerbsgemindert gewesen wäre.
2. Eine Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI lag im Juli 2003 jedoch noch nicht vor, da die Klägerin damals noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein konnte. Darüber besteht Einigkeit in sämtlichen medizinischen Stellungnahmen, insbesondere auf grund der umfassenden Beweiserhebung durch das Sozialgericht auf internistischem, orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet.
Internistischerseits ist zur Überzeugung des Senats festgestellt, dass in der Krebserkrankung aus dem Jahre 1997 der Ausgangspunkt der Beschwerden der Klägerin zu sehen ist. Diese führt bei der Klägerin auch nachvollziehbar weiterhin zu Krankheitsängsten. Aktuell ist die Klägerin hierdurch jedoch entsprechend den überzeugenden Ausführungen von Dr.S. internistischerseits nicht maßgebend beeinträchtigt, vielmehr noch vollschichtig leistungsfähig.
Gleiches gilt auch aus orthopädischer Sicht. Dr.L. hat diesbezüglich Gesundheitsstörungen im Wesentlichen an der Wirbelsäule festgestellt. Die Funktionsdefizite sind jedoch nur leicht bzw. leicht bis mittelschwer und somit nicht geeignet, das arbeitszeitliche Leistungsvermögen einzuschränken.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der psychischen Situation. Der von Dr.K. beschriebene psychische Befund ist nicht gravierend pathologisch. Demonstrative Tendenzen scheinen bei der Klägerin durchaus eine Rolle zu spielen; entsprechende Aussagen der orthopädischen und des nervenärztlichen Sachverständigen sind doch recht eindeutig. Auch das Kollabieren im Gerichtssaal mag vor diesem Hintergrund zu sehen sein. Jedenfalls hat die anschließende Untersuchung keine organische Erklärung dafür geliefert. Nach alledem besteht bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen, so dass sie gesundheitlich nicht erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI ist.
Volle Erwerbsminderung besteht auch nicht aufgrund verschlossenen Arbeitsmarktes. Weder besteht bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkung noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich; bei vollschichtig Einsatzfähigen gilt der allgemeine Arbeitsmarkt als offen. Das Risiko der Arbeitsvermittlung ist von der Arbeitslosenversicherung nicht von der Rentenversicherung zu tragen. Dementsprechend bestimmt § 43 Abs.3, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Nach alledem besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Die Klägerin hat ohne erlernten Beruf auch zuletzt eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt und genießt daher keinen Berufsschutz. Sie kann daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen wäre.
Nach alledem besteht derzeit kein Anspruch der Klägerin auf Rente gegen die Beklagte.
Ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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