L 11 SO 22/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 SO 133/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 SO 22/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.07.2005 sowie die Bescheide des Beklagten vom 11.02.2002 und vom 27.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005 aufgehoben.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Nach einer streitigen Auseinandersetzung mit dem Kläger am 18.07.2001, zu der die Polizei hinzugezogen wurde, zog die damalige Ehefrau des Klägers mit den drei gemeinsamen Kindern auf Intervention des Jugendamtes am 19.07.2001 aus der gemeinsamen Wohnung aus und wohnte zunächst bei ihrer erwachsenen Tochter auf einem Campingplatz.

Am 23.07.2001 beantragte die Ehefrau des Klägers beim Beklagten Leistungen der Sozialhilfe und gab an, sie könne die Ehewohnung nicht mehr betreten, weil ihr Ehemann - der Kläger - die Schlösser ausgewechselt habe. Zusammen mit ihren Kindern wurde sie daraufhin in der Zeit vom 28.07.2001 bis zum 06.09.2001 in einem Frauenhaus untergebracht. Aufgrund ihrer eidesstattlichen Versicherung, dass der Kläger gewalttätig sei, wurde ihr mit Beschluss des Amtsgerichts A. vom 20.08.2001, Az: 1 F 563/01, die Ehewohnung ab 01.09.2001 im Verfahren der einstweiligen Anordnung zugewiesen. In einem folgenden Hauptsacheverfahren schlossen die Beteiligten am 23.10.2001 einen Vergleich dahingehend, dass der Kläger am 03.09.2001 aus der Ehewohnung ausziehe, weil er eine neue Wohnung gefunden habe.

In diesem Verfahren vor dem Amtsgericht A. gab der Kläger am 12.09.2001 eine eidesstattliche Versicherung ab. Er sei gegenüber seiner Familie nicht gewalttätig geworden. Im November 2000 habe ihn seine Ehefrau geschlagen. Er habe sie daraufhin geohrfeigt. Im Frühjahr 2001 habe er sie einmal an der Hand aus dem Zimmer gezerrt, weil er die Sportschau habe sehen wollen. Am 18.07.2001 sei er nach der Spätschicht heimgekehrt und habe fernsehen wollen. Seine Ehefrau habe mit der kleinen Tochter auf der Couch geschlafen. Sie habe ihn aufgefordert, den Raum zu verlassen und ihm sein Bier übergeschüttet. Die Polizei sei daraufhin vom Sohn geholt worden. Er - der Kläger - habe seine Ehefrau nicht angefasst. Nur im Ausnahmefall, etwa ein- oder zweimal im Jahr, erhielten seine Söhne eine Ohrfeige.

Mit Bescheid vom 11.02.2002 forderte die Beklagte den Kläger gemäß dem früheren § 92a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zur Erstattung der Kosten der Unterbringung der Ehefrau des Klägers im Frauenhaus in Höhe von 5.061,79 EUR auf. Er habe die Sozialhilfebedürftigkeit seiner Angehörigen schuldhaft herbeigeführt. Sein Verhalten sei aggressiv und bewusst sozialwidrig gewesen. Das gehe aus dem Beschluss des Amtsgerichts A. über die Wohnungszuweisung hervor.

Der Kläger erhob hiergegen am 19.02.2002 Widerspruch. Er habe weder Kinder noch Ehefrau bedroht oder geschlagen. Die Wohnungszuweisung mit Beschluss des Amtsgerichts A. sei ohne seine Anhörung erfolgt. Seine Ehefrau sei Alkoholikerin. Er habe bereits das Jugendamt eingeschaltet. Das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren sei gemäß § 170 Abs 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden.

Nach einem Aktenvermerk des Jugendamtes vom 14.03.2002 wurde dieses am 18.07.2001 über den Vorfall wegen häuslicher Gewalt informiert. Die Ehefrau des Klägers sei angetrunken gewesen. Der Kläger sei nicht alkoholisiert gewesen. Seine Ehefrau habe gegenüber der Polizei angegeben, er schlage die Kinder seit einigen Jahren und sei Alkoholiker. Er habe damit gedroht, die Familie umzubringen. Am 19.07.2001 sei daraufhin ein unanmeldeter Hausbesuch vom Jugendamt durchgeführt worden. Der Ehefrau des Klägers sei mitgeteilt worden, dass wegen dieser Drohungen des Klägers ein Auszug unumgänglich sei. Sie sei Alkoholikerin.

Der für die einstweilige Anordnung vom 20.08.2001 zuständige Richter am Amtsgericht A. nahm dahingehend Stellung, dass eine Aussage über den Wahrheitsgehalt der seinerzeitigen eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau des Klägers nicht getroffen werden könne. Zu diesem Zeitpunkt habe keine eidesstattliche Versicherung des Klägers vorgelegen. Eine endgültige Hauptsacheentscheidung sei wegen des Auszugs des Klägers aus der gemeinsamen Wohnung nicht erforderlich gewesen.

Mit Änderungsbescheid vom 27.03.2002 verzichtete der Beklagte auf die Hälfte des bisher geforderten Betrages. Er verlangte nunmehr Kostenersatz in Höhe von 2.530,90 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2005 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch des Klägers zurück. Sozialwidriges Verhalten habe vorgelegen, weil das Handeln des Klägers aus Sicht der Gemeinschaft zu missbilligen sei. Seiner Ehefrau und seinen Kindern sei nach dem Verlassen der Ehewohnung nur der Aufenthalt im Frauenhaus geblieben. Eine besondere Härte, für die nur objektive Gesichtspunkte maßgeblich seien, läge nicht vor.

Der Kläger erhob daraufhin am 31.03.2005 Klage beim Sozialgericht München (SG) und beantragte, die Bescheide des Beklagten vom 11.02.2002 und vom 27.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 23.05.2005 aufzuheben.

Er habe seine Ehefrau nicht angegriffen. Im Februar 2002 sei das Jugendamt wegen der Alkoholexzesse seiner Ehefrau eingeschaltet worden. Die elterliche Sorge sei seiner Ehefrau mittlerweile entzogen worden. Die Kinder seien in einer Pflegefamilie und hätten regelmäßig alle zwei Wochen Umgang mit ihm. Der Beklagte habe keine rechtlich relevanten Beweismittel vorgelegt, woraus sich ergebe, dass er den Aufenthalt seiner Ehefrau im Frauenhaus verschuldet habe. Er beziehe sich auf die Stellungnahme des Amtsrichters und auf seine eigene eidesstattliche Versicherung. Die Ehefrau habe lediglich wegen der anstehenden Scheidung die Wohnungszuweisung erzwingen wollen.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Er wiederholte im Wesentlichen seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren und bezog sich insbesondere auf die Niederschrift vom 21.08.2001, worin die Ehefrau angegeben habe, vom Kläger geschlagen worden zu sein. Ferner verwies er auf einen Aktenvermerk vom 14.03.2002, wonach für sie und ihre Kinder das Verlassen der Wohnung aufgrund der Drohungen des Klägers unumgänglich gewesen sei.

Mit Urteil vom 20.07.2005 wies das SG die Klage ab. Nach § 92a BSHG sei der Kläger zum Kostenersatz verpflichtet, weil er die Sozialhilfebedürftigkeit seiner Angehörigen schuldhaft verursacht habe. Das Verhalten des Klägers sei sozialwidrig. Zwar habe seine Ehefrau zunächst eigenständig die Wohnung verlassen. Ein Betreten der Familienwohnung sei ihr aber nach eigenen Angaben nicht möglich gewesen, weil der Kläger die Schlüssel ausgetauscht habe. Während eines Zeitraums von sechs Wochen sei die Ehefrau des Klägers auf die Unterbringung in einem Frauenhaus angewiesen gewesen. Die Einlassung des Klägers, sie sei Alkoholikerin, ändere hieran nichts. Das Gericht stelle nicht auf den Anlass des Auszuges, sondern auf die Dauer der Wohnungslosigkeit der Ehefrau des Klägers ab. Die Aufnahme im Frauenhaus sei erst am 28.07.2001 und damit über eine Woche nach dem häuslichen Streit erfolgt.

Die hiergegen erhobene Berufung des Klägers ist beim Bayer. Landessozialgericht am 10.10.2005 eingegangen.

Der Kläger beantragt sinngemäß das Urteil des SG München vom 20.07.2005 und die Bescheide der Beklagten vom 11.02.2002 und vom 27.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 23.02.2005 aufzuheben.

Er habe zu keinem Zeitpunkt die Schlösser oder die Schlüssel ausgetauscht. Seine Ehefrau habe stets Zugang zur Wohnung gehabt. Es sei auch niemals substanziiert die Rede davon gewesen, dass der Kostenersatz deshalb gefordert werde, weil er angeblich seine Ehefrau und die Kinder aus der gemeinsamen Wohnung ausgesperrt habe. Erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 20.07.2005 sei er mit dieser Behauptung konfrontiert worden. Er habe aber zu keinem Zeitpunkt seine Ehefrau aus der Wohnung ausgesperrt.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Ehefrau des Klägers habe bereits am 28.08.2001 angegeben, dass sie nicht in die Wohnung könne, weil die Schlösser vom Kläger ausgetauscht worden seien. Auf eine Anhörung vom 16.10.2001 habe der Kläger nicht reagiert. Seine Einlassung, er habe von dieser Behauptung nichts gewusst, könne deshalb nicht greifen. Zum Zeitpunkt des Auszuges aus der gemeinsamen Wohnung sei für die Ehefrau des Klägers aufgrund der Drohungen ihres Mannes ein weiterer Verbleib in der Wohnung nicht möglich gewesen. Dass sie nicht sofort ins Frauenhaus gegangen sei, sei ihr nicht vorzuhalten. Der Aufenthalt der Ehefrau des Klägers im Frauenhaus sei durch das sozialwidrige Verhalten des Klägers notwendig geworden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig und auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 11.02.2002 und vom 27.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 23.05.2005 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Das Urteil des SG ist dahingehend abzuändern, die Bescheide sind aufzuheben.

Der Berichterstatter konnte gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG anstelle des Senats als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben. Sie haben zudem auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 124 Abs 2 SGG).

Rechtsgrundlage der hier angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 11.02.2002 und vom 27.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 23.05.2005 ist § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Der von der Widerspruchsbehörde noch im Bescheid vom 23.05.2005 herangezogene § 92a Abs 1 BSHG ist mit Ablauf des 31.12.2004 gemäß § 68 Abs 1 Nr 1, § 70 Abs 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I S 3022) aufgehoben worden. Da es sich bei den Bescheiden, deren Aufhebung der Kläger begehrt, sowohl nach altem Recht (§ 92a BSHG) als auch nach neuem Recht (§ 103 SGB XII) um Verwaltungsakte handelt, ist die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 1.Alternative SGG die richtige Klageart. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Klage ergibt sich nicht aus dem Prozessrecht, sondern aus dem materiellen Recht, bei einer Anfechtungsklage - wie hier - ist das regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung (so auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage 2005, § 54 Rdnrn 32 f). Da der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern erst am 23.05.2005 ergangen ist, ist auf den am 01.01.2005 in Kraft getretenen § 103 SGB XII abzustellen.

Nach dieser Vorschrift kann der Beklagte aber für den hier streitgegenständlichen Sachverhalt keinen Kostenersatz vom Kläger verlangen.

Nach § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII ist zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe derjenige verpflichtet, der nach Vollendung des 18. Lebensjahres für sich oder andere durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt hat. Nach dem folgenden Satz 2 ist zum Kostenersatz auch derjenige verpflichtet, der als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des der Leistung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII - diejenigen des Satzes 2 greifen ohnehin nicht - liegen aber nicht vor. Der Kläger hat weder durch grob fahrlässiges noch durch vorsätzliches Verhalten die Voraussetzungen für Leistungen der Sozialhilfe an seine Ehefrau geschaffen.

Dabei gilt für den Anwendungsbereich des § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII, dass es sich hier um einen quasi-deliktischen Anspruch handelt, weil dieser Ersatzanspruch von einem schuldhaften Verhalten des Ersatzpflichtigen abhängt (vgl. BVerwG vom 23.09.1999 BVerwGE 109, 331 = NJW 2000, 1208 = FEVS 51, 341 zum insoweit gleichlautenden früheren § 92a BSHG). Das Verhalten muss nicht notwendig rechtswidrig im Sinne einer unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff Bürgerliches Gesetzbuch oder im Sinne des Strafrechts sein, es muss vielmehr aus den Umständen des Einzelfalles heraus "sozialwidrig" sein (BVerwGE 51, 61).

Ein solches schuldhaftes sozialwidriges Verhalten konnte der Beklagte dem Kläger aber nicht hinreichend nachweisen. Dabei verkennt das Gericht nicht die Problematik um die Nachweisbarkeit dieser Tatbestandsvoraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII, weil sich das sozialwidrige Verhalten im Sinne dieser Vorschrift regelmäßig nur aus Umständen herleiten lässt, die in der persönlichen Sphäre dessen liegen, demgegenüber Ersatzansprüche geltend gemacht werden. Gleichwohl obliegt es dem Beklagten als dem zuständigen Leistungsträger, bei gewissenhafter und erschöpfender Sachverhaltsermittlung Hinweistatsachen aufzuzeigen, die auf das Vorliegen eines solchen schuldhaften sozialwidrigen Verhaltens schließen lassen.

Dass es zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau am 19.07.2001 zu einer Auseinandersetzung in der ehelichen Wohnung gekommen ist, die Ehefrau des Klägers daraufhin vorübergehend zu ihrer Tochter gezogen ist, erfüllt für sich genommen noch nicht die Voraussetzungen des Kostenersatzanspruches nach § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Der Verlauf der Auseinandersetzungen ist im Ergebnis letztlich unklar geblieben. Der Vorwurf der Ehefrau des Klägers, von diesem körperlich misshandelt worden zu sein, konnte vom Beklagten nicht bewiesen werden. Die Vermerke in der Behördenakte geben in diesem Punkt zumeist die Aussage der Ehefrau des Klägers wieder. Auch der vorläufigen Entscheidung des Amtsgerichtes A. über die Zuteilung der ehelichen Wohnung lag einzig und allein eine eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Klägers vom 24.07.2001 zugrunde. Der zuständige Richter erklärte unter dem 12.03.2002, nach Vorliegen der eidesstattlichen Erklärung des Klägers vom 12.09.2001 hätte die einstweilige Anordnung in einem Hauptsacheverfahren keinen Bestand mehr haben können.

Ebenso verhält es sich mit der von der Ehefrau aufgestellten Behauptung, der Kläger habe bereits mit dem "Umbringen der Familie" gedroht. Auch hierfür ergeben sich darüber hinausgehend keinerlei Anhaltspunkte. Es ist vielmehr so, dass die Staatsanwaltschaft T. mit Verfügung vom 18.06.2002 das von der Ehefrau des Klägers gegen diesen angestrengte Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs 2 StPO eingestellt hat.

Hingegen ergibt sich sowohl aus der eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 12.09.2001 als auch aus der Feststellung der Diplom-Sozialpädagogin (FH) T. , Amt für Jugend und Familie, Landratsamt A. , vom 14.03.2002, dass das Kreisjugendamt A. regelmäßig in Kontakt zur Ehefrau des Klägers stand, nachdem es erneut zu einer alkoholischen Entgleisung mit Unterbringung in der Ausnüchterungszelle gekommen ist. Sie befand sich in Beratung bei der Suchtfachambulanz in Burghausen zur Abklärung der Notwendigkeit einer stationären Entgiftung mit anschließender Therapie. Der Kläger beschreibt seine Ehefrau wiederholt als betrunken und ihm gegenüber als gewalttätig.

Lassen sich mithin aus dem Vorfall vom 19.07.2001 die Voraussetzungen für einen Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten im Sinne des § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII nicht herleiten, bleibt es letztlich bei der Behauptung der Ehefrau des Klägers, sie sei deshalb ins Frauenhaus gezogen, weil sie der Kläger aus der ehelichen Wohnung zu diesem Zeitpunkt ausgesperrt hatte.

Es liegen nach ausführlichen Ermittlungen durch den Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunke dafür vor, dass der Kläger durch Auswechseln der Türschlösser seine Ehefrau (und die Kinder) aus der ehelichen Wohnung ausgesperrt hat und dieses Verhalten kausal für die Aufnahme der Ehefrau des Klägers in das Frauenhaus gewesen wäre. Die vom SG noch angenommene Wohnungslosigkeit der Ehefrau des Klägers ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum deshalb nicht nachgewiesen. Die Ehefrau des Klägers behauptet zwar zur Niederschrift am 26.07.2001 gegenüber der Sozialhilfeverwaltung des Beklagten und in einem weiteren Schriftsatz vom 16.08.2001 an das Amtsgericht A. , der Kläger habe die Türschlösser gewechselt und ihr somit den Zutritt zur gemeinsamen Wohnung verwehrt. Sie hat es aber während des gesamten Verwaltungsverfahrens und auch während des sozialgerichtlichen Verfahrens versäumt, darzulegen, woher sie diese Kenntnis habe. Weder der hier angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11.02.2002 noch der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 23.02.2005 stellen auf diesen Sachverhalt ab, so dass die bislang bloße Behauptung der Ehefrau des Klägers - die Beklagte hat keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen in diesem Punkt gesehen - kein hinreichendes Indiz für ein schuldhaftes sozialwidriges Verhalten des Klägers darstellt.

Fehlt es aber am Nachweis eines schuldhaften sozialwidrigen Verhaltens des Klägers, sind das hier angefochtene Urteil des SG vom 20.07.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11.02.2002 und vom 27.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005 rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind daher aufzuheben. Das Urteil des SG vom 20.07.2005 ist entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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