L 16 RJ 143/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 RJ 613/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 143/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1945 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war nach eigenen Angaben im Beitrittsgebiet zwischen 1953 und 1990 als Haushaltshilfe, Arbeiterin, Büglerin, Pförtnerin/Wachmann sowie angelernte Telefonistin in verschiedenen Betrieben versicherungspflichtig beschäftigt.

Der Rentenversicherungsverlauf enthält für die Zeit vom 08.12. 1983 bis 31.12.1990 und für die Zeit ab 19.04.1995 keine Angaben. Nach den Unterlagen des Arbeitsamtes war die Klägerin aber vom 16.03. bis 29.05.1987, 22.10. bis 06.11.1987 und 01.01. bis 31.03.1988 als Pförtnerin, vom 22.02. bis 23.05.1989 als Reinigungskraft sowie vom 02.10.1989 bis 18.05.1990 als Hauswirtschaftspflegerin beschäftigt. Sie bezog vom 29.06.1990 bis 11.04.1992 Arbeitslosengeld, vom 13.04.1992 bis 31.01.1993 Arbeitslosenhilfe und war vom 01.02.1993 bis zum 19.04.1995 ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet.

Die Klägerin bezieht seit 01.02.1993 Witwenrente (Bescheid der Beklagten vom 20.03.1995).

Am 05.05.1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und beauftragte eine niedergelassene Orthopädin mit einer Begutachtung der Klägerin. Nachdem die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung dort nicht zur Untersuchung erschienen war, lehnte die Beklagte den Antrag vom 05.05.1998 wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin ab (Bescheid vom 07.12.1998). Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.1998 und 27.12.1998 Widerspruch und fragte mit weiterem Schreiben vom 22.07.1999 - der Beklagten zugegangen am 29.07.1999 - an, wann sie zur ärztlichen Untersuchung kommen müsse und über die Rente entschieden werde.

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.12. 1998 wegen weiterhin fehlender Mitwirkung zurück, nachdem sie eine an die von der Klägerin angegebene Anschrift adressierte Einladung zu einem neuen Untersuchungstermin am 09.07.1999 mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" zurückerhalten hatte (Widerspruchsbescheid vom 10.08.1999).

Das Schreiben vom 22.07.1999 betrachtete die Beklagte als Antrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie holte weitere ärztliche Unterlagen sowie ein Gutachten des Internisten Dr.S. vom 26.11.1999 ein. Dieser stellte bei der Klägerin nach ambulanter Untersuchung vom 23.11.1999 folgende Gesundheitsstörungen fest:

1. Chronisch venöse Insuffizienz bei Stammvarikosis links im Stadium III, Zustand nach abgeheiltem Ulcus cruris. 2. Degeneratives HWS-Syndrom, mittelgradig eingeschränkte HWS-Beweglichkeit, degeneratives LWS-Syndrom bei vordiag nostiziertem Bandscheibenschaden im unteren LWS-Bereich, sehr gute LWS-Beweglichkeit, kein Hinweis für neurologische Ausfälle. 3. Beginnende Heberdenarthrose im Bereich der Finger rechts. 4. Verdacht auf beginnendes sensibles CTS beidseits, bisher keine wesentliche Beeinträchtigung. 5. Sehr einfach strukturierte Persönlichkeit, Verdacht auf Grenzbegabung.

Er hielt die Klägerin noch für fähig, vollschichtig leichte Arbeiten ohne dauerndes Stehen, ohne Überkopfarbeit, ohne ständiges Bücken, ohne Nacht- und Wechselschicht sowie ohne Zeitdruck zu verrichten.

Die Beklagte lehnte daraufhin die beantragte Rente mit der Begründung ab, bei der Klägerin liege weder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit noch Invalidität (Art.2 § 7 Rentenüberleitungsgesetz - RÜG -) vor (Bescheid vom 11.01.2000).

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit der Begründung zurück, die Klägerin könne noch vollschichtig leichte bis unter vollschichtig mittelschwere Arbeiten ohne besonderen Zeit- und Leistungsdruck sowie ohne Anforderungen an das intellektuelle Leistungsvermögen verrichten und auch als Telefonistin vollschichtig tätig sein (Widerspruchsbescheid vom 06.04. 2000).

Auf die dagegen am 13.04.2000 zum Sozialgericht München (SG) erhobene Klage holte das Gericht Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.H. (Internist) und Dr.M. (Orthopäde) sowie ein fachorthopädisches Gutachten des Allgemeinmediziners und Orthopäden Dr.W. vom 06.12.2000 ein. Dr.W. kam nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 04.12.2000 zu folgenden Diagnosen:

1. Chronisch venöse Insuffizienz beider Beine, links stärker als rechtseitig mit derzeit abgeheiltem Ulcus cruris und der Notwendigkeit der operativen Sanierung. 2. Fehlstatisches Lendenwirbelsäulensyndrom mit Bandscheiben- schädigung L4/L5 und wiederkehrenden Belastungsbeschwerden der Lendenwirbelsäule. 3. Übergewicht, beginnende Gonarthrose rechts.

Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten.

Das SG wies daraufhin die Klage vom 13.04.2000 mit der Begründung ab, bei der Klägerin liege weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit und auch keine teilweise oder volle Erwerbsminderung vor. Es schloss sich insoweit der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr.W. an. Da die Klägerin keine abgeschlossene Ausbildung besitze und der Beruf der Telefonistin und Pförtnerin nur eine Anlerntätigkeit darstelle, liege auch kein Berufsschutz vor (Urteil vom 06.02.2001).

Gegen das am 26.02.2001 an die Klägerin zugestellte Urteil hat diese mit Schreiben vom 09.03.2001 - dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) zugegangen am 12.03.2001 - mit der Begründung Berufung eingelegt, ihre gesundheitliche Situation habe sich weiter verschlimmert. Sie hat Arztbriefe der Ärzte Dr. T. (Allgemeinmediziner), Dr. M. (HNO-Arzt) und des Park-Krankenhauses L. vorgelegt.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.H. (Internist), Dr.M. (Orthopäde), Dr.U. (Augenarzt), Dr.L. (Internist), Dr.B. (Neurologe), Dr.M. (Frauenarzt), Dr.S. (Chirurg) und Dr.H. (HNO-Arzt) eingeholt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.02.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 11.01.2000 i.d.G.d. Widerspruchsbescheides vom 06.04.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Renten- und Witwenrentenakten der Beklagten, Akten der Bundesanstalt für Arbeit, Sozialhilfeakten des Landratsamtes Traunstein und die Akten des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht München hat die Klage vom 13.04.2000 gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2000 mit Urteil vom 06.02.2001 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), da der Rentenantrag am 05.05.1998 gestellt und Rente ab diesem Zeitpunkt begehrt wird (§ 300 Abs.2 SGB VI). Soweit die Entstehung eines Rentenanspruchs für die Zeit nach dem 31.12.2000 in Betracht kommt, richtet sich der Anspruch der Klägerin nach den Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.). Art.2 RÜG findet keine Anwendung, da eine Rente aufgrund der Antragstellung am 05.05.1998 nicht bis zum 31.12.1996 beginnen würde (Art.2 §§ 1 Abs.1, 44 Abs.1 RÜG i.V.m. § 99 Abs.1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie (u.a.) in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (sog. 3/5-Belegung). Gleichlautende Regelungen enthalten § 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI a.F. (für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) sowie § 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI n.F. (für die Rente wegen Erwerbsminderung).

Diese Voraussetzungen wären bei der Klägerin nur dann erfüllt, wenn der maßgebende Versicherungsfall spätestens im Mai 1997 eingetreten wäre. Innerhalb des danach maßgebenden Fünfjahresjahreszeitraums vom Mai 1992 bis Mai 1997 hat die Klägerin vom 01.05.1992 bis 31.01.1993 eine Pflichtbeitragszeit wegen Bezugs von Arbeitslosenhilfe sowie vom 01.02.1993 bis 19.04.1995 eine Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug zurückgelegt. Die Arbeitslosigkeit endete am 19.04.1995 wegen zweier Meldeversäumnisse vom 19.04. und 24.04.1995. Für die Zeit ab 20.04.1995 sind keine weiteren Versicherungszeiten ersichtlich.

Die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug erfüllt den Tatbestand einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB VI (a.F. und n.F.)und verlängert gemäß § 43 Abs.3 Nr.1 SGB VI (a.F.) den Fünfjahreszeitraum des § 43 Abs.1 Nr.2 SGB VI (a.F.). Innerhalb des um 27 Monate Anrechnungszeit verlängerten Zeitraums von Februar 1990 bis Mai 1997 hat die Klägerin insgesamt 36 Monate an Pflichtbeitragszeiten (vom 01.02.1990 bis 18.05.1990 aufgrund einer Beschäftigung als Hauswirtschaftspflegerin - Rentenversicherungspflicht unterstellt - sowie vom 29.06.1990 bis 31.01.1993 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe) zurückgelegt. Für Versicherungs- fälle nach Mai 1997 wären dagegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

Nach § 240 Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F. wären Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Berufsunfähigkeit für die Klägerin, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, nicht erforderlich, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist oder - was hier nicht in Betracht kommt - die Berufsunfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten ist. Nach Abs.2 Satz 2 a.a.O. ist für Kalendermonate, für die eine Beitrags- zahlung noch zulässig ist, eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich. Gleichlautende Regelungen enthalten § 241 Abs.2 SGB VI a.F. (für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) und § 241 Abs.2 SGB VI n.F. (für die Rente wegen Erwerbsminderung).

Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin aber nur für Versicherungsfälle bis zum Mai 1995 erfüllt. Die Klägerin hat in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 durchgehend eine Anwartschaftserhaltungszeit nach § 240 Abs.2 Satz 1 Nr.6 SGB VI a.F. zurückgelegt, da sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte. Die weiteren Kalendermonate bis zum April 1995 sind durchgehend mit Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug belegt. Für die Zeit ab 01.05.1995 sind dagegen keine Anwartschaftserhaltungszeiten ersichtlich. Insbesondere lag bei der Klägerin in diesem Zeitraum keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vor. So weist der Befundbericht des Internisten Dr.L. vom Mai 2001 lediglich sporadische Arztkontakte mit mehrmonatigen Unterbrechungen auf. Auch die Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.H. , Dr.M. , Dr.B. und Dr.H. , bei denen sich die Klägerin über längere Zeit in Behandlung befand, geben keine Anhaltspunkte für Erkrankungen, die zur Annahme einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit der Klägerin Anlass geben könnten.

Bei der Klägerin lag im maßgebenden Zeitraum bis zum Mai 1997 noch keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.).

Dagegen besteht Erwerbsunfähigkeit bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 01.04.1999 630,00 DM) übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F.). Da der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit an strengere Voraussetzungen geknüpft ist, als derjenige der Berufsunfähigkeit, folgt aus der Verneinung von Berufsunfähigkeit ohne weiteres das Fehlen von Erwerbsunfähigkeit (vgl. BSG Urteil vom 05.04.2001 - B 13 RJ 61/00 R -).

Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.130, 164). Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit aber nur dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bishe- rigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, in Gruppen eingeteilt, die durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.132, 138, 140). Die Einordnung eines Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten, förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung so wie des bisherigen Berufs und besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn.27, 33).

Die Klägerin ist aufgrund ihres beruflichen Werdegangs allenfalls der Gruppe der Angelernten im unteren Bereich (Anlern- oder Ausbildungszeit von drei bis zwölf Monaten) zuzuordnen. Sie hat keinen Beruf erlernt und zu keinem Zeitpunkt einen qualifizierten Ausbildungsberuf oder eine qualifizierte Anlerntätigkeit ausgeübt. Sie war nach eigenen Angaben als Haushaltshilfe, Arbeiterin, Büglerin, Pförtnerin/Wachmann und Telefonistin in verschiedenen Betrieben beschäftigt. Für ein von ihr angegebenes Anlernverhältnis als Telefonistin von 1960 bis 1962 liegen allerdings keinerlei Nachweise vor. Auch die von der Beklagten ergebnislos durchgeführten Arbeitgeberanfragen haben keine Anhaltspunkte für eine höherwertige Tätigkeit der Klägerin erbracht. Aus den Akten des Arbeitsamtes geht hervor, dass die Klägerin zuletzt 1987/88 mit Unterbrechungen als Pförtnerin, vom 22.02. bis 23.05.1989 als Reinigungskraft und vom 02.10.1989 bis 18.05.1990 als Hauswirtschaftspflegerin tätig war. Anhaltspunkte für eine Ausbildung zur Hauswirtschaftspflegerin liegen nicht vor. Aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer ist auch eine Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten nicht gegeben.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe - hier auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts - verwiesen werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.5). Solche Tätigkeiten konnte die Klägerin auch nach dem Mai 1997 noch vollschichtig ausüben.

Die Klägerin wurde im Rentenverfahren zunächst am 23.11.1999 durch Dr.S. begutachtet. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 26.11.1999 fest, bei der Klägerin stehe eine fortgeschrittene chronisch venöse Insuffizienz mit Zustand nach Ulcus cruris links bei Stammvarikosis beidseits im Vordergrund. Wegen dieser Beschwerdesymptomatik sei die Klägerin zu Arbeiten mit ständigem Stehen nicht mehr geeignet. Zusätzlich konstatierte er ein HWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen und mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen im HWS-Bereich und sehr guter Beweglichkeit im LWS-Bereich. Hinweise für sensomotorische Ausfälle fanden sich nicht. Daneben bestand eine beginnende Heberdenarthrose im Bereich der rechten Finger, ein Verdacht auf beginnendes sensibles CTS beidseits ohne wesentliche Beeinträchtigung sowie eine sehr einfach strukturierte Persönlichkeit mit Verdacht auf Grenzbegabung. Zusammenfassend kam Dr.S. zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt auch leichte Arbeiten ohne dauerndes Stehen, ohne Überkopfarbeit, ohne ständiges Bücken, ohne Nacht- und Wechselschicht sowie ohne Zeitdruck vollschichtig durchführen könne.

Diese Leistungsbeurteilung wurde im erstinstanzlichen Verfahren durch den Sachverständigen Dr.W. in dessen Gutachten vom 06.12.2000 nach erneuter ambulanter Untersuchung der Klägerin im Wesentlichen bestätigt. Im Vordergrund standen auch damals Stauungsbeschwerden im Bereich beider Beine bei chronisch venöser Insuffizienz und drohendem Ulcus-Rezidiv am linken Unterschenkel. Zusätzlich stellte der Sachverständige Belastungsbeschwerden der Lendenwirbelsäule fest, wobei das Beschwerdebild radiologisch nicht ausreichend zu objektivieren war. Hinweise für Nervenwurzelreizzustände oder Läsionen im Bereich der unteren Extremitäten fehlten, eine sehr kräftig ausgebildete Fußsohlenbeschwielung wies auf eine normale Geh- und Stehfähigkeit hin. Eine beginnende Kniegelenksarthrose rechts stellte nach Einschätzung des Sachverständigen keine zusätzliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit dar. Ein Taubheitsgefühl im Bereich der ersten drei Finger der rechten Hand begründete den bereits von Dr.S. geäußerten Verdacht auf ein Carpaltunnelsyndrom; funktionelle Beeinträchtigungen lagen aber nicht vor. Dr.W. hielt die Klägerin noch für fähig, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit der wechselnden Körperausgangslage, überwiegend in geschlossenen Räumen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne allzu häufiges Bücken sowie ohne Arbeiten an Maschinen und am Fließband mit stehender oder sitzender Körperausgangslage vollschichtig zu verrichten. Eine Beschränkung des Anmarschweges lag nicht vor. Insgesamt hatte sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der Untersuchung durch Dr.S. nicht verschlechtert.

Beide Gutachter sind nach eigener Untersuchung der Klägerin unter ausführlicher Darstellung der Befunde übereinstimmend und ohne erkennbare innere Widersprüche zu dem Ergebnis gekommen, dass der Klägerin jedenfalls leichte Tätigkeiten noch vollschichtig möglich waren. Die von den Gutachtern genannten qualitativen Leistungseinschränkungen stellen keine schwere spezifische Leistungsbehinderung und auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar, die bei Verweisbarkeit der Klägerin auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordern würden (vgl. BSGE 80, 24). Insbesondere finden sich keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit, der zur Ausführung ungelernter Tätigkeiten notwendigen Anpassung- und Umstellungsfähigkeit, der Grob- und Feinmotorik oder der allgemeinen Konzentrationsfähigkeit.

Ob sich der Gesundheitszustand der Klägerin in der Folgezeit wesentlich verändert hat, bedarf keiner weiteren Aufklärung, da - wie dargestellt - bei einem späteren Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder dem Eintritt einer Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI n.F. die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht mehr gegeben wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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