S 10 AS 98/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 98/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 100/05 AS ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller einhalb der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Relleistungen in voller Höhe an den Antragsteller sowie die Übernahme der Kosten der Unterkunft nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Antragsgegnerin hatte dem Antragsteller zunächst Leistungen nach dem SGB II bis zum 30.06.2005 gewährt und zwar sowohl Regelleistungen als auch Leistungen für die Unterkunft und Heizung.

Mit Bescheid vom 24.06.2005 (Blatt 313 der Verwaltungsakte) stellte die Antragsgegnerin die Leistungen eint. Hintergrund war, dass sie die Angaben des Antragstellers für unglaubwürdig hielt. Dieser hatte behauptet und behauptet weiterhin, keine Einkünfte mehr aus seiner Tätigkeit als Alleinunterhalter zu erzielen. Dem stand nach Auffassung der Antragsgegnerin entgegen, dass der Antragsteller regelmäßig in Zeitungen betreffend seines Leistungsangebotes als Alleinunterhalter inserierte.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 18.07.2005 begehrt er, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm weiter (volle) Regelleistungen nach dem SGB II zu gewähren und auch die Kosten der Unterkunft zu übernehmen. Er verfüge über keine Einkünfte. Seine Krankenversicherung sei nicht sichergestellt. Einkünfte als Alleinunterhalter erziele er nicht mehr.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 29.06.2005 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.06.2005 anzuordnen, hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Einkommensverhältnisse des Antragstellers seien weiterhin ungeklärt. Es fänden sich zahlreiche Bareinzahlungen auf seinem Konto. Die Herkunft dieses Geldes sei nicht geklärt. Die Einzahlungen und auch die Inserate sprächen für Nebeneinkommen, das der Antragsteller nicht angegeben habe. Im Übrigen sprächen diese Einzahlungen zumindest dafür, dass kein Anordnungsgrund bestände, da Einkünfte vorhanden seien. Einkünfte seien auch dadurch vorhanden, dass aufgrund des richterlichen Hinweises mit Bescheid vom 29.08.2005 für die Monate Juli bis September 2005 zumindest 80 % der Regelleistungen gewährt sowie auch die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung sichergestellt würden. Diese Lesitungen würden auch weiterhin gewährt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeuginnen T und N X. Bei den Zeuginnen handelt es sich um die Mieterinnen des Antragstellers. Wegen der Ergebnisse der Einvernahme der Zeuginnen wird auf das Protokoll der Sitzung vom 20.10.2005 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagte mit der Ziffer 000.

II.

Der Hauptantrag des Antragstellers ist unzulässig. Sein Hilfsantrag ist zulässig aber unbegründet.

Der Antragsteller hat zunächst begehrt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.06.2005 anzuordnen. Dieser Bescheid ist jedoch durch die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29.08.2005 zumindest konkludent aufgehoben worden. Dem Antragsteller wurden durch den neuen Bescheid (wieder) 80 % der Regelleistungen und die vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gewährt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den aufgehobenen Bescheid ist nicht möglich und notwendig. Der hierauf gerichtete Antrag ist unzulässig.

Das vom Antragsteller verfolgte Ziel, den vollen Regelsatz zu erhalten sowie Leistungen für die Wohnung und die Heizung, kann er nur erreichen, wenn er den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begehrt. Dies Begehren steckt zumindest hilfsweise in dem von ihm gestellten Antrag und seinem Vortrag.

Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung), § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG.

Erforderlich ist in beiden Fällen, dass dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zustehen (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, § 86 b Rdnr. 27 ff). Ein Anordnungsanspruch setzt die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruches voraus, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Zu berücksichtigen ist dabei, dass wegen des summarischen Charakters des Eilverfahrens die endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweg genommen werden darf.

Das Gericht hat bei seiner Entscheidung die Interessen des Antragstellers an einer vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zum begehrten Verwaltungsakt oder zur Feststellung eines Anspruches abzuwägen mit denen des Antragsgegners, ein möglicherweise unberechtigtes Verwaltungshandeln zu verweigern. Daher ist vorläufiger Rechtsschutz nur dann zu gewähren, wenn dem Antragsteller anderenfalls schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung auch die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage ist.

Im vorliegenden Fall besteht zumindest kein Anordnungsgrund.

Dem Antragsteller werden 80 % der Regelleistungen gewährt. Zudem verfügt er seit September 2005 über Nettomieteinkünfte in Höhe von 400,- EUR sowie eine Nebenkostenbeteiligung seiner Mieterinnen T und N X in Höhe von 100,- EUR (zuvor lagen die Mieteinkünfte 100,- EUR niedriger). Die Antragsgegnerin übernimmt zudem die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung des Antragstellers.

Der Lebensunterhalt und der darüber hinausgehende notwendige Bedarf des Antragstellers ist damit sichergestellt. Er selbst hat nicht darlegen und glaubhaft machen können, inwiefern höhere Leistungen zur Bedarfssicherung unbedingt notwendig sind.

Soweit der Antragsteller geltend macht, einen Anspruch auf die begehrten Leistungen zu haben und zwar nicht in der nun vorliegenden Darlehensform, ändert sich durch die darlehensweise Gewährung der Leistungen nichts daran, dass der laufende Bedarf des Antragstellers gesichert ist.

Ohne Erfolg weist der Antragsteller darauf hin, dass die von ihm aufzubringenden Kosten für die Unterkunft und die Heizung von der Antragsgegnerin seit Juli 2005 gar nicht mehr getragen werden. Die Antragsgegnerin "überlässt" dem Antragsteller jedoch insoweit die Mieteinnahmen in Höhe von 500,- EUR im Monat anrechnungsfrei. Dieser Betrag übersteigt die von der Antragsgegnerin sonst zu zahlenden angemessenen Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 SGB II. Sie belaufen sich – vom Kläger unbestritten – auf 280,- EUR Kaltmiete inklusive Nebenkosten sowie rund 50,- EUR Heizkosten (45 qm x 1,10 EUR). Darauf hat die Antragsgegnerin den Antragsteller mehrfach hingewiesen und aufgefordert, seine Kosten der Unterkunft zu senken. Ansonsten müsse er die nun eingetretenen Konsequenzen tragen, nämlich zu versuchen, aus seinen (nicht ausreichenden) Einkünften die Hauskosten zu decken. Beispielhaft wird insoweit auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 30.03.2005 verwiesen (Bl. 214 der Verwaltungsakte). Der Aufforderung zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf das angemessene Maß ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Vielmehr versuchte er und versucht es weiterhin, die rund 1.100,- EUR reine Zinsen, die für das Haus fällig werden, Monat für Monat an die Oldenburgische Landesbank zu zahlen und daneben noch die weiteren Hauskosten. Diese Zahlungen könnte er jedoch nicht einmal dann erbringen, wenn er den vollen Regelleistungsbetrag bekäme sowie die maximal möglichen Beträge für eine angemessene Wohnung für eine Person im Kreis Minden (derzeit maximal 280,- EUR monatlich für die Kaltmiete inklusive Nebenkosten ohne Heizkosten).

Nach alldem konnte der Antrag keinen Erfolg haben.

Die Antragsgegnerin hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen. Zwar wird die begehrte einstweilige Anordnung abgelehnt. Das geschieht jedoch erst nachdem und weil die Antragsgegnerin den Anordnungsgrund dadurch hat entfallen lassen, dass sie dem Antragsteller zumindest 80 % der Regelleistungen gewährt, die jetzigen Mieteinkünfte nicht auf diesen Betrag anrechnet und die Kranken- und Pflegeversicherung des Antragstellers übernimmt. Vor Gewährung dieser Leistungen wäre der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zumindest in dieser Höhe zulässig und begründet gewesen. Es entspricht daher der Billigkeit, dass die Antragsgegnerin zumindest die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers übernimmt.
Rechtskraft
Aus
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