Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KN 85/05 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 15/05 U
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Berufung erledigt durch Rücknahme
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.1998 verurteilt, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns B. C aufgrund eines am 07.02.1991 eingetretenen Versicherungsfalls Verletztenrente gemäß § 551 II RVO a.F. wegen einer chronisch-obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem nach einer MdE von 20 % ab dem 01.09.1994 und von 30 % ab dem 02.05.1997 bis zum 03.12.1999 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung aus Anlass einer chronisch-obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem.
Die Klägerin ist Witwe des am 00.00.1999 verstorbenen Versicherten B. C. Der Versicherte war von 1953 bis 1966 insgesamt 12 Jahre im untertägigen Steinkohlebergbau auf mehreren Zechen, vorwiegend als Hauer, tätig gewesen.
Am 27.12.1995 stellte er über seine Bevollmächtigten einen Antrag auf Entschädigung einer chronisch-obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem. Er habe lange Jahre im Bergbau unter Tage vor Kohle und Stein gearbeitet und sich dabei eine chronisch-obstruktive Bronchitis/Emphysem zugezogen, deren Folgen sich in letzter Zeit durch zunehmende Atemnot und erhebliche Kreislaufstörungen wesentlich verschlimmert hätten.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren ein und zog u.a. das Vorerkrankungsregister der AOK bei und holte eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes ein. In seiner Stellungnahme vom 10.07.1996 kam der Technische Aufsichtsdienst zu dem Ergebnis, unter Berücksichtigung der Arbeitgeberangaben zur Staubbelastung für die Zeit von September 1958 bis April 1966 und der TAD-Berechnung für den Zeitraum von September 1953 bis August 1958 sei der Versicherte im Verlauf seiner Tätigkeiten im untertägigen Steinkohlebergbau einer kumulativen Staubdosis von 80,77 Staubjahren ausgesetzt gewesen.
Mit Bescheid vom 22.08.1996 lehnte die Beklagte daraufhin den Anspruch auf Entschädigung einer chronisch obstruktiven Bronchitis oder eines Lungenemphysems mit der Begründung ab, die Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes hätten ergeben, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit im untertägigen Steinkohlebergbau lediglich einer kumulativen Feinstaubdosis von 80,77 Staubjahren ausgesetzt gewesen sei. Dabei seien alle für die Sachverhaltsermittlungen bedeutsamen Umstände berücksichtigt worden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit sei nicht hinreichend wahrscheinlich, da der Versicherte nicht einer Belastung von mindestens 100 Feinstaubjahren im Steinkohlebergbau unter Tage ausgesetzt gewesen sei.
Mit Widerspruchsschreiben vom 22.10.1996 trug der Versicherte vor, in der Berechnung des Technischen Aufsichtsdienstes seien für die Jahre 1953 bis 1957 mittlere Staubbelastungswerte zugrunde gelegt worden, die jedoch nicht den Realitäten entsprochen hätten. Er habe in diesen Jahren in der Gewinnung bei steiler Lagerung gearbeitet. Die besonderen Staubverhältnisse bei dieser Tätigkeit ergäben sich vor allen Dingen aus dem Tatbestand, dass in dem entsprechenden Revier Ober- und Unterbank gleichzeitig abgebaut worden seien, wobei die Mittelschicht aus Stein gleichzeitig mitabgebaut worden sei. Diese Abbauart habe lediglich auf der Zeche Q stattgefunden. Die hierdurch entstandene Staubbelastung sei bei der abgebauten hochwertigen Anthrazitkohle von besonderer Intensität gewesen. Es sei daher falsch, von mittleren Belastungswerten auszugehen.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 02.12.1996 führte der Technische Aufsichtsdienst hierzu aus, die vorgebrachten Argumente des Versicherten hinsichtlich der besonderen Staubsituation an Betriebspunkten, in denen hochinkohlte Kohle in der steilen Lagerung gewonnen worden sei, sei richtig. Es sei daher auch richtig, für die vom Versicherten im Zeitraum von September 1953 bis Dezember 1956 verrichteten Strebarbeiten Staubbelastungen gemäß der von Prof. Dr. C erarbeiteten Worst-Case-Werte heranzuziehen. Für den genannten Zeitraum ergebe sich eine kumulative Staubdosis in Höhe von 61,3 Staubjahren. Addiere man die übrigen, der Stellungnahme von 10.07.1996 zu entnehmenden Staubbelastungen hinzu, ergäbe sich im vorliegenden Fall eine kumulative Staubdosis von 104,5 Staubjahren. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung der angezeigten Berufskrankheit seien damit erfüllt.
Im Laufe des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte daraufhin zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. T ein und zog den Reha-Entlassungsbericht der Ostseeklinik I (stationärer Aufenthalt vom 05.10.1993 bis zum 16.11.1993) sowie Röntgenfilme der Lunge vom Arbeitsmedizinischen Archiv bei. Darüberhinaus holte die Beklagte zur Frage des Ursachenzusammenhangs und der Höhe der MdE ein Gutachten von Dr. I, Arzt für Innere Medizin aus Essen ein. In seinem Gutachten vom 02.05.1997, welches am 02.06.1997 bei der Beklagten einging, kam Dr. I zu dem Ergebnis, bei dem Versicherten bestünde eine chronische Bronchitis im Sinne der WHO seit 1962. Obstruktive Ventilationsstörungen seien gesichert seit dem 07.02.1991 (Untersuchung beim Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft, Dienststelle F). Radiologisch und lungenfunktionsanalytisch bestünde ein Lungenemphysem. Ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der Untertagetätigkeit des Versicherten und der CBE sei anzunehmen, da der Versicherte von 1953 bis 1966 etwa 12 Jahre unter Tage im Steinkohlebergbau tätig gewesen sei und die kumulative Feinstaubdosis einen Wert von 104,5 Feinstaubjahren ergebe. Die durch die CBE bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit sei jetzt auf einen Grad von 30 % zu schätzen. Seit dem 07.02.1991 sei die durch die CBE bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf einen Grad von 20 % zu schätzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten gegen den Bescheid vom 22.08.1996 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die weiteren Feststellungen hätten zwar ergeben, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit im untertätigen Steinkohlebergbau in ausreichendem Maße einer Feinstaubbelastung ausgesetzt gewesen sei. Gleichwohl kämen Entschädigungsleistungen nicht in Betracht, weil bereits am 07.02.1991 bei der Untersuchung und Begutachtung durch die Ärzte des Sozialmedizinischen Dienstes der Bundesknappschaft in I Lungenfunktionseinschränkungen mit schweren Ventilationsstörungen als Folge einer Emphysembronchitis festgestellt worden seien. Mithin sei der Versicherungsfall spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Bereits sei dem 06.06.1997 habe der Entwurf des Bundesministers für Arbeit- und Sozialordnung zur Neuordnung der Berufskrankheiten-Verordnung vorgelegen. Danach sollten künftig die chronische obstruktive Bronchitis oder das Emphysem unter den bereits genannten Voraussetzungen als Berufskrankheit in die Anlage zur BKV aufgenommen werden. Nach Art. 2 § 1 Abs. 1 des Entwurfs seien entsprechende Erkrankungen auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wobei diese Rückwirkung auf Versicherungsfälle begrenzt sei, die nach dem 31.12.1992 eingetreten seien. Die BKV sei am 01.12.1997 in Kraft getreten, sodass eine Berufskrankheit Nr. 4111 nur dann anerkannt werden könne, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Bei dieser Sachlage habe dem Widerspruch nicht stattgegeben werden können.
Hiergegen hat der Versicherte binnen Monatsfrist Klage erhoben. Es ergäben sich hier bezüglich der generellen Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 BKV Bedenken. Zum einen entstehe durch Anwendung dieser Norm eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Personenkreis, der unter den gleichen medizinischen Voraussetzungen nach § 551 Abs. 2 RVO bereits entschädigt worden sei. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz sei bei der vorliegenden Praxis somit unumgänglich. Zum anderen bestünden Bedenken gegen die Anwendung des § 6 Abs. 1 BKV, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Stichtagsregelung bei der BK 4111 dazu führe, dass die Ablehnung einer Entscheidung nach der Stichtagsregel die Regel wäre und eine Entschädigung die Ausnahme, da durch die Verbesserung der untertägigen Steinstaubbekämpfung die geforderten 100 Staubjahre im Regelfall nur noch von solchen Bergleuten erfüllt werde, deren Beschäftigung im Steinkohlebergbau schon Jahre zurückliege. Somit läge der Versicherungsfall dann regelmäßig vor dem entsprechenden Stichtag.
Der Versicherte ist am 03.12.1999 verstorben und seine Witwe führt den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin fort.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.1998 zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns B. C aufgrund eines am 07.02.1991 eingetretenen Versicherungsfalls Ver- letztenrente gemäß § 551 Abs. 2 RVO a.F. wegen einer chronisch- obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem nach einer MdE von 20 % ab dem 01.09.1994 und von 30 % ab dem 02.05.1997 bis zum 03.12.1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat auf Antrag der Beteiligten das Verfahren im Hinblick auf ein Revisionsverfahren beim BSG zur Überprüfung der Stichtagsregelung, Az.: B 8 KN 1/98 UR zum Ruhen gebracht. Gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist Verfassungsbeschwerde zum Az.: 1 BvR 235/00 beim Bundesverfassungsgericht eingelegt worden. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 23.06.2005 entschieden hat, hat das Gericht von Amts wegen das Verfahren wieder aufgenommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert.
Zu Unrecht hat die Beklagte die Entschädigung der Erkrankung chronische obstruktive Bronchitis/Lungenemphysem beim Versicherten abgelehnt.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung und Entschädigung der chronisch-obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem als Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO liegen vor. Die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen sind nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten erfüllt. Der Zeitpunkt des Versicherungsfalls und die Höhe der MdE sind von dem Sachverständigen Dr. I in seinem Gutachten vom 02.05.1997 für die Beklagte überzeugend festgestellt worden und werden auch von keinem Beteiligten bezweifelt.
Die Ablehnung der Entschädigung kann nicht auf die Stichtagsregelung nach § 6 Abs. 1 BKV in der Fassung vom 31. Oktober 1997 (Abs. 2 nach der jetzt gültigen Fassung) gestützt werden.
Ob ein Versicherter bei Vorliegen eines Versicherungsfalls vor dem Stichtag 31.12.1992 eine Entschädigung erhielt oder nicht, entschied sich vor Inkrafttreten der Verordnung bis in das Jahr 1997 hinein allein nach zeitlichen Zufälligkeiten. Mit Bekanntwerden des Entwurfs der am 01.12.1997 in Kraft tretenden BKV wendete die Beklagte die künftige Stichtagsregelung des § 6 Abs. 1 BKV an. Ab dem 06.06.1997 lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab, wenn der Versicherungsfall nach den medizinischen Ermittlungen vor dem 01.01.1993 eingetreten war. Im vorliegenden Fall ist das Gutachten von Dr. I am 02.06.1997 bei der Beklagten eingegangen. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bis zur Entscheidung durch Widerspruchsbescheid am 27.04.1998 weitere Ermittlungen (z.B. Entgeltnachweise zur Errechnung der Verletztenrente, schriftliche Unterrichtung der Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW) getätigt hat. Liegen aber die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO vor, hat der Unfallversicherungsträger die Erkrankung wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Keinesfalls darf er im Vorgriff auf eine zu erwartende rechtliche Regelung "zuwarten" (vgl. Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, § 9 SGB VII Randnummer 29.4; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 9). Dies widerspricht auch dem Beschleunigungsgebot des § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I, wonach die Leistungsträger verpflichtet sind, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 09.10.2000 (Az.: 1 BvR 791/95) ausgeführt, der Vorrang der Anerkennungsentscheidung des Verordnungsgebers komme allerdings erst zur Geltung, wenn die Regelungen der jeweiligen Berufskrankheiten-Verordnung über ihren zeitlichen Anwendungsbereich in Kraft getreten sind. Vorher sei es dem Unfallversicherungsträger im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verwehrt, die Entscheidung über einen Antrag nach § 551 Abs. 2 RVO zurückzustellen, wenn eine Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung in Sicht ist, in der auch über die Anerkennung der im Einzelfall in Frage stehenden Krankheiten als Berufskrankheit entschieden wird. Bis zum Inkrafttreten der jeweiligen Änderungsverordnung habe der Unfallversicherungsträger nach § 551 Abs. 2 RVO entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts zügig zu entscheiden. Ist eine Anerkennung vor dem Inkrafttreten der in Aussicht genommenen Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung erfolgt, so wird eine Rechtsposition zugunsten des Versicherten begründet, die aus rechtsstaatlichen Erwägungen von den Vorschriften der Verordnung über den zeitlichen Anwendungsbereich (hier § 6 Abs. 1 in der Fassung der BKV vom 31.10.1997) grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden kann.
Dies entspricht auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2005 (Az.: 1 BvR 235/00). In den Entscheidungsgründen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich nicht gestattet, dass die Berufsgenossenschaft einen Entschädigungsantrag bei Entscheidungsreife mit dem Hinweis auf eine in Aussicht stehende Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung ablehnt. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zwar mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.1998 nicht den Entwurf der Berufskrankheiten-Verordnung angewandt, sondern bereits die am 01.12.1997 in Kraft getretene Berufskrankheiten-Verordnung. Gleichwohl war es ihr unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.10.2000 (1 BvR 791/95) nicht gestattet, nach Eingang des Gutachtens von Dr. I am 02.06.1997 und nach Kenntnis des Entwurfs der neuen BKV ab 06.06.1997 die Entscheidung über eine Entschädigung des Versicherten zurückzustellen bis zum Inkrafttreten der neuen Berufskrankheiten-Verordnung am 01.12.1997. Damit ist die Anwendung des § 6 Abs. 1 der BKV vom 31.10.1997 durch die Beklagte rechtswidrig und die angegriffenen Bescheide aufzuheben.
Die Klägerin hat als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes allerdings einen Anspruch auf Entschädigung erst ab dem 01.09.1994 – wie mit ihr und ihrem Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 06.01.2006 erörtert – weil anspruchsbegründend für eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO die Feststellung des Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Unfallversicherungsträger ist. Dabei geht die Kammer auf Basis dieses Grundsatzes vom Vorliegen der erforderlichen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse von dem Zeitpunkt an aus, in denen das Merkmal der vorgeschlagenen neuen Listennummer 4111 bekannt war, nämlich die sogenannten 100 Feinstaubjahre. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der "neuen Erkenntnisse" i.S.d. § 551 II RVO ist nämlich zumindest der Abschluß eines Forschungsvorhabens, wenn dessen Erkenntnisse ohne ersichtliche weitere Untersuchungen später zu der Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats, Sektion "Berufskrankheiten" beim BMA geführt haben. Prof. Dr. C hat seine Darstellung zur Feinstaubbelastung im September 1994 dem Medizinischen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten" beim BMA mitgeteilt. Auch die Beklagte sieht in den aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2005 (1 BvR 235/00) bisher erteilten Bescheiden hier die Grundlage, mit den Leistungsansprüchen nach § 551 Abs. 2 RVO ab dem 01.09.1994 zu beginnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung aus Anlass einer chronisch-obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem.
Die Klägerin ist Witwe des am 00.00.1999 verstorbenen Versicherten B. C. Der Versicherte war von 1953 bis 1966 insgesamt 12 Jahre im untertägigen Steinkohlebergbau auf mehreren Zechen, vorwiegend als Hauer, tätig gewesen.
Am 27.12.1995 stellte er über seine Bevollmächtigten einen Antrag auf Entschädigung einer chronisch-obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem. Er habe lange Jahre im Bergbau unter Tage vor Kohle und Stein gearbeitet und sich dabei eine chronisch-obstruktive Bronchitis/Emphysem zugezogen, deren Folgen sich in letzter Zeit durch zunehmende Atemnot und erhebliche Kreislaufstörungen wesentlich verschlimmert hätten.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren ein und zog u.a. das Vorerkrankungsregister der AOK bei und holte eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes ein. In seiner Stellungnahme vom 10.07.1996 kam der Technische Aufsichtsdienst zu dem Ergebnis, unter Berücksichtigung der Arbeitgeberangaben zur Staubbelastung für die Zeit von September 1958 bis April 1966 und der TAD-Berechnung für den Zeitraum von September 1953 bis August 1958 sei der Versicherte im Verlauf seiner Tätigkeiten im untertägigen Steinkohlebergbau einer kumulativen Staubdosis von 80,77 Staubjahren ausgesetzt gewesen.
Mit Bescheid vom 22.08.1996 lehnte die Beklagte daraufhin den Anspruch auf Entschädigung einer chronisch obstruktiven Bronchitis oder eines Lungenemphysems mit der Begründung ab, die Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes hätten ergeben, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit im untertägigen Steinkohlebergbau lediglich einer kumulativen Feinstaubdosis von 80,77 Staubjahren ausgesetzt gewesen sei. Dabei seien alle für die Sachverhaltsermittlungen bedeutsamen Umstände berücksichtigt worden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit sei nicht hinreichend wahrscheinlich, da der Versicherte nicht einer Belastung von mindestens 100 Feinstaubjahren im Steinkohlebergbau unter Tage ausgesetzt gewesen sei.
Mit Widerspruchsschreiben vom 22.10.1996 trug der Versicherte vor, in der Berechnung des Technischen Aufsichtsdienstes seien für die Jahre 1953 bis 1957 mittlere Staubbelastungswerte zugrunde gelegt worden, die jedoch nicht den Realitäten entsprochen hätten. Er habe in diesen Jahren in der Gewinnung bei steiler Lagerung gearbeitet. Die besonderen Staubverhältnisse bei dieser Tätigkeit ergäben sich vor allen Dingen aus dem Tatbestand, dass in dem entsprechenden Revier Ober- und Unterbank gleichzeitig abgebaut worden seien, wobei die Mittelschicht aus Stein gleichzeitig mitabgebaut worden sei. Diese Abbauart habe lediglich auf der Zeche Q stattgefunden. Die hierdurch entstandene Staubbelastung sei bei der abgebauten hochwertigen Anthrazitkohle von besonderer Intensität gewesen. Es sei daher falsch, von mittleren Belastungswerten auszugehen.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 02.12.1996 führte der Technische Aufsichtsdienst hierzu aus, die vorgebrachten Argumente des Versicherten hinsichtlich der besonderen Staubsituation an Betriebspunkten, in denen hochinkohlte Kohle in der steilen Lagerung gewonnen worden sei, sei richtig. Es sei daher auch richtig, für die vom Versicherten im Zeitraum von September 1953 bis Dezember 1956 verrichteten Strebarbeiten Staubbelastungen gemäß der von Prof. Dr. C erarbeiteten Worst-Case-Werte heranzuziehen. Für den genannten Zeitraum ergebe sich eine kumulative Staubdosis in Höhe von 61,3 Staubjahren. Addiere man die übrigen, der Stellungnahme von 10.07.1996 zu entnehmenden Staubbelastungen hinzu, ergäbe sich im vorliegenden Fall eine kumulative Staubdosis von 104,5 Staubjahren. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung der angezeigten Berufskrankheit seien damit erfüllt.
Im Laufe des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte daraufhin zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. T ein und zog den Reha-Entlassungsbericht der Ostseeklinik I (stationärer Aufenthalt vom 05.10.1993 bis zum 16.11.1993) sowie Röntgenfilme der Lunge vom Arbeitsmedizinischen Archiv bei. Darüberhinaus holte die Beklagte zur Frage des Ursachenzusammenhangs und der Höhe der MdE ein Gutachten von Dr. I, Arzt für Innere Medizin aus Essen ein. In seinem Gutachten vom 02.05.1997, welches am 02.06.1997 bei der Beklagten einging, kam Dr. I zu dem Ergebnis, bei dem Versicherten bestünde eine chronische Bronchitis im Sinne der WHO seit 1962. Obstruktive Ventilationsstörungen seien gesichert seit dem 07.02.1991 (Untersuchung beim Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft, Dienststelle F). Radiologisch und lungenfunktionsanalytisch bestünde ein Lungenemphysem. Ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der Untertagetätigkeit des Versicherten und der CBE sei anzunehmen, da der Versicherte von 1953 bis 1966 etwa 12 Jahre unter Tage im Steinkohlebergbau tätig gewesen sei und die kumulative Feinstaubdosis einen Wert von 104,5 Feinstaubjahren ergebe. Die durch die CBE bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit sei jetzt auf einen Grad von 30 % zu schätzen. Seit dem 07.02.1991 sei die durch die CBE bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf einen Grad von 20 % zu schätzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten gegen den Bescheid vom 22.08.1996 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die weiteren Feststellungen hätten zwar ergeben, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit im untertätigen Steinkohlebergbau in ausreichendem Maße einer Feinstaubbelastung ausgesetzt gewesen sei. Gleichwohl kämen Entschädigungsleistungen nicht in Betracht, weil bereits am 07.02.1991 bei der Untersuchung und Begutachtung durch die Ärzte des Sozialmedizinischen Dienstes der Bundesknappschaft in I Lungenfunktionseinschränkungen mit schweren Ventilationsstörungen als Folge einer Emphysembronchitis festgestellt worden seien. Mithin sei der Versicherungsfall spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Bereits sei dem 06.06.1997 habe der Entwurf des Bundesministers für Arbeit- und Sozialordnung zur Neuordnung der Berufskrankheiten-Verordnung vorgelegen. Danach sollten künftig die chronische obstruktive Bronchitis oder das Emphysem unter den bereits genannten Voraussetzungen als Berufskrankheit in die Anlage zur BKV aufgenommen werden. Nach Art. 2 § 1 Abs. 1 des Entwurfs seien entsprechende Erkrankungen auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wobei diese Rückwirkung auf Versicherungsfälle begrenzt sei, die nach dem 31.12.1992 eingetreten seien. Die BKV sei am 01.12.1997 in Kraft getreten, sodass eine Berufskrankheit Nr. 4111 nur dann anerkannt werden könne, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Bei dieser Sachlage habe dem Widerspruch nicht stattgegeben werden können.
Hiergegen hat der Versicherte binnen Monatsfrist Klage erhoben. Es ergäben sich hier bezüglich der generellen Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 BKV Bedenken. Zum einen entstehe durch Anwendung dieser Norm eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Personenkreis, der unter den gleichen medizinischen Voraussetzungen nach § 551 Abs. 2 RVO bereits entschädigt worden sei. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz sei bei der vorliegenden Praxis somit unumgänglich. Zum anderen bestünden Bedenken gegen die Anwendung des § 6 Abs. 1 BKV, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Stichtagsregelung bei der BK 4111 dazu führe, dass die Ablehnung einer Entscheidung nach der Stichtagsregel die Regel wäre und eine Entschädigung die Ausnahme, da durch die Verbesserung der untertägigen Steinstaubbekämpfung die geforderten 100 Staubjahre im Regelfall nur noch von solchen Bergleuten erfüllt werde, deren Beschäftigung im Steinkohlebergbau schon Jahre zurückliege. Somit läge der Versicherungsfall dann regelmäßig vor dem entsprechenden Stichtag.
Der Versicherte ist am 03.12.1999 verstorben und seine Witwe führt den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin fort.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.1998 zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns B. C aufgrund eines am 07.02.1991 eingetretenen Versicherungsfalls Ver- letztenrente gemäß § 551 Abs. 2 RVO a.F. wegen einer chronisch- obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem nach einer MdE von 20 % ab dem 01.09.1994 und von 30 % ab dem 02.05.1997 bis zum 03.12.1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat auf Antrag der Beteiligten das Verfahren im Hinblick auf ein Revisionsverfahren beim BSG zur Überprüfung der Stichtagsregelung, Az.: B 8 KN 1/98 UR zum Ruhen gebracht. Gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist Verfassungsbeschwerde zum Az.: 1 BvR 235/00 beim Bundesverfassungsgericht eingelegt worden. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 23.06.2005 entschieden hat, hat das Gericht von Amts wegen das Verfahren wieder aufgenommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert.
Zu Unrecht hat die Beklagte die Entschädigung der Erkrankung chronische obstruktive Bronchitis/Lungenemphysem beim Versicherten abgelehnt.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung und Entschädigung der chronisch-obstruktiven Bronchitis/Lungenemphysem als Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO liegen vor. Die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen sind nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten erfüllt. Der Zeitpunkt des Versicherungsfalls und die Höhe der MdE sind von dem Sachverständigen Dr. I in seinem Gutachten vom 02.05.1997 für die Beklagte überzeugend festgestellt worden und werden auch von keinem Beteiligten bezweifelt.
Die Ablehnung der Entschädigung kann nicht auf die Stichtagsregelung nach § 6 Abs. 1 BKV in der Fassung vom 31. Oktober 1997 (Abs. 2 nach der jetzt gültigen Fassung) gestützt werden.
Ob ein Versicherter bei Vorliegen eines Versicherungsfalls vor dem Stichtag 31.12.1992 eine Entschädigung erhielt oder nicht, entschied sich vor Inkrafttreten der Verordnung bis in das Jahr 1997 hinein allein nach zeitlichen Zufälligkeiten. Mit Bekanntwerden des Entwurfs der am 01.12.1997 in Kraft tretenden BKV wendete die Beklagte die künftige Stichtagsregelung des § 6 Abs. 1 BKV an. Ab dem 06.06.1997 lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab, wenn der Versicherungsfall nach den medizinischen Ermittlungen vor dem 01.01.1993 eingetreten war. Im vorliegenden Fall ist das Gutachten von Dr. I am 02.06.1997 bei der Beklagten eingegangen. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bis zur Entscheidung durch Widerspruchsbescheid am 27.04.1998 weitere Ermittlungen (z.B. Entgeltnachweise zur Errechnung der Verletztenrente, schriftliche Unterrichtung der Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW) getätigt hat. Liegen aber die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO vor, hat der Unfallversicherungsträger die Erkrankung wie eine Berufskrankheit anzuerkennen. Keinesfalls darf er im Vorgriff auf eine zu erwartende rechtliche Regelung "zuwarten" (vgl. Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, § 9 SGB VII Randnummer 29.4; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 9). Dies widerspricht auch dem Beschleunigungsgebot des § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I, wonach die Leistungsträger verpflichtet sind, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 09.10.2000 (Az.: 1 BvR 791/95) ausgeführt, der Vorrang der Anerkennungsentscheidung des Verordnungsgebers komme allerdings erst zur Geltung, wenn die Regelungen der jeweiligen Berufskrankheiten-Verordnung über ihren zeitlichen Anwendungsbereich in Kraft getreten sind. Vorher sei es dem Unfallversicherungsträger im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verwehrt, die Entscheidung über einen Antrag nach § 551 Abs. 2 RVO zurückzustellen, wenn eine Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung in Sicht ist, in der auch über die Anerkennung der im Einzelfall in Frage stehenden Krankheiten als Berufskrankheit entschieden wird. Bis zum Inkrafttreten der jeweiligen Änderungsverordnung habe der Unfallversicherungsträger nach § 551 Abs. 2 RVO entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts zügig zu entscheiden. Ist eine Anerkennung vor dem Inkrafttreten der in Aussicht genommenen Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung erfolgt, so wird eine Rechtsposition zugunsten des Versicherten begründet, die aus rechtsstaatlichen Erwägungen von den Vorschriften der Verordnung über den zeitlichen Anwendungsbereich (hier § 6 Abs. 1 in der Fassung der BKV vom 31.10.1997) grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden kann.
Dies entspricht auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2005 (Az.: 1 BvR 235/00). In den Entscheidungsgründen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich nicht gestattet, dass die Berufsgenossenschaft einen Entschädigungsantrag bei Entscheidungsreife mit dem Hinweis auf eine in Aussicht stehende Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung ablehnt. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zwar mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.1998 nicht den Entwurf der Berufskrankheiten-Verordnung angewandt, sondern bereits die am 01.12.1997 in Kraft getretene Berufskrankheiten-Verordnung. Gleichwohl war es ihr unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.10.2000 (1 BvR 791/95) nicht gestattet, nach Eingang des Gutachtens von Dr. I am 02.06.1997 und nach Kenntnis des Entwurfs der neuen BKV ab 06.06.1997 die Entscheidung über eine Entschädigung des Versicherten zurückzustellen bis zum Inkrafttreten der neuen Berufskrankheiten-Verordnung am 01.12.1997. Damit ist die Anwendung des § 6 Abs. 1 der BKV vom 31.10.1997 durch die Beklagte rechtswidrig und die angegriffenen Bescheide aufzuheben.
Die Klägerin hat als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes allerdings einen Anspruch auf Entschädigung erst ab dem 01.09.1994 – wie mit ihr und ihrem Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 06.01.2006 erörtert – weil anspruchsbegründend für eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO die Feststellung des Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Unfallversicherungsträger ist. Dabei geht die Kammer auf Basis dieses Grundsatzes vom Vorliegen der erforderlichen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse von dem Zeitpunkt an aus, in denen das Merkmal der vorgeschlagenen neuen Listennummer 4111 bekannt war, nämlich die sogenannten 100 Feinstaubjahre. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der "neuen Erkenntnisse" i.S.d. § 551 II RVO ist nämlich zumindest der Abschluß eines Forschungsvorhabens, wenn dessen Erkenntnisse ohne ersichtliche weitere Untersuchungen später zu der Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats, Sektion "Berufskrankheiten" beim BMA geführt haben. Prof. Dr. C hat seine Darstellung zur Feinstaubbelastung im September 1994 dem Medizinischen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten" beim BMA mitgeteilt. Auch die Beklagte sieht in den aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2005 (1 BvR 235/00) bisher erteilten Bescheiden hier die Grundlage, mit den Leistungsansprüchen nach § 551 Abs. 2 RVO ab dem 01.09.1994 zu beginnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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