S 7 (27) AS 218/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (27) AS 218/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung eines Zuschlages nach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Der 1961 geborene Kläger ist gelernter EDV-System-Administrator. In der Vergangenheit wurde er arbeitslos und bezog bis Oktober 2000 Leistungen der Agentur für Arbeit in Form von Arbeitslosengeld I (Alg I). In der Folgezeit bezog er bis zum 27.05.2001 Arbeitslosenhilfe. Danach nahm er an einer Vollzeitweiterbildungsmaßnahme zum Fachinformatiker teil, weswegen er von der Agentur in der Zeit vom 28.05.2001 bis zum 24.06.2003 Unterhaltsgeld nach Maßgabe der §§ 99, 153 ff. des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) erhielt. Die Höhe dieses Unterhaltsgeldes belief sich auf die Höhe des Betrages des bis Oktober 2000 gezahlten Alg I. Nach Abschluss der Maßnahme schloss sich in der Zeit vom 25.06.2003 bis 28.03.2004 wiederum ein Zeitraum des Arbeitslosenhilfebezuges an. Schließlich erhielt der Kläger in der Zeit vom 29.03.2004 bis 28.011.2004 wiederum Unterhaltsgeld von der Agentur für Arbeit, weil er an einer Weiterbildung zum Systeminformatiker teilnahm. Die Zahlung des Unterhaltsgeldes erfolgte jedoch diesmal lediglich in Höhe der zuvor bezogenen Arbeitslosenhilfe, die der Kläger dann wiederum bis zum Ende des Jahres 2004 erhielt.

Am 09.12.2004 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuzüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10.12.2004 gewährte die Beklagte diese Leistungen zunächst für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 in einer Höhe von monatlich 705,00 Euro. Dabei ließ sie bei der Berechnung der Leistungshöhe eine von dem Kläger zu zahlende Pauschale für die Benutzung der Satelitenempfangsanlage außer Betracht. Ferner gewährte sie keinen befristeten Zuschlag nach Bezug von Alg nach § 24 SGB II. Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch. Darin begehrte er sowohl die Übernahme der Pauschale für die Satelitenempfangsanlage als auch den Zuschlag nach § 24 SGB II. Im Hinblick auf den Zuschlag vertrat er die Auffassung, sein letzter Alg I-Bezug liege zwar länger als zwei Jahre zurück. Er habe jedoch bis zum 24.06.2003 Unterhaltsgeld in Höhe des Alg I erhalten, was bei der Rechtsanwendung zumindest analog zu berücksichtigen sei. Zudem sei der folgende Arbeitslosenhilfebezug durch weitere 8 Monate Unterhaltsgeldbezug unterbrochen gewesen. Mit Teilabhilfebescheid vom 07.03.2005 gab die Beklagte dem Widerspruch insoweit statt, als es um die Berücksichtigung der Pauschale für die Satelitenempfangsanlage ging und gewährte dem Kläger dementsprechend für den genannten Bewilligungszeitraum Leistungen in Höhe von 717,00 Euro. Im Übrigen wies sie den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 08.03.2005 mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Zuschlages nach § 24 SGB II lägen nicht vor, da der Kläger nicht innerhalb der Zwei-Jahres-Frist Leistungen in Form von Alg I, sondern nur Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld bezogen habe.

Für den Bewilligungszeitraum vom 01.04.2005 bis 31.08.2005 erging am 17.03.2005 ein Folgebescheid, in dem die Beklagte an ihrer bisherigen Auffassung und Berechnung festhielt. Den dagegen von dem Kläger mit identischer Begründung eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2005 zurück, wobei sie erneut auf ihre bisherige Rechtsauffassung verwies.

Bezogen auf den Bescheid vom 10.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2005 hat der Kläger am 29.03.2003 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, die unter dem Az: S 27 AS 90/05 geführt worden ist. Hinsichtlich des Bescheides vom 17.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2005 hat er am 27.05.2005 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben. Die beiden Verfahren sind durch Beschluss vom 14.06.2005 unter dem Az: S 7 (27) AS 218/05 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Zur Begründung der Klagen verweist der Kläger auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2005 sowie des Bescheides vom 17.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2005 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2005 den befristeten Zuschlag nach Bezug von Alg gem § 24 SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren bzw. im Falle seines Unterliegens die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen und für den Fall, dass die Beklagte unterliegt, die Berufung zuzulassen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, dass der Gesetzeswortlaut eindeutig auf den Vorbezug von Alg I abstelle. Der Bezug von Unterhaltsgeld sei dem nicht gleichgestellt.

Das Gericht hat zur näheren Aufklärung des Sachverhaltes Anfragen an die Agentur für Arbeit bezüglich der genauen Höhe der Bemessungsentgelte bzw. der Unterhaltsgeldzahlungen gerichtet. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Der Bescheid vom10.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2005 sowie der Bescheid vom 17.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2005 sind rechtmäßig. Der Kläger ist deswegen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs 2 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er hat keinen Anspruch auf Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form des befristeten Zuschlages nach Bezug von Alg nach § 24 SGB II.

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Überschrift und des Abs 1 S 1 der Regelung ist für die Anspruchsberechtigung auf den befristeten Zuschlag erforderlich, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezuges von Alg (I) Alg II bezieht. Dies ist hier, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, nicht der Fall.

Eine über den Wortlaut der genannten Vorschrift hinausgehende Anwendung auf den Bezug anderer Lohnersatzleistungen kommt nach Auffassung der Kammer auch dann, wenn diese in Höhe des Alg I gezahlt wurden, grundsätzlich nicht in Betracht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, der Anspruch auf Alg I bereits erschöpft war.

Der Kläger kann sich zwar für seine Auffassung auf den Sinn und Zweck der Regelung berufen, der darin besteht, den Übergang in die Grundsicherung für Arbeitssuchende finanziell abzufedern (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 47 zu lit. e)). Denn dieses gesetzgeberische Ziel kann genau so bei anderen Entgeltersatzleistungen als dem Alg I angestrebt und ggfs. auch erreicht werden, wenn diese deutlich höher sind, als die Alg II-Leistungen.

Nach Überzeugung der Kammer wollte der Gesetzgeber eine entsprechende Abfederung jedoch ausschließlich bei den den Alg II-Leistungen regelhaft vorgeschalteten Alg I-Leistungen eintreten lassen, was sich in der ausdrücklichen Bezugnahme auf das Alg (I) in der Überschrift der Bestimmung widerspiegelt. In der bereits zitierten Gesetzesbegründung lassen sich ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür finden, dass auch andere Entgeltersatzleistungen von der Regelung erfasst sein sollten. Zudem spricht die Begründung für die Verringerung des Aufstockungsbetrages nach § 24 Abs 1 S 2 SGB II für die hier vertretene Auffassung. Danach (vgl. BT-Drs.15/1516 Seite 58) trägt die Halbierung des Zuschlages 1 Jahr nach dem Alg-Bezug und der Wegfall zu Beginn des 3. Jahres nach dem Ende des Alg-Bezuges der zunehmenden Entfernung vom Arbeitsmarkt Rechnung. Dies spricht dafür, dass die Abfederungsfunktion nur auf das immer verhältnismäßig arbeitsmarktnah zu zahlende Alg I ausgerichtet sein sollte und nicht auf andere Entgeltersatzleistungen, die ggfs. noch Jahre nach der Ausübung der letzten Erwerbstätigkeit bezogen werden können.

Es fehlt damit für die von dem Kläger begehrte analoge Anwendung des § 24 SGB II auf den vorliegenden Fall an einer planwidrigen Regelungslücke, so dass die Klage in vollem Umfang abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hat der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs 2 Nr 1 SGG zugemessen, weil bisher, soweit ersichtlich, keine Entscheidungen vorliegen, die den Anwendungsbereich des § 24 Abs 1 SGB II in der hier fraglichen Hinsicht näher konkretisieren.
Rechtskraft
Aus
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