Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 107/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 verurteilt, der Klägerin 896,08 EUR zu zahlen. Im Übrigen – wegen der Zinsen – wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung der Aufwendungen für die stationäre Behandlung des Patienten J (J.) am 23. und 24.08.2004 in Höhe von 896,08 EUR.
Die Klägerin betreibt auf dem Gebiet des Beklagten ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde am 24./25.09.2003 und am 09./10.06.2004 der nicht krankenversicherte, drogenabhängige, sozialhilfebedürftige J. (geboren am 00.00.1976) behandelt. Der Beklagte erstattete jeweils die Aufwendungen der Klägerin für diese Notfall-Krankenhausaufenthalte. J. war bis 23.07.2004 bei dem Beigeladenen gemeldet und hatte von diesem jedenfalls in der Zeit vom 01. bis 16.07.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Vom 24.07. bis 16.08.2004 hielt sich J. in D, Landkreis N-C1, bei der Suchthilfe G GmbH, einer Selbsthilfeorganisation für Drogen- und Alkoholabhängige, auf. Bei seinem Weggang von dort erklärte J., er werde nach E ziehen und beabsichtige, seinen ständigen Wohnsitz unter der Anschrift "B-C2-Str. 000, 00000 E" zu nehmen. J. meldete sich jedoch beim Einwohnermeldeamt des Beklagten unter dieser Anschrift nie an; es gibt diese Adresse überhaupt nicht.
Am 23.08.2004 wurde J. erneut wegen einer Heroinintoxikation als Notfall in das Krankenhaus der Klägerin eingeliefert, wo er bis zum 24.08.2004 stationär behandelt wurde. Sein Verbleib nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist unbekannt.
Am 02.09.2004 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten des Krankenhausaufenthalts. Am 11.09.2004 legte sie dem Beklagten die Rechnung für die 2-tägige Behandlung über 896,08 EUR vor und bat um Erstattung. Durch Bescheid vom 08.12.2004 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten des stationären Aufenthaltes des J. vom 23. bis 24.08.2004 ab. Der Beklagte meinte, es bestünden begründete Zweifel hinsichtlich seiner Zuständigkeit; gemäß § 97 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme habe oder in den 2 Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt habe; somit liege die Zuständigkeit im Bereich der Stadt Berlin bzw. der Stadt Cölbe.
Dagegen legte die Klägerin am 22.12.2004 Widerspruch ein. Sie meinte, J. habe zuletzt vor der Krankenhausbehandlung weder in Cölbe noch in Berlin seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt; deshalb sei für die Krankenhausbehandlung ab 23.08.2004 der tatsächliche Aufenthaltsort maßgebend und liege die Zuständigkeit bei dem Beklagten.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005 zurück. Er führte aus, dass zwar ein Eilfall vorgelegen habe und die Erstattung der Aufwendungen auch innerhalb angemessener Frist beantragt worden sei; jedoch habe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die örtliche Zuständigkeit des Sozialamtes der Stadt Düren vorgelegen. Vielmehr sei das Sozialamt der Stadt Berlin örtlich zuständig gewesen. Wenn sich aber die einen Anspruch begründenden Tatsachen nicht aufklären ließen, ginge dies zu Lasten desjenigen, der einen Anspruch geltend mache.
Dagegen hat die Klägerin am 05.10.2005 Klage erhoben. Sie meint, dass J. zuletzt vor dem streitigen Krankenhausaufenthalt weder in Berlin, wo er offenbar zuletzt in einem Obdachlosenasylheim gelebt habe, noch in Cölbe, dem Sitz der Suchthilfeorganisation, einen Wohnsitz begründet habe. Sie habe bei allen möglichen in Betracht kommenden Stellen die Erstattung der Aufwendungen begehrt, jedoch nur abschlägige Bescheide erhalten. Es könne im Ergebnis nicht richtig sein, dass der Leistungserbringer nach unstreitig notwendigem stationären Krankenhausaufenthalt von diversen möglicherweiser zahlungspflichtigen Behörden und Körperschaften ergebnislos hin und her geschickt werde und jede der Behörden auf die andere verweise. Letztlich ergebe sich der Aufwendungserstattungsanspruch aus der Zuständigkeitsregelung des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 zu verurteilen, ihr 896,08 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 08.01.2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, J. habe weder zum Zeitpunkt der Nothilfe noch in den 2 Monaten davor seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Düren gehabt. Dieser sei entweder in Berlin oder in Cölbe gewesen. Deshalb sei entweder der Beigeladene oder der Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf örtlich zuständig. Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Bestimmung des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bei einem Erstattungsanspruch nach § 121 BSHG ausscheide; in einem solchen Fall werde es vielmehr für zumutbar erachtet, dass der Nothelfer die Klärung der Zuständigkeits- und Erstattungsfragen abwarte.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Er sieht die Zuständigkeit für eine – zumindest vorläufige – Erstattung der Aufwendungen der Klägerin durch § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG begründet, der auch in Fällen des § 121 BSHG Anwendung finde.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die bei der Entscheidung vorlegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte über die Streitsache ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu übereinstimmend ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie rechtswidrig sind. Sie hat Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen in Höhe von 896,08 EUR anlässlich der stationären Behandlung des J. am 23. und 24.08.2004 gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG (vgl. ab 01.01.2005: § 25 Satz 1 i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 3 des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII).
Hat jemand in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis gewährt haben würde, sind ihm auf – innerhalb angemessener Frist zu stellendem – Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat (§ 121 BSHG). Für eine stationäre Leistung, z.B. in einem Krankenhaus, einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, ist grundsätzlich der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den 2 Monaten vor Aufnahme zuletzt gehabt hat (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG; ab 01.01.2005: § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Hiernach kämen der Beigeladene, in dessen Bereich sich J bis 23.07.2004 aufgehalten hat, oder der Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf, in dessen Bereich J. vom 24.7. bis 16.08.2004 gelebt hat, als örtlich zuständige Sozialhilfeträger in Betracht. Allerdings begründet in einem Eilfall, wie er hier unstreitig am 23./24.08.2004 vorgelegen hat, die Vorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG (ab 01.01.1005: § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII) eine Sonderzuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Dieser hat unverzüglich über die Hilfe zu entscheiden und vorläufig einzutreten mit der Folge, dass er die aufgewendeten Kosten von dem nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG (§ 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) für die stationäre Hilfe zuständigen Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers, hilfsweise vom überörtlichen Träger erstattet verlangen kann (§ 103 Abs. 1 BSHG; ab 01.01.2005: § 106 Abs. 1 SGB XII). Sinn des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII ist es, in einem Eilfall schnelle und effektive Hilfe durch einen ortsnahen Träger sicherzustellen (BVerwG, Urteil vom 14.06.2001 – 5 C 21/00 = BVerwGE 114, 326 = FEVS 53, 97 = NVwZ 2002, 483 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zum Entwurf des "Gesetzes zur Umsetzung des Förderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG, BT-Drucksache 12/4401 S. 84 zu Nr. 17). Die Vorschrift ordnet deshalb durch Verweisung auf § 97 Abs. 1 BSHG (§ 98 Abs. 1 SGB XII) – im Vorfeld des eigentlich zuständigen Trägers des gewöhnlichen Aufenthalts des Leistungsberechtigten (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) – eine Vorleistungszuständigkeit des Sozialhilfeträgers "vor Ort" an, damit dem Hilfebedürftigen im Eilfall unverzüglich von diesem – durch den tatsächlichen Aufenthalt einfach feststellbaren – Sozialhilfeträger geholfen wird (BVerwG a.a.O.).
Entgegen der Auffassung des Beklagten und des von ihr zitierten BSHG-Kommentators Schellhorn (BSH, 16. Auflg. § 97 Rn. 85) gilt § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auch und gerade für den Anspruch eines Nothelfers nach § 121 BSHG bzw. § 25 SGB XII. Mit § 121 i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 1 BSHG (§ 25 i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 1 SGB XII) hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass sich der Nothelfer, der in den Eilfällen, die eine Benachrichtigung des zuständigen Sozialhilfeträgers nicht zuließen, Hilfe gewährt hat, einer klaren und einfach handhabbaren Zuständigkeitsordnung gegenübersieht. Indem er den Sozialhilfeträger am Ort der Eilhilfe für örtlich zuständig erklärt, ermöglicht der Gesetzgeber es dem Hilfesuchenden und dem Nothelfer, den zuständigen Sozialhilfeträger alsbald in Kenntnis zu setzen und damit den Nothilfefall in einen Sozialhilfefall in der Verantwortung des zuständigen Trägers überzuleiten. Darüber hinaus wird mit der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers am Ort der Eilhilfe der besonderen Bedeutung des § 121 BSHG (§ 25 SGB XII), die spontane Hilfebereitschaft freiwilliger Helfer in Eilsituationen im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, Rechnung getragen (BVerwG, Urteil vom 03.12.1992 – 5 C 32/89 = BVerwGE 91, 245 = FEVS 44, 89 = NVwZ 1993, 994; Urteil vom 14.06.2001 a.a.O.). Damit wird sichergestellt, dass der Nothelfer mit seinem innerhalb angemessener – von der Klägerin vorliegend gewahrten – Frist (§ 121 Satz 2 BSHG bzw. § 25 Satz 2 SGB XII) geltend zu machenden Aufwendungsanspruch nicht unübersichtlichen Zuständigkeitsregelungen innerhalb der Sozialverwaltung scheitert oder unzumutbar belastet wird. Der Nothelfer soll sich im Interesse des in Not geratenen Bürgers auf die Gewährung der Nothilfe konzentrieren dürfen und nicht Kraft und Zeit auf die ansonsten unter Umständen sehr aufwendige Ermittlung des zuständigen Leistungsträgers verwenden müssen (BVerwG, Urteil vom 14.06.2001, a.a.O.; VG Karlsruhe, Urteil vom 11.11.2004 – 2 K 97/04).
Schutzwürdige Belange des mit der Eilfallhilfe konfrontierten örtlichen zuständigen Trägers der Sozialhilfe am Krankenhausort – hier: des Beklagten – stehen nicht entgegen. Die Regelungen über die Eilfallzuständigkeit bei stationärer Hilfe stellen sicher, dass dem vorläufig eintretenden Träger am Ort des Krankenhauses aus der Vorleistung keine finanziellen Nachteile verbleiben; die aufgewendeten Kosten sind ihm in vollem Umfang zu erstatten (§§ 103 Abs. 1, 111 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BSHG; seit 01.01.2005: §§ 106 Abs. 1, 110 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Dass er mit dem Verwaltungsaufwand des Kostenerstattungsverfahrens belastet wird, mutet ihm das Gesetz im Interesse der Effektivität der Eilfallhilfe zu (BVerWG, Urteil vom 14.06.2001, a.a.O.).
Soweit die Klägerin Zinsen begehrt, ist die Klage abzuweisen, da es hierfür an einer Anspruchsgrundlage fehlt. § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) findet nur auf Sozialleistungsansprüche, nicht – wie hier – Aufwendungsersatzansprüche Dritter Anwendung. Und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Verzugs- und Prozesszinsen sind auf öffentlich-rechtliche Forderungen aus dem Bereich des Sozialrechts nicht entsprechend anwendbar (BSG, Urteil vom 11.03.1987 – 8 RK 43/85 = SozR 1300 § 61 Nr. 1; Urteil vom 24.11.1987 – 3 RK 7/87; Urteil vom 23.07.1992 – 7 RAr 98/90 = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1; Urteil vom 13.11.1996 – 6 RKa 78/95; a. A. in Bezug auf Prozesszinsen: BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 – 5 C 34/00 – BVerwGE 114,61 = FEVS 52, 433).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung der Aufwendungen für die stationäre Behandlung des Patienten J (J.) am 23. und 24.08.2004 in Höhe von 896,08 EUR.
Die Klägerin betreibt auf dem Gebiet des Beklagten ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde am 24./25.09.2003 und am 09./10.06.2004 der nicht krankenversicherte, drogenabhängige, sozialhilfebedürftige J. (geboren am 00.00.1976) behandelt. Der Beklagte erstattete jeweils die Aufwendungen der Klägerin für diese Notfall-Krankenhausaufenthalte. J. war bis 23.07.2004 bei dem Beigeladenen gemeldet und hatte von diesem jedenfalls in der Zeit vom 01. bis 16.07.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. Vom 24.07. bis 16.08.2004 hielt sich J. in D, Landkreis N-C1, bei der Suchthilfe G GmbH, einer Selbsthilfeorganisation für Drogen- und Alkoholabhängige, auf. Bei seinem Weggang von dort erklärte J., er werde nach E ziehen und beabsichtige, seinen ständigen Wohnsitz unter der Anschrift "B-C2-Str. 000, 00000 E" zu nehmen. J. meldete sich jedoch beim Einwohnermeldeamt des Beklagten unter dieser Anschrift nie an; es gibt diese Adresse überhaupt nicht.
Am 23.08.2004 wurde J. erneut wegen einer Heroinintoxikation als Notfall in das Krankenhaus der Klägerin eingeliefert, wo er bis zum 24.08.2004 stationär behandelt wurde. Sein Verbleib nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist unbekannt.
Am 02.09.2004 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten des Krankenhausaufenthalts. Am 11.09.2004 legte sie dem Beklagten die Rechnung für die 2-tägige Behandlung über 896,08 EUR vor und bat um Erstattung. Durch Bescheid vom 08.12.2004 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten des stationären Aufenthaltes des J. vom 23. bis 24.08.2004 ab. Der Beklagte meinte, es bestünden begründete Zweifel hinsichtlich seiner Zuständigkeit; gemäß § 97 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme habe oder in den 2 Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt habe; somit liege die Zuständigkeit im Bereich der Stadt Berlin bzw. der Stadt Cölbe.
Dagegen legte die Klägerin am 22.12.2004 Widerspruch ein. Sie meinte, J. habe zuletzt vor der Krankenhausbehandlung weder in Cölbe noch in Berlin seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt; deshalb sei für die Krankenhausbehandlung ab 23.08.2004 der tatsächliche Aufenthaltsort maßgebend und liege die Zuständigkeit bei dem Beklagten.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005 zurück. Er führte aus, dass zwar ein Eilfall vorgelegen habe und die Erstattung der Aufwendungen auch innerhalb angemessener Frist beantragt worden sei; jedoch habe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die örtliche Zuständigkeit des Sozialamtes der Stadt Düren vorgelegen. Vielmehr sei das Sozialamt der Stadt Berlin örtlich zuständig gewesen. Wenn sich aber die einen Anspruch begründenden Tatsachen nicht aufklären ließen, ginge dies zu Lasten desjenigen, der einen Anspruch geltend mache.
Dagegen hat die Klägerin am 05.10.2005 Klage erhoben. Sie meint, dass J. zuletzt vor dem streitigen Krankenhausaufenthalt weder in Berlin, wo er offenbar zuletzt in einem Obdachlosenasylheim gelebt habe, noch in Cölbe, dem Sitz der Suchthilfeorganisation, einen Wohnsitz begründet habe. Sie habe bei allen möglichen in Betracht kommenden Stellen die Erstattung der Aufwendungen begehrt, jedoch nur abschlägige Bescheide erhalten. Es könne im Ergebnis nicht richtig sein, dass der Leistungserbringer nach unstreitig notwendigem stationären Krankenhausaufenthalt von diversen möglicherweiser zahlungspflichtigen Behörden und Körperschaften ergebnislos hin und her geschickt werde und jede der Behörden auf die andere verweise. Letztlich ergebe sich der Aufwendungserstattungsanspruch aus der Zuständigkeitsregelung des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 zu verurteilen, ihr 896,08 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 08.01.2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, J. habe weder zum Zeitpunkt der Nothilfe noch in den 2 Monaten davor seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Düren gehabt. Dieser sei entweder in Berlin oder in Cölbe gewesen. Deshalb sei entweder der Beigeladene oder der Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf örtlich zuständig. Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Bestimmung des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bei einem Erstattungsanspruch nach § 121 BSHG ausscheide; in einem solchen Fall werde es vielmehr für zumutbar erachtet, dass der Nothelfer die Klärung der Zuständigkeits- und Erstattungsfragen abwarte.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Er sieht die Zuständigkeit für eine – zumindest vorläufige – Erstattung der Aufwendungen der Klägerin durch § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG begründet, der auch in Fällen des § 121 BSHG Anwendung finde.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die bei der Entscheidung vorlegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte über die Streitsache ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu übereinstimmend ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie rechtswidrig sind. Sie hat Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen in Höhe von 896,08 EUR anlässlich der stationären Behandlung des J. am 23. und 24.08.2004 gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG (vgl. ab 01.01.2005: § 25 Satz 1 i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 3 des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII).
Hat jemand in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis gewährt haben würde, sind ihm auf – innerhalb angemessener Frist zu stellendem – Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat (§ 121 BSHG). Für eine stationäre Leistung, z.B. in einem Krankenhaus, einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, ist grundsätzlich der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den 2 Monaten vor Aufnahme zuletzt gehabt hat (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG; ab 01.01.2005: § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Hiernach kämen der Beigeladene, in dessen Bereich sich J bis 23.07.2004 aufgehalten hat, oder der Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf, in dessen Bereich J. vom 24.7. bis 16.08.2004 gelebt hat, als örtlich zuständige Sozialhilfeträger in Betracht. Allerdings begründet in einem Eilfall, wie er hier unstreitig am 23./24.08.2004 vorgelegen hat, die Vorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG (ab 01.01.1005: § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII) eine Sonderzuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Dieser hat unverzüglich über die Hilfe zu entscheiden und vorläufig einzutreten mit der Folge, dass er die aufgewendeten Kosten von dem nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG (§ 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) für die stationäre Hilfe zuständigen Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers, hilfsweise vom überörtlichen Träger erstattet verlangen kann (§ 103 Abs. 1 BSHG; ab 01.01.2005: § 106 Abs. 1 SGB XII). Sinn des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII ist es, in einem Eilfall schnelle und effektive Hilfe durch einen ortsnahen Träger sicherzustellen (BVerwG, Urteil vom 14.06.2001 – 5 C 21/00 = BVerwGE 114, 326 = FEVS 53, 97 = NVwZ 2002, 483 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zum Entwurf des "Gesetzes zur Umsetzung des Förderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG, BT-Drucksache 12/4401 S. 84 zu Nr. 17). Die Vorschrift ordnet deshalb durch Verweisung auf § 97 Abs. 1 BSHG (§ 98 Abs. 1 SGB XII) – im Vorfeld des eigentlich zuständigen Trägers des gewöhnlichen Aufenthalts des Leistungsberechtigten (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) – eine Vorleistungszuständigkeit des Sozialhilfeträgers "vor Ort" an, damit dem Hilfebedürftigen im Eilfall unverzüglich von diesem – durch den tatsächlichen Aufenthalt einfach feststellbaren – Sozialhilfeträger geholfen wird (BVerwG a.a.O.).
Entgegen der Auffassung des Beklagten und des von ihr zitierten BSHG-Kommentators Schellhorn (BSH, 16. Auflg. § 97 Rn. 85) gilt § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auch und gerade für den Anspruch eines Nothelfers nach § 121 BSHG bzw. § 25 SGB XII. Mit § 121 i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 1 BSHG (§ 25 i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 1 SGB XII) hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass sich der Nothelfer, der in den Eilfällen, die eine Benachrichtigung des zuständigen Sozialhilfeträgers nicht zuließen, Hilfe gewährt hat, einer klaren und einfach handhabbaren Zuständigkeitsordnung gegenübersieht. Indem er den Sozialhilfeträger am Ort der Eilhilfe für örtlich zuständig erklärt, ermöglicht der Gesetzgeber es dem Hilfesuchenden und dem Nothelfer, den zuständigen Sozialhilfeträger alsbald in Kenntnis zu setzen und damit den Nothilfefall in einen Sozialhilfefall in der Verantwortung des zuständigen Trägers überzuleiten. Darüber hinaus wird mit der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers am Ort der Eilhilfe der besonderen Bedeutung des § 121 BSHG (§ 25 SGB XII), die spontane Hilfebereitschaft freiwilliger Helfer in Eilsituationen im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, Rechnung getragen (BVerwG, Urteil vom 03.12.1992 – 5 C 32/89 = BVerwGE 91, 245 = FEVS 44, 89 = NVwZ 1993, 994; Urteil vom 14.06.2001 a.a.O.). Damit wird sichergestellt, dass der Nothelfer mit seinem innerhalb angemessener – von der Klägerin vorliegend gewahrten – Frist (§ 121 Satz 2 BSHG bzw. § 25 Satz 2 SGB XII) geltend zu machenden Aufwendungsanspruch nicht unübersichtlichen Zuständigkeitsregelungen innerhalb der Sozialverwaltung scheitert oder unzumutbar belastet wird. Der Nothelfer soll sich im Interesse des in Not geratenen Bürgers auf die Gewährung der Nothilfe konzentrieren dürfen und nicht Kraft und Zeit auf die ansonsten unter Umständen sehr aufwendige Ermittlung des zuständigen Leistungsträgers verwenden müssen (BVerwG, Urteil vom 14.06.2001, a.a.O.; VG Karlsruhe, Urteil vom 11.11.2004 – 2 K 97/04).
Schutzwürdige Belange des mit der Eilfallhilfe konfrontierten örtlichen zuständigen Trägers der Sozialhilfe am Krankenhausort – hier: des Beklagten – stehen nicht entgegen. Die Regelungen über die Eilfallzuständigkeit bei stationärer Hilfe stellen sicher, dass dem vorläufig eintretenden Träger am Ort des Krankenhauses aus der Vorleistung keine finanziellen Nachteile verbleiben; die aufgewendeten Kosten sind ihm in vollem Umfang zu erstatten (§§ 103 Abs. 1, 111 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BSHG; seit 01.01.2005: §§ 106 Abs. 1, 110 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Dass er mit dem Verwaltungsaufwand des Kostenerstattungsverfahrens belastet wird, mutet ihm das Gesetz im Interesse der Effektivität der Eilfallhilfe zu (BVerWG, Urteil vom 14.06.2001, a.a.O.).
Soweit die Klägerin Zinsen begehrt, ist die Klage abzuweisen, da es hierfür an einer Anspruchsgrundlage fehlt. § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) findet nur auf Sozialleistungsansprüche, nicht – wie hier – Aufwendungsersatzansprüche Dritter Anwendung. Und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Verzugs- und Prozesszinsen sind auf öffentlich-rechtliche Forderungen aus dem Bereich des Sozialrechts nicht entsprechend anwendbar (BSG, Urteil vom 11.03.1987 – 8 RK 43/85 = SozR 1300 § 61 Nr. 1; Urteil vom 24.11.1987 – 3 RK 7/87; Urteil vom 23.07.1992 – 7 RAr 98/90 = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1; Urteil vom 13.11.1996 – 6 RKa 78/95; a. A. in Bezug auf Prozesszinsen: BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 – 5 C 34/00 – BVerwGE 114,61 = FEVS 52, 433).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved