S 26 R 139/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 139/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Der am 00.00.1922 in D in Polen geborene Kläger ist Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebt seit 1957 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.

Ein früherer Rentenantrag von 1990 war wegen mangelnder Mitwirkung abgelehnt worden(Bl. 7 der Verwaltungsakte).

Der Kläger beantragte am 12.12.2002 sinngemäß und am 17.01.2003 ausdrücklich erneut die Gewährung von Ansprüchen aus der Deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten im Ghetto Czenstochau. Eine Erklärung des Klägers vom Mai 1966 wurde beigefügt, in der es heißt:

"Anfang 1940 wurde ich mit meinen Eltern und Geschwistern in das Ghetto Czenstochau zwangseingewiesen, wo ich bis Ende 1942 verblieb. Anfang 1943 wurde ich zangsübersiedelt in das ZAL Czenstochau ... Ich lebte im Ghetto wie auch im ZAL in Czenstochau in unsäglich schweren, menschenunwürdigen, asanitärischen Bedingungen, litt an Hunger, Kälte und Nässe. Ich musste schwere Zwangsarbeit leisten und wurde oft misshandelt und geschlagen. Ich habe eine Reihe fieberhafter Erkrankungen durchgemacht, ging trotz Fieber zur Arbeit, aus Angst vor Vernichtung."

Diese Erklärung war seinerzeit im Entschädigungsverfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) abgegeben worden (= Bl. 43 der Rentenakte).

Der Kläger gab im Rentenantrag ferner an, zwar nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (DSK) angehört zu haben (Bl. 25 Rückseite der Verwaltungsakte); er habe aber von Anfang 1940 bis Ende 1942 während seines Aufenthaltes im Ghetto Czenstochau freiwillig verschiedene Tätigkeiten bei Straßenreparaturen verrichtet. Er habe 60 Stunden wöchentlich (10 Stunden täglich) gearbeitet. Die Arbeit sei durch eigene Bemühungen vermittelt worden. Bekommen habe er dafür "vergrößerte Lebensmittelrationen" und Essen am Arbeitsplatz. Anfang 1943 sei er dann in Zwangsarbeitslager bzw. Konzentrationslager gekommen. Im Januar 1945 sei er befreit worden.

Die Entschädigungsvorgänge der Bezirksregierung Düsseldorf wurden von der Beklagten beigezogen. Dort hatte für den Kläger der Zeuge L 1966 bekundet: "Im Ghetto wie auch im ZAL Czenstochau lebten wir unter den größten Entbehrungen, in asanitärischen, menschenunwürdigen Bedingungen. Wir mussten schwere Zwangsarbeit bei Hunger, Kälte und Nässe leisten und wurden oft misshandelt und geschlagen. Der Antragsteller (Kläger) war oft krank und ging fiebrig zur Arbeit, aus Angst selektioniert und vernichtet zu werden." In den auch beigezogenen Entschädigungsvorgängen der Claims Conference hatte der Kläger angegeben: "Ich lebte im Ghetto wie auch im ZAL Czenstochau in unsäglich schweren, menschenunwürdigen, asanitärischen Bedingungen, litt an Hunger, Kälte und Nässe. Ich musste schwere Zwangsarbeit leisten und wurde oft misshandelt und geschlagen. Ich habe eine Reihe fieberhafter Erkrankungen durchgemacht, ging trotz Fieber zur Arbeit, aus Angst vor Vernichtung."

Mit Bescheid vom 26.04.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, es fehle schon an der Erfüllung der Wartezeit für eine deutsche Rente, mangels darauf anrechenbarer Zeiten. Denn vom – dafür notwendigen – Vorliegen eines entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigungsverhältnisses habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr sei nach den eigenen Schilderungen des Klägers von seinen Arbeitseinsätzen dies jeweils als Zwangsarbeit anzusehen gewesen, die nach dem ZRBG aber nicht anerkannt werden könne.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 06.05.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im wesentlichen sinngemäß vor, die Beklagte stelle zu hohe und unrealistische Anforderungen an die Merkmale der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit und bewerte im übrigen seine eigene Tätigkeit zu pauschal. Mit den Kriterien der Beklagten gäbe es eigentlich keine Personen, die diese Voraussetzungen des ZRBG im Ghetto hätten erfüllen können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung wieder und führte noch ergänzend aus, bei den Arbeitsverrichtungen des Klägers handele es sich um für die damalige Zeit der NS-Verfolgung typische Form der Zwangsarbeit unter Kontrolle und Aufsicht der Besatzer bei Unterbringung im Ghetto bei nur notdürftiger Versorgung. Anhaltspunkte für den Erhalt von Lohn in nennenswertem Umfang für die Arbeiten gebe es nicht. Im übrigen gehe die Beklagte davon aus, dass für die Tätigkeit in dem Ghetto allenfalls geringfügiges Entgelt gewährt worden sei in Form von Essen, nicht aber von Zahlung eines ausreichenden Entgelts im eigentlichen Sinne. Außerdem spreche auch die Verordnung vom 26.10.1939 über die Einführung des Arbeitszwangs im Generalgouvernement für die jüdische Bevölkerung gegen ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 10.03.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung nimmt der Kläger sinngemäß Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Sein Vortrag bezüglich seines Aufenthalts im Ghetto Czenstochau stimme mit den historisch bekannten Tatsachen überein. Der Vortrag der Beklagten überzeuge nicht. Durch das den Beteiligten bekannte Gutachten von Herrn H für das Sozialgericht Hamburg sehe er sich in seinem Vortrag bestätigt.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2005 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG – für die von ihm im Ghetto Czenstochau von April 1941 bis Dezember 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung – und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung gegebenenfalls noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen, hilfsweise, ein Sachverständigengutachten zu den Ghettos im Generalgouvernement einzuholen, zum Beispiel von Herrn N.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ihre Erkenntnisse zum Ghetto Czenstochau stütze sie auf die Quellen, die sie mit Schriftsatz vom 27.05.2005 benannt habe. Ergänzend macht sie geltend, auch unabhängig von dem generellen faktischen Arbeitszwang im Generalgouvernement – der gegen einen Anspruch des Klägers auf ZRBG-Zeiten spreche –, sei hier schon unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 von fehlender Freiwilligkeit der Arbeit und nicht ausreichendem "Entgelt" im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Denn nach den eigenen Angaben des Klägers und den Zeugenerklärungen noch im Entschädigungsverfahren habe der Kläger nur unter schlimmsten Bedingungen gearbeitet, es sei also eine angemessene Entlohnung erst recht nicht glaubhaft. Allein "gute Verpflegung" reiche nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 nicht.

Das Gericht hat die Entschädigungsakten der Bezirksregierung Düsseldorf beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakten Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil diese in der Terminsmitteilung, die durch Zustellung ordnungsgemäß am 00.00.0000 bewirkt wurde, auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden sind, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt. Zudem haben die Bevollmächtigten auch mitgeteilt, dass sie zum Termin nicht erscheinen werden.

Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 26.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind und allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.

Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 26.04.2004 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergeben und insbesondere hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid auch zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund der früheren Angaben des Klägers im Entschädigungsverfahren hier nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen des ZRBG dargetan wurden.

Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf anrechenbare Zeiten im Sinne von § 50 ff SGB VI hat der Kläger aber nicht; die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu seinen Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung, scheitert hier schon daran, dass er keine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG nachgewiesen bzw. ausreichend glaubhaft gemacht hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre. Es fehlt schon an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen – auch entgeltlichen – Tätigkeit, für die sogar ein Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen haben müsste (§ 1227 der damals geltenden Reichsversicherungsordnung). Gerade angesichts der Angaben des Klägers bzw. seiner damaligen Zeugen im Entschädigungsverfahren nach dem BEG und im Verfahren der Claims Conference, die der Kläger 1966 und 1999 damals wesentlich zeitnäher machte, erscheint der heutige Vortrag schon nicht schlüssig bzw. nicht glaubhaft. Denn er schilderte – abgesehen von dem Wort Zwangsarbeit – einen Überlebenskampf, bei dem er zur Verrichtung seiner Arbeit hungern und frieren musste und wobei er auch noch oft misshandelt und geschlagen wurde. Er sei der Arbeit sogar trotz fieberhafter Erkrankungen nachgegangen. Bei dieser Sachlage erscheint der heutige Vortrag erst im Rentenverfahren, er habe neben Essen am Arbeitsplatz sogar vergrößerte Lebensmittelrationen erhalten, nicht glaubhaft. Wenn der Kläger, wie im Entschädigungsverfahren vorgetragen, gegen seine Gesundheit arbeitete und dabei auch noch fror und hungerte, spricht dies dagegen, dass er ein so bezeichenbares "Entgelt" für getane Arbeit erhielt. Wenn der Kläger wie früher in den Entschädigungsverfahren von ihm und den Zeugen geschildert zudem nur unter Inkaufnahme von Misshandlungen und Schlägen und frierend arbeitete, so spricht all dies auch nicht für ein aus freiem Willensentschluss fortgeführtes Arbeitsverhältnis, sondern für Zwangsarbeit (vgl. auch Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.08.2005 – S 10 RJ 245/03). Für die erst im Renten- und Klageverfahren abgegebene völlig andere Sachverhaltsdarstellung gibt es keine Anhaltspunkte; die heutige Darstellung erscheint jedenfalls nicht wahrscheinlicher als die frühere Darstellung im Entschädigungsverfahren, die eine Zwangsarbeit schildert. Nach alledem ist das Vorliegen einer entgeltlichen Beschäftigung des Klägers aus freiem Willensentschluss in Czenstochau nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Daran kann auch ein allgemein historisches Gutachten, wie beantragt, nichts ändern, da es immer auf die individuellen Umstände eines Verfolgten ankommt. Der Einholung eines historischen Gutachtens bedurfte es somit nicht.

Es wird klägerischerseits auch verkannt: Das "ZRBG" oder auch "Ghetto-Gesetz" ist in der vorliegenden, so von der Bundesregierung 2002 initiierten und vom Bundestag verabschiedeten Form, von vornherein nicht geeignet, Ansprüche für einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von heute noch lebenden Ghetto-Insassen gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht nicht jede Art von Tätigkeit im Ghetto – sei sie mehr oder weniger freiwillig erfolgt und sei sie auch keine Zwangsarbeit im eigentlichen Sinne gewesen – aus, um Rentenansprüche nach dem ZRBG zu begründen; denn das Gesetz verlangt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG kumulativ die Erfüllung von zwei wesentlichen Voraussetzungen, die unter den damaligen historischen Umständen nur wenige gleichzeitig erfüllen konnten, nämlich den zwangsweisen Aufenthalt bei gleichzeitiger Ausübung einer Beschäftigung "aus eigenem Willensentschluss" und dies auch noch "gegen Entgelt". So hat auch das Bundessozialgericht (BSG Urteil vom 07.10.2004 – B 13 RJ 59/03 R) bei einem Beschäftigungsverhältnis in einem Ghetto neben der freiwilligen Eingehung als weitere Voraussetzung auch verlangt das Vorliegen einer Entgeltzahlung als unverzichtbares Voraussetzung für die notwendige Qualifizierung eines Beschäftigungsverhältnisses als "versicherungspflichtig". Wie dazu von der Rechtsprechung noch näher ausgeführt wurde (BSG in der entsprechenden Pressemitteilung Nr. 55/04 – und LSG NRW Urteil vom 03.06.2005 – L 4 3/05), kann dieses Merkmal weder wegen der damaligen Lebensumstände in den Ghettos (LSG NRW Urteil vom 18.07.200 – L 3 RJ 101/04: die Lebensmittelrationen im Ghetto lagen regelmäßig unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze) vernachlässigt werden noch nach den Voraussetzungen des Fremdrentenrechts unberücksichtigt bleiben; es wird jedenfalls nicht allein dadurch erfüllt, dass der Betreffende (unabhängig von jeder Angemessenheit) überhaupt eine Gegenleistung – z. B. Verpflegung – erhalten hat. Denn nach dem zum Zeitpunkt der Ghetto-Tätigkeiten gültigen § 1227 der Reichsversicherungsordnung galt: "Eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wird, ist versicherungsfrei". So wurde 1938 sogar eine monatliche Barvergütung bis zu 15 Reichsmark, die neben freier Wohnung und Verpflegung zum Beispiel Krankenschwestern gezahlt wurde, nur als nicht versicherungspflichtiges Taschengeld angesehen (vgl.: Das Angestelltenversicherungsgesetz, Kommentar von Koch/Hartmann, 2. Auflage 1973, Band I, Seite 154 b). Es reichen also nicht einmal geringe Entlohnungen oder im Einzelfall sogar "gute Verpflegung", die nur zu minimaler Überlebenssicherung geeignet waren. Wie das Bundessozialgericht im erwähnten Urteil ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber mit dem Wortlaut des Gesetzes davon abgesehen, jegliche durch in Ghettos verrichtete Arbeit erlittenen Schäden auch in der Rentenversicherung zu kompensieren; den Entgeltbegriff im Sinne des § 1 Abs. 1 ZRBG könne man nicht völlig von der Angemessenheit des für geleistete Arbeit erlangten lösen. Auch das LSG NRW hat in der bereits erwähnten Entscheidung vom 03.06.2005 (L 4 R 3/05) bekräftigt, dass zum Beispiel selbst Arbeit von 8-9 Stunden für Essen und Lebensmittel in Form von Brot, Margarine, Zucker und Kartoffeln nicht für die Annahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses spreche; das Vorliegen eines "freien" Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 1 Abs. 1 ZRBG erfordere vielmehr, dass auch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in Ghettos ein "wirtschaftliches Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt" vorliege. Hier ist, wie bereits oben dargelegt, von einer freiwilligen entgeltlichen Beschäftigung im Sinne eines solchen Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Entgelt nicht glaubhaft auszugehen. Der Gesetzgeber hat mit dem ZRBG nun einmal – wie das Bundessozialgericht und das Landessozialgericht NRW in den o. a. Entscheidungen klar gestellt haben – strengere Voraussetzungen – bewusst oder unbewusst – aufgestellt als die meisten Ghetto-Insassen und Ghetto-Arbeiter nach Verkündung des ZRBG angenommen haben. Denn auf den ganz überwiegenden Teil aller Ghetto-Tätigkeiten traf unter den damaligen historischen Gegebenheiten die Annahme wirklich freier und auch regelmäßig entgeltlicher Arbeitsverhältnisse – statt Sklaven- bzw. Zwangsarbeit – ganz überwiegend nicht zu, was Alex A. Faitelson in seinem Buch "Im jüdischen Widerstand" auf den Punkt brachte mit dem Satz: "Immer wieder kam uns der Bibelvers aus der Exodusgeschichte in den Sinn: Wir waren Pharaos Sklaven in Ägypten" (Alex Faitelson, Im jüdischen Widerstand, Elster Verlag 1998 – ISBN 3-891517-269-4, Seite 52). Begünstigt durch das ZRBG wird somit nicht die Masse der Ghetto-Arbeiter, sondern praktisch nur wenige, zum Beispiel die – besser als die Masse gestellten – ehemaligen Angehörigen des Judenrates (vgl. Alex Faitelson, Im Jüdischen Widerstand, Seite 99-101 zu den Lebensverhältnissen des Judenrates in Kaunas – der Verfasser dieses Buches, Herr Faitelson, klagt selbst zur Zeit gerichtsbekannt beim Sozialgericht E auf eine Rente unter Berücksichtigung des ZRBG – im Verfahren S 00 (00) SB 000/00). Daraus folgt, das an den Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung des Erhalts eines potentiell versicherungspflichtigen Entgeltes nicht nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Das ZRBG gibt demzufolge gerade denjenigen, denen es im Ghetto besonders schlecht ging, keine Ansprüche gegenüber denjenigen, die unter den damaligen Lebensumständen zumindest noch etwas Entgelt nennenswerter Art verdienten.

Die Kammer hat dabei auch geprüft, ob die Vorschriften des ZRBG – soweit sie hohe Anforderungen an die Entgeltlichkeit und die Freiwilligkeit der Arbeitstellen – gegen Vorschriften des Grundgesetzes, insbesondere den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG verstoßen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Gesetzgeber im Bereich des Rentenversicherungsrechts speziell im Bereich Wiedergutmachung einen sehr weiten Gestaltungsspielraum hat (BVerfGE 53, 164/177; 71, 66/76 f; 102, 254/209; 106, 201/206). Dieser Gestaltungsspielraum ist hier noch nicht überschritten.

Eine Abgeltung bzw. Entschädigung in Form einer Rente für die von dem Kläger im Ghetto Czenstochau verrichteten Arbeiten, soweit sie überhaupt schon dem Grunde nach glaubhaft wären, wäre nur durch eine Abänderung bzw. Korrektur der gesetzlichen Vorschriften des ZRBG möglich, nicht aber im Klagewege mit dem derzeitigen Wortlaut des ZRBG. Denn nach den vom Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht NRW oben genannten Entscheidungen und dem dort abgesteckten Rahmen – wobei inzwischen das LSG zusätzlich sogar die hier vom Kläger verneinte Zugehörigkeit zum dSK verlangt (Urteil vom 13.01.2006, L 4 RJ 113/04) – können Ansprüche nach dem ZRBG gar nicht erst entstehen, wenn – wie hier – allenfalls Tätigkeiten angenommen werden können ohne nennenswertes tatsächlich angemessenes Entgelt für geleistete Arbeit, das nicht über die Lebenssicherung auch hinausging.

Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des Klägers, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der zuletzt vom Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht NRW aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch des Klägers zu entsprechen. Das ZRBG gibt solches für ihn nicht her.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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