Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Bayreuth (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 34/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.Januar 2006 wird teilweise angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, vorläufig an den Antragsteller bis zum Abschluss des Wider- spruchsverfahrens, längstens jedoch bis 30.April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 80 % der Regelleistung zu erbringen.
3. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
4. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe:
I.
Der 1969 geborene Antragsteller bezog bei der Antragsgegnerin vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 756,17 EUR monatlich.
Nach einer versicherungspflichtigen Tätigkeit ab dem 01.06.2005 als Kellner beantragte der Antragsteller erneut am 27.10.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei der Antragstellung wurde ihm eine Liste der vorzulegenden Unterlagen übergeben, wonach er u.a. eine Mietbescheinigung und einen Untermietvertrag, ein Zusatzblatt 2.2 über den Monat Oktober, Nachweise zu allen Vermögensanlagen, aktuelle Nachweise zu Rückkaufswerten sowie die Kontoauszüge der letzten sechs Monate vorlegen sollte. Im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung hat der Antragsteller weder Angaben zum Vermieter, noch zur Größe der Wohnung oder zum monatlichen Mietzins gemacht. Vielmehr hat er einen Untermietvertrag vorgelegt, aus dem sich lediglich ergibt, dass er ein Zimmer gemietet hat und die Mitbenutzung von Küche, Bad, WC und Gemeinschaftszimmer vereinbart worden ist. Die Miethöhe beträgt laut Untermietvertrag 235,00 EUR zuzüglich einer monatlichen Nebenkostenpauschale in Höhe von 60,00 EUR. Mit Schreiben vom 23.12.2005 hatte die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs.1 Nr.3 SGB I bis spätestens 09.01.2006 folgende Unterlagen vorzulegen:
- Sämtliche Kontoauszüge ab Juni 2005 - Hauptmietvertrag - vollständiger Untermietvertrag - Nachweise über die Mietzahlung (Quittungen) - beigefügten Fragebogen zur eheähnlichen Gemeinschaft.
Die Mitwirkung sei erforderlich, weil ohne die erbetenen Unterlagen bzw. Nachweise nicht festgestellt werden könne, ob und inwieweit ein Leistungsanspruch unverändert fortbestehe.
Mit Schreiben vom 03.01.2006 teilte der Antragsteller mit, dass er nicht bereit sei, die angeforderten Kontoauszüge vorzulegen und berief sich dabei auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts, Az: S 7 AS 32/05 ER. Der Hauptmietvertrag könne nicht beigebracht werden, da er sich nicht in seinem Besitz befinde, er verweise insoweit auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az: 1 BvR 1962/04). Die Behörde habe erst mal überhaupt kein Recht, einen Hauptmietvertrag zu sehen, denn damit würde sie ja Daten erheben, die überhaupt nicht zulässig seien. Der Untermietvertrag sei ausschlaggebend für die Berechnung der Kosten der Unterkunft. Nachweise über die Mietzahlungen habe er vorgelegt. Den Fragebogen zur eheähnlichen Gemeinschaft könne er nicht beantworten, weil er allein lebe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er zur Untermiete lebe. Diese Form eines Mietverhältnisses führe zwangsläufig zu häufigeren alltäglichen Begegnungen mit dem Vermieter, als dies in einer abgeschlossenen Wohnung der Fall sei. Er erkläre hiermit noch einmal ausdrücklich, dass keine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft bestehe, keiner gegenseitig im Bedarfsfall füreinander einstehe, keiner über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen verfügen könne und es keine gemeinsamen Konten gebe. Beigefügt war die Kopie eines so genannten Mietbuches, aus dem sich "Warmmietzahlungen für Oktober bis Dezember 2005" in Höhe von 295,00 EUR ergeben (vgl. auch Bl.14 der Sozialgerichts-Akte). Mit Bescheid vom 09.01.2006 versagte die Antragsgegnerin die beantragten Leistungen ab dem 27.10.2005, da die mit Schreiben vom 23.12.2005 angeforderten Unterlagen trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden seien. Über den hiergegen mit Schreiben vom 14.01.05 (gemeint sein dürfte 14.01.06) eingelegten Widerspruch wurde bislang noch nicht entschieden.
Mit Schreiben ebenfalls vom 14.01.2005 (auch hier dürfte 2006 gemeint sein), eingegangen beim Sozialgericht Bayreuth am 17.01.2006, beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs.2 SGG und beantragte,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, ihm vorläufig die ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu bewilligen.
Zur Begründung wurde ergänzend vorgetragen, dass er zur Zeit über keinerlei finanzielle Mittel verfüge und deshalb seinen Lebensunterhalt und seine Miete nicht bezahlen könne. Ihm drohten Mietschulden und gegebenenfalls der Verlust der Wohnung. Er verfüge auch nicht über entsprechende Ersparnisse, mit denen er vorübergehend seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Eine Privatinsolvenz sei von ihm 2005 beantragt worden. Gegenwärtig befinde er sich in der Wohlverhaltensphase. Vorgelegt wurde des Weiteren ein aktueller Kontoauszug, der am 13.01.2006 einen Saldostand von 20,10 EUR aufweist.
Die Antragsgegnerin beantragt hingegen,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Antragsteller die geforderten Unterlagen vorzulegen habe, weil diese zur Beurteilung des Leistungsanspruchs notwendig seien.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Leistungsakten der Antragsgegnerin (71904BG0001679), auf die von den Beteiligten im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 23.02.2006 verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b SGG ist zulässig, insbesondere ist gemäß § 51 Abs.1 Nr.4 a SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet und das Sozialgericht Bayreuth ist gemäß §§ 8, 57 Abs.1 SGG das sachlich und örtlich zuständige Gericht der Hauptsache. Gemäß § 86 b Abs.3 SGG ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch bereits vor Klageerhebung zulässig.
2. Der Antrag auf Erlass auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist teilweise begründet, soweit es um die vorläufige Bewilligung der Regelleistung geht. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft ist der Antrag jedoch unbegründet.
a) Gemäß § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG kann das Gericht der Hauptsa- che in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Soweit der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist, kann das Gericht ferner die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Im Rahmen der hierbei vom Gericht vorzunehmenden Abwägung der betroffenen Interessen des Antragsgegners am sofortigen Vollzug seiner Entscheidungen und dem des Antragstellers an der Verhinderung der sofortigen Durchsetzbarkeit ist entscheidend auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abzustellen. Bei überwiegender Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren wird in der Regel dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben sein. Sind die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren nicht eindeutig zu beurteilen, ist anhand der in die Abwägung einzustellenden Interessen der Beteiligten und der beim Antragsteller betroffenen Rechte bzw. Grundrechte zu entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage, § 86 b, Rdnr.12 ff m.w.N.).
b) Gemäß § 39 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Zwar hat die Antragsgegnerin nicht unmittelbar über die Leistungshöhe oder das Vorliegen des Leistungsanspruches durch den Bescheid vom 09.01.2006 entschieden, sie hat aber durch Annahme einer Mitwirkungspflichtverletzung die Leistungen bis zur Nachholung der verlangten Mitwirkungshandlung nach § 65 Abs.1 SGB I versagt. Damit liegt eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne des § 39 SGB II vor, für die der gegen den Bescheid vom 09.01.2006 eingelegte Widerspruch kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung ist deshalb nach § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG herzustellen, sofern hierfür die Voraussetzungen gegeben sind.
c) Unter Berücksichtigung der absehbaren Erfolgsaussichten des Antragstellers in der Hauptsache ist gemäß § 86 b Abs.1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 09.01.2006 teilweise anzuordnen, soweit es um die Versagung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes wegen Mitwirkungspflichtverletzung geht:
aa) Die Antragsgegnerin hat vom Antragsteller die Vorlage der vollständigen Kontoauszüge für die der Antragstellung vorangegangenen 6 Monate verlangt, um die Bedürftigkeit des Antragstellers, und damit eine Anspruchsvoraussetzung nach § 7 Abs.1 SGB II, zu prüfen. Der Antragsteller hat jedoch bei seiner Antragstellung am 27.10.2005 bei der Antragsgegnerin einen aktuellen Kontoauszug sowie eine Verdienstbescheinigung aus der vorangehenden Beschäftigung für den Monat Oktober 2005 vorgelegt. Daraus war ersichtlich, dass dem Kläger am 01.11.2005 Arbeitsentgelt in Höhe von 1.044,00 EUR brutto (853,15 EUR netto) für den Monat Oktober 2005 zugeflossen ist. Aus dem Zusatzblatt 3 ist ein Girokontostand von 522,62 EUR im Zeitpunkt der Antragstellung zu entnehmen, ein entsprechender Nachweis durch einen aktuellen Kontoauszug wurde durch den Antragsteller geführt. Außerdem hatte der Antragsteller Privatinsolvenz angemeldet und befindet sich mittlerweile in der sog. Wohlverhaltensphase. Unterhaltsrückstände gegenüber seinen beiden Töchtern bestehen ebenfalls in Höhe von 22.880,41 EUR, die zwischenzeitlich auch nicht zurückgeführt wurden. Damit sind die erforderlichen Informationen für die Antragsgegnerin zur Prüfung der Bedürftigkeit im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers im Antragszeitpunkt vorhanden.
bb) Eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage sämtlicher Kontoauszüge der der Antragstellung vorausgehenden 6 Monate besteht gegenüber der Antragsgegnerin jedoch nicht, da eine entsprechende Rechtsgrundlage für eine derartige Mitwirkungspflicht nicht vorhanden ist: Das SGB II selbst sieht als das spezielle Leistungsgesetz in den §§ 56 ff SGB II ausdrücklich Mitwirkungspflichten für den Antragsteller bzw. für Dritte vor, die den allgemeinen Regelungen der §§ 60 ff SGB I vorgehen. Eine Mitwirkungspflicht zur lückenlosen Vorlage von Kontoauszügen für einen Zeitraum von 6 Monaten (oder auch kürzer) ist vom Gesetzgeber in den §§ 56 ff SGB II aber gerade nicht vorgesehen worden, obwohl dem Gesetzgeber sicherlich der Gedanke des Schutzes der Allgemeinheit vor Leistungsmissbrauch nicht allzu fern gelegen haben dürfte. Dies ergibt sich insbesondere aus § 52 SGB II, der den Leistungsträgern zahlreiche automatisierte Datenabgleiche ermöglicht, wodurch auch Anhaltspunkte für einen möglichen Leistungsmissbrauch gefunden werden könnten. Dieser gesetzlich erlaubte automatisierte Datenabgleich im Sinne des § 52 SGB II wird nach Angaben der Vertreterin der Antragsgegnerin bislang jedoch noch nicht durchgeführt. Dies vermag aber eine entsprechende Erweiterung der Mitwirkungspflichten des Antragstellers nicht zu begründen.
cc) Als Rechtsgrundlage für eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Antragstellers kämen somit nur noch die allgemeinen Regelungen über Mitwirkungspflichten im Sozialrechtsverhältnis nach den §§ 60 ff. SGB I in Betracht, insbesondere hier § 60 Abs.1 SGB I. Danach hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (§ 60 Abs.1 Nr. 1 SGB I), Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs.1 Nr. 2 SGB I) und Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (§ 60 Abs.1 Nr. 3 SGB I). Wie bereits aus dem Wortlaut des § 60 SGB I abgeleitet werden kann, bestehen diese Mitwirkungspflichten jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur in Bezug auf die für die Leistungserbringung erheblichen Tatsachen und im Rahmen der Erforderlichkeit. Dies bedeutet aber zunächst, dass die §§ 60 ff SGB I keine Rechtsgrundlage für beliebige von der Verwaltungsbehörde gewünschte Mitwirkungshandlungen bieten und somit die Behörde die Pflichten des Antragstellers bzw. Leistungsempfängers nicht nach Belieben erweitern kann. Des weiteren sind – soweit eine Mitwirkungspflicht überhaupt besteht – die Grenzen nach § 65 SGB I zu beachten, wobei insbesondere § 65 Abs. 3 SGB I ausdrücklich vorsieht, dass ein Antragsteller solche Angaben verweigern kann, die ihn in die Gefahr einer Strafverfolgung (etwa auch wegen Leistungsmissbrauch) bringen könnten. Er wäre hierüber auch entsprechend zu belehren.
Die in den §§ 60 ff SGB I geregelten Mitwirkungspflichten dienen in erster Linie dazu, dem für den Leistungsträger geltenden Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X Rechnung zu tragen, da die Sachverhaltsaufklärung als notwendige Voraussetzung für die sozialrechtliche Leistungsgewährung oftmals nur im Zusammenwirken mit dem Antragsteller erreicht werden kann. Der damit fast notwendigerweise drohende Konflikt mit dem Recht des einzelnen Antragstellers auf Wahrung des Sozialgeheimnisses nach § 35 SGB I wird dabei durch § 37 S. 3 SGB I im Zweifel zugunsten des Sozialdatenschutzes gelöst. Gemäß § 35 SGB I hat der Antragsteller das Recht, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs.1 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Gemäß § 67 a Abs.1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen nur zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Sozialdaten sind dabei grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben (§ 67 a Abs.2 SGB X). Wie oben bereits ausgeführt, hat der Antragsteller in dem von der Antragsgegnerin üblicherweise verwendeten Formular alle erforderlichen Angaben zur Frage seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht. In dem Antrag wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jede wesentliche Änderung der Beklagten unverzüglich mitzuteilen ist. Hat der Antragsteller also während des Leistungsbezuges Einkommen in einer für seinen Leistungsanspruch relevanten Höhe, so hat er diese für den Leistungsbezug wesentliche Tatsache der Antragsgegnerin unverzüglich mitzuteilen, um eine entsprechende Änderung der Leistungshöhe veranlassen zu können. Bei Verletzung dieser Mitteilungspflicht im Sinne des § 60 Abs.1 Nr. 1 SGB I können auch bestandskräftige Leistungsbescheide nach den §§ 45 bzw. 48 SGB X korrigiert und überzahlte Leistungen vom Antragsteller zurückgefordert werden. Bei vorsätzlichen falschen Angaben oder vorsätzlicher Verletzung der Mitteilungspflicht bei wesentlichen Änderungen sind auch strafrechtliche Konsequenzen für den Antragsteller in Kauf zu nehmen. Inwieweit aus den Kontoauszügen für die Vergangenheit konkrete Rückschlüsse auf die weitere Leistungsgewährung an den Antragsteller in der Zukunft gezogen werden könnten, ist nicht ersichtlich, es sei denn, die Antragsgegnerin ginge gegenwärtig von einem konkreten Verdacht des Leistungsmissbrauchs beim Antragsteller aus. Dies ist zum einen aber nicht vorgetragen, zum anderen wäre dann aber § 65 Abs.3 SGB I zu beachten und der Antragsteller entsprechend zu belehren. Dies ist aber ebenfalls nicht erfolgt. Im übrigen ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin die Vorlage von Kontoauszügen für einen Zeitraum verlangt, in dem der Antragsteller nicht bzw. überwiegend nicht im Leistungsbezug gestanden, sondern eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat. Eine Rechenschaftspflicht über die Verwendung von Erwerbseinkommen während des Zeitraums außerhalb des Leistungsbezuges besteht jedoch für den Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin ebenfalls nicht.
dd) Mangels entsprechender Mitwirkungspflicht des Antragstellers vermag seine Weigerung, die Kontoauszüge für die der Antragstellung vorausgegangenen 6 Monate vorzulegen, eine Versagung der Leistung nach § 66 Abs. 1 SGB I nicht zu rechtfertigen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 09.01.2006 war deshalb insoweit anzuordnen. Da der Antragsteller auch über keine weiteren Einkünfte zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verfügt, war die Antragsgegnerin gemäß § 86 b Abs. 2 SGG dazu zu verpflichten, an den Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis 30.04.2006, in Höhe von 80 % der Regelleistung nach § 20 Abs.2 SGB II zu erbringen. Der Leistungszeitraum war auf den 30.04.2006 zu beschränken, da der Antragsteller im Erörterungstermin vom 23.02.2006 mitgeteilt hatte, ab dem 01.04.2006 voraussichtlich wieder seiner Tätigkeit als Kellner nachzugehen, sodass von einem Zufluss von Erwerbseinkommen spätestens im Mai 2006 auszugehen ist.
d) Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist jedoch abzuweisen, soweit es sich um die Kosten der Unterkunft handelt:
aa) Der Antragsteller hat in dem von der Antragsgegnerin üblicherweise verwendeten Antragsformular im Gegensatz zu den Angaben über sein Einkommen und Vermögen noch nicht die notwendigen Angaben über die tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung gemacht, die erforderlich sind, um insoweit auch den Leistungsanspruch prüfen zu können. Eine Bescheinigung des Hauptvermieters wird nicht vorgelegt, ebenso wenig der Hauptmietvertrag. Im Antrag vom 27.10.2005 sind keinerlei Angaben zu den Kosten der Unterkunft enthalten, sondern es wird nur auf den Untermietvertrag, der beigefügt ist, verwiesen. Aus diesem Untermietvertrag ergibt sich jedoch nicht, welche Größe das vom Antragsteller gemietete Zimmer hat und ob der ausgewiesene Mietzins von 235,00 EUR in etwa dem Anteil an der gesamten Wohnungsmiete entspricht. Insbesondere ist im vorliegenden Fall aber doch sehr ungewöhnlich, dass der Antragsteller zusammen mit der "Untervermieterin" bereits unter der Adresse " ... " zusammenwohnte, dort 2 Zimmer und 1 WC zu einem Mietpreis von 240,00 EUR gemietet hatte und Küche, Bad und Gemeinschaftszimmer zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen waren. Diese Wohnung wurde von beiden zur gleichen Zeit aufgegeben, beide sind zusammen in die neue Wohnung unter der Adresse " ... " umgezogen. Laut Untermietvertrag beträgt der Mietzins für nun nur noch 1 Zimmer 235,00 EUR zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 60,00 EUR und einer Pauschale für Strom in Höhe von 25,00 EUR. Aufgrund der unzureichenden Angaben und der doch zumindest ungewöhnlichen Sachverhaltskonstellation ist es zur Klärung des Leistungsanspruchs des Antragstellers hinsichtlich der Kosten der Unterkunft erforderlich, dass die Antragsgegnerin Einsicht in den Hauptmietvertrag nehmen kann oder zumindest eine entsprechende Bescheinigung des Hauptvermieters vorgelegt wird. Deshalb liegt in Bezug auf die Kosten der Unterkunft noch Aufklärungsbedarf vor und daraus resultierend eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Antragstellers, deren Verletzung grundsätzlich insoweit auch eine Versagung der Leistungen nach dem SGB II rechtfertigen kann. Zu beachten ist allerdings, dass die Antragsgegnerin bei Ausübung des ihr im Rahmen des § 66 Abs.1 SGB I obliegenden Ermessens eine Leistungsversagung allenfalls bezüglich der Kosten der Unterkunft anordnen kann, wenn - wie hier - ersichtlich ist, dass andere Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht vorliegen.
bb) Des Weiteren liegt auch ein Anordnungsgrund im Sinne im Sinne des § 86 b Abs.2 SGG hinsichtlich der Kosten der Unterkunft gegenwärtig nicht vor. Der Antragsteller hat insoweit die Notwendigkeit des Erlasses einer Eilentscheidung nicht glaubhaft gemacht. Er hat lediglich vorgetragen, dass er mit einer Monatsmiete im Rückstand sei, eine drohende Kündigung durch die Untervermieterin oder den Hauptmieter ist nicht vorgetragen. Damit fehlt die Glaubhaftmachung einer akuten Gefahr des Wohnungsverlustes ohne entsprechende gerichtliche Eilentscheidung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, vorläufig an den Antragsteller bis zum Abschluss des Wider- spruchsverfahrens, längstens jedoch bis 30.April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 80 % der Regelleistung zu erbringen.
3. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
4. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe:
I.
Der 1969 geborene Antragsteller bezog bei der Antragsgegnerin vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 756,17 EUR monatlich.
Nach einer versicherungspflichtigen Tätigkeit ab dem 01.06.2005 als Kellner beantragte der Antragsteller erneut am 27.10.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei der Antragstellung wurde ihm eine Liste der vorzulegenden Unterlagen übergeben, wonach er u.a. eine Mietbescheinigung und einen Untermietvertrag, ein Zusatzblatt 2.2 über den Monat Oktober, Nachweise zu allen Vermögensanlagen, aktuelle Nachweise zu Rückkaufswerten sowie die Kontoauszüge der letzten sechs Monate vorlegen sollte. Im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung hat der Antragsteller weder Angaben zum Vermieter, noch zur Größe der Wohnung oder zum monatlichen Mietzins gemacht. Vielmehr hat er einen Untermietvertrag vorgelegt, aus dem sich lediglich ergibt, dass er ein Zimmer gemietet hat und die Mitbenutzung von Küche, Bad, WC und Gemeinschaftszimmer vereinbart worden ist. Die Miethöhe beträgt laut Untermietvertrag 235,00 EUR zuzüglich einer monatlichen Nebenkostenpauschale in Höhe von 60,00 EUR. Mit Schreiben vom 23.12.2005 hatte die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs.1 Nr.3 SGB I bis spätestens 09.01.2006 folgende Unterlagen vorzulegen:
- Sämtliche Kontoauszüge ab Juni 2005 - Hauptmietvertrag - vollständiger Untermietvertrag - Nachweise über die Mietzahlung (Quittungen) - beigefügten Fragebogen zur eheähnlichen Gemeinschaft.
Die Mitwirkung sei erforderlich, weil ohne die erbetenen Unterlagen bzw. Nachweise nicht festgestellt werden könne, ob und inwieweit ein Leistungsanspruch unverändert fortbestehe.
Mit Schreiben vom 03.01.2006 teilte der Antragsteller mit, dass er nicht bereit sei, die angeforderten Kontoauszüge vorzulegen und berief sich dabei auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts, Az: S 7 AS 32/05 ER. Der Hauptmietvertrag könne nicht beigebracht werden, da er sich nicht in seinem Besitz befinde, er verweise insoweit auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az: 1 BvR 1962/04). Die Behörde habe erst mal überhaupt kein Recht, einen Hauptmietvertrag zu sehen, denn damit würde sie ja Daten erheben, die überhaupt nicht zulässig seien. Der Untermietvertrag sei ausschlaggebend für die Berechnung der Kosten der Unterkunft. Nachweise über die Mietzahlungen habe er vorgelegt. Den Fragebogen zur eheähnlichen Gemeinschaft könne er nicht beantworten, weil er allein lebe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er zur Untermiete lebe. Diese Form eines Mietverhältnisses führe zwangsläufig zu häufigeren alltäglichen Begegnungen mit dem Vermieter, als dies in einer abgeschlossenen Wohnung der Fall sei. Er erkläre hiermit noch einmal ausdrücklich, dass keine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft bestehe, keiner gegenseitig im Bedarfsfall füreinander einstehe, keiner über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen verfügen könne und es keine gemeinsamen Konten gebe. Beigefügt war die Kopie eines so genannten Mietbuches, aus dem sich "Warmmietzahlungen für Oktober bis Dezember 2005" in Höhe von 295,00 EUR ergeben (vgl. auch Bl.14 der Sozialgerichts-Akte). Mit Bescheid vom 09.01.2006 versagte die Antragsgegnerin die beantragten Leistungen ab dem 27.10.2005, da die mit Schreiben vom 23.12.2005 angeforderten Unterlagen trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden seien. Über den hiergegen mit Schreiben vom 14.01.05 (gemeint sein dürfte 14.01.06) eingelegten Widerspruch wurde bislang noch nicht entschieden.
Mit Schreiben ebenfalls vom 14.01.2005 (auch hier dürfte 2006 gemeint sein), eingegangen beim Sozialgericht Bayreuth am 17.01.2006, beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs.2 SGG und beantragte,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, ihm vorläufig die ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu bewilligen.
Zur Begründung wurde ergänzend vorgetragen, dass er zur Zeit über keinerlei finanzielle Mittel verfüge und deshalb seinen Lebensunterhalt und seine Miete nicht bezahlen könne. Ihm drohten Mietschulden und gegebenenfalls der Verlust der Wohnung. Er verfüge auch nicht über entsprechende Ersparnisse, mit denen er vorübergehend seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Eine Privatinsolvenz sei von ihm 2005 beantragt worden. Gegenwärtig befinde er sich in der Wohlverhaltensphase. Vorgelegt wurde des Weiteren ein aktueller Kontoauszug, der am 13.01.2006 einen Saldostand von 20,10 EUR aufweist.
Die Antragsgegnerin beantragt hingegen,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Antragsteller die geforderten Unterlagen vorzulegen habe, weil diese zur Beurteilung des Leistungsanspruchs notwendig seien.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Leistungsakten der Antragsgegnerin (71904BG0001679), auf die von den Beteiligten im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 23.02.2006 verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b SGG ist zulässig, insbesondere ist gemäß § 51 Abs.1 Nr.4 a SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet und das Sozialgericht Bayreuth ist gemäß §§ 8, 57 Abs.1 SGG das sachlich und örtlich zuständige Gericht der Hauptsache. Gemäß § 86 b Abs.3 SGG ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch bereits vor Klageerhebung zulässig.
2. Der Antrag auf Erlass auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist teilweise begründet, soweit es um die vorläufige Bewilligung der Regelleistung geht. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft ist der Antrag jedoch unbegründet.
a) Gemäß § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG kann das Gericht der Hauptsa- che in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Soweit der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist, kann das Gericht ferner die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Im Rahmen der hierbei vom Gericht vorzunehmenden Abwägung der betroffenen Interessen des Antragsgegners am sofortigen Vollzug seiner Entscheidungen und dem des Antragstellers an der Verhinderung der sofortigen Durchsetzbarkeit ist entscheidend auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abzustellen. Bei überwiegender Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren wird in der Regel dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben sein. Sind die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren nicht eindeutig zu beurteilen, ist anhand der in die Abwägung einzustellenden Interessen der Beteiligten und der beim Antragsteller betroffenen Rechte bzw. Grundrechte zu entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage, § 86 b, Rdnr.12 ff m.w.N.).
b) Gemäß § 39 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Zwar hat die Antragsgegnerin nicht unmittelbar über die Leistungshöhe oder das Vorliegen des Leistungsanspruches durch den Bescheid vom 09.01.2006 entschieden, sie hat aber durch Annahme einer Mitwirkungspflichtverletzung die Leistungen bis zur Nachholung der verlangten Mitwirkungshandlung nach § 65 Abs.1 SGB I versagt. Damit liegt eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne des § 39 SGB II vor, für die der gegen den Bescheid vom 09.01.2006 eingelegte Widerspruch kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung ist deshalb nach § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG herzustellen, sofern hierfür die Voraussetzungen gegeben sind.
c) Unter Berücksichtigung der absehbaren Erfolgsaussichten des Antragstellers in der Hauptsache ist gemäß § 86 b Abs.1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 09.01.2006 teilweise anzuordnen, soweit es um die Versagung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes wegen Mitwirkungspflichtverletzung geht:
aa) Die Antragsgegnerin hat vom Antragsteller die Vorlage der vollständigen Kontoauszüge für die der Antragstellung vorangegangenen 6 Monate verlangt, um die Bedürftigkeit des Antragstellers, und damit eine Anspruchsvoraussetzung nach § 7 Abs.1 SGB II, zu prüfen. Der Antragsteller hat jedoch bei seiner Antragstellung am 27.10.2005 bei der Antragsgegnerin einen aktuellen Kontoauszug sowie eine Verdienstbescheinigung aus der vorangehenden Beschäftigung für den Monat Oktober 2005 vorgelegt. Daraus war ersichtlich, dass dem Kläger am 01.11.2005 Arbeitsentgelt in Höhe von 1.044,00 EUR brutto (853,15 EUR netto) für den Monat Oktober 2005 zugeflossen ist. Aus dem Zusatzblatt 3 ist ein Girokontostand von 522,62 EUR im Zeitpunkt der Antragstellung zu entnehmen, ein entsprechender Nachweis durch einen aktuellen Kontoauszug wurde durch den Antragsteller geführt. Außerdem hatte der Antragsteller Privatinsolvenz angemeldet und befindet sich mittlerweile in der sog. Wohlverhaltensphase. Unterhaltsrückstände gegenüber seinen beiden Töchtern bestehen ebenfalls in Höhe von 22.880,41 EUR, die zwischenzeitlich auch nicht zurückgeführt wurden. Damit sind die erforderlichen Informationen für die Antragsgegnerin zur Prüfung der Bedürftigkeit im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers im Antragszeitpunkt vorhanden.
bb) Eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage sämtlicher Kontoauszüge der der Antragstellung vorausgehenden 6 Monate besteht gegenüber der Antragsgegnerin jedoch nicht, da eine entsprechende Rechtsgrundlage für eine derartige Mitwirkungspflicht nicht vorhanden ist: Das SGB II selbst sieht als das spezielle Leistungsgesetz in den §§ 56 ff SGB II ausdrücklich Mitwirkungspflichten für den Antragsteller bzw. für Dritte vor, die den allgemeinen Regelungen der §§ 60 ff SGB I vorgehen. Eine Mitwirkungspflicht zur lückenlosen Vorlage von Kontoauszügen für einen Zeitraum von 6 Monaten (oder auch kürzer) ist vom Gesetzgeber in den §§ 56 ff SGB II aber gerade nicht vorgesehen worden, obwohl dem Gesetzgeber sicherlich der Gedanke des Schutzes der Allgemeinheit vor Leistungsmissbrauch nicht allzu fern gelegen haben dürfte. Dies ergibt sich insbesondere aus § 52 SGB II, der den Leistungsträgern zahlreiche automatisierte Datenabgleiche ermöglicht, wodurch auch Anhaltspunkte für einen möglichen Leistungsmissbrauch gefunden werden könnten. Dieser gesetzlich erlaubte automatisierte Datenabgleich im Sinne des § 52 SGB II wird nach Angaben der Vertreterin der Antragsgegnerin bislang jedoch noch nicht durchgeführt. Dies vermag aber eine entsprechende Erweiterung der Mitwirkungspflichten des Antragstellers nicht zu begründen.
cc) Als Rechtsgrundlage für eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Antragstellers kämen somit nur noch die allgemeinen Regelungen über Mitwirkungspflichten im Sozialrechtsverhältnis nach den §§ 60 ff. SGB I in Betracht, insbesondere hier § 60 Abs.1 SGB I. Danach hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (§ 60 Abs.1 Nr. 1 SGB I), Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs.1 Nr. 2 SGB I) und Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (§ 60 Abs.1 Nr. 3 SGB I). Wie bereits aus dem Wortlaut des § 60 SGB I abgeleitet werden kann, bestehen diese Mitwirkungspflichten jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur in Bezug auf die für die Leistungserbringung erheblichen Tatsachen und im Rahmen der Erforderlichkeit. Dies bedeutet aber zunächst, dass die §§ 60 ff SGB I keine Rechtsgrundlage für beliebige von der Verwaltungsbehörde gewünschte Mitwirkungshandlungen bieten und somit die Behörde die Pflichten des Antragstellers bzw. Leistungsempfängers nicht nach Belieben erweitern kann. Des weiteren sind – soweit eine Mitwirkungspflicht überhaupt besteht – die Grenzen nach § 65 SGB I zu beachten, wobei insbesondere § 65 Abs. 3 SGB I ausdrücklich vorsieht, dass ein Antragsteller solche Angaben verweigern kann, die ihn in die Gefahr einer Strafverfolgung (etwa auch wegen Leistungsmissbrauch) bringen könnten. Er wäre hierüber auch entsprechend zu belehren.
Die in den §§ 60 ff SGB I geregelten Mitwirkungspflichten dienen in erster Linie dazu, dem für den Leistungsträger geltenden Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X Rechnung zu tragen, da die Sachverhaltsaufklärung als notwendige Voraussetzung für die sozialrechtliche Leistungsgewährung oftmals nur im Zusammenwirken mit dem Antragsteller erreicht werden kann. Der damit fast notwendigerweise drohende Konflikt mit dem Recht des einzelnen Antragstellers auf Wahrung des Sozialgeheimnisses nach § 35 SGB I wird dabei durch § 37 S. 3 SGB I im Zweifel zugunsten des Sozialdatenschutzes gelöst. Gemäß § 35 SGB I hat der Antragsteller das Recht, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs.1 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Gemäß § 67 a Abs.1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen nur zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Sozialdaten sind dabei grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben (§ 67 a Abs.2 SGB X). Wie oben bereits ausgeführt, hat der Antragsteller in dem von der Antragsgegnerin üblicherweise verwendeten Formular alle erforderlichen Angaben zur Frage seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht. In dem Antrag wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jede wesentliche Änderung der Beklagten unverzüglich mitzuteilen ist. Hat der Antragsteller also während des Leistungsbezuges Einkommen in einer für seinen Leistungsanspruch relevanten Höhe, so hat er diese für den Leistungsbezug wesentliche Tatsache der Antragsgegnerin unverzüglich mitzuteilen, um eine entsprechende Änderung der Leistungshöhe veranlassen zu können. Bei Verletzung dieser Mitteilungspflicht im Sinne des § 60 Abs.1 Nr. 1 SGB I können auch bestandskräftige Leistungsbescheide nach den §§ 45 bzw. 48 SGB X korrigiert und überzahlte Leistungen vom Antragsteller zurückgefordert werden. Bei vorsätzlichen falschen Angaben oder vorsätzlicher Verletzung der Mitteilungspflicht bei wesentlichen Änderungen sind auch strafrechtliche Konsequenzen für den Antragsteller in Kauf zu nehmen. Inwieweit aus den Kontoauszügen für die Vergangenheit konkrete Rückschlüsse auf die weitere Leistungsgewährung an den Antragsteller in der Zukunft gezogen werden könnten, ist nicht ersichtlich, es sei denn, die Antragsgegnerin ginge gegenwärtig von einem konkreten Verdacht des Leistungsmissbrauchs beim Antragsteller aus. Dies ist zum einen aber nicht vorgetragen, zum anderen wäre dann aber § 65 Abs.3 SGB I zu beachten und der Antragsteller entsprechend zu belehren. Dies ist aber ebenfalls nicht erfolgt. Im übrigen ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin die Vorlage von Kontoauszügen für einen Zeitraum verlangt, in dem der Antragsteller nicht bzw. überwiegend nicht im Leistungsbezug gestanden, sondern eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat. Eine Rechenschaftspflicht über die Verwendung von Erwerbseinkommen während des Zeitraums außerhalb des Leistungsbezuges besteht jedoch für den Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin ebenfalls nicht.
dd) Mangels entsprechender Mitwirkungspflicht des Antragstellers vermag seine Weigerung, die Kontoauszüge für die der Antragstellung vorausgegangenen 6 Monate vorzulegen, eine Versagung der Leistung nach § 66 Abs. 1 SGB I nicht zu rechtfertigen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 09.01.2006 war deshalb insoweit anzuordnen. Da der Antragsteller auch über keine weiteren Einkünfte zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verfügt, war die Antragsgegnerin gemäß § 86 b Abs. 2 SGG dazu zu verpflichten, an den Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis 30.04.2006, in Höhe von 80 % der Regelleistung nach § 20 Abs.2 SGB II zu erbringen. Der Leistungszeitraum war auf den 30.04.2006 zu beschränken, da der Antragsteller im Erörterungstermin vom 23.02.2006 mitgeteilt hatte, ab dem 01.04.2006 voraussichtlich wieder seiner Tätigkeit als Kellner nachzugehen, sodass von einem Zufluss von Erwerbseinkommen spätestens im Mai 2006 auszugehen ist.
d) Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist jedoch abzuweisen, soweit es sich um die Kosten der Unterkunft handelt:
aa) Der Antragsteller hat in dem von der Antragsgegnerin üblicherweise verwendeten Antragsformular im Gegensatz zu den Angaben über sein Einkommen und Vermögen noch nicht die notwendigen Angaben über die tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung gemacht, die erforderlich sind, um insoweit auch den Leistungsanspruch prüfen zu können. Eine Bescheinigung des Hauptvermieters wird nicht vorgelegt, ebenso wenig der Hauptmietvertrag. Im Antrag vom 27.10.2005 sind keinerlei Angaben zu den Kosten der Unterkunft enthalten, sondern es wird nur auf den Untermietvertrag, der beigefügt ist, verwiesen. Aus diesem Untermietvertrag ergibt sich jedoch nicht, welche Größe das vom Antragsteller gemietete Zimmer hat und ob der ausgewiesene Mietzins von 235,00 EUR in etwa dem Anteil an der gesamten Wohnungsmiete entspricht. Insbesondere ist im vorliegenden Fall aber doch sehr ungewöhnlich, dass der Antragsteller zusammen mit der "Untervermieterin" bereits unter der Adresse " ... " zusammenwohnte, dort 2 Zimmer und 1 WC zu einem Mietpreis von 240,00 EUR gemietet hatte und Küche, Bad und Gemeinschaftszimmer zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen waren. Diese Wohnung wurde von beiden zur gleichen Zeit aufgegeben, beide sind zusammen in die neue Wohnung unter der Adresse " ... " umgezogen. Laut Untermietvertrag beträgt der Mietzins für nun nur noch 1 Zimmer 235,00 EUR zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 60,00 EUR und einer Pauschale für Strom in Höhe von 25,00 EUR. Aufgrund der unzureichenden Angaben und der doch zumindest ungewöhnlichen Sachverhaltskonstellation ist es zur Klärung des Leistungsanspruchs des Antragstellers hinsichtlich der Kosten der Unterkunft erforderlich, dass die Antragsgegnerin Einsicht in den Hauptmietvertrag nehmen kann oder zumindest eine entsprechende Bescheinigung des Hauptvermieters vorgelegt wird. Deshalb liegt in Bezug auf die Kosten der Unterkunft noch Aufklärungsbedarf vor und daraus resultierend eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Antragstellers, deren Verletzung grundsätzlich insoweit auch eine Versagung der Leistungen nach dem SGB II rechtfertigen kann. Zu beachten ist allerdings, dass die Antragsgegnerin bei Ausübung des ihr im Rahmen des § 66 Abs.1 SGB I obliegenden Ermessens eine Leistungsversagung allenfalls bezüglich der Kosten der Unterkunft anordnen kann, wenn - wie hier - ersichtlich ist, dass andere Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht vorliegen.
bb) Des Weiteren liegt auch ein Anordnungsgrund im Sinne im Sinne des § 86 b Abs.2 SGG hinsichtlich der Kosten der Unterkunft gegenwärtig nicht vor. Der Antragsteller hat insoweit die Notwendigkeit des Erlasses einer Eilentscheidung nicht glaubhaft gemacht. Er hat lediglich vorgetragen, dass er mit einer Monatsmiete im Rückstand sei, eine drohende Kündigung durch die Untervermieterin oder den Hauptmieter ist nicht vorgetragen. Damit fehlt die Glaubhaftmachung einer akuten Gefahr des Wohnungsverlustes ohne entsprechende gerichtliche Eilentscheidung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
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