Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 31 RJ 1442/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 34/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2004 geändert und der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2002 wird aufgehoben. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) ab dem 01. April 2002.
Er ist geboren und beantragte im Juli 1998 bei der Beklagten eine Rente wegen EU, die er mit einem mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Maurer (25. Oktober 1996) eingetretenen Versicherungsfall begründete. Daraufhin erkannte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage eines Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G vom 19. November 1998 (Untersuchung am 10. November 1998 im Beisein eines Nachbarn des Klägers), die den Kläger wegen einer chronifizierten Depression und eines Verdachtes auf eine beginnende Hirnleistungsschwäche lediglich für leichte körperliche Arbeiten auf Zeit zweistündig bis unterhalbschichtig als einsatzfähig einstufte, eine Rente wegen EU ab dem 01. Juli 1998 zu, die sie bis zum 31. Dezember 1999 befristete; dabei ging die Beklagte vom Eintritt des Versicherungsfalls mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit aus (Bescheid vom 19. Januar 1999). Auf den klägerischen "Weitergewährungsantrag" vom 1. November 1999 erkannte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13. Dezember 1999 ab dem 01. Januar 2000 eine Rente wegen EU auf Dauer zu, wobei sie weiterhin einen mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit eingetretenen Versicherungsfall zugrunde legte. Grundlage der Leistungsbeurteilung war ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr C vom 04. November 1999 der nach Untersuchung des Klägers am 02. November 1999 im Beisein einer Tochter des Klägers als Leiden auf seinem Fachgebiet ein depressives Syndrom unklare Genese formulierte hatte. Der Kläger sei nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten halb- bis untervollschichtig zu verrichten.
Nachdem der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B den Kläger am 25. September 2001 erstmals unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin erneut untersucht und in seinem Gutachten vom 28. September 2001 die Auffassung vertreten hatte, der Kläger könne trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet (einem dysthymen Syndrom) noch 6 Stunden und mehr körperlich leichte Arbeiten verrichten, entzog die Beklagte - gestützt auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 18. Oktober 2001 und 12. November 2001, Letzteres unter Beifügung des Gutachtens) - dem Kläger die EU-Rente ab dem 01. April 2002 mit der Begründung, sein Gesundheitszustand habe sich gebessert, so dass ein Anspruch auf Berufsunfähigkeits (BU)- bzw EU-Rente nicht mehr bestehe (Bescheid vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002). Mit Ablauf des Monats April 2002 stellte sie die Rentenzahlungen ein.
Während des sich anschließenden Klageverfahren hat sich der Kläger, dessen Sohn drei Monate zuvor an den Folgen eines Unfalls verstorben war, vom 21. August 2002 bis zum 10. September 2002 in stationärer Behandlung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Am Urban befunden, in die er mit dem Bild einer depressiven Episode aufgenommen wurde und aus der er nach Erreichen des Therapieziels in ausgeglichener Stimmung und deutlich verbesserter affektiver Modulationsfähigkeit sowie unter Verschwinden der somatischen Beschwerden in die ambulante Weiterbehandlung entlassen wurde (Entlassungsbericht vom 24. Januar 2003).
Das Sozialgericht (SG) hat Berichte der behandelnden Ärzte angefordert, ua des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr van Hvom 5. Februar 2003 und der Praktischen Ärzte Dres M vom 27. Januar 2003. Dr van Hhatte angegeben, dass er während des Berichtszeitraumes vom 7. Mai 1997 bis zum 4. November 2002 keine wesentlichen Veränderungen im Gesundheitszustand des Kläger habe erkennen können und der Kläger seines Erachtens nicht mehr in der Lage sei, körperlich leichte Arbeiten über 3 Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger sei wegen einer depressiven Episode vom 21. August 2002 bis zum 10. September 2002 stationär behandelt und ohne wesentliche Besserung entlassen worden. Dres M wiederum hatten den Kläger wegen eines schweren depressiven Syndroms und des Verdachtes auf Suizidialität als nicht mehr arbeitsfähig angesehen.
Sodann hat das SG den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr B zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Er hat den Kläger am 13. August 2003 im Beisein eines Dolmetschers untersucht und am selben Tag sein Gutachten erstattet. Er hat als führendes Leiden auf seinem Fachgebiet eine Dysthymie mit Somatisierungsstörungen diagnostiziert, den Kläger aber noch für fähig erachtet, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu arbeiten. Die von ihm als Gutachter angenommenen Einschränkungen bestünden in der vorliegenden Ausprägung seit mindestens 1998. Eine wesentliche Änderung sei nach kritischer Bewertung der nervenärztlichen Gutachten seit 1998 nicht eingetreten.
Der Kläger hat zuletzt vor dem SG beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung seit dem frühest möglichen Zeitpunkt zu gewähren.
Das SG hat mit Urteil vom 02. Juni 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002, dessen Rechtsgrundlage § 48 SGB X sei, sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid vom 13. Dezember 1999 für die Zukunft aufzuheben, da der Kläger nicht mehr erwerbsunfähig sei. Die Kammer stütze ihre entsprechende Überzeugung auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Nicht folgen könne die Kammer jedoch der Einschätzung dieses Sachverständigen, wonach dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Rentenanspruch zugestanden habe. Gegen die Richtigkeit einer solchen Einschätzung sprächen die Vorgutachten. Obwohl die Kammer davon ausgehe, dass die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen BU im Verfahren der Aufhebung der gewährten Rente hätte prüfen und bescheiden müssen, stehe dem Kläger eine solche Rente nach dem medizinischen Beweisergebnis nicht zu. Gleiches gelte für einen Rentenanspruch nach neuem Recht, also eine Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Der Sachverständige Dr B hat auf Veranlassung des Senats am 09. Oktober 2004 eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme abgegeben und ist darin bei seiner Einschätzung geblieben, seit 1998 sei eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht eingetreten. Die Beklagte hat hieran unter Berufung auf die Stellungnahme des Leiters des Gutachter- und Obergutachterdienstes Dr B, eines Internisten und Kardiologen, vom 14. Dezember 2004 Kritik geübt. Bei der Art der Erkrankung des Klägers könne grundsätzlich nicht von einem konstant verlaufenden Krankheitsbild ausgegangen werden. Aufgrund der zeitnahen Beurteilung des Krankheitsbildes sei den Gutachten aus den Jahren 1998 und 1999 der Vorzug zu geben.
Mit Schreiben vom 29. September 2004 hat der Senat prozessuale Hinweise mit Blick auf die vom Kläger gestellten Anträge erteilt; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Juni 2004 zu ändern und den
Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Gegenstand des Rechtsstreites (iS von § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist allein die im Bescheid vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 verlautbarte Entziehung der dem Kläger zuvor gewährten (Dauer-)Rente wegen EU ab dem 1. April 2002 und damit der Entziehung des Stammrechts. Einen weitere Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X enthält dieser Bescheid nicht, insbesondere keinen, mit dem eine Rente wegen EU bzw BU bzw eine der drei Erwerbsminderungsrenten nach der ab dem 1. Januar 2001 bestehenden Rechtslage abgelehnt oder eine Rente wegen BU entzogen worden wäre. Zwar hat die Beklagte in dem nämlichen Bescheid auch Ausführungen dazu gemacht, dass der Kläger ihrer Auffassung nach keinen Anspruch mehr auf eine BU- oder EU-Rente habe. Bei diesen Ausführungen handelt es aber sich lediglich um die Begründung der aufhebenden Entscheidung. Regelungscharakter kommt ihnen nicht zu, weswegen sie auch nicht einen, eine Rente wegen EU bzw BU ablehnenden Verwaltungsakt bzw einen eine Rente wegen BU entziehenden Verwaltungsakt beinhalten. Letzteres folgt schon daraus, dass die Rente wegen BU gegenüber einer Rente wegen EU im Rechtssinne ein aliud und kein - wie das SG meint - Minus darstellt, obwohl die zuletzt genannte die zuerst genannte in gesundheitlicher Hinsicht umschließt, mit der Folge, dass die Entziehung einer Rente wegen EU auf Dauer nicht zugleich als Entziehung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer gewertet werden kann (BSG SozR Nr 17 zu § 1286 RVO; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 101 Nr 2). Damit steht in Einklang, dass die Beklagte dem Kläger in keinem der ihn betreffenden Rentenbewilligungsbescheide, insbesondere nicht in dem vom 13. Dezember 1999, eine Rente wegen BU zuerkannt hatte, die sie ihm hätte entziehen können.
Für die Beurteilung der vom Kläger erhobenen reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alternative SGG) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses (genauer: Bekanntgabe) des aufhebenden Bescheides vom 20. Februar 2002 oder - falls wie hier ein Widerspruchsverfahren stattgefunden hat - des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 (genauer: des in diesen Bescheiden verlautbarten aufhebenden Verwaltungsaktes) maßgebend. Änderungen der Sach- und Rechtslage im Verlauf des Gerichtsverfahrens beeinflussen die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides nicht. Sie sind im Rahmen der Anfechtungsklage unbeachtlich (zur Entziehung von Verletztenrente vgl BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 18; vgl ferner BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 5 S 25; SozR 3-1300 § 48 Nr 57 und zuletzt Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 9 SB 4/02 R).
Eine Ausnahme von dem Grundsatz kommt auch unter dem Gesichtspunkt einer Dauerwirkung des angefochtenen Aufhebungsbescheides (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) nicht in Betracht. Ein Bescheid, mit dem - wie hier - ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wegen ursprünglicher Unrichtigkeit (§ 45 SGB X) oder wegen einer Änderung der Verhältnisse zu Lasten des Begünstigten (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X) aufgehoben wird, ist selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil er sich im Entzug der vormals festgestellten Rente erschöpft (BSG SozR 1300 § 45 Nr 5 S 8 mwN; vgl Steinwedel, Kasseler Komm RdNr 21 zu § 45 SGB X).
Die Beklagte konnte den Bescheid vom 13. Dezember 1999 weder nach § 48 SGB X noch nach § 45 SGB X aufheben. Für die Aufhebung nach § 48 SGB X fehlt es an eine Veränderung der Verhältnisse und damit einer nachträglichen Rechtswidrigkeit (dazu sogleich unter 1.). Soweit damit allein eine Aufhebung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit der aufzuhebenden Entscheidung gemäß § 45 SGB X in Betracht kommt, unterliegt der Prüfung des Senates, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen Aufhebung erfüllt sind, obwohl sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid, dessen Fassung insoweit wegen der Regelung des § 95 SGG maßgebend ist, nicht auf § 45 SGB X, sondern auf § 48 SGB X bezogen hat, da insoweit lediglich eine gleich bleibende Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt würde ( so genanntes Nachschieben von Gründen: BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 9; wegen des unveränderten Verfügungssatzes handelt es sich auch nicht um eine Umdeutung iSv § 43 SGB X). Eine auf § 45 SGB X gestützte Aufhebung scheitert jedoch daran, dass sie gegenüber dem nicht bösgläubigen Kläger nicht innerhalb der Zweijahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X vorgenommen worden ist (dazu sogleich unter 2.)
1. Die anfängliche Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 13. Dezember 1999 bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses (genauer: Bekanntgabe; vgl §§ 37, 39 SGB X) rechtswidrig war. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt bestand kein Stammrecht auf EU-Rente, weil ein entsprechender Versicherungsfall der EU nicht eingetreten war.
Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen EU richtet sich noch nach § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert; aufgehoben durch Art 1 Ziff 11, Art 24 Abs 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I Nr 57 Seite 1827), weil der Kläger (auch) Leistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 2001 begehrt und den Rentenantrag vor diesem Zeitpunkt gestellt hatte (§ 300 Abs 2 SGB VI).
Nach § 44 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen EU, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach Abs 2 der Vorschrift sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in einer gewissen Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab dem 1. April 1999: monatlich 630 DM) übersteigt (Satz 1 1. Halbsatz). Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 2 Nr 2). Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten muss also allein wesentlich wegen Krankheit oder Behinderung "auf nicht absehbare Zeit", dh für eine Dauer von mehr als 26 Wochen eingeschränkt sein. Diese zeitliche Grenze ist aus § 101 Abs 1 SGB VI herzuleiten, wonach befristete Renten nicht vor Beginn des 7. Kalendermonates nach Beginn der Minderung geleistet werden (vgl BSG SozR 2200 § 1247 Nr 16). Ob eine Beeinträchtigung auf nicht absehbare Zeit vorliegt, ist ggf rückschauend zu ermitteln. Wird festgestellt, dass die Leistungsunfähigkeit tatsächlich länger als 26 Wochen angedauert hat, so ist der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sofort bei Beginn der Leistungsunfähigkeit eingetreten, gleichgültig, ob Aussicht auf Behebung bestand oder besteht; eine solche Aussicht auf Behebung hat dann nur Bedeutung für die Dauer der Rente, nicht jedoch für den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit (vgl BSG aaO).
Dass ein entsprechender Versicherungsfall nicht eingetreten war, steht zur Überzeugung des Senates unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B (Gutachten vom 13. August 2003 idF vom 9. Oktober 2004) fest.
Dabei ist zunächst einmal festzuhalten, dass Dr Bim Gegensatz zu den psychiatrischen Vorgutachtern das seelische Leiden des Klägers zwar als Dysthymie bezeichnet hat, die von dieser Bezeichnung abweichenden Formulierungen der vorliegenden Gesundheitsstörung in den Vorgutachten (chronifizierte Depression, depressives Syndrom bzw neurotisches Syndrom) in der Sache aber kein anderes Krankheitsbild beschreiben, sondern nur eine ältere Begrifflichkeit darstellen. Da dies auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, bedarf es keiner Vertiefung.
Abweichend zum Gutachten von Dr C fällt hingegen die Leistungsbeurteilung durch Dr Baus. Er hat ausgeführt, der Kläger sei noch fähig, vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen (Ausschluss von Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Zugluft; Arbeiten nur im Wechsel der drei Haltungsarten oder überwiegend im Sitzen; Vermeidung einseitiger körperlicher Belastungen sowie von Arbeiten unter Zeitdruck und Akkord- und Fließbandtätigkeiten; keine Tätigkeiten an laufenden Maschinen; Beschränkung des Hebens und Tragens von Lasten auf 10 bis 15 Kg; keine Nachtschichten und keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten) zu verrichten. Der Kläger sei noch in der Lage, einfache geistige Arbeiten zu verrichten. Lese- und Schreibgewandtheit in deutscher Sprache seien nicht vorhanden, die Auffassungsgabe, die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit seien in Bezug auf einfache Arbeiten nicht, die Lern- und Merkfähigkeit sowie das Gedächtnis seien nicht wesentlich reduziert. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei nicht herabgesetzt. Die von ihm als Gutachter angenommenen Einschränkungen bestünden in der vorliegenden Ausprägung seit mindestens 1998. Eine wesentliche Änderung sei nach kritischer Bewertung der nervenärztlichen Gutachten seit 1998 nicht eingetreten.
Diese Leistungsbeurteilung ist nicht nur bezogen auf den Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr B(13. August 2003), sondern auch und gerade mit Blick auf den angenommenen Zeitpunkt, ab dem sie Gültigkeit beanspruchen soll, überzeugend, denn sie beruht auf einer fachgerechten Gutachtenerstattung, die eine ausführliche Anamnese und eine Untersuchung des Klägers umfasste, wobei beides im schriftlichen Gutachten ausführlich dokumentiert ist. Dabei wird nachvollziehbar, warum der Gutachter zu der abgegebenen Bewertung kommt.
Gegen die Richtigkeit der von Dr B gewonnenen Überzeugung, es habe aus Sicht seines Fachgebietes seit 1998 keine wesentliche Veränderung im Leistungsbild des Klägers stattgefunden, spricht weder das Gutachten des Arztes B noch - entgegen der Auffassung von Dr B - das Gutachten von Dr C
Das Gutachten des Neurologen und Psychiaters B ist zu der Fragestellung, ob Veränderungen im beruflichen Restleistungsvermögen des Klägers eingetreten sind, unergiebig. Zunächst nimmt der Gutachter nicht ausdrücklich dazu Stellung, ob aus seiner Sicht Änderungen des Gesundheitszustandes und/oder des Leistungsvermögens im Vergleich zu früheren Begutachtungszeitpunkten eingetreten waren. Aus seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung lässt sich nicht ablesen, dass er eine solche Veränderung festgestellt hätte, denn seine Ausführungen sind auf die 6-Stunden-Grenze bezogen, die im neuen Recht der Erwerbsminderungsrenten entscheidend ist. Sie lassen mithin nicht erkennen, welche Haltung der Gutachter Bzu der nach altem Recht - und damit auch für eine Aufhebungsentscheidung - entscheidenden Fragestellung einnimmt, ob (im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr C wie im Zeitpunkt der eigenen Untersuchung) ein werktägliches Leistungsvermögen von acht Stunden gegeben war oder nicht.
Dr C hat in seinem Gutachten keine beweiskräftigen Feststellungen getroffen, die das Ergebnis des Gerichtsgutachtens - unverändertes, rechtlich nicht EU begründendes Leistungsvermögen seit 1998 - begründet in Frage stellen. Soweit Dr Cin seinem Gutachten vom 04. November 1999 ein nur halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen angenommen hat, sind seine Ausführungen nicht überzeugend, da sie nicht mit psychiatrischen Befunden unterlegt sind, aus denen sich erschließen würde, warum eine weitgehende quantitative Leistungseinschränkung anzunehmen war, und weil Dr C auch keinen Begründungsaufwand leistet, aufgrund dessen nachvollziehbar würde, warum eine fachmedizinische Beurteilung der erhobenen Befunde den Schluss auf ein zeitlich weitgehend eingeschränktes Leistungsvermögen erlaubte. Im Übrigen krankt bereits die Befunderhebung daran, dass Dr C sich keines qualifizierten Dolmetschers bedient hat, sondern insoweit offenbar - und nicht etwa im Rahmen einer Fremdanamnese - die Tochter des Klägers herangezogen hat. Dass damit kein überzeugungskräftiges Gutachten mit belastbaren Ergebnissen gelungen ist, spiegeln auch die formulierten Ergebnisse, wenn Dr C darlegt, das Leistungsvermögen des Klägers "erscheine noch eingeschränkt" und einräumt, die Beurteilung sei im Hinblick auf die wenig ergiebige Anamnese/Untersuchung erschwert und auch die differenzialdiagnostische Einbeziehung des "früher diskutierten hirnorganischen Psychosyndroms sei nicht so einfach möglich". Damit folgt schon aus der Gegenüberstellung und der Bewertung der jeweiligen Überzeugungskraft der Gutachten von Dr C und Dr B, dass hier bei der Beurteilung des beruflichen Restleistungsvermögens des Klägers im Zeitpunkt der Gewährung einer unbefristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit die Feststellungen von Dr B zugrunde zu legen sind, obwohl die Untersuchung von Dr C zeitnäher ist.
Danach ist die Argumentation von Dr B in seiner Rückäußerung vom 09. Oktober 2004 nur noch ergänzend in die Betrachtung einzubeziehen. Soweit Dr Bes für nachvollziehbar gehalten hat, dass Dr C zum Zeitpunkt seiner Untersuchung einen chronifizierten Verlauf der seelischen Erkrankung des Klägers angenommen und aufgrund dieser Bewertung des Krankheitsbildes zu der von ihm vorgenommen Einschätzung der Restleistungsfähigkeit gekommen sei, so hat sich doch im Nachhinein - wie der Gerichtssachverständige überzeugend, weil nachvollziehbar dargelegt hat - die damalige Annahme von Dr C als unrichtig erwiesen, wie sowohl der Erfolg der vom 21. August 2002 bis zum 10. September 2002 durchgeführten Therapie, als auch die Würdigung des psychiatrischen Befundes (keine mittelschwer bis schwer ausgeprägte Symptomatik) belegt. Soweit Dr van Hin seinem Bericht vom 5. Februar 2003 den Therapieerfolg bestreitet, wird seine Beurteilung durch den Entlassungsbericht vom 24. Januar 2003 widerlegt.Dass ein schweres depressives Syndrom – anders als die Ärzte Dres Min ihrem Bericht vom 27. Januar 2003 glaubten feststellen zu müssen - zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hat, ergibt sich schon daraus, dass keiner der in dem Verfahren eingeschalteten Fachgutachter eine solche Diagnose je gestellt hat. Angesichts dieses Zusammenhangs ist aber das Bestehen von EU ebenfalls ausgeschlossen, da es - wie dargelegt - nicht auf eine Prognose, sondern auf eine rückschauende Betrachtung ankommt. Auf das Vorliegen eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Dauerrentengewährung kann im Übrigen auch nicht aufgrund des am 19. November 1998 erstatteten Gutachtens der Nervenärztin G geschlossen werden. Abgesehen davon, dass dieses Gutachten in Anamnese sowie Untersuchungs- und Ergebnisdarstellung exakt mit denselben Problemen behaftet ist, die auch der Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr C entgegenstehen (insbesondere auch hier keine qualifizierte Sprachmittlung stattgefunden hat), misst es sich selbst nicht die Bedeutung zu, mehr als den aktuellen und keineswegs als änderungsfest dargestellten sozialmedizinischen Stand zu erfassen. Es trifft damit insbesondere keine Aussagen zu den medizinischen Voraussetzungen des (Fort-)Bestehens eines Versicherungsfalls der EU bis zum Dezember 1999.
2. Gemäß § 45 Abs 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, unter bestimmten Einschränkungen zurückgenommen werden. Für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung gilt nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X die Einschränkung, dass eine Rücknahme grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts möglich ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil vor Zugang des Aufhebungsbescheides vom 20. Februar 2002 die seit Bekanntgabe des Bescheides vom 13. Dezember 1999 laufende zweijährige Ausschlußfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X verstrichen war. Wie aus den weiteren Vorschriften des § 45 Abs 3 SGB X hervorgeht, setzt die Maßgeblichkeit dieser Frist voraus, dass der durch den rechtswidrigen Bescheid mit Dauerwirkung Begünstigte guten Glaubens war, dh, dass auf ihn die in § 45 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB X iVm Abs 2 Satz 3 geregelten Ausnahmevorschriften nicht zutrafen. Dies ist hier der Fall.
Unstreitig war der Kläger zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 13. Dezember 1999 in gutem Glauben, so dass mit Bekanntgabe dieses Bescheides die Zweijahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X zu laufen begann. Es ist auch nicht etwa dadurch, dass dem Kläger noch vor Ablauf der Zweijahresfrist die Anhörungsschreiben vom 18. Oktober 2001 und 12. November 2001 zugegangen sind, eine neue Frist, nämlich die für bösgläubig Begünstigte geltende Zehnjahresfrist (§ 45 Abs 3 Satz 3 SGB X), in Lauf gesetzt worden. Die Maßgeblichkeit dieser Frist würde voraussetzen, dass die Tatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 oder Nr 3 SGB X gegeben waren. Der hier allein in Betracht zu ziehende Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Bescheides) lag zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Denn die frühestens im Moment der Bekanntgabe des Gutachtens von Dr Bvom 13. August 2003 erlangte Kenntnis von der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Bewilligung reicht für die Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X nicht aus. Die Bösgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des begünstigenden Bescheides muss zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes vorgelegen haben (so BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 24 S 82 mwN und SozR 3-1300 § 45 Nr 39; so auch für erst durch die Mitteilung des Leistungsträgers bewirkte nachträglichen "Bösgläubigkeit": Steinwedel in Kasseler Kommentar, RdNr 41 zu § 45 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) ab dem 01. April 2002.
Er ist geboren und beantragte im Juli 1998 bei der Beklagten eine Rente wegen EU, die er mit einem mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Maurer (25. Oktober 1996) eingetretenen Versicherungsfall begründete. Daraufhin erkannte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage eines Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G vom 19. November 1998 (Untersuchung am 10. November 1998 im Beisein eines Nachbarn des Klägers), die den Kläger wegen einer chronifizierten Depression und eines Verdachtes auf eine beginnende Hirnleistungsschwäche lediglich für leichte körperliche Arbeiten auf Zeit zweistündig bis unterhalbschichtig als einsatzfähig einstufte, eine Rente wegen EU ab dem 01. Juli 1998 zu, die sie bis zum 31. Dezember 1999 befristete; dabei ging die Beklagte vom Eintritt des Versicherungsfalls mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit aus (Bescheid vom 19. Januar 1999). Auf den klägerischen "Weitergewährungsantrag" vom 1. November 1999 erkannte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13. Dezember 1999 ab dem 01. Januar 2000 eine Rente wegen EU auf Dauer zu, wobei sie weiterhin einen mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit eingetretenen Versicherungsfall zugrunde legte. Grundlage der Leistungsbeurteilung war ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr C vom 04. November 1999 der nach Untersuchung des Klägers am 02. November 1999 im Beisein einer Tochter des Klägers als Leiden auf seinem Fachgebiet ein depressives Syndrom unklare Genese formulierte hatte. Der Kläger sei nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten halb- bis untervollschichtig zu verrichten.
Nachdem der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B den Kläger am 25. September 2001 erstmals unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin erneut untersucht und in seinem Gutachten vom 28. September 2001 die Auffassung vertreten hatte, der Kläger könne trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet (einem dysthymen Syndrom) noch 6 Stunden und mehr körperlich leichte Arbeiten verrichten, entzog die Beklagte - gestützt auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 18. Oktober 2001 und 12. November 2001, Letzteres unter Beifügung des Gutachtens) - dem Kläger die EU-Rente ab dem 01. April 2002 mit der Begründung, sein Gesundheitszustand habe sich gebessert, so dass ein Anspruch auf Berufsunfähigkeits (BU)- bzw EU-Rente nicht mehr bestehe (Bescheid vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002). Mit Ablauf des Monats April 2002 stellte sie die Rentenzahlungen ein.
Während des sich anschließenden Klageverfahren hat sich der Kläger, dessen Sohn drei Monate zuvor an den Folgen eines Unfalls verstorben war, vom 21. August 2002 bis zum 10. September 2002 in stationärer Behandlung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Am Urban befunden, in die er mit dem Bild einer depressiven Episode aufgenommen wurde und aus der er nach Erreichen des Therapieziels in ausgeglichener Stimmung und deutlich verbesserter affektiver Modulationsfähigkeit sowie unter Verschwinden der somatischen Beschwerden in die ambulante Weiterbehandlung entlassen wurde (Entlassungsbericht vom 24. Januar 2003).
Das Sozialgericht (SG) hat Berichte der behandelnden Ärzte angefordert, ua des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr van Hvom 5. Februar 2003 und der Praktischen Ärzte Dres M vom 27. Januar 2003. Dr van Hhatte angegeben, dass er während des Berichtszeitraumes vom 7. Mai 1997 bis zum 4. November 2002 keine wesentlichen Veränderungen im Gesundheitszustand des Kläger habe erkennen können und der Kläger seines Erachtens nicht mehr in der Lage sei, körperlich leichte Arbeiten über 3 Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger sei wegen einer depressiven Episode vom 21. August 2002 bis zum 10. September 2002 stationär behandelt und ohne wesentliche Besserung entlassen worden. Dres M wiederum hatten den Kläger wegen eines schweren depressiven Syndroms und des Verdachtes auf Suizidialität als nicht mehr arbeitsfähig angesehen.
Sodann hat das SG den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr B zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Er hat den Kläger am 13. August 2003 im Beisein eines Dolmetschers untersucht und am selben Tag sein Gutachten erstattet. Er hat als führendes Leiden auf seinem Fachgebiet eine Dysthymie mit Somatisierungsstörungen diagnostiziert, den Kläger aber noch für fähig erachtet, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu arbeiten. Die von ihm als Gutachter angenommenen Einschränkungen bestünden in der vorliegenden Ausprägung seit mindestens 1998. Eine wesentliche Änderung sei nach kritischer Bewertung der nervenärztlichen Gutachten seit 1998 nicht eingetreten.
Der Kläger hat zuletzt vor dem SG beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung seit dem frühest möglichen Zeitpunkt zu gewähren.
Das SG hat mit Urteil vom 02. Juni 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002, dessen Rechtsgrundlage § 48 SGB X sei, sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid vom 13. Dezember 1999 für die Zukunft aufzuheben, da der Kläger nicht mehr erwerbsunfähig sei. Die Kammer stütze ihre entsprechende Überzeugung auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Nicht folgen könne die Kammer jedoch der Einschätzung dieses Sachverständigen, wonach dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Rentenanspruch zugestanden habe. Gegen die Richtigkeit einer solchen Einschätzung sprächen die Vorgutachten. Obwohl die Kammer davon ausgehe, dass die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen BU im Verfahren der Aufhebung der gewährten Rente hätte prüfen und bescheiden müssen, stehe dem Kläger eine solche Rente nach dem medizinischen Beweisergebnis nicht zu. Gleiches gelte für einen Rentenanspruch nach neuem Recht, also eine Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Der Sachverständige Dr B hat auf Veranlassung des Senats am 09. Oktober 2004 eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme abgegeben und ist darin bei seiner Einschätzung geblieben, seit 1998 sei eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht eingetreten. Die Beklagte hat hieran unter Berufung auf die Stellungnahme des Leiters des Gutachter- und Obergutachterdienstes Dr B, eines Internisten und Kardiologen, vom 14. Dezember 2004 Kritik geübt. Bei der Art der Erkrankung des Klägers könne grundsätzlich nicht von einem konstant verlaufenden Krankheitsbild ausgegangen werden. Aufgrund der zeitnahen Beurteilung des Krankheitsbildes sei den Gutachten aus den Jahren 1998 und 1999 der Vorzug zu geben.
Mit Schreiben vom 29. September 2004 hat der Senat prozessuale Hinweise mit Blick auf die vom Kläger gestellten Anträge erteilt; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. Juni 2004 zu ändern und den
Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Gegenstand des Rechtsstreites (iS von § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist allein die im Bescheid vom 20. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 verlautbarte Entziehung der dem Kläger zuvor gewährten (Dauer-)Rente wegen EU ab dem 1. April 2002 und damit der Entziehung des Stammrechts. Einen weitere Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X enthält dieser Bescheid nicht, insbesondere keinen, mit dem eine Rente wegen EU bzw BU bzw eine der drei Erwerbsminderungsrenten nach der ab dem 1. Januar 2001 bestehenden Rechtslage abgelehnt oder eine Rente wegen BU entzogen worden wäre. Zwar hat die Beklagte in dem nämlichen Bescheid auch Ausführungen dazu gemacht, dass der Kläger ihrer Auffassung nach keinen Anspruch mehr auf eine BU- oder EU-Rente habe. Bei diesen Ausführungen handelt es aber sich lediglich um die Begründung der aufhebenden Entscheidung. Regelungscharakter kommt ihnen nicht zu, weswegen sie auch nicht einen, eine Rente wegen EU bzw BU ablehnenden Verwaltungsakt bzw einen eine Rente wegen BU entziehenden Verwaltungsakt beinhalten. Letzteres folgt schon daraus, dass die Rente wegen BU gegenüber einer Rente wegen EU im Rechtssinne ein aliud und kein - wie das SG meint - Minus darstellt, obwohl die zuletzt genannte die zuerst genannte in gesundheitlicher Hinsicht umschließt, mit der Folge, dass die Entziehung einer Rente wegen EU auf Dauer nicht zugleich als Entziehung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer gewertet werden kann (BSG SozR Nr 17 zu § 1286 RVO; vgl auch BSG SozR 3-2600 § 101 Nr 2). Damit steht in Einklang, dass die Beklagte dem Kläger in keinem der ihn betreffenden Rentenbewilligungsbescheide, insbesondere nicht in dem vom 13. Dezember 1999, eine Rente wegen BU zuerkannt hatte, die sie ihm hätte entziehen können.
Für die Beurteilung der vom Kläger erhobenen reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alternative SGG) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses (genauer: Bekanntgabe) des aufhebenden Bescheides vom 20. Februar 2002 oder - falls wie hier ein Widerspruchsverfahren stattgefunden hat - des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2002 (genauer: des in diesen Bescheiden verlautbarten aufhebenden Verwaltungsaktes) maßgebend. Änderungen der Sach- und Rechtslage im Verlauf des Gerichtsverfahrens beeinflussen die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides nicht. Sie sind im Rahmen der Anfechtungsklage unbeachtlich (zur Entziehung von Verletztenrente vgl BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 18; vgl ferner BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 5 S 25; SozR 3-1300 § 48 Nr 57 und zuletzt Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 9 SB 4/02 R).
Eine Ausnahme von dem Grundsatz kommt auch unter dem Gesichtspunkt einer Dauerwirkung des angefochtenen Aufhebungsbescheides (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) nicht in Betracht. Ein Bescheid, mit dem - wie hier - ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wegen ursprünglicher Unrichtigkeit (§ 45 SGB X) oder wegen einer Änderung der Verhältnisse zu Lasten des Begünstigten (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X) aufgehoben wird, ist selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil er sich im Entzug der vormals festgestellten Rente erschöpft (BSG SozR 1300 § 45 Nr 5 S 8 mwN; vgl Steinwedel, Kasseler Komm RdNr 21 zu § 45 SGB X).
Die Beklagte konnte den Bescheid vom 13. Dezember 1999 weder nach § 48 SGB X noch nach § 45 SGB X aufheben. Für die Aufhebung nach § 48 SGB X fehlt es an eine Veränderung der Verhältnisse und damit einer nachträglichen Rechtswidrigkeit (dazu sogleich unter 1.). Soweit damit allein eine Aufhebung wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit der aufzuhebenden Entscheidung gemäß § 45 SGB X in Betracht kommt, unterliegt der Prüfung des Senates, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen Aufhebung erfüllt sind, obwohl sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid, dessen Fassung insoweit wegen der Regelung des § 95 SGG maßgebend ist, nicht auf § 45 SGB X, sondern auf § 48 SGB X bezogen hat, da insoweit lediglich eine gleich bleibende Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt würde ( so genanntes Nachschieben von Gründen: BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 9; wegen des unveränderten Verfügungssatzes handelt es sich auch nicht um eine Umdeutung iSv § 43 SGB X). Eine auf § 45 SGB X gestützte Aufhebung scheitert jedoch daran, dass sie gegenüber dem nicht bösgläubigen Kläger nicht innerhalb der Zweijahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X vorgenommen worden ist (dazu sogleich unter 2.)
1. Die anfängliche Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 13. Dezember 1999 bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses (genauer: Bekanntgabe; vgl §§ 37, 39 SGB X) rechtswidrig war. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt bestand kein Stammrecht auf EU-Rente, weil ein entsprechender Versicherungsfall der EU nicht eingetreten war.
Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen EU richtet sich noch nach § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert; aufgehoben durch Art 1 Ziff 11, Art 24 Abs 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I Nr 57 Seite 1827), weil der Kläger (auch) Leistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 2001 begehrt und den Rentenantrag vor diesem Zeitpunkt gestellt hatte (§ 300 Abs 2 SGB VI).
Nach § 44 Abs 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen EU, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach Abs 2 der Vorschrift sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in einer gewissen Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab dem 1. April 1999: monatlich 630 DM) übersteigt (Satz 1 1. Halbsatz). Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 2 Nr 2). Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten muss also allein wesentlich wegen Krankheit oder Behinderung "auf nicht absehbare Zeit", dh für eine Dauer von mehr als 26 Wochen eingeschränkt sein. Diese zeitliche Grenze ist aus § 101 Abs 1 SGB VI herzuleiten, wonach befristete Renten nicht vor Beginn des 7. Kalendermonates nach Beginn der Minderung geleistet werden (vgl BSG SozR 2200 § 1247 Nr 16). Ob eine Beeinträchtigung auf nicht absehbare Zeit vorliegt, ist ggf rückschauend zu ermitteln. Wird festgestellt, dass die Leistungsunfähigkeit tatsächlich länger als 26 Wochen angedauert hat, so ist der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sofort bei Beginn der Leistungsunfähigkeit eingetreten, gleichgültig, ob Aussicht auf Behebung bestand oder besteht; eine solche Aussicht auf Behebung hat dann nur Bedeutung für die Dauer der Rente, nicht jedoch für den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit (vgl BSG aaO).
Dass ein entsprechender Versicherungsfall nicht eingetreten war, steht zur Überzeugung des Senates unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B (Gutachten vom 13. August 2003 idF vom 9. Oktober 2004) fest.
Dabei ist zunächst einmal festzuhalten, dass Dr Bim Gegensatz zu den psychiatrischen Vorgutachtern das seelische Leiden des Klägers zwar als Dysthymie bezeichnet hat, die von dieser Bezeichnung abweichenden Formulierungen der vorliegenden Gesundheitsstörung in den Vorgutachten (chronifizierte Depression, depressives Syndrom bzw neurotisches Syndrom) in der Sache aber kein anderes Krankheitsbild beschreiben, sondern nur eine ältere Begrifflichkeit darstellen. Da dies auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird, bedarf es keiner Vertiefung.
Abweichend zum Gutachten von Dr C fällt hingegen die Leistungsbeurteilung durch Dr Baus. Er hat ausgeführt, der Kläger sei noch fähig, vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen (Ausschluss von Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Zugluft; Arbeiten nur im Wechsel der drei Haltungsarten oder überwiegend im Sitzen; Vermeidung einseitiger körperlicher Belastungen sowie von Arbeiten unter Zeitdruck und Akkord- und Fließbandtätigkeiten; keine Tätigkeiten an laufenden Maschinen; Beschränkung des Hebens und Tragens von Lasten auf 10 bis 15 Kg; keine Nachtschichten und keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten) zu verrichten. Der Kläger sei noch in der Lage, einfache geistige Arbeiten zu verrichten. Lese- und Schreibgewandtheit in deutscher Sprache seien nicht vorhanden, die Auffassungsgabe, die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit seien in Bezug auf einfache Arbeiten nicht, die Lern- und Merkfähigkeit sowie das Gedächtnis seien nicht wesentlich reduziert. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei nicht herabgesetzt. Die von ihm als Gutachter angenommenen Einschränkungen bestünden in der vorliegenden Ausprägung seit mindestens 1998. Eine wesentliche Änderung sei nach kritischer Bewertung der nervenärztlichen Gutachten seit 1998 nicht eingetreten.
Diese Leistungsbeurteilung ist nicht nur bezogen auf den Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr B(13. August 2003), sondern auch und gerade mit Blick auf den angenommenen Zeitpunkt, ab dem sie Gültigkeit beanspruchen soll, überzeugend, denn sie beruht auf einer fachgerechten Gutachtenerstattung, die eine ausführliche Anamnese und eine Untersuchung des Klägers umfasste, wobei beides im schriftlichen Gutachten ausführlich dokumentiert ist. Dabei wird nachvollziehbar, warum der Gutachter zu der abgegebenen Bewertung kommt.
Gegen die Richtigkeit der von Dr B gewonnenen Überzeugung, es habe aus Sicht seines Fachgebietes seit 1998 keine wesentliche Veränderung im Leistungsbild des Klägers stattgefunden, spricht weder das Gutachten des Arztes B noch - entgegen der Auffassung von Dr B - das Gutachten von Dr C
Das Gutachten des Neurologen und Psychiaters B ist zu der Fragestellung, ob Veränderungen im beruflichen Restleistungsvermögen des Klägers eingetreten sind, unergiebig. Zunächst nimmt der Gutachter nicht ausdrücklich dazu Stellung, ob aus seiner Sicht Änderungen des Gesundheitszustandes und/oder des Leistungsvermögens im Vergleich zu früheren Begutachtungszeitpunkten eingetreten waren. Aus seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung lässt sich nicht ablesen, dass er eine solche Veränderung festgestellt hätte, denn seine Ausführungen sind auf die 6-Stunden-Grenze bezogen, die im neuen Recht der Erwerbsminderungsrenten entscheidend ist. Sie lassen mithin nicht erkennen, welche Haltung der Gutachter Bzu der nach altem Recht - und damit auch für eine Aufhebungsentscheidung - entscheidenden Fragestellung einnimmt, ob (im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr C wie im Zeitpunkt der eigenen Untersuchung) ein werktägliches Leistungsvermögen von acht Stunden gegeben war oder nicht.
Dr C hat in seinem Gutachten keine beweiskräftigen Feststellungen getroffen, die das Ergebnis des Gerichtsgutachtens - unverändertes, rechtlich nicht EU begründendes Leistungsvermögen seit 1998 - begründet in Frage stellen. Soweit Dr Cin seinem Gutachten vom 04. November 1999 ein nur halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen angenommen hat, sind seine Ausführungen nicht überzeugend, da sie nicht mit psychiatrischen Befunden unterlegt sind, aus denen sich erschließen würde, warum eine weitgehende quantitative Leistungseinschränkung anzunehmen war, und weil Dr C auch keinen Begründungsaufwand leistet, aufgrund dessen nachvollziehbar würde, warum eine fachmedizinische Beurteilung der erhobenen Befunde den Schluss auf ein zeitlich weitgehend eingeschränktes Leistungsvermögen erlaubte. Im Übrigen krankt bereits die Befunderhebung daran, dass Dr C sich keines qualifizierten Dolmetschers bedient hat, sondern insoweit offenbar - und nicht etwa im Rahmen einer Fremdanamnese - die Tochter des Klägers herangezogen hat. Dass damit kein überzeugungskräftiges Gutachten mit belastbaren Ergebnissen gelungen ist, spiegeln auch die formulierten Ergebnisse, wenn Dr C darlegt, das Leistungsvermögen des Klägers "erscheine noch eingeschränkt" und einräumt, die Beurteilung sei im Hinblick auf die wenig ergiebige Anamnese/Untersuchung erschwert und auch die differenzialdiagnostische Einbeziehung des "früher diskutierten hirnorganischen Psychosyndroms sei nicht so einfach möglich". Damit folgt schon aus der Gegenüberstellung und der Bewertung der jeweiligen Überzeugungskraft der Gutachten von Dr C und Dr B, dass hier bei der Beurteilung des beruflichen Restleistungsvermögens des Klägers im Zeitpunkt der Gewährung einer unbefristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit die Feststellungen von Dr B zugrunde zu legen sind, obwohl die Untersuchung von Dr C zeitnäher ist.
Danach ist die Argumentation von Dr B in seiner Rückäußerung vom 09. Oktober 2004 nur noch ergänzend in die Betrachtung einzubeziehen. Soweit Dr Bes für nachvollziehbar gehalten hat, dass Dr C zum Zeitpunkt seiner Untersuchung einen chronifizierten Verlauf der seelischen Erkrankung des Klägers angenommen und aufgrund dieser Bewertung des Krankheitsbildes zu der von ihm vorgenommen Einschätzung der Restleistungsfähigkeit gekommen sei, so hat sich doch im Nachhinein - wie der Gerichtssachverständige überzeugend, weil nachvollziehbar dargelegt hat - die damalige Annahme von Dr C als unrichtig erwiesen, wie sowohl der Erfolg der vom 21. August 2002 bis zum 10. September 2002 durchgeführten Therapie, als auch die Würdigung des psychiatrischen Befundes (keine mittelschwer bis schwer ausgeprägte Symptomatik) belegt. Soweit Dr van Hin seinem Bericht vom 5. Februar 2003 den Therapieerfolg bestreitet, wird seine Beurteilung durch den Entlassungsbericht vom 24. Januar 2003 widerlegt.Dass ein schweres depressives Syndrom – anders als die Ärzte Dres Min ihrem Bericht vom 27. Januar 2003 glaubten feststellen zu müssen - zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hat, ergibt sich schon daraus, dass keiner der in dem Verfahren eingeschalteten Fachgutachter eine solche Diagnose je gestellt hat. Angesichts dieses Zusammenhangs ist aber das Bestehen von EU ebenfalls ausgeschlossen, da es - wie dargelegt - nicht auf eine Prognose, sondern auf eine rückschauende Betrachtung ankommt. Auf das Vorliegen eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Dauerrentengewährung kann im Übrigen auch nicht aufgrund des am 19. November 1998 erstatteten Gutachtens der Nervenärztin G geschlossen werden. Abgesehen davon, dass dieses Gutachten in Anamnese sowie Untersuchungs- und Ergebnisdarstellung exakt mit denselben Problemen behaftet ist, die auch der Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr C entgegenstehen (insbesondere auch hier keine qualifizierte Sprachmittlung stattgefunden hat), misst es sich selbst nicht die Bedeutung zu, mehr als den aktuellen und keineswegs als änderungsfest dargestellten sozialmedizinischen Stand zu erfassen. Es trifft damit insbesondere keine Aussagen zu den medizinischen Voraussetzungen des (Fort-)Bestehens eines Versicherungsfalls der EU bis zum Dezember 1999.
2. Gemäß § 45 Abs 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, unter bestimmten Einschränkungen zurückgenommen werden. Für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung gilt nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X die Einschränkung, dass eine Rücknahme grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts möglich ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil vor Zugang des Aufhebungsbescheides vom 20. Februar 2002 die seit Bekanntgabe des Bescheides vom 13. Dezember 1999 laufende zweijährige Ausschlußfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X verstrichen war. Wie aus den weiteren Vorschriften des § 45 Abs 3 SGB X hervorgeht, setzt die Maßgeblichkeit dieser Frist voraus, dass der durch den rechtswidrigen Bescheid mit Dauerwirkung Begünstigte guten Glaubens war, dh, dass auf ihn die in § 45 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB X iVm Abs 2 Satz 3 geregelten Ausnahmevorschriften nicht zutrafen. Dies ist hier der Fall.
Unstreitig war der Kläger zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 13. Dezember 1999 in gutem Glauben, so dass mit Bekanntgabe dieses Bescheides die Zweijahresfrist des § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X zu laufen begann. Es ist auch nicht etwa dadurch, dass dem Kläger noch vor Ablauf der Zweijahresfrist die Anhörungsschreiben vom 18. Oktober 2001 und 12. November 2001 zugegangen sind, eine neue Frist, nämlich die für bösgläubig Begünstigte geltende Zehnjahresfrist (§ 45 Abs 3 Satz 3 SGB X), in Lauf gesetzt worden. Die Maßgeblichkeit dieser Frist würde voraussetzen, dass die Tatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 oder Nr 3 SGB X gegeben waren. Der hier allein in Betracht zu ziehende Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Bescheides) lag zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Denn die frühestens im Moment der Bekanntgabe des Gutachtens von Dr Bvom 13. August 2003 erlangte Kenntnis von der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Bewilligung reicht für die Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X nicht aus. Die Bösgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des begünstigenden Bescheides muss zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes vorgelegen haben (so BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 24 S 82 mwN und SozR 3-1300 § 45 Nr 39; so auch für erst durch die Mitteilung des Leistungsträgers bewirkte nachträglichen "Bösgläubigkeit": Steinwedel in Kasseler Kommentar, RdNr 41 zu § 45 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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