Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AY 41/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 B 11/05 AY ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Regelungsanordnung ohne vorherigen förmlichen Antrag bei der Behörde ist zulässig, wenn Eilbedürftigkeit hinsichtlich der begehrten Regelung vorliegt und die Behörde mit Wahrscheinlichkeit dem Begehren nicht entsprechen würde. Zur Wahrnehmung des Sorgerechts des Empfängers von Leistungen nach AsylbLG für sein leibliches Kind können bei verschiedenen Wohnsitzen Fahrtkosten gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG erstattet werden, bis über den Antrag auf Wohnsitzänderung entschieden ist. Die Wahrnehmung des unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 GG stehenden Sorgerechts ist ein besonderes Bedürfnis des Kindes und ist daher zu fördern. Erstattungsfähig sind jeweils die Kosten für den günstigsten Tarif der öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Regelung, wonach die Kostenerstattung gegen Vorlage eines entwerteten Fahrscheines erfolgt, ist zur Vermeidung von Missbrauch zulässig.
Der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 11. November 2005 wird abgeändert.
Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer ab Januar 2006 bis zur Entscheidung über dessen Antrag auf ständige Wohnsitznahme in Dessau gegen Vorlage eines entsprechenden entwerteten Fahrausweises der Deutschen Bundesbahn einmal pro Monat 26,- EUR zu erstatten.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegner hat dem Beschwerdeführer die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes noch über die Kostenübernahme für eine Bahnfahrt von Gardelegen nach Dessau und zurück einmal pro Monat.
Der am ... 1975 geborene Beschwerdeführer stammt aus G ...-B ... Er beantragte am 03. Februar 2003 die Gewährung von Asyl nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Für die Dauer des Verfahrens wurde ihm G ... als Wohnort zugewiesen. Der Beschwerdeführer hatte ab März 2003 Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von insgesamt 432,51 EUR erhalten. Nach Abzug der Mietkosten wurden ihm 194,29 EUR ausgezahlt. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 26. Januar 2004, das am 16. März 2004 in Rechtskraft erwachsen ist, abgelehnt.
Der Aufforderung des Beschwerdegegners vom 08. April 2004, auszureisen bzw. sich Ausweispapiere zu beschaffen, kam der Beschwerdeführer nicht nach. Deshalb gewährte der Beschwerdegegner mit Bescheid vom 14. Mai 2004 ab Juni 2004 nur noch Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 360,93 EUR. Davon wurden dem Beschwerdeführer 122,71 EUR ausgezahlt.
Mit Fax vom 01. Oktober 2005 legte der Beschwerdeführer "Widerspruch" gegen die gekürzte Leistungserbringung für die Zeit ab dem 01. Juli 2005 ein. Er machte geltend, dass unabhängig von der möglicherweise von ihm zu vertretenden Passlosigkeit nunmehr ein rechtliches Abschiebehindernis vorliege. Er sei Vater eines am 06. Juli 2005 geborenen Kindes. Dessen Mutter sei eine polnische Staatsangehörige, die derzeit in Scheidung von ihrem deutschen Ehemann lebe. Der Beschwerdeführer halte sich viel bei seinem Kind und dessen Mutter in D ... auf und nehme die Betreuung wahr. Er fügte eine Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft und eine Zustimmungserklärung des deutschen Ehemannes vom 12. April 2005 bei. Am 5. Oktober 2005 wurde ausweislich der Verwaltungsakte ein Ausreisehindernis aktenkundig gemacht. Nach einem handschriftlichen Vermerk vom 11. Oktober 2005 sei ab dem 01. Oktober 2005 wieder "volle Leistung" zu erbringen.
Der Beschwerdeführer hat am 23. Oktober 2005 beim Sozialgericht Stendal im Wege einer einstweiligen Anordnung die Zahlung von vorläufigen Leistungen nach § 3 AsylbLG sowie - erstmals - die Kostenübernahme für eine Bahnfahrt im Monat von G ... nach D ... und zurück beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes müsse er oft nach D ... fahren. Die Mutter seines Kindes beziehe selbst Arbeitslosengeld II und habe insgesamt drei Kinder. Diese hat am 22. Oktober 2005 schriftlich bestätigt, der Beschwerdeführer übernehme die Betreuung des Kindes und es bestehe eine echte Vater-Tochter-Beziehung. Ferner hat der Beschwerdeführer eine Fahrplanauskunft der Deutschen Bundesbahn beigefügt. Danach betrügen die Fahrtkosten für eine Hin- und Rückfahrt von D ... Hauptbahnhof nach G ... je nach Zugverbindung 50,00 bis 53,70 EUR.
Der Beschwerdegegner hat mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 01. Oktober 2005 anerkannt. Die Übernahme einer monatlichen Bahnfahrt lehne er ab, da sich ein Anspruch nicht aus § 6 AsylbLG ergebe. Zwar liege die Wahrnehmung des Umgangsrechts im Interesse des Kindes. Die Notwendigkeit der Kostenübernahme sei aber nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer halte sich seit geraumer Zeit regelmäßig mehrmals monatlich, zum Teil mehrere Tage, in D ... auf, ohne dass er bisher finanzieller Unterstützung bedurft hätte. Durch die nunmehr gewährte höhere Leistung nach § 3 AsylbLG stünden ihm ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach dem SGB II und dem SGB XII seit dem 01. Januar 2005 nur in wenigen Fällen Anspruch auf einmalige Leistungen bestehe. Eine darüber hinaus gehende Leistungsgewährung sei nicht möglich.
Der Beschwerdeführer hat ergänzend darauf hingewiesen, dass er mittlerweile einen Antrag auf ständige Wohnsitznahme in D ... gestellt habe. Für die Fahrtkostenübernahme sei das nach § 6 AsylbLG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert, weil bei einer Nichtgewährung das soziokulturelle Existenzminimum unterschritten sei. Anders als im SGB II und SGB XII seien die Regelsätze für Asylbewerber zum Januar 2005 nicht erhöht worden. Auch diese Gesetze böten die Möglichkeit besonderer Leistungen zur Wahrnehmung des Umgangsrechts.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 11. November 2005 abgelehnt und den Beschwerdegegner zur Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers verpflichtet. Der nur noch verfolgte Antrag auf Übernahme der Fahrtkosten sei zulässig, aber unbegründet. Es könne offen bleiben, ob ein Anordnungsanspruch vorliege, da bereits kein Anordnungsgrund bestehe. Der Beschwerdeführer erhalte seit Oktober 2005 Leistungen nach § 3 AsylbLG, die monatlich ca. 51,- EUR über den bisherigen Leistungen lägen. Davon könne er die Fahrtkosten bestreiten. Zum anderen hätte er schon im Juli 2005 den Antrag auf Wohnsitznahme in D ... stellen können. Da einem solchen Antrag grundsätzlich entsprochen werde, hätte sich das Fahrtkostenproblem zum heutigen Tage nicht gestellt. Der Beschwerdegegner sei aber zur Übernahme der Hälfte der Kosten verpflichtet, weil ihm das Abschiebungshindernis seit dem 05. Oktober 2005 bekannt gewesen sei. Bis zum 23. Oktober 2005 habe er den Beschwerdeführer nicht informiert, dass ihm wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt würden. Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund hätten insoweit vorgelegen.
Gegen den am 12. November 2005 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer beim Sozialgericht Stendal am 24. November 2005 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, ein Anordnungsgrund liege vor. Er müsste bis zur Entscheidung in der Hauptsache seinen ganzen Taschengeldbetrag i. H. v. 40,90 EUR für die Fahrtkosten einsetzen. Dies würde zu Einschränkungen bei der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse führen. Dabei sei zu beachten, dass die Leistungsbeträge nach § 3 AsylbLG seit 1993 nicht erhöht worden seien. Im Übrigen bewege sich die Finanzierung einer monatlichen Bahnfahrt an der untersten Grenze des für das Kindeswohl Erforderlichen. Auch bei einem früher gestellten Antrag auf Änderung des Wohnsitzes hätte sich die Fahrtkostenfrage bis zu einer Entscheidung gestellt. Außerdem sei fraglich, ob dem gestellten Antrag stattgegeben werde. Derzeit liege noch keine Entscheidung vor.
Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 11. November 2005 aufzuhe- ben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm im Wege der einstwei- ligen Anordnung vorläufig über Leistungen nach § 6 AsylbLG eine monatli- che Bahnfahrt von Gardelegen nach Dessau und zurück zu finanzieren.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führt er aus, der Beschwerdeführer werde ohne finanzielle Hilfe nicht an der Wahrnehmung seines Umgangsrechts gehindert. Er habe sich in der Vergangenheit des öfteren in D ... aufgehalten, z.B. zur Beurkundung der Vaterschaft. Die Mutter des Kindes habe zum Teil mehrtägige Aufenthalte in D ... angegeben. Auch habe er einen in D ... ansässigen Rechtsanwalt beauftragt. Schließlich habe er seit Januar 2005 nur noch unregelmäßig beim Sozialamt G ... vorgesprochen und dadurch deutlich geringere als die ihm zustehenden Leistungsbeträge erhalten. Er hat eine entsprechende Auflistung vorgelegt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde am 25. November 2005 nicht abgeholfen und sie dem erkennendem Senat vorgelegt.
Die Gerichtsakte des Sozialgerichts Stendal sowie die Verwaltungsakten des Beschwerdegegners lagen vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
II.
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 11. November 2005 ist statthaft und zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig eingelegt worden.
Die Beschwerde ist auch teilweise begründet, da der Beschwerdeführer Anspruch auf finanzielle Zuwendungen in Höhe von 26,- EUR für eine Bahnfahrt im Monat von G ... nach D ... und zurück gegen Vorlage eines entwerteten Fahrscheins der Deutschen Bundesbahn hat.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers vor dem Sozialgericht Stendal war im Sinne eines Antrags auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vor der Antragstellung beim Sozialgericht Stendal hat der Beschwerdeführer die Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG geltend gemacht, die er mit seinem als "Widerspruch" bezeichneten Antrag vom 01. Oktober 2005 bei dem Beschwerdegegner beantragt hat. Für die Zulässigkeit eines Antrages auf eine Regelungsanordnung hinsichtlich dieser Leistungen war nicht erforderlich, dass von dem Beschwerdegegner bereits ein Bescheid erteilt worden ist.
Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung war auch im Hinblick auf die hier nur noch umstrittene Kostenübernahme für eine Bahnfahrt zulässig, obwohl der Beschwerdeführer vorher keinen entsprechenden Antrag bei dem Beschwerdegegner gestellt hat. Ausnahmsweise kann ein Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung vorliegen, auch wenn vorher bei der Behörde kein förmlicher Antrag auf die Leistung gestellt worden ist. Dies setzt voraus, dass Eilbedürftigkeit vorliegt und mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass die zuständige Behörde einen entsprechenden förmlichen Antrag nicht positiv bescheiden würde (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 86 b, Rdnr. 26 b). Ein solcher Fall liegt hier vor, da der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 an das Sozialgericht ausdrücklich eine solche Kostenübernahme für eine Bahnfahrt abgelehnt hat.
3. Der Antrag des Beschwerdeführers ist auch teilweise begründet. Nach § 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind für eine einstweilige Anordnung der Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes (Anordnungsanspruch) und der Grund für die Dringlichkeit der Maßnahme (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
Dies ist hier gelungen, denn die den geltend gemachten Anspruch begründenden Tatsachen liegen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhaltes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor. Gleichzeitig überwiegen die bei Ablehnung der einstweiligen Anordnung für den Beschwerdeführer entstehenden Nachteile deutlich die mit ihrem Erlass verbundenden Folgen für den Beschwerdegegner.
a. Hier besteht nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Anordnungsanspruch im Sinne von § 6 Abs. 1 AsylbLG. Danach können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall u. a. zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern erforderlich sind. Die Wahrnehmung des Sorgerechts des Vaters gegenüber dem leiblichen Kind dient der Deckung eines besonderen Bedürfnisses im Sinne des § 6 Abs. 1 AsylbLG. Denn die in § 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelte Pflicht zur Sorge der Eltern für ihr Kind wird nicht durch die in §§ 3,4 AsylbLG genannten Leistungen gedeckt.
Der Beschwerdeführer hat über die mit der Anerkennung der Vaterschaft verbundene rechtliche Verpflichtung hinaus auch nach seinen insoweit unbestrittenen und durch die "Bescheinigung" der Mutter glaubhaften Angaben eine persönliche Beziehung zu dem Kind aufgenommen. Die Möglichkeit eines Elternteils, das Sorgerecht für sein Kind wahrzunehmen, ist ein besonderes Bedürfnis des Kindes, dessen Förderung nach Auffassung des Senats geboten ist. Das Sorgerecht steht als natürliches Elternrecht unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Seine Ausübung in Form von Entscheidungen über Erziehung und Pflege sowie des Aufbaus einer persönlichen Bindung erfordert eine räumliche Nähe. Falls diese wie hier wegen der verschiedenen Wohnsitze nicht gegeben ist, ist eine gewisse Mobilität notwendig. Daher ist für die begehrte Fahrtkostenerstattung die Vorschrift des § 6 Abs. 1 AsylbLG im Lichte des Verfassungsranges des elterlichen Sorgerechts anzuwenden. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die begehrte einmalige Kostenübernahme für eine Zugfahrt pro Monat nicht auf ein unverhältnismäßiges und überzogenes Fürsorgebedürfnis schließen lässt.
b. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts geht der Senat davon aus, dass hier auch ein Anordnungsgrund vorliegt und das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung hinsichtlich der begehrten monatlichen Bahnfahrt für den Beschwerdeführer unzumutbar ist.
Der Beschwerdeführer hat einen gegenwärtigen Bedarf hinsichtlich der begehrten finanziellen Unterstützung glaubhaft gemacht. Er nimmt regelmäßig das Sorgerecht für sein Kind war und muss zu diesem Zweck von seinem zugewiesenen Wohnort in G ... nach D ... fahren. Der geltend gemachte wirtschaftliche Bedarf kann auch nicht anderweitig, insbesondere nicht aus der bewilligten Regelleistung, gedeckt werden. Obwohl der Beschwerdeführer seit Oktober 2005 Leistungen nach § 3 AsylbLG erhält, würde er durch die zusätzlichen Aufwendungen für eine monatliche Zugfahrt erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden. Unstreitig decken die Leistungen nach § 3 AsylbLG nur das soziokulturelle Minimum ab. Der dabei zur Verfügung stehende Taschengeldbetrag von weniger als 50,-EUR würde beim monatlichen Kauf eines Sachsen-Anhalt-Tickets zu mehr als der Hälfte verbraucht werden.
Ohne die begehrte vorläufiger Regelung würde der Beschwerdeführer einen schweren Nachteil erleiden, da eine weitere Wahrnehmung des Sorgerechts bis zur endgültigen Entscheidung über die begehrte Kostenübernahme gefährdet wäre. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Wahrnehmung dieses Sorgerechts Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten natürlichen Elternrechts ist. Deshalb darf die Ausübung der Sorge nicht unzumutbar erschwert werden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005, L 7 SO 2117/05 ER-B zum Umgangsrecht eines geschiedenen Empfängers von Leistungen nach dem SGB II mit seinem Kind). Sollte der Umgang aus finanziellen Gründen nicht in dem gewünschten Maße möglich sein, könnte die Wahrnehmung des Sorgerechts später nicht mehr nachgeholt werden.
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist nicht darauf abzustellen, ob der Beschwerdeführer schon bei der Geburt des Kindes im Juli 2005 einen Antrag auf Wohnsitzänderung hätte stellen können. Angesichts des Umstandes, dass er erstmals mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Stendal am 23. Oktober 2005 diese Leistung beantragt hat, geht der Senat davon aus, dass er erst zu diesem Zeitpunkt eine für ihn verbindliche Entscheidung über den künftigen Umgang mit seinem Kind getroffen hat und seinen Sorgepflichten aus der Vaterschaft genügen wollte. Dies würde auch mit seinem zeitnah gestellten Antrag auf Wohnsitzverlegung nach D ... korrespondieren.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich offenbar bereits jetzt mehrfach monatlich in D ... aufhält und seine ihm zugewiesene Unterkunft in G ... nicht mehr regelmäßig nutzt, spricht ebenfalls nicht gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Auf welche Art und Weise der Beschwerdeführer die Strecke zwischen G ... und D ... bewältigt, kann hier offen bleiben. Er ist jedenfalls offenbar nicht im Besitz eines eigenen Kraftfahrzeuges und deshalb – falls sich andere Fahrtmöglichkeiten nicht bieten – auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. Ein Missbrauch des dem Beschwerdeführer eingeräumten Anspruches auf die Erstattung der Kosten einer Zugfahrt pro Monat für andere Zwecke ist ausgeschlossen, da die Kostenerstattung nur gegen Vorlage eines entsprechenden Fahrscheines zu erfolgen hat.
Auch aus der von dem Beschwerdegegner vorgelegten Auflistung über die nicht in Anspruch genommenen Leistungen in Jahre 2005 lässt sich nicht schließen, dass der Beschwerdeführer deshalb zur Wahrnehmung des künftigen Umgangsrechts mit dem Kind nicht finanziell bedürftig wäre. Er hat jedenfalls seit dem Antrag auf Wohnsitzverlegung und dem Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Bahnfahrt monatlich die ihm zustehenden Leistungen in vollen Umfang in Anspruch genommen. Für die Monate November und Dezember 2005 enthält die Auflistung der Beschwerdegegnerin die Angabe, dass er jeweils die ihm nach § 3 AsylbLG zustehende Summe erhalten hat.
c. Der vorläufige Leistungsanspruch ist gemäß § 6 Abs.1 Satz 2 AsylbLG nicht als Sach-, sondern als Geldleistung zu gewähren. Es wäre nicht praktikabel, wenn der Beschwerdeführer jeweils vor dem beabsichtigten Reisetag bei dem zuständigen Sozialamt eine entsprechende Fahrkarte als Sachleistung beantragen müsste. Gerade der Umgang mit einem Kleinkind muss flexibel gestaltet werden, da beispielsweise überraschende Erkrankungen eine unverzügliche Anreise nötig machen können.
Die monatliche Bahnfahrt vom Wohnort in G ... nach D ... und zurück ist lediglich in Höhe von 26,- EUR entsprechend der Kosten für ein "Sachsen-Anhalt-Ticket" erstattungsfähig. Der Senat hält die begehrte Kostenübernahme für eine reguläre Zugfahrkarte, die für eine Hin- und Rückfahrt mindestens 50,- EUR kostet, nicht für erforderlich. Zwar könnte der Beschwerdeführer dann außer Regionalbahnen und dem Regionalexpress auch einen Intercity nutzen. Der damit erreichte Zeitgewinn wäre jedoch minimal. Ausweislich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Übersicht über die Fahrtzeiten könnten bei Nutzung des Intercity allenfalls 14 Minuten bei der Hinfahrt gespart werden. Auch der Umstand, dass das "Sachsen-Anhalt-Ticket" nur zwischen 9 Uhr vormittags und 3 Uhr nachts sowie am Wochenende ab 0 Uhr gilt, ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Insoweit hat er keine anderweitigen Verpflichtungen, wie z. B. ein Arbeitsverhältnis, das ihm eine entsprechende Zeiteinteilung nicht möglich machen würde.
4. Die Kostenentscheidung erfolgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Begehren der Höhe nach etwa zur Hälfte erfolgreich ist.
Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob der Beschwerdegegner zu Recht zur Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens vor dem Sozialgericht verpflichtet worden ist, da dieser insoweit keine Beschwerde eingelegt hat. Zweifel könnten sich deshalb ergeben, weil dem bereits am 1. Oktober 2005 anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine telefonische Sachstandsanfrage bei dem Beschwerdegegner zumutbar gewesen wäre. Eine besondere materielle Notlage dürfte nicht bestanden haben, da der Beschwerdeführer im Monat Oktober 2005 nur 39,57 EUR als Barleistung in Empfang genommen hat.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer ab Januar 2006 bis zur Entscheidung über dessen Antrag auf ständige Wohnsitznahme in Dessau gegen Vorlage eines entsprechenden entwerteten Fahrausweises der Deutschen Bundesbahn einmal pro Monat 26,- EUR zu erstatten.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegner hat dem Beschwerdeführer die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes noch über die Kostenübernahme für eine Bahnfahrt von Gardelegen nach Dessau und zurück einmal pro Monat.
Der am ... 1975 geborene Beschwerdeführer stammt aus G ...-B ... Er beantragte am 03. Februar 2003 die Gewährung von Asyl nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Für die Dauer des Verfahrens wurde ihm G ... als Wohnort zugewiesen. Der Beschwerdeführer hatte ab März 2003 Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von insgesamt 432,51 EUR erhalten. Nach Abzug der Mietkosten wurden ihm 194,29 EUR ausgezahlt. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 26. Januar 2004, das am 16. März 2004 in Rechtskraft erwachsen ist, abgelehnt.
Der Aufforderung des Beschwerdegegners vom 08. April 2004, auszureisen bzw. sich Ausweispapiere zu beschaffen, kam der Beschwerdeführer nicht nach. Deshalb gewährte der Beschwerdegegner mit Bescheid vom 14. Mai 2004 ab Juni 2004 nur noch Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 360,93 EUR. Davon wurden dem Beschwerdeführer 122,71 EUR ausgezahlt.
Mit Fax vom 01. Oktober 2005 legte der Beschwerdeführer "Widerspruch" gegen die gekürzte Leistungserbringung für die Zeit ab dem 01. Juli 2005 ein. Er machte geltend, dass unabhängig von der möglicherweise von ihm zu vertretenden Passlosigkeit nunmehr ein rechtliches Abschiebehindernis vorliege. Er sei Vater eines am 06. Juli 2005 geborenen Kindes. Dessen Mutter sei eine polnische Staatsangehörige, die derzeit in Scheidung von ihrem deutschen Ehemann lebe. Der Beschwerdeführer halte sich viel bei seinem Kind und dessen Mutter in D ... auf und nehme die Betreuung wahr. Er fügte eine Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft und eine Zustimmungserklärung des deutschen Ehemannes vom 12. April 2005 bei. Am 5. Oktober 2005 wurde ausweislich der Verwaltungsakte ein Ausreisehindernis aktenkundig gemacht. Nach einem handschriftlichen Vermerk vom 11. Oktober 2005 sei ab dem 01. Oktober 2005 wieder "volle Leistung" zu erbringen.
Der Beschwerdeführer hat am 23. Oktober 2005 beim Sozialgericht Stendal im Wege einer einstweiligen Anordnung die Zahlung von vorläufigen Leistungen nach § 3 AsylbLG sowie - erstmals - die Kostenübernahme für eine Bahnfahrt im Monat von G ... nach D ... und zurück beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes müsse er oft nach D ... fahren. Die Mutter seines Kindes beziehe selbst Arbeitslosengeld II und habe insgesamt drei Kinder. Diese hat am 22. Oktober 2005 schriftlich bestätigt, der Beschwerdeführer übernehme die Betreuung des Kindes und es bestehe eine echte Vater-Tochter-Beziehung. Ferner hat der Beschwerdeführer eine Fahrplanauskunft der Deutschen Bundesbahn beigefügt. Danach betrügen die Fahrtkosten für eine Hin- und Rückfahrt von D ... Hauptbahnhof nach G ... je nach Zugverbindung 50,00 bis 53,70 EUR.
Der Beschwerdegegner hat mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 01. Oktober 2005 anerkannt. Die Übernahme einer monatlichen Bahnfahrt lehne er ab, da sich ein Anspruch nicht aus § 6 AsylbLG ergebe. Zwar liege die Wahrnehmung des Umgangsrechts im Interesse des Kindes. Die Notwendigkeit der Kostenübernahme sei aber nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer halte sich seit geraumer Zeit regelmäßig mehrmals monatlich, zum Teil mehrere Tage, in D ... auf, ohne dass er bisher finanzieller Unterstützung bedurft hätte. Durch die nunmehr gewährte höhere Leistung nach § 3 AsylbLG stünden ihm ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach dem SGB II und dem SGB XII seit dem 01. Januar 2005 nur in wenigen Fällen Anspruch auf einmalige Leistungen bestehe. Eine darüber hinaus gehende Leistungsgewährung sei nicht möglich.
Der Beschwerdeführer hat ergänzend darauf hingewiesen, dass er mittlerweile einen Antrag auf ständige Wohnsitznahme in D ... gestellt habe. Für die Fahrtkostenübernahme sei das nach § 6 AsylbLG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert, weil bei einer Nichtgewährung das soziokulturelle Existenzminimum unterschritten sei. Anders als im SGB II und SGB XII seien die Regelsätze für Asylbewerber zum Januar 2005 nicht erhöht worden. Auch diese Gesetze böten die Möglichkeit besonderer Leistungen zur Wahrnehmung des Umgangsrechts.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 11. November 2005 abgelehnt und den Beschwerdegegner zur Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers verpflichtet. Der nur noch verfolgte Antrag auf Übernahme der Fahrtkosten sei zulässig, aber unbegründet. Es könne offen bleiben, ob ein Anordnungsanspruch vorliege, da bereits kein Anordnungsgrund bestehe. Der Beschwerdeführer erhalte seit Oktober 2005 Leistungen nach § 3 AsylbLG, die monatlich ca. 51,- EUR über den bisherigen Leistungen lägen. Davon könne er die Fahrtkosten bestreiten. Zum anderen hätte er schon im Juli 2005 den Antrag auf Wohnsitznahme in D ... stellen können. Da einem solchen Antrag grundsätzlich entsprochen werde, hätte sich das Fahrtkostenproblem zum heutigen Tage nicht gestellt. Der Beschwerdegegner sei aber zur Übernahme der Hälfte der Kosten verpflichtet, weil ihm das Abschiebungshindernis seit dem 05. Oktober 2005 bekannt gewesen sei. Bis zum 23. Oktober 2005 habe er den Beschwerdeführer nicht informiert, dass ihm wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt würden. Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund hätten insoweit vorgelegen.
Gegen den am 12. November 2005 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer beim Sozialgericht Stendal am 24. November 2005 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, ein Anordnungsgrund liege vor. Er müsste bis zur Entscheidung in der Hauptsache seinen ganzen Taschengeldbetrag i. H. v. 40,90 EUR für die Fahrtkosten einsetzen. Dies würde zu Einschränkungen bei der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse führen. Dabei sei zu beachten, dass die Leistungsbeträge nach § 3 AsylbLG seit 1993 nicht erhöht worden seien. Im Übrigen bewege sich die Finanzierung einer monatlichen Bahnfahrt an der untersten Grenze des für das Kindeswohl Erforderlichen. Auch bei einem früher gestellten Antrag auf Änderung des Wohnsitzes hätte sich die Fahrtkostenfrage bis zu einer Entscheidung gestellt. Außerdem sei fraglich, ob dem gestellten Antrag stattgegeben werde. Derzeit liege noch keine Entscheidung vor.
Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 11. November 2005 aufzuhe- ben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm im Wege der einstwei- ligen Anordnung vorläufig über Leistungen nach § 6 AsylbLG eine monatli- che Bahnfahrt von Gardelegen nach Dessau und zurück zu finanzieren.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führt er aus, der Beschwerdeführer werde ohne finanzielle Hilfe nicht an der Wahrnehmung seines Umgangsrechts gehindert. Er habe sich in der Vergangenheit des öfteren in D ... aufgehalten, z.B. zur Beurkundung der Vaterschaft. Die Mutter des Kindes habe zum Teil mehrtägige Aufenthalte in D ... angegeben. Auch habe er einen in D ... ansässigen Rechtsanwalt beauftragt. Schließlich habe er seit Januar 2005 nur noch unregelmäßig beim Sozialamt G ... vorgesprochen und dadurch deutlich geringere als die ihm zustehenden Leistungsbeträge erhalten. Er hat eine entsprechende Auflistung vorgelegt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde am 25. November 2005 nicht abgeholfen und sie dem erkennendem Senat vorgelegt.
Die Gerichtsakte des Sozialgerichts Stendal sowie die Verwaltungsakten des Beschwerdegegners lagen vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
II.
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 11. November 2005 ist statthaft und zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig eingelegt worden.
Die Beschwerde ist auch teilweise begründet, da der Beschwerdeführer Anspruch auf finanzielle Zuwendungen in Höhe von 26,- EUR für eine Bahnfahrt im Monat von G ... nach D ... und zurück gegen Vorlage eines entwerteten Fahrscheins der Deutschen Bundesbahn hat.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers vor dem Sozialgericht Stendal war im Sinne eines Antrags auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vor der Antragstellung beim Sozialgericht Stendal hat der Beschwerdeführer die Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG geltend gemacht, die er mit seinem als "Widerspruch" bezeichneten Antrag vom 01. Oktober 2005 bei dem Beschwerdegegner beantragt hat. Für die Zulässigkeit eines Antrages auf eine Regelungsanordnung hinsichtlich dieser Leistungen war nicht erforderlich, dass von dem Beschwerdegegner bereits ein Bescheid erteilt worden ist.
Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung war auch im Hinblick auf die hier nur noch umstrittene Kostenübernahme für eine Bahnfahrt zulässig, obwohl der Beschwerdeführer vorher keinen entsprechenden Antrag bei dem Beschwerdegegner gestellt hat. Ausnahmsweise kann ein Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung vorliegen, auch wenn vorher bei der Behörde kein förmlicher Antrag auf die Leistung gestellt worden ist. Dies setzt voraus, dass Eilbedürftigkeit vorliegt und mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass die zuständige Behörde einen entsprechenden förmlichen Antrag nicht positiv bescheiden würde (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 86 b, Rdnr. 26 b). Ein solcher Fall liegt hier vor, da der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 an das Sozialgericht ausdrücklich eine solche Kostenübernahme für eine Bahnfahrt abgelehnt hat.
3. Der Antrag des Beschwerdeführers ist auch teilweise begründet. Nach § 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind für eine einstweilige Anordnung der Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes (Anordnungsanspruch) und der Grund für die Dringlichkeit der Maßnahme (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
Dies ist hier gelungen, denn die den geltend gemachten Anspruch begründenden Tatsachen liegen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhaltes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor. Gleichzeitig überwiegen die bei Ablehnung der einstweiligen Anordnung für den Beschwerdeführer entstehenden Nachteile deutlich die mit ihrem Erlass verbundenden Folgen für den Beschwerdegegner.
a. Hier besteht nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Anordnungsanspruch im Sinne von § 6 Abs. 1 AsylbLG. Danach können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall u. a. zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern erforderlich sind. Die Wahrnehmung des Sorgerechts des Vaters gegenüber dem leiblichen Kind dient der Deckung eines besonderen Bedürfnisses im Sinne des § 6 Abs. 1 AsylbLG. Denn die in § 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelte Pflicht zur Sorge der Eltern für ihr Kind wird nicht durch die in §§ 3,4 AsylbLG genannten Leistungen gedeckt.
Der Beschwerdeführer hat über die mit der Anerkennung der Vaterschaft verbundene rechtliche Verpflichtung hinaus auch nach seinen insoweit unbestrittenen und durch die "Bescheinigung" der Mutter glaubhaften Angaben eine persönliche Beziehung zu dem Kind aufgenommen. Die Möglichkeit eines Elternteils, das Sorgerecht für sein Kind wahrzunehmen, ist ein besonderes Bedürfnis des Kindes, dessen Förderung nach Auffassung des Senats geboten ist. Das Sorgerecht steht als natürliches Elternrecht unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Seine Ausübung in Form von Entscheidungen über Erziehung und Pflege sowie des Aufbaus einer persönlichen Bindung erfordert eine räumliche Nähe. Falls diese wie hier wegen der verschiedenen Wohnsitze nicht gegeben ist, ist eine gewisse Mobilität notwendig. Daher ist für die begehrte Fahrtkostenerstattung die Vorschrift des § 6 Abs. 1 AsylbLG im Lichte des Verfassungsranges des elterlichen Sorgerechts anzuwenden. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die begehrte einmalige Kostenübernahme für eine Zugfahrt pro Monat nicht auf ein unverhältnismäßiges und überzogenes Fürsorgebedürfnis schließen lässt.
b. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts geht der Senat davon aus, dass hier auch ein Anordnungsgrund vorliegt und das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung hinsichtlich der begehrten monatlichen Bahnfahrt für den Beschwerdeführer unzumutbar ist.
Der Beschwerdeführer hat einen gegenwärtigen Bedarf hinsichtlich der begehrten finanziellen Unterstützung glaubhaft gemacht. Er nimmt regelmäßig das Sorgerecht für sein Kind war und muss zu diesem Zweck von seinem zugewiesenen Wohnort in G ... nach D ... fahren. Der geltend gemachte wirtschaftliche Bedarf kann auch nicht anderweitig, insbesondere nicht aus der bewilligten Regelleistung, gedeckt werden. Obwohl der Beschwerdeführer seit Oktober 2005 Leistungen nach § 3 AsylbLG erhält, würde er durch die zusätzlichen Aufwendungen für eine monatliche Zugfahrt erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden. Unstreitig decken die Leistungen nach § 3 AsylbLG nur das soziokulturelle Minimum ab. Der dabei zur Verfügung stehende Taschengeldbetrag von weniger als 50,-EUR würde beim monatlichen Kauf eines Sachsen-Anhalt-Tickets zu mehr als der Hälfte verbraucht werden.
Ohne die begehrte vorläufiger Regelung würde der Beschwerdeführer einen schweren Nachteil erleiden, da eine weitere Wahrnehmung des Sorgerechts bis zur endgültigen Entscheidung über die begehrte Kostenübernahme gefährdet wäre. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Wahrnehmung dieses Sorgerechts Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten natürlichen Elternrechts ist. Deshalb darf die Ausübung der Sorge nicht unzumutbar erschwert werden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005, L 7 SO 2117/05 ER-B zum Umgangsrecht eines geschiedenen Empfängers von Leistungen nach dem SGB II mit seinem Kind). Sollte der Umgang aus finanziellen Gründen nicht in dem gewünschten Maße möglich sein, könnte die Wahrnehmung des Sorgerechts später nicht mehr nachgeholt werden.
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist nicht darauf abzustellen, ob der Beschwerdeführer schon bei der Geburt des Kindes im Juli 2005 einen Antrag auf Wohnsitzänderung hätte stellen können. Angesichts des Umstandes, dass er erstmals mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Stendal am 23. Oktober 2005 diese Leistung beantragt hat, geht der Senat davon aus, dass er erst zu diesem Zeitpunkt eine für ihn verbindliche Entscheidung über den künftigen Umgang mit seinem Kind getroffen hat und seinen Sorgepflichten aus der Vaterschaft genügen wollte. Dies würde auch mit seinem zeitnah gestellten Antrag auf Wohnsitzverlegung nach D ... korrespondieren.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich offenbar bereits jetzt mehrfach monatlich in D ... aufhält und seine ihm zugewiesene Unterkunft in G ... nicht mehr regelmäßig nutzt, spricht ebenfalls nicht gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Auf welche Art und Weise der Beschwerdeführer die Strecke zwischen G ... und D ... bewältigt, kann hier offen bleiben. Er ist jedenfalls offenbar nicht im Besitz eines eigenen Kraftfahrzeuges und deshalb – falls sich andere Fahrtmöglichkeiten nicht bieten – auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. Ein Missbrauch des dem Beschwerdeführer eingeräumten Anspruches auf die Erstattung der Kosten einer Zugfahrt pro Monat für andere Zwecke ist ausgeschlossen, da die Kostenerstattung nur gegen Vorlage eines entsprechenden Fahrscheines zu erfolgen hat.
Auch aus der von dem Beschwerdegegner vorgelegten Auflistung über die nicht in Anspruch genommenen Leistungen in Jahre 2005 lässt sich nicht schließen, dass der Beschwerdeführer deshalb zur Wahrnehmung des künftigen Umgangsrechts mit dem Kind nicht finanziell bedürftig wäre. Er hat jedenfalls seit dem Antrag auf Wohnsitzverlegung und dem Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Bahnfahrt monatlich die ihm zustehenden Leistungen in vollen Umfang in Anspruch genommen. Für die Monate November und Dezember 2005 enthält die Auflistung der Beschwerdegegnerin die Angabe, dass er jeweils die ihm nach § 3 AsylbLG zustehende Summe erhalten hat.
c. Der vorläufige Leistungsanspruch ist gemäß § 6 Abs.1 Satz 2 AsylbLG nicht als Sach-, sondern als Geldleistung zu gewähren. Es wäre nicht praktikabel, wenn der Beschwerdeführer jeweils vor dem beabsichtigten Reisetag bei dem zuständigen Sozialamt eine entsprechende Fahrkarte als Sachleistung beantragen müsste. Gerade der Umgang mit einem Kleinkind muss flexibel gestaltet werden, da beispielsweise überraschende Erkrankungen eine unverzügliche Anreise nötig machen können.
Die monatliche Bahnfahrt vom Wohnort in G ... nach D ... und zurück ist lediglich in Höhe von 26,- EUR entsprechend der Kosten für ein "Sachsen-Anhalt-Ticket" erstattungsfähig. Der Senat hält die begehrte Kostenübernahme für eine reguläre Zugfahrkarte, die für eine Hin- und Rückfahrt mindestens 50,- EUR kostet, nicht für erforderlich. Zwar könnte der Beschwerdeführer dann außer Regionalbahnen und dem Regionalexpress auch einen Intercity nutzen. Der damit erreichte Zeitgewinn wäre jedoch minimal. Ausweislich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Übersicht über die Fahrtzeiten könnten bei Nutzung des Intercity allenfalls 14 Minuten bei der Hinfahrt gespart werden. Auch der Umstand, dass das "Sachsen-Anhalt-Ticket" nur zwischen 9 Uhr vormittags und 3 Uhr nachts sowie am Wochenende ab 0 Uhr gilt, ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Insoweit hat er keine anderweitigen Verpflichtungen, wie z. B. ein Arbeitsverhältnis, das ihm eine entsprechende Zeiteinteilung nicht möglich machen würde.
4. Die Kostenentscheidung erfolgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Begehren der Höhe nach etwa zur Hälfte erfolgreich ist.
Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob der Beschwerdegegner zu Recht zur Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens vor dem Sozialgericht verpflichtet worden ist, da dieser insoweit keine Beschwerde eingelegt hat. Zweifel könnten sich deshalb ergeben, weil dem bereits am 1. Oktober 2005 anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine telefonische Sachstandsanfrage bei dem Beschwerdegegner zumutbar gewesen wäre. Eine besondere materielle Notlage dürfte nicht bestanden haben, da der Beschwerdeführer im Monat Oktober 2005 nur 39,57 EUR als Barleistung in Empfang genommen hat.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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