L 9 EG 158/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 200/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 158/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 12. Juni 2003 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Landeserziehungsgeld (LErzg) für den 25. mit 36. Lebensmonat (10.04.2000 bis 09.04.2001) ihres Sohnes M. streitig.

Die 1972 geborene Klägerin, eine verheiratete türki- sche Staatsangehörige, welche seit 08.07.1988 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, ist die Mutter des 1998 ge- borenen Sohnes M ... Sie lebte in den ersten Lebensjahren mit diesem und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt, betreute und erzog ihren Sohn und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus. Sie war bei der AOK Bayern, Direktion H., familienversichert. Durch Bescheid der Familienkasse beim Amt für Versorgung und Familienförderung M. vom 18.06.1998 und 08.03.1999 hatte sie für das 1. und 2. Lebensjahr des Kindes M. Bundeserziehungsgeld (BErzg) erhalten.

Der am 16.02.2002 gestellte Antrag auf Bewilligung von LErzg, wurde durch Bescheid vom 23.08.2002 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, ein Antrag auf das LErzg wirke nach Art.3 Abs.2 BayLErzGG höchstens sechs Monate zurück. Ein Antrag, der nicht spätestens binnen sechs Monaten nach Ende des Anspruchszeitraumes gestellt werde, könne daher nicht mehr zur Gewährung von LErzg führen. Der Anspruch für das Kind M. hätte am 09.04.2001 geendet; der Antrag sei erst am 12.03.2002 (richtig 16.02.2002) gestellt worden, also nicht innerhalb der sechs Folgemonate. Unabhängig von weiteren Voraussetzungen stehe bereits aus diesem Grunde LErzg nicht zu.

Der hiergegen erhobene Widerspruch, mit dem insbesondere geltend gemacht wurde, andere ausländische Eltern hätten für Kinder, die ab 1998 geboren seien, LErzg erhalten, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.10.2002). Bei Anwendung der sechsmonatigen Rückwirkung sei der mögliche Zeitraum für die Leistung von LErzg bereits verstrichen gewesen (bei Antragstellung am 12.03.2002 Rückwirkung bis längstens 12.09.2001).

Mit der Klage vom 11.11.2002 trug der Bevollmächtigte der Klägerin vor, die Leistungen nach dem LErzGG sollten in erster Linie dem Kind zugute kommen, so dass es keine Rolle spielen könne, wann der Antrag auf LErzg gestellt worden sei. Nachdem der Bevollmächtigte nur die von ihm beglaubigte Kopie einer Vollmacht vorgelegt hatte, forderte das Gericht die Originalvollmacht an. Es legte dem Bevollmächtigten die Notwendigkeit der Vorlage einer Vollmacht im Original im sozialgerichtlichen Verfahren unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG dar, belehrte ihn über die Folgen der Nichtvorlage und räumte Frist zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ein. Auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid wurde der Bevollmächtigte ebenfalls hingewiesen.

Nachdem weder eine Stellungnahme noch die Originalvollmacht eingegangen war, wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Juni 2003 als unzulässig ab.

Das Vorhandensein einer Vollmacht und die daran geknüpfte Zulässigkeit der Klage sei im sozialgerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu prüfen. Es sei deshalb das Vorhandensein einer Prozessvollmacht dem Gericht nachzuweisen. Dies könne nur durch die Vorlage der Vollmacht im Original erfolgen. Es reiche demnach zum Nachweis einer Prozessvollmacht im sozialgerichtlichen Verfahren nicht aus, dass der Prozessbevollmächtigte dem Gericht die ihm erteilte Vollmacht durch Telefax oder eine beglaubigte Fotokopie oder Abschrift mitteile.

Gegen den Gerichtsbescheid legte der Bevollmächtigte am 07.07.2003 Berufung ein. Das Gericht forderte den Bevollmächtigten zur Übersendung einer Prozessvollmacht im Original und zur Berufungsbegründung bis 10.09.2003 auf. Der als Bevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt bat um Fristverlängerung bis zum 15.09.2003. Auf die erneute Anforderung der Berufungsbegründung und der Übersendung einer Prozessvollmacht im Original vom 23.10.2003, Erinnerung vom 24.09.2004 und 10.10.2005 ging weder Vollmacht noch Äußerung ein. Mit Schreiben vom 08.11.2005, in dem auf die Ausführungen des Sozialgerichts ausdrücklich für das Berufungsverfahren Bezug genommen und darauf hingewiesen wurde, dass die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, sofern die Originalvollmacht nicht bis 20.11.2005 eingereicht werde, ging keine Stellungnahme oder Äußerung und auch keine Vollmacht ein.

In dem Parallelverfahren des Ehemannes der Klägerin (Az.: L 9 EG 159/03 ) war eine von der Klägerin unterzeichnete "Vollmacht" betreffend Az.: L 9 EG 159/03 vorgelegt worden, in der ein Bevollmächtigter nicht genannt ist.

In der mündlichen Verhandlung ist weder die Klägerin persönlich noch der als Bevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt erschienen. Diesem war die ordnungsgemäße Ladung zur mündlichen Verhandlung laut Postzustellungsurkunde vom 09.12.2005 zugestellt worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth vom 12. Juni 2003 sowie des Bescheides vom 23.08.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2002 zu verurteilen, ihr Landeserziehungsgeld für ihren Sohn M. für die Zeit vom 10.04.2000 bis 09.04.2001 zu bewilligen.

Der Beklagte stellt den Antrag, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Bayreuth sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte entscheiden, obwohl weder die Klägerin persönlich noch der als ihr bevollmächtigt auftretende Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die ordnungsgemäße Ladung wurde diesem laut Postzustellungsurkunde zugestellt (§ 110 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die statthafte, fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 141, 151 SGG) ist unzulässig, weil der für die Klägerin im Rechtsstreit auftretende Rechtsanwalt bis zur Entscheidung des Senats keine schriftliche Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten eingereicht hat. Eine Sachprüfung materiell-rechtlicher Fragen ist dem Senat bei dieser Rechtslage verschlossen.

Gemäß § 73 Abs.1 Satz 1 SGG können sich die Beteiligtem im sozialgerichtlichen Verfahren in jeder Lage des Verfahrens durch prozessfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Wie § 73 Abs.2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG bestimmt, ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen und bis zur Verkündung der Entscheidung zu den Akten einzureichen, sofern sie nicht zur Niederschrift des Gerichts erteilt wird. "Akten" im Sinne dieser Vorschrift sind die Gerichtsakten; denn die Vorschrift regelt die Prozessvertretung vor Gericht.

Wie das Bundessozialgericht im Urteil vom 13.12.2000, Az.: B 6 KA 29/00 R (SozR 3-1500 § 73 Nr.9) festhält, bestehen mit Rücksicht auf den Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 73 Abs.2 Satz 1 SGG keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass ein Richter nach Klageeingang oder später auf einer zu den Gerichtsakten bis zur Verkündung der die Instanz abschließenden Entscheidung einzureichenden schriftlichen Prozessvollmacht für das sozialgerichtliche Verfahren besteht und diese vom Bevollmächtigten anfordert. Dies gilt selbst für den Fall, dass dies routinemäßig geschieht und dass sich in den Akten des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens oder in einem anderen zugehörigen Vorgang bereits eine auf denselben Bevollmächtigten lautende, wie auch immer formulierte Vollmacht der Klägerin befinden sollte.

Vom als Bevollmächtigten auftretenden Rechtsanwalt wurde im Berufungsverfahren keine Vollmacht zu den Akten gereicht. Die im Klageverfahren übersandte Kopie einer Vollmacht genügt den Anforderungen des § 73 SGG nicht, vielmehr ist die Vorlage einer Vollmacht im Original erforderlich, wie sinngemäß dem Urteil des BSG vom 13.12.2000, a.a.O., zu entnehmen ist. Nicht ausreichend ist auch die vom als Bevollmächtigten auftretenden Rechtsanwalt im Verfahren des Ehemannes der Klägerin (Az.: L 9 EG 159/03) eingereichte Vollmacht. Sie bezieht sich zum einen ausdrücklich auf das Az.: L 9 EG 159/03 und damit auf das Verfahren des Ehemannes der Klägerin und nicht auf ihr eigenes Verfahren; zum anderen ist ein Bevollmächtigter in dieser Vollmacht nicht benannt.

Das Vorhandensein der Vollmacht und die daran geknüpfte Zulässigkeit der Berufung sind im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (so Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 in SozR 1500 § 73 Nr.4). Ist keine Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten gelangt, bedarf es allerdings, damit das Gericht die Berufung ohne Prüfung in der Sache als unzulässig verwerfen kann, regelmäßig einer vorherigen schriftlichen richterlichen Aufforderung an den Bevollmächtigten, binnen einer bestimmten Frist die fehlende Vollmacht zur Urkunde nachzureichen, verbunden mit dem Hinweis, dass die Klage andernfalls als unzulässig abgewiesen werden kann (u.a. BSG SozR 3-1500 § 73 Nr.2).

Im vorliegenden Fall wurde der Bevollmächtigte mehrmals an die Vorlage einer Prozessvollmacht im Original erinnert und schließlich mit Schreiben vom 08.11.2005 erneut zur Vorlage der Originalvollmacht aufgefordert und darüber informiert, dass die Berufung bei fehlender Originalvollmacht als unzulässig verworfen werden müsse. Dem Schreiben vom 08.11.2005 war in Kopie beigefügt das Schreiben des Sozialgerichts vom 14.05.2003, in dem dem Bevollmächtigten ausführlich die Rechtslage dargelegt worden war; seitens des Senats wurde ausdrücklich auf den Inhalt des Schreibens verwiesen.

Nachdem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2005 keinerlei Äußerung des Bevollmächtigten und auch keinerlei Vollmacht eingegangen war, war die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Auf die Frage, ob der Klägerin im Hinblick auf die Urteile des Senats vom 24.03.2005 (u.a. Az.: L 9 EG 56/04) ein Anspruch auf LErzg zustehen könnte, ist bei unzulässiger Berufung nicht mehr einzugehen.

Die Entscheidung über die Kosten, § 193 SGG, ist darin begründet, dass die Berufung ohne Erfolg bleibt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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