L 4 KR 9/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 19/99 FdV
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 9/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten der Berufung zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 20.096,50 DM in Euro.

Der 1929 geborene Kläger, von Beruf Diplom-Ingenieur, war von 1987 bis Ende 1988 bei der Beklagten als Architekt versicherungspflichtig tätig. Er traf mit ihr am 24.01.1989 mit Wirkung zum 01.01.1989 eine Vereinbarung, wonach er nach außen hin als freier Architekt seine Tätigkeit ausüben solle. Nach Beendigung seiner Tätigkeit Ende 1994 führte er vor dem Landgericht P. und dem Oberlandesgericht (OLG) M. einen Rechtsstreit mit dem Ziel, Leistungen nach der HOAI vergütet zu bekommen; er gab an, es sei eine selbständige Tätigkeit als Architekt beabsichtigt gewesen. Nachdem das OLG M. (Urteil vom 10.10.1996) die Anwendung der HOAI ausgeschlossen hatte, weil zwischen den Beteiligten ein arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis bestanden habe, wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 11.11.1996 an die Krankenkasse (Beigeladene) und bat, seine Verträge und das Urteil zu prüfen, um bei Aussicht auf Erfolg die anteiligen Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend einklagen zu können.

Die Beigeladene, bei der der Kläger durchgehend freiwillig versichert war, entschied daraufhin mit Bescheid vom 25.02.1997, dass er vom 01.01.1989 bis 31.12.1994 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der Beklagten gestanden habe. Es wurde ein Beitragsrückstand zur Rentenversicherung in Höhe von 84.736,80 DM und zur Arbeitslosenversicherung von 26.581,80 DM festgestellt (s. rechtskräftiges Senatsurteil vom 24.02.2000, L 4 KR 84/99).

Das Landgericht P. hatte mit den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 22.04.1996 und 26.11.1996 zu erstattende Kosten in Höhe von 4.735 DM und 4.366,80 DM festgesetzt, die der Kläger der Beklagten zu erstatten hatte.

Die Beigeladene erstellte am 14.05.1997 für den Kläger eine Bescheinigung über die freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge, die der Kläger vom 01.01.1989 bis 31.12. 1994 gezahlt hatte (Gesamtsumme 40.193,00 DM). Darin war vermerkt, dass der Arbeitgeber jeweils die Hälfte von diesen Beiträgen als Beitragszuschuss zu tragen habe.

Der Kläger hat am 16.05.1997 beim Sozialgericht Landshut (SG) Klage (S 10 KR 60/97) gegen seinen früheren Arbeitgeber erhoben und die Zahlung des Arbeitgeberanteils der freiwilligen Beiträge zur Krankenversicherung vom 01.01.1989 bis 31.12.1994 in Höhe von 20.096,50 DM beantragt. Im Erörterungstermin am 24.10.1997 hat das SG darauf hingewiesen, dass über die Frage der versicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten noch kein Widerspruchsbescheid ergangen sei und hat das Verfahren ausgesetzt.

Der Kläger hat am 19.02.1999 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt (nunmehriges Az. S 4 KR 19/99.FdV). Er hat am 05.07.1999 mitgeteilt, er habe einen Teil seiner Forderung auf Beitragszuschuss (7.430,00 DM) der Landesjustizkasse B. abgetreten und mit Schreiben vom 18.10.1999 die Höhe der Forderung unter Berücksichtigung der Zinsen mit 30.633,53 DM angegeben.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.07.2002 die Einrede der Verjährung für alle Ansprüche vor dem April 1993 erhoben. Es gelte hier die vierjährige Verjährungsfrist. Sollte das Gericht der Meinung sein, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet worden sei, bestünden lediglich Ansprüche aus dem Jahr 1993 für neun Monate (2.673,00 DM) und aus dem Jahr 1994 für 12 Monate (4.140,00 DM). Hilfsweise rechne sie gegen einen eventuellen Verurteilungsbetrag mit den Gegenansprüchen aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts P. in Höhe von 4.735,00 DM und 4.366,60 DM bis zur Höhe einer Verurteilung auf. Im Übrigen sei die Klage abzuweisen, weil der Kläger den Klagebetrag an die Volksbank P. und an die Landesjustizkasse abgetreten habe.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2002 beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.01.1989 bis 31.12.1994 einen Beitragszuschuss in Höhe der Hälfte des von ihm an die Beigeladene gezahlten Beitrages zur freiwilligen Krankenversicherung von 40.193,00 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 16.05.1997 zu zahlen.

Das SG hat mit Urteil vom 20.09.2002 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss. Er sei bei der Beklagten in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Es seien alle Beiträge verjährt, die bis 31.12.1992 fällig waren. Dies gelte auch für den Beitragszuschussanspruch des Klägers. Für die Zeit ab dem 01.01.1993 sei dem Kläger ein nicht verjährter Beitragszuschuss in Höhe von 7.704,00 DM (7.128,00 DM + 8.082,00 DM x 1/2) zugestanden. In der mündlichen Verhandlung habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ein weiteres Mal die Aufrechnung mit vom Kläger nicht bestrittenen Forderungen erklärt; damit sei die Forderung des Klägers mit der Aufrechnung erloschen, und zwar auch insoweit, als ihm ab 01.05.1997 Zinsen zuzusprechen waren.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 03.01.2003, mit der er die Zahlung von 10.275,18 Euro geltend macht. Es sei im vorliegenden Fall nicht die vierjährige Verjährungsfrist, sondern die 30-jährige Verjährungsfrist wegen vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge anzuwenden.

Nach Hinweis der Beigeladenen auf das rechtskräftige Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts, das bereits über den versicherungsrechtlichen Status und die Verjährung entschieden habe, hat der Kläger im vorliegenden Verfahren erklärt, er beantrage die Wiederaufnahme wegen Versagung rechtlichen Gehörs.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.09.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Beitragszuschusses zur Krankenversicherung bei der Beigeladenen in Höhe von 10.275,18 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, der Kläger sei freier Mitarbeiter gewesen, er habe sich selbst versichern wollen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen; der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des Beitragszuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 20.096,50 DM in Euro (10.275,18 Euro).

Gemäß § 257 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) erhalten freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuss die Hälfte des Beitrags, der für einen versicherungspflichtig Beschäftigten bei der Krankenkasse, bei der die Mitgliedschaft besteht, zu zahlen wäre, höchstens jedoch die Hälfte des Betrages, den sie tatsächlich zu zahlen haben. Es handelt sich bei diesem Anspruch auf Beitragszuschuss gegen den Arbeitgeber um einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch, der dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist und für den der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 04.07.1974 BSGE 37, 292, zu der Vorgängervorschrift des § 405 RVO; daran hat sich durch die Übernahme des § 405 RVO in § 257 SGB V nichts geändert, siehe BAG vom 01.06.1999, NZS 2000, 209).

Die Beigeladene hat diesen Anspruch auf Beitragszuschuss für die Zeit vom 01.01.1989 bis 31.12.1994 mit dem Schreiben vom 14.05.1997 bescheinigt. Danach hat der Kläger im genannten Zeitraum an die Beigeladene Krankenversicherungbeiträge von insgesamt 40.193,00 DM gezahlt, so dass der Anspruch auf den hälftigen Zuschuss 20.096,50 DM beträgt. Entsprechend dem Klageantrag, der dem in erster Instanz gestellten Antrag entspricht, geht der Senat von diesem Betrag aus.

Die vom Kläger geltend gemachte Forderung ist jedoch für die Beiträge, die bis 31.12.1992 fällig waren, verjährt; die Beklagte hat vor dem SG diese Einrede erhoben und war somit zur Leistungsverweigerung berechtigt. Gemäß § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, indem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, indem sie fällig geworden sind. Diese Vorschrift gilt auch für den Beitragszuschuss gemäß § 257 Abs. 1 SGB V; denn der Senat hat bereits mit Urteil vom 15.04.1981 (L 4 KR 54/79) entschieden, dass die Ansprüche auf Beitragszuschüsse nach der Vorgängervorschrift des § 405 Abs. 1, 2 Reichsversicherungsordnung in vier Jahren seit ihrer Entstehung verjähren.

Den Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist im zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnis des Klägers hat der Senat in dem rechtskräftig gewordenen Urteil von 24.02.2000 (L 4 KR 84/99) festgestellt, in dem es um die Beitragsforderung zur Renten- und Arbeitslosenversicherung gegangen ist. Bei der Berechnung der Frist muss davon ausgegangen werden, dass sich die Fälligkeit der Beiträge gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nach der Satzung bestimmt. Die Beigeladene hatte in § 14 der Satzung geregelt, dass Beiträge spätestens am 15. des Monats fällig werden, der dem Monat folgt, indem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Es wird diesbezüglich auf die entsprechenden Entscheidungsgründe im o.g. Urteil vom 24.02.2000 hingewiesen. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine rechtskräftige Feststellung, da bei einem abweisenden Urteil die Rechtskraft sich nicht auf Tatsachenfeststellungen und rechtliche Erwägungen erstreckt, die nur für die Auslegung des Urteils heranzuziehen sind (Meyer-Ladewig u.a., 8. Auflage, SGG, § 141, Rdnr. 7 m.w.N.).

Die dreißigjährige Verjährungsfrist greift im vorliegenden Fall gleichfalls nicht ein, wie der Senat in diesem Urteil vom 24.02.2000 entschieden hat. Es kann hier weder ein direkter, noch ein bedingter Vorsatz der Beklagten angenommen werden. Die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten war einvernehmlich so geregelt worden, dass die innerbetrieblichen Arbeitsabläufe nicht als abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach außen in Erscheinung treten sollten, ohne dass die Beteiligten Sozialversicherungsbeiträge hinterziehen wollten. Hinzukommt, dass zwischen den Beteiligten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht klar war, da wie z.B. das Landgericht P. im Urteil vom 25.01.2000 (1 O 288/98) festgestellt hat, der Kläger nach außen hin als selbständiger Architekt tätig werden, im Innenverhältnis aber als Angestellter handeln sollte. Daraus lässt sich auch ein bedingter Vorsatz des Arbeitgebers (Beklagte) bezüglich der fehlenden Zahlung des Beitragszuschusses nicht ableiten. In Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit ist der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintritt des Erfolges in dem Sinne einverstanden, dass er ihn billigend in Kauf nimmt, während bei der bewussten Fahrlässigkeit der fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und auf ihren Nichteintritt vertraut. Da die Beteiligten sich über die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen der einvernehmlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht im klaren waren, kann auch nicht von einem bedingten Vorsatz der Beklagten ausgegangen werden.

Daran ändert auch die vom Kläger erklärte Wiederaufnahme des Verfahrens wegen angeblicher Verletzung des rechtlichen Gehörs nichts (§ 179 SGG i.V.m. § 578, 579, 580 Zivilprozessordnung). Abgesehen davon, dass hier eine eindeutige prozessuale Erklärung verlangt wird, die in dem entsprechenden Verfahren abzugeben ist - diese liegt hier nicht vor - sind auch keine Gründe für eine Nichtigkeits- und Restitutionsklage (§§ 579,580 ZPO) ersichtlich. Auch wenn § 579 ZPO ausnahmsweise für die Verweigerung rechtlichen Gehörs entsprechend angewandt wird, nämlich dann, wenn der Betroffene infolge gesetzeswidriger Handlungen des Gerichts an der mündlichen Verhandlung gar nicht teilnehmen konnte, kann von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers im vorangegangenen, rechtskräftig abgeschlossenen Parallelverfahren nicht die Rede sein. Denn der Kläger war hier als Beigeladener und Berufungskläger erschienen.

Damit verbleibt von der geltend gemachten Gesamtforderung noch ein Restbetrag für die Jahre 1993 und 1994 (15.408,00 DM: 2 = 7.704,00 DM). Diese Restforderung ist durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen. Ob insoweit noch eine Restforderung des Klägers besteht, die nicht bereits abgetreten worden ist, lässt der Senat hier dahingestellt, da die Akten keinen Nachweis über die Wirksamkeit der Forderungsabtretung an die Landesjustizkasse enthalten. Gemäß § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) können zwei Personen ihre gegenseitigen Forderungen aufrechnen, wenn sie einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind. Vorausgesetzt wird ferner, dass jede dieser Personen die ihr gebührende Leistung fordern und die ihr obliegende Leistung bewirken kann. Die Beklagte hat gegen den Kläger eine fällige Gegenforderung aus den beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts P. in Höhe von insgesamt 9.101,60 DM. Die Aufrechnungserklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat dazu geführt, dass die noch offene Forderung des Klägers insoweit erloschen ist (§§ 388, 389 BGB). Da die Wirkung der Aufrechnungserklärung im Erlöschen der Forderung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage liegt, entfallen auch rückwirkend Verzugsfolgen. Damit besteht auch kein Anspruch auf Zinsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger hat dem Beklagten (Arbeitgeber) dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten (BSGE 44, 51).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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